Berechnung der Schadensrückstellung in der Sachversicherung
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- Eva Möller
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1 Berechnung der Schadensrückstellung in der Sachversicherung Nikolaus Altmann Seminar aus Finanz- und Versicherungsmathematik 9. Jänner 2013 N. Altmann (Seminar) Sachversicherung / 26
2 Agenda Aufbau 1 Schadenrückstellung 2 Daten 3 Modelle und Verfahren + Beispiele 4 Tailschätzung 5 Groß- und Kumulschäden N. Altmann (Seminar) Sachversicherung / 26
3 Schadenabwicklungsprozess Schaden Schadensmeldung letzte Zahlung Abwicklung 3 Kategorien von Schäden: Gemeldet und abgeschlossen Gemeldet, aber noch nicht abgeschlossen (reported but not settled RBNS) Passiert, aber noch nicht gemeldet (incurred but not reported IBNR) N. Altmann (Seminar) Sachversicherung / 26
4 Schadenrückstellung Teil der versicherungstechnischen Rückstellungen Ergeben sich aus bekannten Versicherungsfällen + Rentenversicherungsfälle + Spätschäden + Schadenregulierungsaufwendungen Forderungen aus Regressen, etc. Punktschätzung zu einem gewissen Zeitpunkt (z.b , quartalsweise) N. Altmann (Seminar) Sachversicherung / 26
5 UGB vs. Solvency II - Bewertungsgrundsätze UGB Passivierung der Leistungsverpflichtungen gegenüber VN nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung Abzinsung von Schadenrückstellungen nur bei Renten Grundsatz der Einzelbewertung Bei großer Anzahl gleichartiger Fälle Gruppenbewertung möglich Solvency II Marktkonsistente Bewertung Abzinsung aller zukünftigen Zahlungsströme mit risikoloser Zinsstrukturkurve Ermittlung eines sog. Best Estimate Schadenrückstellung N. Altmann (Seminar) Sachversicherung / 26
6 Daten Vorraussetzung für aktuarielle Schätzungen ist eine valide und möglichst umfassende Datenbasis (z.b. DWH). Idealerweise vorhandene Daten sind: Brutto- und Nettozahlungen Brutto- und Nettorückstellungen Schadenzahlen Brutto- und Nettoprämien Volumenmaße pro Jahr und Sparte bzw. Line of Business N. Altmann (Seminar) Sachversicherung / 26
7 Zusätzliche Informationen Groß-, Kumul- oder Elementarschäden, Naturkatatstrophen Alte Schäden latente Schäden (Asbest, Gesundheitsschäden) Veränderungen in der Schadenregulierung- oder bearbeitungsprozesses Veränderungen in der Reservierungspolitik ökonomische Einflüsse (Inflation, Baukostenindex) veränderte gesetzliche, gesellschaftliche oder politische Rahmenbedingungen spezielle Trends (Schadenhäufigkeit, -durchschnitt) Bestandsübertragungen, Fusionen... Trends erkennen und berücksichtigen N. Altmann (Seminar) Sachversicherung / 26
8 Das Chain Ladder Modell n N... Anzahl der betrachteten Anfalljahre T N, meistens T = {1,..., n} Entwicklungszeitraum (P i,t ) t T Zahlungsprozess für Anfalljahr i = 1,..., n P i (s) := {P i,1,..., P i,s } Bedingung für bekannte Zahlungsentwicklung bis Zeitpunkt s Modellannahmen: Anfalljahre sind unabhängig, d.h. {P 1,t t T },..., {P n,t t T } sind unabhängig Für s, t T mit t = s + 1 gibt es einen Faktor f s t > 0 mit [ ] Pi,t E P i (s) = f s t i P i,s Aus der Vergangenheit auf die Zukunft schließen N. Altmann (Seminar) Sachversicherung / 26
9 Das Chain Ladder Verfahren Schätzung der Faktoren durch f t t+1 := n t+1 j=0 P j,t+1 n t+1 j=0 P j,t Geschätzter erwarteter Endschadenstand P i,n = P i,n i n 1 j=n i f j j+1 Geschätzte Reserve R i = P i,n P i,n i Geschätzte Gesamtreserve R = n R i i=1 N. Altmann (Seminar) Sachversicherung / 26
10 Numerisches Beispiel 1/4 CL Reserve f t t+1 N. Altmann (Seminar) Sachversicherung / 26
11 Numerisches Beispiel 2/4 CL Reserve f t t+1 1,899 1,329 1,232 1,120 1,044 1,000 N. Altmann (Seminar) Sachversicherung / 26
12 Numerisches Beispiel 3/4 CL Reserve f t t+1 1,899 1,329 1,232 1,120 1,044 1,000 N. Altmann (Seminar) Sachversicherung / 26
13 Numerisches Beispiel 4/4 CL Reserve f t t+1 1,899 1,329 1,232 1,120 1,044 1,000 Σ N. Altmann (Seminar) Sachversicherung / 26
14 Bemerkungen Vorteil: einfache Berechnung, Gefühl für Größenordnung Nachteil: anfällig für Ausreißer (z.b. Groß- u. Kumulschäden) Änderung der Schadenregulierung, Einzelfallreservierung Neugeschäft Alternativen durch Heranziehung nur der letzten Jahre, durchschnittlichem Übergangsfaktor (etwas konservativer) Händische Wahl von Faktoren N. Altmann (Seminar) Sachversicherung / 26
15 Cape-Cod Modell baut auf Chain-Ladder auf Verfeinerung Isolierung von Ausreißereffekten Annahme der identisch verteilten Endschadenquoten aller Anfalljahre: π 0,..., π n sowie κ und γ 0,..., γ n mit γ n = 1, sodass für alle i, k {0, 1,..., n} [ ] Pi,k E = κ π i γ k gilt. Voraussetzung: π 0,..., π n als Prämien bekannt Die erwartete Endschadenquote κ ist wegen [ ] Pi,n κ = E von den Anfalljahren unabhängig. π i N. Altmann (Seminar) Sachversicherung / 26
16 Cape-Cod Verfahren Chain-Ladder Quoten (Schätzung von γ i ) Ĝ n i := n t=n i+1 1 f t t+1 Durch gewichtetes Mittel wird Empfindlichkeit gegen Ausreißer verringert n i=0 κ := P i,n i n i=0 Ĝn iπ i Für i, k {0, 1,..., n} mit i, k n heißt Cape Cod-Schätzer für E[P i,n ]. P i,n := P i,n i + (Ĝn Ĝn i)π i κ Cape-Cod Reserve: R = n i=1 ( P i,n P i,n i ) N. Altmann (Seminar) Sachversicherung / 26
17 Beispiel i π i P i,5 i Ĝ 5 i Pi,5 κ Ri = P i,n P i,n i , , , , , , , , , , , Σ Nachteil: Jedes Jahr gleiche Schadenquote kühne Aussage N. Altmann (Seminar) Sachversicherung / 26
18 Weitere Modelle und Verfahren Bornhuetter-Ferguson Analog zum CL-Verfahren Bildung eines Schadenquotendreiecks Ableitung von a-priori Endschadenquoten i z.b. durchschnittliche Endschadenquote des ersten Abwicklungsjahres Vorteil: Anwendbar bei Sparten mit geringer Historie Nachteil: Gewählte Endschadenquoten sind subjektiv für Ergebnis sehr entscheidend Bornhuetter-Ferguson iteriert 1. Iteration äquivalent n-te Iteration: errechneter Endschaden ist neuer a-priori Endschaden Vorteil: Einfluss der a-priori Endschadenquotenschätzung wird reduziert N. Altmann (Seminar) Sachversicherung / 26
19 Weitere Modelle und Verfahren Loss-Development Ident mit CL-Verfahren, statt Abwicklungsfaktoren werden -quoten verwendet Händischer Eingriff alternativer Quoten Additives Verfahren Bestimmung durchschnittlicher Schadenquoten-Zuwächse Annahme: Endschadenquote = Σ Schadenquoten-Zuwächse Schätzung Endschaden = bisher Bezahltes + Quote Prämie N. Altmann (Seminar) Sachversicherung / 26
20 Versicherungszahlungen und -leistungen Versicherungszahlung ( Paid ) Alles was bis jetzt tatsächlich an VN ausbezahlt wurde Versicherungsleistungen bzw. Schadenaufwendungen ( Incurred ) Vers. zahlungen + gebildete Rückstellungen Realität: Paid tatsächlicher Endstand Incurred Verfahren auf beides anwenden Liefern nicht die selben Endstände wegen unterschiedlichem Verlauf Zusätzliche Information des Incurred nutzbar Munich Chain Ladder N. Altmann (Seminar) Sachversicherung / 26
21 Munich Chain Ladder Auszahlungsquote AQ i,k = P i,k Z Pi,k A Realität: AQ i,n = 100% i für k = 0,..., n Betrachten aktuelle Auszahlungsquote AQ i,n i und f Z k k+1, f A k k+1 Korrekturen von Faktoren danach, ob AQ i,k über- oder unterdurchschnittlich ist AQ i,k unterdurchschnittlich: f Z k k+1 und f A k k+1 analog bei Überdurchschnittlichkeit Ausmaß der Korrektur bestimmt durch Daten Abweichung von AQ i,k vom Durchschnittswert bisher beobachteten Korrelation zwischen Abweichungen von AQi,k und f Z/A k k+1 von ihren jeweiligen Mittelwerten N. Altmann (Seminar) Sachversicherung / 26
22 Unvollständige Schadenerfahrung (Tail) Schadenabwicklung ist nach n Jahren noch nicht abgeschlossen erst nach n + d Jahren Lang abwickelnde ( long-tail ) Sparten, z.b. Kfz-H, Unfall Neue Geschäftsfelder Aus Erfahrung Fehlender Beobachtungszeitraum Oder Erkennung dadurch, dass letzter Faktor 1 ist Schätzung einer Restreserve (Nachlauf, tail ) Tailschätzung Durchführung mittels eines zusätzlichen Abwicklungsfaktors Tailfaktor N. Altmann (Seminar) Sachversicherung / 26
23 Durchführung der Tailschätzung Marktfaktoren, Einzelfall- bzw. Pauschalreserven Extrapolation der Faktoren Exponentialfunktion Weibull-Funktion Potenzfunktion Entscheidung durch grafischen Vergleich, quadratischer Approximationsfehler d extrapolierte Tailfaktoren gemäß der angepassten Kurve Tailfaktor = extrapol.tailfaktoren Verteilungsanpassung Betrachte Zuwächse Zi,k mit k = 0,..., n als Verteilung der Schadenzahlung auf die Abwicklungsjahre k = 0,..., n Modellierung direkt mit parametrischer Verteilungsfunktion einfache Möglichkeit: Mischung zweier Exponentialverteilungen ( F (t) = F (t p, m 1, m 2 ) = 1 p exp t ) ( (1 p) exp t ) m 1 m 2 Tailreserve kann als Quantil dieser Verteilung berechnet werden Vorteil: Durchspielung verschiedener Szenarien N. Altmann (Seminar) Sachversicherung / 26
24 Groß- und Kumulschäden Deutlich anderes Abwicklungsmuster entspricht nicht der unternehmenstypischen Abwicklung Großschadengrenze, z.b. Alle Schäden ein bestimmtes Quantil der Schadenhöhenverteilung ein fester Prozentsatz des erw. Endschadenstandes des Anfalljahres ein fest gewählter Betrag (z.b. Priorität des XL) Art der Separierung der Großschäden komplett aus Abwicklungsdaten separieren Und Verfahren auf Großschadendaten anwenden Unterteilung in Basis- und Großschäden Kappung der Großschäden bis zur GS-Grenze Glättung durch Umverteilung der Zahlungen innerhalb des Anfalljahres Bewertung von Großschäden UGB Einzelfallreserve Best Estimate Reserve durch Schadenabteilung N. Altmann (Seminar) Sachversicherung / 26
25 Quellen Radte, Schmidt: Handbuch zur Schadenreservierung Deutscher Versicherungsverband: Broschüre Schaden und Prämienrückstellungen in der Kompositversicherung 2011 (pdf) Mack, Quarg: Munich Chain Ladder Wikipedia N. Altmann (Seminar) Sachversicherung / 26
26 Ende Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! N. Altmann (Seminar) Sachversicherung / 26
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