Tarifpolitik in Produktions- und Dienstleistungsnetzwerken
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- Frank Schmid
- vor 5 Jahren
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1 Fragmentierung der Tariflandschaft Tarifpolitik in Produktions- und Dienstleistungsnetzwerken Vortrag im Rahmen der tarifpolitischen Tagung des WSI Aktuelle Entwicklungen in der Tarifpolitik am 7./8. Oktober 2015 in Düsseldorf von Prof. Dr. Carsten Wirth Hochschule Darmstadt Haardtring 100 D Darmstadt Prof. Dr. Carsten Wirth 1
2 1. Einleitung: Zum Fragmentierungsbegriff Fragmente = Bruchstücke (Duden) Fragmentierung nicht nur, aber auch durch Unternehmungsvernetzung auf unterschiedlichen Ebenen Branche Netzwerk Unternehmung Betrieb Arbeitsprozess (über-) betrieblichen Interessenvertretung Beschränkung auf strategische Netzwerke ( Konzern: s. S. Teuscher) Beispiele aus dem Dienstleistungs- und industriellen Sektor Prof. Dr. Carsten Wirth 2
3 1. Einleitung zum Fragmentierungsbegriff Warenhaus im Metro-Konzern Quelle: Wirth 1995, S. 7 Prof. Dr. Carsten Wirth 3
4 1. Einleitung: Zum Fragmentierungsbegriff Grundlage der weiteren Ausführungen: Projekt Flughafenbetreibergesellschaften als Netzwerkorganisatoren? Auftraggeber: Flughafen Frankfurt am Main AG (gemeinsam mit Jörg Sydow, Günther Ortmann, Dörte Best und Stephan Duschek, damals alle Bergische Universität Gesamthochschule Wuppertal) Laufzeit: Juli 1995 bis September 1996 Projekt Dienstleistungsnetzwerke im Luftverkehr Auftraggeber: Hans-Böckler-Stiftung, Düsseldorf (gemeinsam mit Jörg Sydow und Markus Helfen, beide FU Berlin) Laufzeit: Januar 2015 bis Dezember 2016 Projekt Praktiken der Onsite-Werkvertragsvergabe in Deutschland Auftraggeber: Hans-Böckler-Stiftung, Düsseldorf (gemeinsam mit Markus Hertwig (TU Chemnitz) und Johannes Kirsch (Institut Arbeit und Qualifikation der Universität Duisburg-Essen)) Dauer: Januar 2014 bis September 2015 Strukturationstheoretische Analysen Prof. Dr. Carsten Wirth 4
5 1. Einleitung: Zum Fragmentierungsbegriff Gliederung des Vortrags: 1. Einleitung: Zum Fragmentierungsbegriff 2. Auf dem Weg zu einer netzwerkbezogenen Tarifpolitik? 3. (Praktische) Konsequenzen der Suche nach neuen Antworten Prof. Dr. Carsten Wirth 5
6 2. Auf dem Weg zu einer netzwerkbezogenen Tarifpolitik? Das Netzwerk der Flughafen Frankfurt am Main AG (1996) Quelle: Duschek /Wirth (1999), S. 80 Prof. Dr. Carsten Wirth 6
7 2. Auf dem Weg zu einer netzwerkbezogenen Tarifpolitik? Das Mitbestimmungsnetzwerk der Flughafen Frankfurt am Main AG Quelle: Duschek/Wirth 1999, S. 101 Prof. Dr. Carsten Wirth 7
8 3. Auf dem Weg zu einer netzwerkbezogenen Tarifpolitik? Hintergrund: Starke Position der Interessenvertretung (z.b. hoher Organisationsgrad, Geschlossenheit, überdurchschnittlich kompetente Interessenvertreter/innen, Einfluss auf die Besetzung von Führungspositionen) Besondere Zusammensetzung der Anteilseigner (Bund, Land, Stadt) Netzwerkperspektive der Interessenvertretung: Unsere Vision ist, die Arbeitsbedingungen so zu regeln, daß sie über einem Existenzminimum liegen. Jeder soll einen Betriebsrat und einen Ansprechpartner haben, so daß man sagen kann: Hier sind relativ gute Arbeitsbedingungen und gute betriebliche Sozialleistungen. Das muß im Sinne einer Kontrollfunktion über unseren Aufsichtsrat gestaltet werden. Es ist wirklich wichtig, daß man über Konzessionen Einfluß nehmen kann.... Wir haben in dieser Region eine Ausstrahlung auf die Arbeitsbedingungen. Wir sagen: 610 DM-Kräfte, unter diesem Level und illegale Beschäftigung? Das hat hier nichts zu suchen. Das ist unser Ziel (ÖTV1). Prof. Dr. Carsten Wirth 8
9 2. Auf dem Weg zu einer netzwerkbezogenen Tarifpolitik? Durchsetzung: Entzug der Kooperation im Großbetrieb Die Kündigung eines Reinigungsvertrags stand an. Es ging um 150 Beschäftigte. Da haben wir Arbeitnehmervertreter den Minister in einer politischen Aktion dazu gebracht, die Aufsichtsratssitzung zu unterbrechen, und dargelegt: Wir wollen die Bildung einer Reinigungsgruppe, die sich über die Bedingungen für die Konzessionsvergabe unterhält. Damit haben wir eigentlich den ersten wichtigen Schritt gemacht, indem wir gesagt haben: Das Unternehmen, das sich nicht an die von uns formulierten Bedingungen hält, also z.b. Betriebsratswahlen stört, das bekommt keine Konzession mehr, bzw. wenn es sie hat, dann wird sie ihm entzogen (ÖTV2). Formulierung von Vergabebedingungen ungehinderte Betriebsratsbildung, Tarifbindung an einen Flächentarifvertrag einer DGB-Gewerkschaft Kooperation der Gewerkschaften und der Betriebsräte Prof. Dr. Carsten Wirth 9
10 2. Auf dem Weg zu einer netzwerkbezogenen Tarifpolitik? Die weitere Entwicklung: (vorläufige Einschätzung aus dem Jahr 2015) Börsengang und Deregulierung des Marktes für Bodenverkehrsdienste neue Akteure mit anderen Sichtweisen Andere Führungskräftepolitik Zusammenbruch der Führungskräftenetzwerke Organisator des Mitbestimmungsnetzwerkes verändert sich beruflich Legitimationsprobleme des Co-Managements Konflikte in der Interessenvertretung Fragmentierung der betrieblichen Interessenvertretungen Bedeutungszuwachs des Konzerns für die Arbeitsregulation Prof. Dr. Carsten Wirth 10
11 2. Auf dem Weg zu einer netzwerkbezogenen Tarifpolitik? Onsite-Werkverträge der Fahrzeugbau AG Institutionen der Betriebsverfassung legen Interessenvertretung der betrieblichen Stammbelegschaft nahe Herausforderung der IG Metall und des Betriebsrates der Fahrzeugbau AG durch Leiharbeit (vgl. Benassi/Dorigatti 2014) Betriebliche Vereinbarungen als Ausdruck einer netzwerkbezogenen Interessenvertretung Kampagne für die Re-Regulierung von Leiharbeit und Vereinbarung von Branchenzuschlägen partielle Angleichung der Arbeitsbedingungen und Veränderungen der Perspektive durch eine andere Rechtsprechung und Re-Regulation: Wir betreuen diese Menschen auch mit und das ist klar. Die wählen bei uns bei der Betriebsratswahl auch mit. Die zählen mit zu den Betriebsratsköpfen. Da sind wir also in dem Sinne schon gefordert, dass wir es machen (ME 2-BW-WB-Br 1). Prof. Dr. Carsten Wirth 11
12 2. Auf dem Weg zu einer netzwerkbezogenen Tarifpolitik? Onsite-Werkverträge der Fahrzeugbau AG Umgehung der Re-Regulierung von Leiharbeit durch Onsite- Werkverträge Niedriglohn in einem Hochlohnsegment hochgradig profitabler Unternehmen Öffentliche Empörung Strategien des Betriebsrates und der IG Metall: Einforderung korrekter Onsite-Werkverträge als (unintendierte?) Politik mit Produktions- und Transaktionskosten Mikropolitik des internen Arbeitsmarktes Organisierung der Beschäftigten in Onsite-Werkunternehmen Forderung nach mitbestimmter Netzwerkbildung kann nicht durchgesetzt werden einseitige Maßnahme des Managements Anwendung der Eingangsvergütung des jeweiligen Flächentarifvertrags Prof. Dr. Carsten Wirth 12
13 2. Auf dem Weg zu einer netzwerkbezogenen Tarifpolitik? Onsite-Werkverträge der Fahrzeugbau AG Entstehender Netzwerkbezug der IG Metall Eine Wertschöpfungskette ein Tarifvertragssystem eine IG Metall (Wetzel 2014, S. 18) (Haus-) Tarifverträge für Subunternehmungen Prof. Dr. Carsten Wirth 13
14 3. Praktische Konsequenzen Kognitive Strukturen spielen für Netzwerkorientierung der Tarifpolitik eine zentrale Rolle Schaffung entsprechender Sichtweisen als Voraussetzung Veränderungsprozesse der zentralen Sichtweisen auch bedingt Veränderungen der Rechtsprechung und von Gesetzen Kampagnenfähigkeit und Organisierung von Beschäftigten in Netzwerkunternehmungen zentral Nutzung der Stärke in den fokalen Netzwerkunternehmungen Verstärkte Nutzung von 3 BetrVG-Tarifverträgen Gewerkschaften zwischen Kooperation und Konkurrenz (Helfen/Nicklich 2014) Prof. Dr. Carsten Wirth 14
15 Literatur Benassi, C./Dorigatti, L. (2014): Straight to the core: Explaining union responses to the casualization of work: The IG Metall campaign for agency workers. In: British Journal of Industrial Relations, DOI: /bjir Duschek, S./Wirth, C. (1999): Mitbestimmte Netzwerkbildung Der Fall einer außergewöhnlichen Dienstleistungsunternehmung. In: Industrielle Beziehungen Zeitschrift für Arbeit, Organisation und Management, 6 (1), S Wieder abgedruckt in Sydow, J./Wirth, C. (Hrsg.) (1999): Arbeit, Personal und Mitbestimmung in Unternehmungsnetzwerken. München/Mering, S Helfen, M./Nicklisch, M. (2014): Gewerkschaften zwischen Konkurrenz und Kooperation? Interorganisationale Beziehungen in der Facility Services-Branche. In: Industrielle Beziehungen, 21 (2), S Wetzel, D. (2014): Die Arbeit der Zukunft gestalten. In: Wetzel, D./Hofmann, J./Urban, H.J. (Hrsg.): Industriearbeit und Arbeitspolitik. Kooperationsfelder von Wissenschaft und Gewerkschaften. Hamburg, S Wirth, C. (1995): Zergliederung der Warenhäuser. Werkvertrag im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung. Düsseldorf. Prof. Dr. Carsten Wirth 15
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