Wirtschafts- und sozialpolitische Informationen des DGB-Bezirks Hessen-Thüringen
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- Gertrud Lichtenberg
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1 WISO-Info Nr. 3/2004, März 2004 Wirtschafts- und sozialpolitische Informationen des DGB-Bezirks Hessen-Thüringen Inhalt Gründe für eine höhere Besteuerung von Eigentum in der Bundesrepublik 1 Gründe für eine höhere Besteuerung von Eigentum in der Bundesrepublik Autor: Kai Eicker-Wolf Angesichts von leeren Kassen der öffentlichen Hand wird in der letzten Zeit wieder über eine höhere Besteuerung von Eigentum diskutiert. Während Unternehmerverbände, CDU/CSU und FDP einer Erhöhung der Erbschaft- und der Wiedererhebung der Vermögensteuer eine Absage erteilen, wird in den Regierungsparteien hierüber ernsthaft nachgedacht. So haben Bündnis 90/Die Grünen auf ihrer Bundesdelegiertenkonferenz im November des vergangenen Jahres ihre wirtschaftspolitische Kommission damit beauftragt, vor der Europawahl 2004 ein Konzept für mehr Steuerg e- rechtigkeit inklusive einer Vermögensteuer zu erarbeiten. Der Parteivorsitzende Bütikofer ließ verlauten, dass große Erbschaften keinen Anspruch darauf hätten, unter Naturschutz gestellt zu werden. Kurz zuvor hatte die SPD auf ihrem Bundesparteitag in Bochum beschlossen, große Erbschaften stärker zu besteuern. Mittlerweile hat die Landesregierung von Schleswig-Holstein im Kabinett einen Gesetzentwurf zur Reform der Erbschaftsteuer beschlossen und will diesen im Bundesrat einbri ngen. Aus gewerkschaftlicher Sicht wäre die Wiedererhebung der Vermögensteuer und eine Erhöhung der Erbschaftsteuer uneingeschränkt zu begrüßen. Im folgenden werden die Gründe für eine höhere Besteuerung von Eigentum in Deutschland benannt und das mögliche steuerliche Mehraufkommen, das dem Land Hessen zufließen würde, beziffert. Wachsende Ungleichverteilung in der Bundesrepublik Zur Einkommens- und Vermögensverteilung in Deutschland Der Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung stellte im Jahr 2001 zusammenfassend fest, dass in der Bundesrepublik die soziale Ausgrenzung zugenommen und Verteilungsgerechtigkeit abgenommen hat. 1 Wird die personelle Einkommensverteilung zugrunde gelegt, so ist seit 1973 eine tendenziell zunehmende 1 Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung, Lebenslagen in Deutschland. Der erste Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung, Bonn, 2001: XV
2 Ungleichverteilung festzustellen. 2 Auch in Bezug auf den Vermögensbestand ist eine erhebliche Spreizung der Verteilung auszumachen. Hier sei noch einmal der Reichtums- und Armutsbericht zitiert: Das Vermögen in Deutschland ist sehr ungleichmäßig verteilt, wie aus allen bisherigen empirischen Untersuchungen bekannt ist. Dies ergibt sich schon, ohne dass diejenigen in das Datenmaterial einbezogen sind, die im üblichen Verständnis als reich gelten (mit Vermögen in mehrstelliger Millionenhöhe bis zu mehreren Milliarden DM). 3 Schaubild 1: Der Anteil der Lohnsteuer sowie der Gewinn- und Vermögensteuern am gesamten Steueraufkommen % Anteil an den Steuereinnahmen 33% 28% 23% 18% Lohnsteuer Gewinn- und Vermögenssteuern *) 13% *) Körperschaftsteuer + Gewerbesteuer + veranlagte Einkommensteuer + Kapitalertragsteuer + Zinsabschlagsteuer + Vermögensteuer Quelle: verdi Marsch in den Lohnsteuerstaat Zu dieser zunehmenden Ungleichverteilung hat nicht unwesentlich die Steuerpolitik beigetragen: So ist der Anteil der Gewinn- und Vermögensteuern am gesamten Steueraufkommen von 29% im Jahr 1977 auf nur noch 14% 2002 gefallen, während der Anteil der Lohnsteuern im gleichen Zeitraum von 30% auf 36% gestiegen ist (vgl. Schaubild 1). Einen nicht unerheblichen Anteil am Rückgang des Gewinn- und Vermögensteueranteils hat dabei die Aussetzung der Vermögensteuer ab dem Jahr 1997 (vgl. Schaubild 2). 2 Vgl. ebenda: 18 ff., vgl. auch I. Becker, Einkommens- und Vermögensverteilung in Deutschland: ein Bild mit unscharfen Konturen, in: U. Andersen, Einkommens- und Vermögensverteilung in Deutschland, Schwalbach Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung, Lebenslagen in Deutschland. Der erste Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung, Bonn, 2001: 44. 2
3 Da Vermögen- und Erbschaftsteuern Landessteuern sind, ist das Aufkommen aus beiden Steuern entsprechend auch in Hessen gesunken (vgl. Schaubild 3). 4 Schaubild 2: Erbschafts- und Vermögensteueraufkommen (bundesweit) Mio. Euro Jahr Erbschaftsteuern Erbschaft- und Vermögensteuern (in Mio Euro) : Schätzung Quelle: Bundesministerium der Finanzen, eigene Darstellung Schaubild 3: Erbschafts- und Vermögensteueraufkommen in Hessen Aufkommen in Mio Euro Jahr Erbschaftsteuer (in Mio Euro) 135,6 176,6 194,9 225,7 222,9 260,8 283,1 215,4 386,2 Erbschaft- und Vermögensteuer (in 567,6 675,7 315,6 282,1 290,8 329,1 322, ,2 Mio Euro) Quelle: Hessisches Ministerium der Finanzen, eigene Darstellung Grundlage für die Aussetzung der Vermögensteuer war ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr Entgegen der häufig geäußerten Ansicht wäre die Wiedererhebung der 4 Auch in den Jahren nach 1997 fließen den öffentlichen Haushalten noch Einnahmen aus der Vermögensteuer zu. Diese beruhen auf Nachzahlungen, die nach rechtlichen Auseinandersetzung zu leisten sind. 3
4 Vermögensteuer nicht grundsätzlich verfassungswidrig. Das Bundesverfassungsgericht hatte vielmehr die Vermögensbesteuerung vor 1997 deshalb für unzulässig erklärt, weil Grund- und Geldvermögen unterschiedlich bewertet wurden: Das Grundvermögen wurde auf Basis eines veralteten Bewertungsverfahrens systematisch unter Wert erfasst, während das Geldvermögen zum aktuellen Marktwert der Vermögensteuer unterworfen wurde. Würden die Bewertungsverfahren hinsichtlich des Grundvermögens gemäß den Vorgaben des Verfassungsgerichts geändert, dürfte sie jederzeit wieder erhoben werden. 5 Eigentum im internationalen Vergleich gering besteuert Wird die Besteuerung von Eigentum schließlich im internationalen Vergleich betrachtet, so fällt auf, dass der Anteil dieser Steuern am gesamten Steueraufkommen in den meisten anderen Industrieländern deutlich höher ausfällt als in Bundesrepublik (vgl. Schaubild 4). Schaubild 4: Anteil vermögensbezogener Steuern 1 an den gesamten Steuereinnahmen im internationalen Vergleich (2000) Prozent 14,0 12,0 10,0 8,0 6,0 4,0 2,0 0,0 1,3 2,2 2,3 3,4 4,3 5,1 6,4 6,8 8,1 10,1 10,6 11,9 Österreich Deutschland Norwegen Schweden Italien Niederlande Spanien Frankreich Schweiz USA Luxemburg Großbritannien 1 Grundsteuer, Erbschaft-/Schenkungsteuer, Vermögensverkehrsteuer und Vermögensteuer Quelle: Bundeministerium der Finanzen, eigene Darstellung Angesichts der leeren öffentlichen Kassen, der verteilungspolitischen Schieflage und der sehr niedrigen Besteuerung von Eigentum in der Bundesrepublik bleibt als Zwischenfazit festzuhalten: Es ist eine höhere steuerliche Heranziehung von Vermögen zur Finanzierung öffentlicher Ausgaben in Deutschland angezeigt. 5 Das der Erhebung der Vermögensteuer keine verfassungsrechtlichen Schranken entgegenstehen, hat auch ein jüngst erstelltes Rechtsgutachten gezeigt, vgl. J. Wieland, Rechtliche Rahmenbedingungen für eine Wiedereinführung der Vermögensteuer, Frankfurt
5 Die Vorschläge zur Reaktivierung der Vermögensteuer und zur Erhöhung der Erbschaftsteuer Der öffentlichen Hand entgehen durch den Verzicht auf eine höhere Besteuerung reicher Haushalte absichtlich Einnahmen in Milliardenhöhe, während die dadurch entstehenden Löcher im Haushalt durch Einschnitte in das soziale Netz gestopft werden. Außerdem können wichtige staatliche Ausgaben in den Bereichen Infrastruktur sowie Bildung und Umwelt nicht getätigt werden. Entsprechende zusätzliche Einnahmen könnten Aufgaben der öffentlichen Hand finanzieren, die Binnennachfrage stärken und für zusätzliche Beschäftigung sorgen. Moderate Vermögensteuer bringt allen Bundesländern 16 Mrd. Euro und Hessen 1,2 Mrd. Euro Eine moderate Vermögensteuer, die mit einem Steuersatz von 1 Prozent und einem relativ hohen Freibetrag 6 in Höhe von ,- Euro erhoben würde, brächte den Bundesländern, denen diese Steuer zufließen würde, ein Aufkommen in Höhe von 16 Milliarden Euro. Allein Hessen würde gut 1,2 Mrd. Euro (nach Länderfinanzausgleich) erhalten. 7 Von einer solchen Vermögensteuer wären hauptsächlich Haushalte betroffen, die über ein monatliches Nettoeinkommen von mehr als 5.100,- Euro verf ü- gen, denn nur sie überschreiten mit ihrem Vermögen im Durchschnitt den Freibetrag in Höhe von ,- Euro. Diese Haushalte machen lediglich 2,7 Prozent aller Haushalte aus. 8 Häufig wird gegen die Wiedererhebung der Vermögensteuer argumentiert, dass die Erhebungskosten dieser Steuer unverhältnismäßig hoch seien. Dieses Argument ist allerdings zurückzuweisen, da die Erhebungskosten Mitte der 1990er bei nur 5,5 Prozent des Aufkommens lagen. 9 Leicht erhöhte Erbschaftsteuer erbringt zusätzliche Mehreinnahmen in Höhe von 3,3 Mrd. Euro Neben der Revitalisierung der Vermögensteuer sollte auch eine Erhöhung der Erbschaftsteuer erfolgen. Aufgrund von Unterb e- wertungen und vergleichsweise hohen Freibeträgen werden in Deutschland zur Zeit nur hohe Vermögensübertragungen der Erbschaft- und Schenkungsteuer unterworfen. Im internationalen Vergleich fällt das Volumen der deutschen Erbschaftsteuer unterdurchschnittlich aus (vgl. Schaubild 5). Zur Zeit beläuft sich das Erbschaftsteueraufkommen, das den Ländern zufließt, auf rund 3 Mrd. Euro. In Hessen lag das Aufkommen in den letzten fünf 6 Im Falle eines Freibetrag von einer halben Mio. Euro wird die Vermögensteuer erst über dem Freibetrag fällig, d.h. bei einem Vermögen über ,- Euro wird nur der Teil des Vermögens der Besteuerung unterworfen, der über dem Freibetrag liegt. 7 Vgl. Vgl. Kai Eicker-Wolf, Beurteilung der Perspektiven einer Vermögensbesteuerung in Hessen, Marburg 2003, _raw. 8 Vgl. DIW-Wochenbericht 40/2003, Berufliche Qualifikation und lange Arbeitszeiten ausschlaggebend für hohe Einkommen. 9 Vgl. ver.di, Vermögensteuer Erbschaftsteuer. Millionen zahlen Steuern Millionäre sollen es auch, Berlin Vgl. Kai Eicker-Wolf, Das potentielle Mehraufkommen aus einer Reform der Erbschaft- und Schenkungsteuer in Hessen, Marburg 2003, Sozialstaat/ erbschaftssteuer/file_view_raw. 5
6 Jahren zwischen 215 und 386 Mio. Euro. Würden Erbschaften bei einem Freibetrag von ,- Euro im Durchschnitt mit 10 Prozent besteuert, dann wäre bundesweit mit Mehreinnahmen in Höhe von 3,3 Mrd. Euro zu rechnen. Hessen könnte mit gut 250 Mio. Euro (nach Länderfinanzausgleich) zusätzlichen Einnahmen rechnen. 10 Schaubild 5: Steuern auf Erbschaften und Schenkungen in Prozent des Bruttoinlandsprodukts (2001) im europäischen Vergleich 0,6 0,55 0,5 0,45 0,4 0,3 0,2 0,15 0,15 0,19 0,21 0,26 0,28 0,1 0,04 0,07 0,08 0,08 0 Dänemark Portugal Italien Österreich Deutschland Irland Schweden Spanien Griechenland Schweiz Belgien Frankreich Quelle: Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung, eigene Darstellung Hohe Erbschaften gehen meist an einkommensstarke Haushalte In Bezug auf Erbschaften und Schenkungen ist zu bedenken, dass diese Formen von Reichtumserwerb individuell und durch Geburt bedingte Glücksfälle sind. Personen, denen hohe Erbschaften zufallen, sind meist doppelt privilegiert: Aufgrund ihrer Herkunft aus vergleichsweise reichen Familien verfügen sie über wesentlich bessere Bildungs- und damit auch Einkommenschancen. Ein hohes Einkommen wiederum bietet bessere Möglichkeiten der Vermögensbildung schließlich können einkommensstarke Haushalte vergleichsweise mehr Geld sparen. Im Erbfall können dann in der Regel jene Haushalte, die sowieso schon über ein hohes Einkommen verfügen, auch noch einen zusätzlichen hohen Vermögenszufluss verbuchen. 11 Häufig wird gegen eine höhere Erbschaftsteuer und auch gegen die Erbschaftsteuer generell eingewandt, dass sie den Bestand von Betrieben gefährden würde, wenn letztere durch einen Todesfall den Besitzer wechseln. Dem ist allerdings entgegenzuhalten, dass bereits jetzt eine Stundung der Erbschaftsteuerbelastung von Betriebsvermögen bis zu zehn Jahren möglich ist. Gegebenenfalls könnte dieser Zeitraum verlängert werden. 11 Vgl. auch DIW-Wochenbericht 40/2003, Berufliche Qualifikation und lange Arbeitszeiten ausschlaggebend für hohe Einkommen:
7 Fazit In der Bundesrepublik würde die Wiedererhebung der Vermögensteuer und eine moderate Erhöhung der Erbschaftsteuer den öffentlichen Kassen der Länder ungefähr 20 Mrd. Euro an Zusatzeinnahmen bringen, allein auf Hessen würden mehr als 1,4 Mrd. Euro entfallen. Diese steuerlichen Mehreinnahmen liegen um fast die Hälfte über dem Betrag, den Roland Koch mit seiner beschäftigungsfeindlichen und unsozialen Sparpolitik im laufenden Haushaltsjahr einsparen will d.h. im Falle einer moderaten Besteuerung von großen Vermögen und einer etwas höheren Besteuerung von großen Erbschaften wären in Hessen kein sozialer Kahlschlag, keine Arbeitszeitverlängerungen, keine Studiengebühren usw. notwendig gewesen, und für Investitionen in öffentliche Infrastruktur sowie Ausgaben in den Bereichen Bildung und Erziehung würden darüber hinaus 400 Mio. Euro zur Verfügung stehen. 7
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