Ein Vergleich zwischen Leiharbeit und anderen Arbeitsformen

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1 Ein Vergleich zwischen Leiharbeit und anderen Arbeitsformen Abschlussbericht Januar 2015 Im Auftrag von: Eurociett UNI Europa Projekt Nr. VS/2013/0389 IDEA Consult Kunstlaan 1-2, bus 16 B 1210 Brussel T: F: info@ideaconsult.be Project co-funded by the

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3 Zusammenfassung Eine Studie zum Vergleich der Leiharbeit mit anderen Arbeitsformen: Ein klareres Bild der Dynamik auf dem Arbeitsmarkt Es gibt auf dem europäischen Arbeitsmarkt verschiedene Formen der Arbeit nebeneinander. Diese Formen der Arbeit unterschieden sich in vielerlei Hinsicht, wie etwa in Bezug auf die Länge der Arbeitsaufträge, die Vertragsvereinbarungen und den Zugang zur sozialen Sicherheit. Diese Formen der Arbeit sind auf EU- Ebene und auf nationaler Ebene geregelt. Während der letzten Jahrzehnte kam es zu Änderungen auf dem europäischen Arbeitsmarkt. Während unbefristete Vollzeitarbeitsverträge weiterhin zu den am weitesten verbreiteten Vertragsformen zählen, wurden diese im Laufe der Zeit durch andere Beschäftigungsformen ergänzt. Es wurde in den letzten Jahren ein Zunehmen der Teilzeitbeschäftigung verzeichnet und die Trennlinie zwischen den verschiedenen Arbeitsformen verschwimmt immer mehr, so können inzwischen z.b. Leiharbeitnehmer auch mit unbefristetem Vertrag beschäftigt werden. Das Verständnis für die Änderungen auf dem Arbeitsmarkt ist von entscheidender Bedeutung für die Sicherstellung der Entwicklung nachhaltiger Politiken, die darauf abzielen, die soziale Sicherheit von Arbeitnehmern zu erhöhen und die Effizienz des Arbeitsmarktes insgesamt zu verbessern. Angesichts dieser Tatsache ist es wichtig, ein klares Bild über die Entwicklung des Ausmaßes der verschiedenen Formen der Arbeit, der damit verbundenen Arbeitsbedingungen und deren Beitrag zum Arbeitsmarkt zu erhalten. In diesem Kontext besteht das wesentliche Ziel dieser Studie darin, die Leiharbeit mit anderen Formen der Arbeit im Hinblick auf folgende Themen zu vergleichen: Größe und Entwicklung; EU-Rechtsvorschriften; Effektive Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen. Die Studie ist auf einen Vergleich der Leiharbeit mit drei anderen Formen der Arbeit ausgerichtet, die eine wichtige Rolle auf dem Arbeitsmarkt spielen: unbefristete Arbeitsverträge, befristete Arbeitsverträge und Selbstständigkeit. Um die Leiharbeit mit diesen Formen der Arbeit zu vergleichen, wurden drei verschiedene methodologische Analysen durchgeführt: Schreibtischstudie und Datenanalyse; Umfrage bei den Mitgliedern von Eurociett und UNI Europa; Analyse einer Fallstudie. In dieser Zusammenfassung werden die wichtigsten Ergebnisse der Studie kurz dargestellt. 3

4 Die Leiharbeit macht immer noch einen kleinen Anteil an der Gesamtbeschäftigung aus und hat sich während des letzten Jahrzehnts unstetig entwickelt. Der Anteil der Leiharbeit ist im Vergleich zu anderen Formen der Arbeit gering. In Bezug auf die EU-27 machte 2012 die Leiharbeit rund 1,8% der Gesamtbeschäftigung aus. Der Anteil der Leiharbeit bleibt relativ beschränkt im Vergleich zu anderen Formen der Arbeit: In der EU-27 machten unbefristete Verträge rund 75% der Gesamtbeschäftigung 2013 aus, während der Anteil der Zeitarbeitsverträge 1 und der selbstständig Beschäftigten bei rund 11% und 14% lag. Auf EU-Ebene hat sich im letzten Jahrzehnt keine spezifische Arbeitsform auf Kosten anderer Formen ausgebreitet. Zwischen 1998 und 2012 stieg in der EU-15 der Anteil der Leiharbeit an der Gesamtbeschäftigung um 1%. Die jüngsten Entwicklungen sind jedoch uneinheitlich: Während im Zeitraum 2003 bis 2007 die Leiharbeit zunahm, führte die Krise ab 2008 zu einer Trendwende. Zwischen 2003 und 2012 stieg der Anteil der Leiharbeit an der Gesamtbeschäftigung in der EU-15 um nur 0,4%. Aus diesem Grund können wir zu der Schlussfolgerung kommen, dass es kein starkes strukturelles Wachstum der Leiharbeit auf dem europäischen Arbeitsmarkt gibt. 2 Im Hinblick auf andere Formen der Arbeit kam es in der EU-15 zwischen 1996 und 2013 zu folgenden Entwicklungen: der Anteil der unbefristeten Verträge ging um 1,4% zurück; die Zeitarbeit nahm um 1,9% zu; die Selbstständigkeit ging um 0,5% zurück. Während der Arbeitsmarkt sich derzeit wandelt (z.b. Anstieg der Teilzeitarbeit, schwammige Trennlinien zwischen einigen Formen der Arbeit usw.), können wir nicht die Schlussfolgerung ziehen, dass eine spezifische Form der Arbeit auf Kosten anderer Arbeitsformen auf EU-Ebene zunimmt. Alle Formen der Arbeit entwickeln sich absolut betrachtet in dieselbe Richtung weiter, die von wirtschaftlichen Bedingungen beeinflusst wird. Relativ betrachtet kommt es zu uneinheitlichen Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt (z.b. Rückgang der Leiharbeit während der Krise usw.). Auf nationaler Ebene gibt es unterschiedliche Profile und eine starke Dynamik. Unterschiedliche Profile (in Bezug auf den Anteil der Arbeitsformen) und eine starke Dynamik sind in einigen europäischen Ländern zu verzeichnen: Einige Länder zeichnen sich durch einen besonders hohen Anteil einer bestimmten Arbeitsform aus: So belief sich beispielsweise in Spanien und Italien 2013 der Anteil der Selbstständigkeit auf rund 22% bzw. 15% der Gesamtbeschäftigung (im Vergleich zum Durchschnittswert der EU-15 in Höhe von rund 11%). Während der letzten Jahre kam es auf dem Arbeitsmarkt zu einschneidenden Entwicklungen, so wurde z.b. in Frankreich und Spanien ein starker Anstieg der befristeten Arbeitsverträge mit kurzer Dauer (weniger als 1 Monat) verzeichnet. In den Niederlanden kam es zu einem Rückgang des Anteils der unbefristeten Verträge (-8% zwischen 2001 und 2013). Der Anteil und die Entwicklung der verschiedenen Formen der Arbeit können durch die Entwicklung einiger Schlüsselindikatoren erklärt werden, wie der BSP-Wachstumsrate. Außerdem können die bestehenden Rechtsvorschriften zu den verschiedenen Formen der Arbeit einige der Differenzen des relativen Anteils erklären: So kann z.b. der relativ geringe Anteil der Leiharbeit im Vergleich zum Anteil der zeitlich befristeten Verträge die Folge einer strengeren Regulierung der Leiharbeit sein. 1 2 Die Kategorie Zeitarbeit umfasst nicht nur zeitlich befristete Verträge. Auch Leiharbeitsagenturen zählen zu dieser Kategorie. Es gibt keine öffentlich verfügbaren harmonisierten EU-Daten nur für zeitlich befristete Verträge. Es ist jedoch zu unterstreichen, dass diese allgemeinen Erkenntnisse nicht einheitlich für alle Mitgliedstaaten gelten. Ein Beispiel: In Deutschland stieg der Anteil der Leiharbeit zwischen 1996 und 2012 um 1,7% an, während in Spanien deren Anteil 2012 genauso hoch wie 1998 war betrug der Anteil der Leiharbeit in den Niederlanden 2,8%, während er in Spanien im selben Jahr sich nur auf 0,5% belief. 4

5 Die Leiharbeit spielt eine zentrale Rolle auf dem Arbeitsmarkt Trotz des geringen Wachstums während des letzten Jahrzehnts spielt die Leiharbeit eine wichtige Rolle für Unternehmen, Arbeitnehmer und den Arbeitsmarkt insgesamt. Die Leiharbeit ist eine Dreiecksbeziehung zwischen einem entleihenden Unternehmen, einem Arbeitnehmer und einer Agentur. Die Leiharbeit bietet den Unternehmen die erforderliche Flexibilität, um Änderungen der Nachfrage abzufangen und sorgt dafür, dass den Unternehmen Arbeitnehmer mit der geforderten Qualifikation und den geforderten Kenntnissen zur Verfügung stehen. Erstens erlaubt die Leiharbeit eine Reaktion auf einen kurzfristigen Anstieg (oder Rückgang) der Nachfrage, was - unter anderem - auf Änderungen der wirtschaftlichen Bedingungen zurückgeht. Die stark positive Korrelation zwischen der Entwicklung der Leiharbeit und den wirtschaftlichen Bedingungen wird durch die Studie bestätigt und zeigt, dass die Unternehmen auf die Leiharbeit zurückgreifen, um auf wirtschaftliche Änderungen zu reagieren. Zweitens wurden in einigen Ländern von den Sozialpartnern Systeme entwickelt, um die Kosten der Leiharbeit für die entleihenden Unternehmen zu reduzieren, während den Arbeitnehmern mehr Beschäftigungssicherheit geboten wird. So erlauben es beispielsweise Tarifverträge in Deutschland niedrigere Kosten (Ausnahme von Gleichbezahlungsgrundsatz in Deutschland) zu kombinieren mit einer Beschäftigungsgarantie und der Stabilität der sozialen Sicherheit für die Arbeitnehmer (unbefristete Verträge für die Leiharbeitnehmer in Deutschland). In den Niederlanden haben die Sozialpartner im Bereich der Leiharbeit ein System geschaffen, in dem in einer ersten Phase der Beschäftigung ein hohes Maß der Flexibilität besteht, während es bei einer höheren Anzahl von absolvierten Arbeitstagen dann zu einem Ausbau des Beschäftigungs- und Einkommensschutzes kommt. Drittens erlaubt es die Leiharbeit den Unternehmen, Bewerber mit der gewünschten Qualifikation und den gewünschten Kompetenzen einzustellen. Die Agenturen strengen sich deshalb auch an in Bezug auf den Ausbau der Qualifikationen und der Kenntnisse der Arbeitnehmer und beim Abgleich des Profils mit dem vom Unternehmen geforderten. Im Leiharbeitssektor wurden verschiedene Initiativen von den Sozialpartnern (zweiseitige Einrichtungen oder Organe) durchgeführt, um den Zugang zu Bildungsmaßnahmen seitens der Leiharbeitnehmer zu verbessern. Die Leiharbeit fungiert als Brücke von der Arbeitslosigkeit zur Arbeit und bietet für die Arbeitnehmer flexible Arbeitszeitregelungen und Abwechslung in Bezug auf die Arbeitserfahrung. Was die Arbeitnehmer angeht, hat die Studie einige der Schlüsselrollen hervorgehoben, die der Leiharbeit zukommen. Erstens erleichtern Leiharbeitsagenturen den Übergang von der Arbeitslosigkeit zur Arbeit sowohl kurzfristig als auch langfristig. In Frankreich (2012) und in Deutschland (2011) waren 60% der Leiharbeitnehmer arbeitslos, bevor sie die Arbeit für die Leiharbeitsagentur aufnahmen. Wenn man eine längere Zeitspanne berücksichtigt, erscheint es offensichtlich, dass der Brückeneffekt von der Arbeitslosigkeit zur Arbeit in einigen Ländern fortbesteht: z.b. in Frankreich waren ein Jahr nach der Aufnahme der Leiharbeit 68% der Arbeitnehmer noch beschäftigt (als Leiharbeitnehmer oder mit einem befristeten oder einem unbefristeten Arbeitsvertrag). Eine weitere Studie aus Frankreich ergab, dass ausgehend von einem Pool arbeitsloser Arbeitnehmer % der früheren Leiharbeitnehmer sich ein Jahr später wieder in Arbeit befanden im Vergleich zu den 43% der mit einem befristeten Vertrag Beschäftigten. Wenn man sich dagegen die Wahrnehmung der Arbeitnehmer anschaut, zeigen die Ergebnisse der Europäischen Erhebung über die Arbeitsbedingungen (EWCS) von 2010, dass die Leiharbeitnehmer auf EU-Ebene für sich selbst von einem höheren Risiko eines Arbeitsplatzverlustes ausgehen (d.h. es besteht ein höheres wahrgenommenes Risiko, den Arbeitsplatz zu verlieren und eine wahrgenommene geringere Wahrscheinlichkeit, eine neue Beschäftigung zu finden) als andere Arbeitnehmer. Andere Studien zeigen, dass im Vergleich zu anderen Formen der Zeitarbeit oder im Vergleich zur Arbeitslosigkeit die Leiharbeit effizienter sein kann in Bezug auf die Erleichterung des Übergangs zu unbefristeten Verträgen. Ferner gibt es auch Arbeitnehmer, die zu Leiharbeitnehmern werden, weil sie auf der Suche nach Flexibilität in Bezug auf die Beschäftigung sind. Die Leiharbeit bietet Flexibilität in Bezug auf die Arbeitszeit und die Gelegenheit, unterschiedliche Arbeitserfahrungen zu machen. Studenten können die Leiharbeit als Brücke zwischen der Ausbildung und der Arbeit benutzen. Abschließend sei auch auf den Fall derjenigen hingewiesen, die erstmals auf den Arbeitsmarkt treten: Die Leiharbeit ermöglicht es 5

6 ihnen, erste relevante Berufserfahrungen zu machen, die ihnen dabei helfen können, ihre Stellung auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern. Die Leiharbeit trägt dazu bei, den Anteil der Erwerbstätigen zu erhöhen und Schwarzarbeit zu bekämpfen Was den Arbeitsmarkt insgesamt angeht, können folgende Ergebnisse unterstrichen werden: Der Anteil der Leiharbeit weist eine positive Korrelation zum Anteil der Erwerbstätigen auf: Dieser ist tendenziell höher in den Ländern, in denen der Anteil der Leiharbeit hoch ist. In Ländern, in denen es einfacher ist, auf Leiharbeit zurückzugreifen, ist der Anteil der Schwarzarbeit geringer. Diese Ergebnisse können die Rolle der TAW bei der Erhöhung der Beteiligungsraten am Arbeitsmarkt und bei der Bekämpfung der Schattenwirtschaft hervorheben. 6

7 Die Leiharbeit wird weitgehend auf EU-Ebene geregelt und es bestehen verschiedene Einschränkungen bezüglich des Einsatzes der Leiharbeit Die EU-Rechtsvorschriften bilden eine gemeinsame Grundlage für die Regulierung der Arbeitsformen, lassen jedoch auch Raum für nationale Besonderheiten. Unbefristete Arbeitsverträge werden häufig als "Allgemeine Arbeitsverträge" bezeichnet und fallen deshalb bereits in den Anwendungsbereich der ersten Richtlinien zum Thema Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen. Danach wurden jedoch auch andere Formen der Beschäftigung geregelt: z.b. durch die Leiharbeitsrichtlinie (2008/104/EG) und die Richtlinie über befristete Arbeitsverträge (1999/70/EG). In den europäischen Rechtsvorschriften nehmen der soziale Dialog und die Sozialpartner eine wichtige Rolle bei der Festlegung der Regeln, die die Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen der Arbeitsformen definieren, ein. In einigen Richtlinien ist außerdem vorgesehen, dass verschiedene Ausnahmeregelungen in den Fällen annehmbar sind, in denen die Sozialpartner auf nationaler Ebene eine Einigung erzielen, die von derjenigen abweicht, die in der Richtlinie vorgegeben ist, was die Rolle der Sozialpartner stärkt. Trotz dieser gemeinsamen Grundlage können die Vorschriften zu verschiedenen Themen dennoch zwischen den EU-Mitgliedstaaten abweichen: Einige Richtlinien erlauben Ausnahmeregelungen bei ihrer Umsetzung und verschiedene Themen sind immer noch hauptsächlich auf nationaler Ebene geregelt. Der Gleichbehandlungsgrundsatz wird generell umgesetzt Im Jahr 2008 wurde die Richtlinie 2008/104/EG über Leiharbeit umgesetzt. Die Richtlinie zielt unter anderem darauf ab, den Grundsatz der Gleichbehandlung der Leiharbeiter mit denjenigen des entleihenden Unternehmens umzusetzen und einen geeigneten Rahmen für den Einsatz von Leiharbeit einzurichten, um so effektiv zur Arbeitsplatzschaffung und zur Entwicklung flexibler Arbeitsformen beizutragen. Ferner wurde eine weitere Richtlinie angenommen, die darauf abzielt, die Gesundheit und die Sicherheit von Leiharbeitnehmern zu schützen: die Richtlinie zur Ergänzung der Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes von Arbeitnehmern mit befristetem Arbeitsverhältnis oder Leiharbeitsverhältnis (91/383/EWG). Bei Überprüfung der Umsetzung der Richtlinie wurde festgestellt, dass es zu Verbesserungen bei der Regulierung der Leiharbeit gekommen ist. Ferner wurden, wie von der Richtlinie vorgesehen, einige Ausnahmeregelungen (Anwendungsbereich, Gleichbehandlung usw.) eingeführt auf der Grundlage von Vereinbarungen der Sozialpartner in verschiedenen Ländern (Österreich, die Niederlande, Deutschland usw.). Bei der Überprüfung der Einschränkungen/Verbote (sektorale Beschränkungen, maximale Länge der Entsendung und maximale Anzahl der Erneuerungen usw.) in den Mitgliedstaaten wurde festgestellt, dass es weiterhin Einschränkungen in Bezug auf die Nutzung von Leiharbeit gibt, wobei sich die Situation in den einzelnen Ländern stark voneinander unterscheidet. In diesem Kontext musst sichergestellt werden, dass diese Beschränkungen den Beitrag, den die Leiharbeit zur Arbeitsplatzschaffung und zur Verbesserung der Funktionsweise des Arbeitsmarktes leistet, nicht behindern. Der Grundsatz der Nichtdiskriminierung wird generell umgesetzt. Die befristete Beschäftigung wird auf europäischer Ebene hauptsächlich durch zwei Richtlinien geregelt: die zu den befristeten Arbeitsverhältnissen (1999/70/EG) und die zur Gesundheit und Sicherheit der Leiharbeitnehmer und befristet Beschäftigten (91/383/EWG). Die Richtlinie über befristete Beschäftigung verfolgt zwei spezifische Ziele: Zum einen soll sichergestellt werden, dass die befristeten Arbeitnehmer nicht ungerechtfertigt diskriminiert werden und zum anderen soll der Missbrauch des Einsatzes von aufeinander folgenden befristeten Verträgen zwischen demselben Arbeitgeber und Arbeitnehmer für die gleiche Arbeit unterbunden werden. Der Grundsatz der Nichtdiskriminierung wurde in allen Mitgliedstaaten umgesetzt. Was die Nutzung der Bedingungen/Einschränkungen hinsichtlich des Einsatzes von befristeten Arbeitsverträgen angeht, scheinen in den verschiedenen Ländern objektive Gründe für den Einsatz und Beschränkungen in Bezug auf die Vertragserneuerung oder Dauer eingeführt worden zu sein. Es gibt jedoch eine breite Palette an spezifischen Bestimmungen im Hinblick auf die maximale Dauer und die Anzahl der Vertragserneuerungen usw. Bei einem Vergleich der Leiharbeit mit der befristeten Beschäftigung werden zusätzliche Beschränkungen offensichtlich, die es bei der Leiharbeit gibt (sektorale Beschränkungen usw.), während bei der befristeten Beschäftigung keine derartigen Beschränkungen vorgesehen sind. Die Selbstständigkeit ist auf EU-Ebene kaum geregelt. 7

8 Die EU-Rechtsvorschriften beziehen sich ausschließlich auf die Erleichterung der Niederlassungsfreiheit für Selbstständige und Aspekte im Zusammenhang mit der Gleichbehandlung in Bezug auf Mutterschaftsleistungen (siehe Richtlinie 2010/41/EU). Die anderen Themen sind dagegen ausschließlich auf nationaler Ebene geregelt. 8

9 Leiharbeit und unbefristete Arbeitsverträge bieten vergleichbare Rechte in Bezug auf Schlüsselaspekte der Beschäftigung und in Bezug auf die Arbeitsbedingungen Die Leiharbeit bietet einen ähnlichen Zugang zur sozialen Sicherheit wie ein unbefristeter Arbeitsvertrag. In den Ländern, die Gegenstand der Umfrage sind, die im Rahmen dieser Studie durchgeführt wurde, wurde festgestellt, dass die Leiharbeit und die befristeten Verträge ähnliche Bedingungen bieten wie unbefristete Verträge in Bezug auf Arbeitslosenleistungen, Krankengeld, Mutterschaftsurlaub, Krankenversicherungs- und Rentenleistungen. Im Gegensatz dazu bietet die Selbstständigkeit einen wesentlich geringeren Schutz als die unbefristeten Verträge, die Zeitarbeit oder die befristete Beschäftigung. Die Differenzen sind besonders beeindruckend in Bezug auf die Arbeitslosenleistungen, das Krankengeld, den Mutterschaftsurlaub und die Rentenleistungen, sie sind dagegen geringer in Bezug auf die Krankenversicherung. Der effektive Zugang zu sozialen Leistungen kann für Arbeitnehmer mit kurzfristigen Verträgen schwierig sein: Aus diesem Grund ist die Übertragbarkeit der Rechte so wichtig. Während der Zugang zur sozialen Sicherheit bei der Leiharbeit und der befristeten Beschäftigung ähnlich ist wie bei unbefristeten Verträgen, kann der Zugang zu sozialen Leistungen in der Praxis für kurzfristig beschäftigte Arbeitnehmer schwierig sein (befristete Arbeitsverträge oder Leiharbeit). Es kann unter Umständen schwierig sein, die erforderliche Anzahl an Arbeitstagen oder die Einkommenshöhe (Schwellenwerte) zu erreichen, die Zugang zu sozialen Leistungen gewährt (Rente, Arbeitslosenleistung usw.) Im Falle von Verträgen mit sehr kurzer Dauer kann eine Krankheit oder eine Schwangerschaft negative Auswirkungen auf den Arbeitnehmer haben: Die Zahlung der Sozialleistungen kann eingestellt werden, wenn der Vertrag beendet wird und dem Arbeitnehmer kann eine Erneuerung des Vertrags verweigert werden. Aus diesem Grund kann es von Bedeutung sein, in bestimmten Fällen zusätzliche Entschädigungsleistungen zur Verfügung zu stellen und die Übertragbarkeit und die effektive Anrechenbarkeit der Ansprüche unter mehreren Verträgen von kurzer Dauer sicherzustellen. Die Übertragbarkeit von Ansprüchen muss sowohl innerhalb einer bestimmten Arbeitsform (dies wurde beispielsweise im Leiharbeitssektor in einigen Ländern sichergestellt) als auch zwischen verschiedenen Formen der Arbeit (von der Leiharbeit in eine andere Form der Arbeit) möglich sein, um die Arbeitnehmer mit verschiedenen Verträgen zu schützen. Im Leiharbeitssektor haben die Sozialpartner Initiativen entwickelt, die darauf abzielen, den sozialen Schutz der Arbeitnehmer mit einem Vertrag von kurzer Dauer zu verbessern. Was den Leiharbeitssektor angeht, wurden verschiedene zweiseitige Organe oder Fonds ins Leben gerufen, um Ausgleichszahlungen für Arbeitnehmer mit Verträgen von kurzer Dauer zu leisten und die Übertragbarkeit der Ansprüche im Leiharbeitssektor zu verbessern. Derartige Initiativen scheinen jedoch auf dieser Skala für befristete Verträge (oder die Selbstständigkeit) nicht zu bestehen. Nachfolgend zitieren wir einige der Initiativen/Bestimmungen, die von Sozialpartnern im Leiharbeitssektor entwickelt wurden (andere Initiativen sind im Bericht enthalten): In Bezug auf das Krankengeld: u u u In Belgien wurde eine Tarifvereinbarung ausgehandelt und umgesetzt, um Leiharbeitnehmer weiter zu schützen: Sie erhalten jetzt eine zusätzliche Ausgleichszahlung von der Agentur während der ersten 30 Tage der Arbeitsunfähigkeit. In Frankreich wurden Tarifvereinbarungen zwischen den Sozialpartnern ausgehandelt im Hinblick auf zusätzliche Ausgleichszahlungen bei Krankheit oder Unfall. Die Organisation, die für die Abwicklung dieser zusätzlichen Leistungen zuständig ist, nennt sich "Reunica". Im Falle einer Berufsunfähigkeit wird eine Rente bezahlt, falls der Leiharbeitnehmer während der 24 Monate vor Einstellung der Tätigkeit mindestens Arbeitsstunden gearbeitet hat. In den Niederlanden enthält ein Tarifvertrag zusätzliche Bestimmungen für Arbeitnehmer in der "Phase A" (d.h. Arbeitnehmer, die nur wenige Arbeitstage absolviert haben, siehe Abschnitt 5.3). In Bezug auf die Krankenversicherung ist in Italien ein zusätzlicher Versicherungsschutz für Leiharbeitnehmer vorgesehen, z.b. in Bezug auf zahnärztliche oder chirurgische Leistungen. In Bezug auf die Rentenansprüche: 9

10 u u In Frankreich wurde ein Pensionsfonds für Leiharbeitnehmer eingerichtet. Dies vereinfacht die Auflistung aller Arbeitseinsätze der Arbeitnehmer und gibt den Arbeitnehmern einen besseren Überblick über ihre jeweilige Situation in Bezug auf die Rentenansprüche. In Italien wurde ein zusätzlicher privater Pensionsfonds (FONTEMP) eingerichtet, der es Leiharbeitnehmern ermöglicht, in den Genuss zusätzlicher Leistungen zu kommen. Bei der Leiharbeit wurden besonders gute Ergebnisse in Bezug auf die berufsbildenden Maßnahmen und die Gesundheits- und Sicherheitsbedingungen verzeichnet Unbefristete Verträge bieten in der Regel bessere grundlegende Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen als andere Formen der Arbeit. In Bezug auf die grundlegenden Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen (z.b. Arbeitszeit, die im Kontext der Studie sehr weit gefasst ist, und die Bezahlung), scheinen unbefristete Arbeitsverträge generell bessere Konditionen zu bieten als andere Vertragsformen: In Bezug auf die Arbeitszeit deutet der von Eurofound entwickelte Indikator der Arbeitszeitqualität (Planbarkeit, Flexibilität der geleisteten Arbeitszeit usw.) darauf hin, dass unbefristete Verträge und die Selbstständigkeit eine bessere Arbeitszeitqualität bieten als befristete Verträge und - etwas weniger deutlich - als die Leiharbeit. Das hohe Ergebnis für die Selbstständigen könnte erklärt werden durch die Flexibilität bei der Planung der Arbeitszeit. In Bezug auf die Bezahlung dagegen und beim Vergleich von Leiharbeitnehmern und befristet Beschäftigten zeigen die Ergebnisse der 5. EWCS, die 2010 von Eurofound durchgeführt wurde, dass der Anteil der befristet Beschäftigten, die mehr als Euro pro Jahr verdienen, höher ist als bei zeitlich befristeten Arbeitsverträgen (46% im Vergleich zu 40%). Dieser Anteil ist jedoch geringer als bei den Arbeitnehmern mit unbefristetem Arbeitsvertrag oder bei Selbstständigen (74% bei unbefristeten Verträgen) und 68% bei Selbstständigen). Es muss festgestellt werden, dass es vielfältige methodologische Fragen bei der Bewertung der Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen der verschiedenen Arbeitsformen gibt. Die Unterschiede zwischen den verschiedenen Arbeitsformen können auf andere Faktoren als die vertragliche Vereinbarung selbst zurückzuführen sein: z.b. der Sektor, die Beschäftigung oder das Alter der Arbeitnehmer können Auswirkungen auf wesentliche Aspekte der Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen (wie die Bezahlung) haben. Wenn die Merkmale des Arbeitsnehmers in den verschiedenen Arbeitsformen unterschiedlich sind, kann es schwierig sein, die Unterschiede zu bestimmen, die effektiv auf die vertragliche Vereinbarung zurückzuführen sind. Leiharbeitnehmer fühlen sich am Arbeitsplatz einem höheren Risiko ausgesetzt als andere Arbeitnehmer und die Sozialpartner haben Initiativen entwickelt, die spezifisch auf Leiharbeitnehmer ausgerichtet sind. Was die von den Sozialpartnern entwickelten Initiativen angeht, haben die Ergebnisse der Umfrage, die im Rahmen dieser Studie durchgeführt wurde, Folgendes ergeben: Für unbefristete Arbeitsverhältnisse, Leiharbeit und befristete Beschäftigung haben die Sozialpartner in rund 50% der Länder, auf welche sich die Umfrage bezieht, Initiativen durchgeführt. Im Leiharbeitssektor gibt es Initiativen, die speziell auf Leiharbeitnehmer ausgerichtet sind, während es keine derartigen Initiativen für befristet Beschäftigte gibt. In Bezug auf die Selbstständigkeit wurden in den an der Umfrage beteiligten Ländern wenige Initiativen durchgeführt. Gemäß den Ergebnissen der Europäischen Erhebung über die Arbeitsbedingungen (EWCS) fühlen sich Leiharbeitnehmer weniger gefährdet als andere Arbeitnehmer: 79% der Leiharbeitnehmer erklärten, dass ihre Sicherheit bei der Arbeit nicht gefährdet sei. Dieser Prozentsatz liegt bei den unbefristet Beschäftigten und den zeitlich befristeten Arbeitnehmern nur bei 76% und bei Selbstständigen bei 72%. Die überwiegende Mehrheit der Leiharbeitnehmer hat in den letzten 12 Monaten an Weiterbildungsmaßnahmen und Initiativen teilgenommen, die von den Sozialpartnern organisiert wurden, um den Zugang zu dieser Weiterbildung zu erleichtern. Die Ergebnisse der im Rahmen dieser Studie durchgeführten Umfrage ergaben erstens Folgendes: 10

11 Durchschnittlich haben befristet Beschäftigte und Leiharbeitnehmer einen geringfügig geringeren Zugang zu berufsbildenden Maßnahmen als Arbeitnehmer mit unbefristeten Arbeitsverträgen. Die Anzahl der Länder, in denen derartige Initiativen von den Sozialpartnern organisiert wurden, um den Zugang zu berufsbildenden Maßnahmen zu verbessern, ist für unbefristete Verträge, zeitlich befristete Verträge und Leiharbeit ähnlich. Im Vergleich zur Zeitarbeit scheinen generell weniger spezifische Initiativen oder Fonds zu bestehen, die den Zugang zu Weiterbildungsmaßnahmen für Beschäftigte mit befristeten Verträgen ermöglichen. Zum Beispiel in den Niederlanden gibt es eine zweiseitige Institution ("STOOF"), die das Ziel verfolgt den Zugang zu berufsbildenden Maßnahmen für Zeitarbeitnehmer zu verbessern. Eine derartige Institution gibt es in diesem Ausmaß nicht für Leiharbeitnehmer. Selbstständige haben weniger Zugang zu berufsbildenden Maßnahmen und die Sozialpartner organisieren weniger Initiativen für diese Gruppe. Diese Ergebnisse werden auch von der EWCS (2010) bestätigt. Gemäß EWCS (2010) hat die überwiegende Mehrheit von Leiharbeitnehmern (77%), Arbeitnehmern mit unbefristeten Arbeitsverträgen (82%) und mit befristeten Arbeitsverträgen (78%) während der letzten 12 Monate an einer Weiterbildungsmaßnahme teilgenommen (einschließlich selbstbezahlten Kursen und Ausbildung am Arbeitsplatz). Der Anteil der Selbstständigen, der während der letzten 12 Monate an einer derartigen Maßnahme teilgenommen hat, ist viel geringer (55%). Leiharbeitnehmer haben Zugang zu Vertretungsorganen auf verschiedenen Ebenen In den meisten der Länder, die bei der Umfrage berücksichtigt wurden, haben Arbeitnehmer mit unbefristeten Verträgen oder mit zeitlich befristeten Verträgen und Leiharbeitnehmer Zugang zu Betriebsräten oder sonstigen Vertretern auf nationaler, Sektor- oder Unternehmensebene. Bei den Selbstständigen dagegen hat die große Mehrheit der Arbeitnehmer in den berücksichtigten Ländern keinen Zugang zu solchen Gremien oder Vertretern. 11

12 Die Entwicklung einzigartiger zweiseitiger Organe/Fonds ist ein Schlüsselmerkmal der Leiharbeit und ein wichtiger Unterscheidungspunkt beim Vergleich mit anderen Formen der flexiblen Arbeit Die Sozialpartner haben im Leiharbeitssektor einzigartige zweiseitige Organe/Fonds eingerichtet. Wie bereits erwähnt, haben die Sozialpartner zur Verbesserung der sozialen Sicherheit von Leiharbeitnehmern (insbesondere denjenigen mit Verträgen mit kurzer Dauer), Initiativen im Leiharbeitssektor verschiedener Länder entwickelt (Frankreich, Niederlande, Belgien, Italien, usw.). Diese zweiseitigen Organe oder Fonds zielen darauf ab, die soziale Sicherheit der Leiharbeitnehmer zu verbessern. Die Sozialpartner haben diese Organe und Fonds auch eingerichtet, um die Arbeitsbedingungen für Arbeitnehmer zu verbessern (z.b. Entwicklung von Fonds für berufsbildende Maßnahmen, usw.). Diese Initiative kommt allen Leiharbeitnehmern zugute, ungeachtet des entleihenden Unternehmens, für welches sie tätig sind. Es scheint keine vergleichbaren, systematisch bestehenden Bestimmungen für befristete Standardverträge oder für die Selbstständigkeit zu geben, was darauf hindeuten würde, dass die besondere Beschäftigungsbeziehung, zu der es aufgrund der Leiharbeit kommt (Dreiecksbeziehung) dazu beiträgt, dass Bestimmungen entwickelt werden, die die Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmer verbessern. Die Dreiecksbeziehung erlaubt die Herausbildung einzigartiger Organe oder Fonds: Sie stellt einen wichtigen Unterschied im Vergleich zu anderen Formen flexibler Arbeit dar Die Entwicklung derartiger einzigartiger Organe / Fonds wird durch die Dreiecksbeziehung der Leiharbeit gefördert: Die vermittelnde Rolle der Agenturen sowie die aktive Rolle der Sozialpartner ist von entscheidender Bedeutung. Dies gilt jedoch nicht in Bezug auf befristete Arbeitsverträge (unter diesem Begriff sind verschiedene Arten von Verträgen in verschiedenen Sektoren zusammengefasst) oder auf die Selbstständigkeit. Die Vielzahl der unterschiedlichen befristeten Verträge (oder der Selbstständigkeit) und der Mangel an einem einzigen Vermittler führen dazu, dass es schwierig ist, einzigartige Organisationen oder Fonds für diese Arbeitnehmer zu entwickeln. Es ist ferner wichtig festzustellen, dass die Vermittlung im Leiharbeitssektor die Privatisierung der Organe / Fonds möglich macht: So ist beispielsweise in Frankreich die Organisation, die eine bessere Registrierung der Karrieremöglichkeiten der Leiharbeiter zulässt, privat finanziert, was es möglich macht, ohne öffentliche Gelder die verschiedenen Karrieremöglichkeiten der im Rahmen verschiedener Verträge tätig gewordenen Arbeitnehmer zu registrieren. Angesichts dieser Tatsache besteht die Stärke der Leiharbeit im Vergleich zu anderen Formen der flexiblen Arbeit (d.h. befristete Standardverträge oder Selbstständigkeit) in der Tatsache, dass die Dreiecksbeziehung die Einrichtung von Systemen und Initiativen erleichtert, die die Flexibilität mit der Verbesserung der Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen verknüpfen. 12