Odyssee mit sonnigem Ende

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1 Leseranlage Odyssee mit sonnigem Ende Familie Fischer musste für die richtige Solaranlage etliche Hürden überwinden Von den Startschwierigkeiten abgesehen, ist Familie Fischer (Andrea, Kai und Sohn Kiran) mit ihrer Solaranlage sehr zufrieden. Mit einem Ertrag von mehr als tausend Kilowattstunden pro Kilowatt gehört sie zu den ertragsstärksten beim Solarverein Lüneburg. Zehn Jahre nach Inkrafttreten des Erneuerbare-Energien-Gesetzes hätte der Bau einer Photovoltaikanlage in Deutschland eine Routineangelegenheit sein müssen, sollte man meinen. Doch was Kai Fischer erlebte, als er sich 2009 eine Solaranlage auf das Dach seines Hauses nördlich von Hamburg installieren ließ, wirft kein gutes Licht auf die Branche. Immerhin läuft seine Anlage inzwischen problemlos und erwirtschaftet Erträge, die sich sehen lassen können. Mit dem Gedanken, Strom mit einem Kraftwerk auf dem eigenen Dach zu produzieren, ging Kai Fischer schon seit einer ganzen Weile schwanger. Als sich der IT-Berater und seine Frau Andrea 2004 nach einem Haus vor den Toren Hamburgs umschauten, wählten sie bewusst eines mit Süddach. Zwei Jahre später sollte es dann eigentlich losgehen mit der Installation einer Solaranlage, aber was Kai Fischer über die Module seiner Wahl hörte und las, gefiel ihm nicht:»ich hatte an Sunpower gedacht, doch das war mir alles zu wild.«damals waren die Hochleistungsmodule des US-amerikanischen Herstellers Sunpower Corp. in die Kritik geraten, weil Probleme mit spannungsinduzierter Polarisation auftraten, die zu schlech- ten Anlagenerträgen führten (PHOTON ). Als das Erneuerbare-Energien- Gesetz 2009 um die Variante des Eigenverbrauchs ergänzt wurde, nahm Fischer einen neuen Anlauf:»Das hat mich besonders interessiert, schließlich geht es mir um meine eigene Energiewende.«Es folgte eine Zeit des intensiven Selbststudiums. Mit dem Buch»Photovoltaik für Profis«aus dem Solarpraxis-Verlag und dem Auslegungstool für Wechselrichter der SMA Solar Technology AG bewaffnet, vertiefte sich Fischer in das Thema:»Systemberater wie ich sind Genauigkeitsfreaks. Man muss das System komplett verstehen, komplett kapiert haben, um den Kunden ordentlich beraten zu können.«auf den ersten Blick war die Aufgabe nicht allzu 146

2 » Ronald Frommann / photon-pictures.com schwierig. Das mit Nord-Süd-Ausrichtung gebaute Satteldach seines Hauses in Tangstedt ist, abgesehen von einem Dachflächenfenster und einer Satellitenschüssel, frei von störenden oder gar schattenwerfenden Objekten und bietet 60 Quadratmeter Fläche. Dass es bei der Statik keine Probleme geben würde, darüber hatte sich Fischer bei seinem Bauträger rückversichert. Dennoch wurde die Liste der Anforderungen an die Photovoltaikanlage mit der Fortdauer der Planungen immer länger. Eine Grundvoraussetzung hatte Ehefrau Andrea Fischer gleich zu Beginn formuliert: bloß keine blau glitzernden Module, bloß keine silbernen Rahmen. Das Ganze sollte so gut wie möglich mit den braungrauen Tondachziegeln harmonieren, die auf jeden Fall auch noch zu sehen sein müssten.»meine Frau ist in der Werbung und arbeitet als Reinzeichnerin«, betont Kai Fischer mit einem Lächeln, als sei damit alles gesagt. Den ästhetischen Ansprüchen der Hausherrin hätte eine integrierte Dachanlage natürlich am ehesten entsprochen, hätte aber auch zwischen und Euro pro Kilowatt gekostet.»das war einfach zu teuer«, erklärt Kai Fischer. Bei den ästhetischen Lösungen auf dem Markt handelte es sich allerdings auch nicht gerade um Billigware. Fischer zog neben Sunpower-Modulen auch solche der Aleo Solar AG in die engere Wahl und die HIT-Module des japanischen Herstellers Sanyo Electric Co. Ltd. Letztere haben es ihm vor allem wegen der kompakten Abmessungen (1.580 Millimeter lang und 798 Millimeter breit) angetan und wegen des guten Rufs der Firma:»Das Unternehmen hat eine extrem niedrige Rückrufquote.«Sanyo arbeitet mit Hybridzellen, die einen kristallinen Wafer mit einer amorphen Siliziumschicht kombinieren, und verspricht neben Modulwirkungsgraden von über 18 Prozent auch einen guten Temperaturkoeffizienten, der zu höheren Erträgen bei hohen Temperaturen führt. Ob sich diese Eigenschaften jedoch in der norddeutschen Tiefebene wirklich in Euro und Cent auszahlen, die Mehrerträge also den Mehrpreis übertreffen, darf bezweifelt werden. Und gänzlich unbeschädigt ist Sanyos Ruf als Premiumhersteller inzwischen auch nicht mehr, im mexikanischen Werk sind Produktionsfehler bei der Ware für den nordamerikanischen Markt bekannt geworden (PHOTON ). Leise und kühl müssen sie laufen Bei der Wahl der Wechselrichter ließ Fischer kaum weniger Sorgfalt walten. Weil der hohe Grundwasserspiegel einen Keller für das Haus nicht zuließ, mussten alle Komponenten der Solaranlage in einem Hauswirtschaftsraum untergebracht werden. Größe und Wärmeentwicklung waren deshalb für die Stromwandler ein wichtiges Kriterium. Da der Installationsraum zudem direkt an die Küche grenzt, fielen Geräte mit lauten Lüftern ebenfalls raus. Fronius- Wechselrichter kamen für Fischer nach der Besichtigung einer Anlage in Betrieb nicht infrage:»das ging ja gar nicht. Außerdem werden die so heiß, dass man 147

3 Daten zu dieser Anlage Leistung 9,43 Kilowatt Inbetriebnahme 18. Juni 2009 Mobil stets informiert: Kai Fischer benutzt zur Überwachung seiner Anlage das»sun-watch«-system, das ihm auch auf seinem Smartphone aktuelle Informationen liefert Ronald Frommann / photon-pictures.com (2) Module 46 Sanyo HIP-205NKHE1 Modulfläche 58 Quadratmeter Ausrichtung und Neigungswinkel Süd, 45 Grad Wechselrichter und Verschaltung Sunny Boy SB 4000TL-20 von SMA, zwei Strings mit je zehn Modulen, und Sunny Boy SB 5000TL-20 von SMA, ein String mit 18 Modulen, ein String mit acht Modulen Stromertrag 2010: 9.449,80 Kilowattstunden (1.002,1 Kilowattstunden pro Kilowatt) Investitionskosten ,61 Euro netto inklusive Montage (4.018,62 Euro pro Kilowatt) Finanzierung Euro Eigenmittel, Euro finanziert bei der GLS Gemeinschaftsbank eg (4,6 Prozent effektiver Jahreszins) da Eier hätte drauf braten können.«am Ende fiel Fischers Wahl auf einen Sunny Boy SB 5000TL-20 und einen Sunny Boy SB 4000TL-20 von SMA, nicht nur, weil die kompakt und leise sind, sondern auch, weil sie über jeweils zwei unabhängig voneinander betriebene Tracker verfügen. Das war Fischer wichtig, da er Ertragsverluste durch den Schatten, den das Nachbarhaus von Oktober bis Mai auf den unteren Teil seines Daches wirft, durch eine entsprechende Verschaltung der Module minimieren wollte. Ferner hatte er herausgefunden, dass sich die SMA-Geräte gut mit einem»sun-watch«-datenlogger überwachen lassen, den der Würzburger Tüftler Uwe Klatt entwickelt hat. Fischer schwärmt: 148

4 »»Der hat das SMA-Protokoll analysiert und dann einen kleinen schwarzen Kasten gebaut. Der kostet nur 300 Euro statt der 800 Euro für eine SMA-Lösung, der Stromverbrauch liegt bei fünf Watt, und er hat keinen Lüfter: einfach genial.«zudem speichert der Logger die Daten 20 Jahre lang und bietet eine einfache Einbindung in eine Webseite an, die sich sogar von Smartphones aus abrufen lässt. Die Daten und Grafiken auf seinem iphone ablesen zu können, möchte er nicht missen: Alleine schon, um zu zeigen,»was für eine tolle Anlage man hat und wie viel Strom man produziert«. Bis er die erste Kilowattstunde in das Netz der Eon Hanse AG einspeisen konnte, war es allerdings noch ein weiter Weg. Die Suche nach einem geeigneten Installateur gestaltete sich schwieriger, als Fischer erwartet hatte. Von zehn Angeboten war kein einziges dabei, das seinen Vorstellungen entsprach:»beim schwachsinnigsten wollten sie die Module sogar über die Dachkante hinausbauen«. Dabei hatte Fischer noch gut die Auswirkungen des Orkans Kyrill in Erinnerung, der 2007 mit Windgeschwindigkeiten von über 120 Kilometern pro Stunde sein Gewächshaus eingedrückt hatte. Bei dem Angebot des Hamburger»Ad Fontes«-Betriebes fielen Fischer die Kosten für Montage und Elektroinstallation ins Auge, die ihm mit Euro netto reichlich hoch erschien. Als er nachfragte, was denn vier Leute eine ganze Woche lang beim Aufbau der Anlage zu tun hätten, wurde der Kontakt abgebrochen. Ein Angebot von weit her Fündig wurde Fischer schließlich durch einen Tipp, den er beim Solarverein Lüneburg erhielt. Er solle sich doch mal an die Vetter Elektro GmbH in Leezen bei Schwerin wenden.»die macht kein Marketing, hat keine Webseite, nur eine Telefonnummer«, sagt Fischer, der zunächst skeptisch war,»aber die macht das seit 17 Jahren, und dann war da eine Frau Scholz am Telefon, die wusste alles...«bald darauf stand der Wenig Platz und gleich neben der Küche: Weil die Fischers keinen Keller besitzen, sollten die Wechselrichter im Hausarbeitsraum möglichst klein und leise sein Meister bei ihm im Haus mit den Worten:»Wir wollten erst mal sehen, was für ein Mensch Sie sind.«offensichtlich bestand Fischer den persönlichen Eignungstest, und bei den Zahlungsbedingungen einigte man sich in der 149

5 ıı Mitte: keine Vorkasse, aber Zahlung bei Anlieferung. Der Preis von 4.018,62 Euro pro Kilowatt für 46 Sanyo-Module, zwei SMA-Wechselrichter sowie Montage und Installation gefiel Fischer dabei ebenso wie die Form des Angebots:»Da stand wirklich alles drin, was gemacht wird und was es kostet. Nicht so wie bei den anderen, die einfach nur Pauschalpositionen ausweisen.«lieferung, Montage und Anschluss verliefen problemlos, am 18. Juni 2009 war alles betriebsbereit. Der zuständige Netzbetreiber Eon Hanse AG ließ sich allerdings noch bis zum 28. Juli Zeit, ehe Fischer Strom einspeisen konnte. Vorausgegangen war eine Auseinandersetzung um den Einspeisevertrag, den Fischer nicht unterschreiben wollte, woraufhin die Eon Hanse mit ihrer Rechtsabteilung drohte. Obwohl ein Einspeisevertrag juristisch überflüssig ist, gab Fischer am Ende doch klein bei. Außerdem war angeblich der Zweirichtungszähler, der bei einer Anlage mit Eigenverbrauch notwendig ist, nicht verfügbar. Als Fischer Die 46 Module von Sanyo ließen sich wegen ihrer relativ kleinen Abmessungen auf dem fast genau nach Süden ausgerichteten Satteldach gut platzieren. Nur im Winter bekommt die untere Reihe, die an einem eigenen String hängt, Schatten vom Nachbarhaus ab. allerdings den Eon-Monteur fragte, ob er im Augenblick viel zu tun habe, da habe der»nö, gar nicht«geantwortet. Die vorerst letzte Episode der Odyssee begann, als Eon Hanse im Januar 2010 die erste Jahresabrechnung schickte. Das Energieversorgungsunternehmen verlangte von Fischer knapp 44,39 Euro, obwohl der mit einer Abschlagszahlung für den von ihm produzierten und selbst verbrauchten Strom gerechnet hatte. Nach etlichen Telefonaten und mehreren Wochen stellte sich schließlich heraus, dass die Eon Hanse statt des Einspeisezählers den Bezugszähler zur Berechnung des Eigenstromverbrauchs herangezogen hatte. Am Ende bekam Fischer 443,77 Euro ausgezahlt und wundert sich:»ich frage mich, wie viele Leute solche Fehler nicht merken. Wer die Zahlen nicht selbst kontrolliert, ist verloren, verraten und verkauft.«von den Startschwierigkeiten abgesehen, ist Fischer mit seiner Solaranlage sehr zufrieden. Der spezifische Ertrag lag im vergangenen Jahr bei Kilowattstunden pro Kilowatt Nennleistung, damit gehört sie zu den ertragsstärksten beim Solarverein Lüneburg. Das befriedigt Fischers sportlichen Ehrgeiz, aufs Konto schaut er dabei weniger:»meine Motivation ist nicht unbedingt, dass ich mit der Anlage Geld verdienen will. Ich will zeigen, dass es auch anders geht.«eben ohne Atomstrom, ohne Kohlendioxidschleudern und gleichzeitig ästhetisch anspruchsvoll. Die Familie hat ihren Bezug von Haushaltsstrom im Jahresdurchschnitt um 41 Prozent reduziert, im Sommer sind es 70 Prozent weniger.»dabei haben wir unser Verbrauchsverhalten nicht die Bohne angepasst«, versichert Fischer. Als nächsten Schritt kann er sich vorstellen, den Eigenverbrauch durch einen Speicher deutlich zu erhöhen. Er hat sich bereits das Back-up-System von SMA näher angesehen, dafür würde er im Hauswirtschaftsraum sogar den Trockner opfern. Aber im Augenblick ist es noch zu teuer und hat zu wenig Kapazität.»Man müsste versuchen, sechs bis sieben Monate komplett autark zu sein. Das wäre ein schönes Gefühl, und das wäre mir auch etwas wert«, sagt Fischer. Aber darauf wird er wohl noch ein paar Jahre warten müssen. Was den Vorteil hat, dass genug Zeit bleibt, um das nächste System gedanklich komplett zu durchdringen. Matthias B. Krause Auf diesen Seiten stellen wir regelmäßig Solarstromanlagen unserer Leser vor. Wenn auch Sie Ihre Anlage zeigen möchten, schicken Sie uns bitte ein Foto sowie eine kurze Beschreibung der Anlage. Das Foto dient nur der Vorauswahl. Sollten wir Ihre Anlage porträtieren, vereinbart unser Fotograf mit Ihnen einen Fototermin. Von den veröffentlichten Bildern können Sie anschließend einen Abzug erhalten. PHOTON Europe GmbH Stichwort Leseranlage Jülicher Straße Aachen oder per Ronald Frommann / photon-pictures.com 150