Kommunalfinanzen und gleichwertige Lebensverhältnisse - Zur Wiederentdeckung eines alten Themas -
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1 Kommunalfinanzen und gleichwertige Lebensverhältnisse - Zur Wiederentdeckung eines alten Themas - IW Wirtschaftsdienstkonferenz 2018 Regionalpolitik in Deutschland: eine Aktualisierung Berlin, 30. Oktober 2018
2 Agenda Aktualität - Zur Einordnung der Überschüsse - Disparitäten - Zur Wiederentdeckung eines alten Themas Wer bestimmt, der soll bezahlen! - Zur Vertikalisierung des horizontalen Ausgleichs Seite 2
3 Aktualität - Zur Einordnung der kommunalen Überschüsse Seite 3
4 Kommunaler Finanzierungssaldo Kernhaushalt 2017: + 9,7 Mrd. Euro Erwartung der kommunalen Spitzenverbände 2018: +7,6 Mrd. Euro 2019: +5,0 Mrd. Euro 2020: +6,0 Mrd. Euro Seite 4
5 Euro je Einwohner Kommunaler Finanzmittelsaldo Kernhaushalte - in Euro je Einwohner Westdt. Flächenländer Ostdt. Flächenländer Quelle: Eigene Berechnungen nach Angaben von DESTATIS noch vierteljährliche Kassenstatistik Seite 5
6 Finanzsituation 2017 ff. 300 Kassenmäßige Steuereinnahmen und Bruttoinlandsprodukt in Deutschland 1991 bis 2023* (in jeweiligen Preisen, 1991 = 100) = Steuereinnahmen Bruttoinlandsprodukt Steuerschätzung Oktober * 2019* 2020* 2021* 2022* 2023* * Steuerschätzung Oktober 2018 Quelle: Eigene Berechnungen nach BMF und Statistisches Bundesamt Seite 6
7 Kommunalfinanzen - wo stehen wir? seit 2011 vergleichsweise gute konjunkturelle Rahmenbedingungen hohe Steuereinnahmen und ausgeprägte Tendenz zum Haushaltsausgleich auf allen Ebenen (konjunkturelle windfall profits) Stagnation, z.t. Rückgang der Sozialausgaben selbst Problemkommunen haben einen positiven Finanzierungssaldo kommuale Investitionslücke seit Jahren bekannt Umfeldbedingungen mit hohen Unsicherheiten Konjunkturfestigkeit von Schuldenbegrenzungen und Konsolidierungsmaßnahmen offen hohe Altschulden und Zinsänderungsrisiko lokale und regionale Inzidenz der Globalisierung: Zunahme sozioökonomischer und fiskalischer Disparitäten Seite 7
8 Disparitäten - Zur Wiederentdeckung eines alten Themas Seite 8
9 Ausgewählte Schlaglichter der Diskussion Blick auf die raumwirksame Staatstätigkeit und die horizontale Inzidenz der öffentlichen Finanzen 1980 ff., Diskussion über den Aufwuchs der kommunalen Soziallasten, Albrecht-Initiative, Strukturhilfegesetz Deutsche Vereinigung, Beendigung des Strukturhilfegesetzes, Aufbau Ost Verbesserung der ostdeutschen Situation, Probleme altindustrieller westdeutscher Kommunen entwickelten sich weiter fortschreitender Aufwuchs der Kassenkredite, starke regionale Konzentration bei Globalisierungsverlierern (Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland) zentraler Anlass für die Gründung der Kommission zur Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse (AG Altschulden) Seite 9
10 Finanzkraft der Länder einschl. Gemeinden vor und nach Länderfinanzausgleich 2017 Finanzkraft der Länder vor LFA und allgem. BEZ (Euro/Ew.) Ostdt. Flächenländer Finanzkraft der Länder nach LFA und allgem. BEZ (Euro/Ew.) Ostdt. Flächenländer Westdt. Flächenländer Westdt. Flächenländer Flächenländer Flächenländer Bayern Bayern Hessen Hessen Baden-Württemberg Baden-Württemberg Nordrhein-Westfalen Nordrhein-Westfalen Niedersachsen Niedersachsen Schleswig-Holstein Schleswig-Holstein Rheinland-Pfalz Rheinland-Pfalz Brandenburg Brandenburg Saarland Saarland Sachsen-Anhalt Sachsen-Anhalt Mecklenburg-Vorpommern Mecklenburg-Vorpommern Sachsen Sachsen Thüringen Thüringen Quelle: Bundesministerium der Finanzen, Daten noch vorläufig Seite 10
11 Finanzkraftunterschiede der Länder einschl. Gemeinden vor und nach Länderfinanzausgleich 2017 Finanzkraftunterschiede der Länder vor LFA und allgem. BEZ (Euro/Ew.) Finanzkraftunterschiede der Länder nach LFA und allgem. BEZ (Euro/Ew.) Ostdt. Flächenländer Ostdt. Flächenländer Westdt. Flächenländer 0 Westdt. Flächenländer 0 Flächenländer Flächenländer - 54 Bayern 602 Bayern 255 Hessen 522 Hessen 231 Baden-Württemberg 293 Baden-Württemberg 148 Nordrhein-Westfalen Nordrhein-Westfalen Niedersachsen Niedersachsen Schleswig-Holstein Schleswig-Holstein Rheinland-Pfalz Rheinland-Pfalz Brandenburg Brandenburg Saarland Saarland Sachsen-Anhalt Sachsen-Anhalt Mecklenburg-Vorpommern Mecklenburg-Vorpommern Sachsen Sachsen Thüringen Thüringen Quelle: Bundesministerium der Finanzen, Daten noch vorläufig Seite 11
12 Erfolg versus Unterstützung? Kommunales Finanzsystem Einzahlungen Auszahlungen erfolgsorientiert Gewerbesteuer (stark) Gemeindeanteil an der Umsatzsteuer (mittel) Gemeindeanteil an der Einkommensteuer (mittel) Grundsteuer B (schwach) Kompensation Familienleistungsausgleich (mittel) gegenläufiger Wirkungszusammenhang (miss-) erfolgsorientiert Grundsicherungsleistungen (stark) Jugendhilfe (stark) unterstützungsorientiert Eingliederungshilfe Hilfe zur Pflege ausgleichsorientiert Schlüsselzuweisungen Bedarfszuweisungen aquivalenzorientiert Gebühren Kostenerstattungen Kompensation aquivalenzorientiert Gebührenhaushalte unterstützungsorientiert Bedarfszuweisungen Stärkungspakt Stadtfinanzen o.ä. kostenfreie Daseinsvorsorge Schule Straßen (teilweise) Seite 12
13 Finanzsituation 2016 Kommunale Liquiditätskredite* am in Euro je Einwohner Pirmasens Oberhausen Kaiserslautern Hagen Mülheim an der Ruhr Zweibrücken Landkreis Kusel Remscheid Donnersbergkreis Trier Ohne Liquiditätskredite, die über Wertpapierschulden aufgenommen wurden. Quelle: Bertelsmann Stiftung; Wegweiser Kommune Seite 13
14 Finanzsituation 2016 Kommunale Liquiditätskredite* 2005 und 2015 (jew ) in Euro je Einwohner Pirmasens Oberhausen Kaiserslautern Hagen Mülheim an der Ruhr Zweibrücken Landkreis Kusel Remscheid Donnersbergkreis Trier Ohne Liquiditätskredite, die über Wertpapierschulden aufgenommen wurden. Quelle: Bertelsmann Stiftung; Wegweiser Kommune Seite 14
15 Investitions- und Liquiditätskredite der kommunalen Kernhaushalte nach Ländern am in Euro je Einwohner Investitions- und Liquiditätskredite der kommunalen Kernhaushalte am in Euro je Einwohner Baden-Württemberg Sachsen Brandenburg Thüringen Bayern Mecklenburg-Vorpommern Kommunen mit hohen Liquiditätskrediten haben auch überdurchschnittlich hohe Investitionskredite!! Sachsen-Anhalt Niedersachsen Schleswig-Holstein Nordrhein-Westfalen Hessen Finanzschwäche drückt sich auch in einer hohen Kreditfinanzierung von Investitionen aus. Rheinland-Pfalz Saarland Flächenländer insgesamt Westdeutsche Flächenländer Ostdeutsche Flächenländer Liquiditätskredite Investitionskredite einschl. kreditähnlicher Rechtsgeschäfte Quelle: Eigene Berechnungen nach Angaben von DESTATIS Seite 15
16 Kommunale Sozialausgaben (brutto) im Kernhaushalt 1991 bis 2017 im Durchschnitt der Dekaden - Euro je Einwohner - sortiert nach dem Gesamtdurchschnitt Die Niveaus sind durch die unterschiedliche Kommunalisierung des Sozialbereichs insbesondere beim überörtlichen träger der Sozialhilfe beeinflusst. Im Saarland und in Sachsen-Anhalt liegt die Finanzierungsverantwortung für den überörtlichen Sozialhilfeträger direkt beim Land. Thüringen Sachsen-Anhalt Sachsen Baden-Württemberg Saarland Bayern Brandenburg Rheinland-Pfalz Schleswig-Holstein Mecklenburg- Vorpommern Niedersachsen Hessen Nordrhein-Westfalen Flächenländer insges. Westdt. Flächenländer Ostdt. Flächenländer Brutto-Sozialausgaben im Durchschnitt Kernhaushalte (in Euro je Einwohner) Quelle: Eigene Berechnungen nach Angaben von DESTATIS Seite 16
17 Kommunale Investitionen im Durchschnitt Kernhaushalte - in Euro je Einwohner Kommunale Investitionen im Kernhaushalt 1991 bis 2017 im Durchschnitt der Dekaden - Euro je Einwohner - sortiert nach dem Gesamtdurchschnitt Brandenburg Bayern Sachsen Sachsen-Anhalt Thüringen Mecklenburg- Vorpommern Baden-Württemberg Hessen Schleswig-Holstein Niedersachsen Rheinland-Pfalz Nordrhein-Westfalen Saarland Flächenländer insges. Westdt. Flächenländer Ostdt. Flächenländer Quelle: Eigene Berechnungen nach Angaben von DESTATIS Seite 17
18 Gewerbesteuer: gewogener Durchschnittshebesatz auf Kreisebene (2014) Klassifizierung: Quintile Quelle: Eigene Berechnungen nach Angaben des Statistischen Bundesamtes Seite 18
19 Grundsteuer B: gewogener Durchschnittshebesatz auf Kreisebene (2014) Klassifizierung: Quintile Quelle: Eigene Berechnungen nach Angaben des Statistischen Bundesamtes Seite 19
20 Finanzschwache Städte im vierfachen Dilemma Angaben für finanzschwache Städte in Nordrhein-Westfalen (Aktionsbündnis Raus aus den Schulden ) für das Jahr 2016 Sozialausgaben: +54,9% über dem Durchschnitt der West-Flächenländer und 35,3 % über dem Durchschnitt des übrigen NRW Investitionen: -58,0% unter dem Durchschnitt der West-Flächenländer und -24,5 % unter dem Durchschnitt des übrigen NRW Steuersätze: Gewerbesteuer: 23,6% über dem Durchschnitt der West-Flächenländer und 11,6 % über dem Durchschnitt des übrigen NRW Grundsteuer B: 44,7% über dem Durchschnitt der West-Flächenländer und 26,2 % über dem Durchschnitt des übrigen NRW Altschulden: +431,7 % über dem Durchschnitt der West-Flächenländer und 342,6 % über dem Durchschnitt des übrigen NRW Seite 20
21 Wer bestimmt, soll bezahlen! - Zur Vertikalisierung des horizontalen Ausgleichs Seite 21
22 Ordnungspolitik und Gemeindefinanzen Systemrahmen der Gemeindefinanzen Ordnungspolitische Rahmensetzung Nachhaltige Haushaltsführung aufgabengerechte Finanzausstattung Verwirklichung des Korrespondenzprinzips Vorsorge Nachsorge Einnahmenerhöhung Aufgabenrückführung Konnexitätsprinzip Äquivalenzprinzip Subsidiaritätsprinzip unabhängige Haushaltsaufsicht Verschuldungsgrenzen Frühwarnsystem Entschuldungshilfe Schuldensoli Haushaltskommissar Seite 22
23 Koalitionsvereinbarung und Konnexitätsprinzip Koalitionsvereinbarung: Die grundgesetzlich garantierte Selbstverwaltung sichert den Kommunen die Handlungsfreiheit. Staatliche Leistungen müssen deshalb auch auf der kommunalen Ebene auskömmlich finanziert sein. Es gilt der Grundsatz: Wer eine Leistung veranlasst, muss für ihre Finanzierung aufkommen ( Wer bestellt, bezahlt ). Das ist Grundsatz allen politischen Handelns der Koalitionspartner. ( ) Seite 23
24 Einzahlungen aus Steuern sowie Transferzahlungen von Bund und Ländern im Kernhaushalt Einzahlungen 1991 bis aus 2017 Steuern - Euro und je Einwohner: Transferzahlungen 2005 = von 100 Bund/Ländern - der kommunalen Kernhaushalte der Flächenländer in Euro/Einwohner 300 Euro je Einwohner: 1998 = Steuern (netto) Schlüsselzuweisungen Transfers f. lfd. Zwecke v. Bund/Land Investitionszuweisungen Bund/Land SGB II Zuweisungen Bund/Land Quelle: Eigene Berechnungen nach Angaben von DESTATIS Seite 24
25 Vertikalisierung der Finanzbeziehungen oder Fortentwicklung des kommunalen Finanzsystems? - Zunahme direkter Zahlungen (insbesondere im Sozialbereich) oder Verteilung des kommunalen Umsatzsteueranteils nach sozialen Ausgabenbedarfen - temporäre Investitionsfinanzierung (vor allem für finanzschwache Kommunen) oder dauerhafte Stärkung der Finanzkraft und damit Investitionskraft - solidarische Altschuldenhilfe (gegebenenfalls mir bundesweitem Umsetzung und Kontrollrahmen) oder dezentrale Problemlösung Seite 25
26 Vielen Dank für die Aufmerksamkeit Kontakt zur Fortsetzung des Diskurses: Lehrstuhl Stadt-, Regional- und Umweltökonomie Seite 26
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