Fertigungssimulation via Internet - Beispiel: Pulverpressen
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- Cornelius Fleischer
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1 Symposium Simulation in der Produkt- und Prozessentwicklung, November 2003, Bremen 19 Fertigungssimulation via Internet - Beispiel: Pulverpressen Andreas Burblies Hermann Pleteit Fraunhofer IFAM - Institut für Fertigungstechnik und Angewandte Materialforschung, Bremen Kurzfassung Ein großer Teil des personellen Aufwandes liegt bei der Anwendung von Simulationstechniken in der Regel im Pre- und Postprocessing. Für die Simulation von Fertigungsprozessen mechanischer Bauteile muss dazu das fertigungstechnische System - bestehend aus Werkzeug und Formkörper (z.b. Schmelze, Pulver, Blech) - durch Geometrie-, Belastungs- und Metrialmodell beschrieben werden. In diesem Beitrag wird gezeigt, wie mittels internet-basierter Dienste die Simulation eines Pressprozesses aus der Pulvertechnik vorbereitet werden kann. Dabei stehen Dienste für die Werkstoff- und Prozesscharakterisierung sowie für die Optimierung des Pressplanes zur Verfügung. Die so vorbereiteten Probleme können in sehr kurzer Zeit berechnet und die Ergebnisse (z.b. Stempeldrücke, Dichteverteilungen) via Internet übermittelt werden. Besonders für Parameterstudien - zum Beispiel zur Ermittlung des Wandreibungeinflusses zwischen Werkzeug und Pulver - kann damit eine erhebliche Zeitreduktion erfolgen. Durch die konsequente Nutzung webbasierter Softwaretechniken sind diese Methoden sofort und direkt verfügbar. Simulation von pulvermetallurgischen Fertigungsschritten Die Verwendung pulvermetallurgisch hergestellter Bauteile hat insbesondere in der Automobilindustrie große Bedeutung. Dies liegt in der Regel an den - im Vergleich zu anderen Fertigungstechniken niedrigen Produktionskosten, da sehr viel weniger Bearbeitungsschritte nötig sind. Es kommen überwiegend axial gepresste Komponenten zum Einsatz. Die nach dem Pressvorgang im sogenannten Grünteil auftretende Restporosität von 7-12 % wird dann in einem anschließenden Sinterprozess bei Temperaturen knapp unterhalb der Schmelztemperatur weiter gesenkt [1]. Ein anderes Pulverkompaktierungsverfahren ist das Heißisostatische Pressen (HIP), bei dem das Pressen und Sintern von Pulvern in einem Arbeitsschritt zusammengefasst wird. Es ist besonders für große Werkstücke und Pulverwerkstoffe geeignet, die auf konventionelle Weise nicht mehr verdichtet werden können. Dabei wird das Pulver in einer Kapsel eingeschlossen und unter hohem Gasdruck und zugleich hoher Temperatur isostatisch gepresst [2]. Abbildung 1: Endkontur und Dichteverteilung (rot = hohe Dichte, blau = geringe Dichte) beim Heißisostatpressen einer Lüfterradkomponente
2 20 Symposium Simulation in der Produkt- und Prozessentwicklung, November 2003, Bremen Alle pulvermetallurgischen Fertigungsverfahren können inzwischen hinreichend genau mittels kontinuum-mechanischer Werkstoffmodelle, die im allgemeinen aus der Bodenmechanik stammen, simuliert werden. Als Ergebnis der Simulation liegen Dichteverteilungen und Verzüge des Bauteils sowie die am Werkzeug wirkenden Kräfte während der verschiedenen Kompaktierungsphasen vor (s. Abb. 1). Damit lassen sich nicht nur Ungänzen (Porositäten, Risse) im Bauteil voraussagen, vielmehr ist es möglich, die Werkzeuggeometrie so zu optimieren, dass die zu erwartenden Verzüge im voraus kompensiert werden können [3]. Analyse eines konventionellen Simulationsprozesses am Beispiel Warmkompaktierung Das Fraunhofer IFAM verfügt über eine Pulverpresstechnik bei der das Presswerkzeug und das Pulver vor dem Fertigungsprozess auf eine Temperatur von ca. 130 C gebracht werden. Dieses als Warmkompaktierung bekannte Verfahren führt zu im Vergleich zum Kaltpressen höheren Dichten im Grünteil. Für die Simulation eines solchen Fertigungsprozesses sind folgende numerische Modelle erforderlich: das Materialmodell (Beschreibung des konstitutiven Verhaltens poröser Werkstoffe). das Geometriemodell (Werkzeug, Füllgeometrie, Endgeometrie) das Belastungsmodell (Pressplan, Kinematik) Die Bestimmung der Parameter für die aufgeführten Modelle erfordert insbesondere beim Materialmodell einen erheblichen Aufwand. Für das gebräuchliche Drucker-Prager-Cap-Modell, das im hier verwendeten kommerziellen FEM-Programm ABAQUS implementiert ist, muss das Pulverfließverhalten bei mehrachsigen Spannungszuständen analysiert werden. Am Fraunhofer IFAM wurde dazu ein instrumentiertes Werkzeug entwickelt, mit dem sich axiale und radiale Druckverläufe während eines Pressvorgangs experimentell ermitteln lassen (Abb. 2) Abbildung 2: Instrumentiertes Versuchswerkzeug zur experimentellen Bestimmung der Materialmodellparameter (1 = Matrize, 2 = Oberstempel, 3 = Unterstempel, 4 = Messstift für Radialdruck, 5,6 = Messstifte für Axialdruck) 4
3 Symposium Simulation in der Produkt- und Prozessentwicklung, November 2003, Bremen 21 Durch die Analyse der Druckkurven sowie der axialen und radialen Bruchspannungen von Testkörpern lassen sich die Parameter des Drucker-Prager-Cap-Modells ermitteln [4]. Aus der Druckdifferenz zwischen Ober- und Unterstempel kann man außerdem mit Hilfe einer inversen Simulation den Wandreibungskoeffizienten ableiten. Diese Daten bilden die Grundlage für die Simulation des Pressvorgangs. Die Bestimmung der Materialparameter, das heißt Experiment und Datenmodellierung, decken im allgemeinen mindestens 55 % der Gesamtkosten eines Simulationsprojektes ab. Für das numerische Geometriemodell erfolgt eine Vernetzung der Füllgeometrie in finite Elemente. Das Werkzeug (Stempel, Matrize und Kern) kann als steifer Körper (rigid solid) oder ebenfalls in Form eines Finite-Elemente-Netzes modelliert werden. Letzteres ist notwendig, wenn das elastische Verhalten des Werkzeug berücksichtigt werden muss. Unter Einsatz von konventionellen CAD- Systemen (hier: ProEngineer) und FE-Preprozessoren (hier MSC.Patran) können für Arbeiten zur Erstellung des Geometriemodells ca. 15 % der Gesamtkosten angesetzt werden. Für das Belastungsmodell müssen Zwangsverschiebungen aus dem vorgegebenen Pressplan (Stempelkinetmatik) und Kontaktbedingungen zwischen Pulver und Werkzeug definiert werden. Dies geschieht in der Regel mit Hilfe eines handelsüblichen FE-Preprozessors (hier: MSC.Patran). Der Kostenanteil beträgt dafür ca. 20 %. Zur Überprüfung der Simulation kann ein qualitativer Vergleich zwischen der simulierten Dichteverteilung und der optischen, realen Porositätsverteilungen herangezogen werden (s. Abb. 3). Das Postprocessing deckt in der Regel etwa 10 % der Gesamtkosten ab. Abbildung 3: Simulierte Dichteverteilung eines Presskörpers im Vergleich zur optischen Porosität am realen Grünteil. Zeit- und Kostenreduktion im Pre- und Postprocessing durch Customizing und Internet-Nutzung Die Analyse eines konventionellen Simulationsprozesses zeigt, dass der größte Teil der Kosten eines Simulationsprojekts für Pre-und Postprocessing aufgewendet werden muss (s. Tab. 1). Diese Kosten lassen sich durch ein maßgerecht auf das Problem zugeschnittenes Pre-/Postprossing (Customizing) und dem Einsatz einer internetfähigen Client/Server-Architektur (s. Abb. 4) extrem reduzieren.
4 22 Symposium Simulation in der Produkt- und Prozessentwicklung, November 2003, Bremen konventionell customized Materialmodell: - Experimente 45 % 45 % - Data-Modelling 10 % Geometriemodell: - CAD 5 % 5 % - FE-Meshing 10 % Belastungsmodell: - Kinematik 10 % - Kontakt 10 % Postprocessing: - Dichteverteilung, Presskräfte 10 % 100 % 50 % Tabelle 1: Kostenvergleich zwischen konventioneller und maßgeschneiderter Simulationslösung Am Beispiel des Pulverpressens kann gezeigt werden, wie eine solche Architektur als Basis zur vereinfachten Durchführung einer Simulation genutzt wird. Alle Interaktionen des Anwenders werden hierbei über eine Weboberfläche durchgeführt, so dass dieser lediglich einen gängigen Webbrowser benötigt, um sein Problem zu formulieren und die Ergebnisse abrufen zu können. Vor Ort müssen hierfür keine Simulationsprogramme installiert werden und die Eingabeoptionen sind auf das notwendige Maß reduziert [5]. User 1 User 3 User 2 Internet User 4 Web-Server Input geometry kinematics material Interface auto-meshing load definition material model FE- Solver Interface shapes densities forces Output contour plots animations reports Abbildung 4: Am Frauhofer IFAM entwickelte und implementierte, internetfähige Architektur eines Simulationsdienstes zur Presssimulation
5 Symposium Simulation in der Produkt- und Prozessentwicklung, November 2003, Bremen 23 Abgesehen von der Gestaltung geeigneter Weboberflächen besteht für den Anbieter die hauptsächliche Arbeit in der Entwicklung einer Reihe von Programmen, die für den Anwender unsichtbar im Hintergrund ablaufen. Diese überführen zunächst alle vom Benutzer eingegebenen Parameter in eine Form, wie sie innerhalb des Simulationsprogramms benötigt werden. Danach wird aus der definierten Geometrie ein Pressplan erstellt. Geometriedefinition, Materialdaten und Ablaufplan bilden zusammen ein vollständiges Berechnungsmodell. Durch eine eigene Zugangskontrolle abgesichert, startet schließlich automatisch das eigentliche Simulationsprogramm auf einem speziell dafür vorgesehenem Rechner. Nach Abschluss der Berechnung werden alle für den Anwender relevanten Daten aus den umfangreichen Ergebnissen extrahiert und in anschauliche Grafiken umgesetzt, die sich der Auftraggeber einfach mit seinem Webbrowser betrachten kann. Ein Projekt, das auf herkömmliche Art mehrere Tage in Anspruch genommen hätte, ist so innerhalb weniger Minuten abgeschlossen. Damit reduziert sich der Arbeitsaufwand im wesentlichen auf die Materialparameterbestimmung, die parametrische CAD-Aufbereitung der Geometriedaten sowie Lizenz- und Rechnerkosten. Zukünftige Entwicklungen Ziel aktueller Arbeiten ist es, die Simulationskosten weiter zu reduzieren. Dies kann durch eine Weiterentwicklung des Systems im Bereich der Material- und Prozessdatenmodellierung geschehen: Aufbau einer Materialdatenbank für kommerzielle Pulver Internetdienste zur vereinfachten Bestimmung von Prozess- und Materialmodellparametern Am Fraunhofer IFAM wurde in diesem Zusammenhang ein internetfähiges Programm entwickelt, das aus den dichteabhängigen Stempelkräften einer einfachen, einachsigen Pressung eines zylindrischen Versuchskörpers den mittleren Wandreibungskoeffizienten für Pulver und Werkzeug bestimmt. Dazu wird der Pressversuch mit den entsprechenden Materialparametern, simuliert und der Wandreibungskoeffizient über einen Vergleich der gemessenen und berechneten Stempelkräfte optimiert. Die Definition der Bauteilendgeometrie erfolgt zur Zeit über ein rotationssymmetrisches, statisches, parametrisches Modell. Eine Bearbeitung von komplexen, dreidimensionalen Strukturen ist schwierig, wirft aber keine grundsätzlichen Probleme auf, solange diese durch einfache Konstruktionselemente beschreibbar bleiben. Literatur [1] J. Massinger: Modellierung der Warmkompaktierung mit Hilfe der Methode der Fitniten Elemente, Dissertation, Universität Bremen, 2003 [2] M. Khazami Zadeh: Finite Elemente Simulation des Heißisostatpressens endkonturnaher Bauteile, Dissertation, RWTH Aachen, 1996 [3] H. Riedel, T. Kraft: Tool Design Based on Numerical Simulation of Compaction and Sintering, Proceedings of the 2002 International Conference on Process Modeling in Powder Metallurgy & Particulate Materials, Metal Powder Industries Federation, Princeton, USA, S [4] A. Burblies, G. Grecksch, J. Massinger: Finite Element Simulation of Warm Compaction Process compared with Experimental Results, Proceedings of the 2002 International Conference on Process Modeling in Powder Metallurgy & Particulate Materials, Metal Powder Industries Federation, Princeton, USA, S [5] M. Busse, A. Burblies, H. Pleteit: Simulation von Fertigungsverfahren im Internet, Zeitschrift für wirtschaftlichen Fabrikbetrieb, Jahrg. 98 (2003) 6, S
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