Innovationsfeld. Kapitel 2: Rahmenbedingungen. Projekt: Eventkultur und Nachhaltigkeit

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1 Innovationsfeld Umweltfreundliches Messemanagement Kapitel 2: Rahmenbedingungen Projekt: Eventkultur und Nachhaltigkeit Ein Projekt des Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie GmbH im Wissenschaftszentrum Nordrhein-Westfalen Döppersberg Wuppertal Gefördert durch das BMBF im Rahmen des Forschungsprogramms Nachhaltiges Wirtschaften Möglichkeiten und Grenzen neuer Produktnutzungsstrategien, Teil B: Bedürfnisfelder Fördernummer: 01RN 0115 Wuppertal, September 2005 Autoren: Rainer Lucas, Sandra Kolberg, Andrea Groß

2 1 RAHMENBEDINGUNGEN MARKTSITUATION DER DEUTSCHEN MESSEN VERÄNDERTE ANFORDERUNGEN AN DEN MESSEBAU... 5 LITERATUR

3 1 Rahmenbedingungen 1.1 Marktsituation der deutschen Messen Im diesem Kapitel werden einige Rahmenbedingungen des Messebaus beleuchtet: Zunächst wird auf die Marktentwicklung der Messen näher eingegangen, dann der Stellenwert der Messen im Kommunikations-Mix beleuchtet und abschließend die veränderte Wettbewerbssituation skizziert. Die deutschen Messebauer sind überwiegend kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) und meist Mitglied im FAMAB, dem Fachverband Messe- und Ausstellungsbau (Mitgliederzahl gesamt in 250, Stand 2004). 65% der FAMAB Mitglieder haben 10 bis 50 Mitarbeiter mit Umsätzen von 2,0 Millionen bis 10 Millionen Euro. Lediglich 15 Unternehmen, was ca. 6% entspricht, haben einen jährlichen Umsatz von über 10 Millionen Euro. (FAMAB Branchenbrief 2004: S.5) Aus der AUMA (Ausstellungs- und Messeausschuss der Deutschen Wirtschaft) Bilanz von 2003/04 geht hervor, dass die vermietete Fläche, welches das zentrale Kriterium der Branchenentwicklung ist, im Jahr 2003 zum dritten Mal in Folge rückläufig war. Auch 2004 war ein Rückgang zu verzeichnen, allerdings auf niedrigerem Niveau (- 3% statt in 2003 mit bis zu 6,5%). Allerdings haben sich 2004 die Besucherzahlen stabilisiert. 1 In 2004 konnten die Hälfte der 153 internationalen Messen zum Teil deutliche Ausstellerzuwächse verzeichnen. Die Messekonjunktur ist aber weiter gespalten, da den Pluswerten von 10% und mehr einzelne deutliche Rückgänge in anderen Bereichen gegenüber stehen. Zu dem negativen Ergebnis in 2004 trug vor allem der Rückgang bei den inländischen Ausstellern bei (-4,5%). Demgegenüber ist die Internationalität der deutschen Messen deren wichtigster Pluspunkt. Bei ausländischen Ausstellern ist ein tendenzielles Wachstums von nahezu 1,5% zu verzeichnen. Über die Hälfte der Aussteller kommen aus dem Ausland, davon ein Drittel aus Ländern außerhalb Europas. Für das Jahr 2005 werden Aussteller erwartet, davon Inländer und Ausländer, 6,6 Millionen Quadratmeter vermietete Fläche und 9,65 Millionen Besucher. Der für 2005 erwartete Umsatz der in Deutschland ansässigen Messeveranstalter wird im Vergleich zu 2003 wieder deutlich steigen (knapp 2,5 Mrd. Euro). Die Gründe dafür sind einerseits das deutlich höhere Vermiet-Ergebnis gegenüber 2003 und die Tatsache, dass 1 Der AUMA, der Verband der deutschen Messewirtschaft, vertritt die Interessen der Messewirtschaft auf nationaler und internationaler Ebene gegenüber Parlament, Ministerien, Behörden und anderen Organisationen. Weitere Informationen unter 3

4 Messegesellschaften ihr Servicegeschäft permanent ausweiten, auch in Richtung Reise- und Hotelbuchungen neben Leistungen wie Standbau, Marketing- und PR-Unterstützung. Das bedeutet, der Maßstab für die finanzielle Entwicklung der Messebranche wird immer mehr das ganze Beteiligungspaket, dass der Aussteller kauft und nicht nur die vermietete Fläche. Nach Aussagen von Dr. Hermann Kresse (Geschäftsführender Vorstand AUMA) sind die Branchenkonjunkturen immer weniger entscheidend, wenn man von chronisch schwachen Bereichen wie Bau und Teilen der IT-Branche absehe. Über den Messe-Erfolg entscheide immer mehr, ob der Veranstalter zum richtigen Zeitpunkt mit den richtigen Partnern am richtigen Ort das richtige Konzept umsetze. (AUMA Herbst 2004 Pressegespräch S.1) Um den Messeplatz Deutschland im internationalen Wettbewerb zu behaupten besteht eine zentrale Aufgabe der Messeveranstalter darin, die Beteiligungen aus ausländischer Aussteller möglichst weiter zu steigern. Die ausländische Beteiligung ist inzwischen entscheidend für die Angebotsqualität vieler Messen. Seit November 2004 unterstützt AUMA daher das Auslandsmarketing der deutschen Messen mit einer Kampagne unter dem Motto World`s leading Trade Fairs Messen made in Germany. Man bezeichnet dies als Cross- Marketing-Kampagne, die sich vor allem an eine besonders hochwertige Zielgruppe (Aussteller, Fachbesucher) richtet, primär ausgerichtet auf Geschäftsreisende im Luftverkehr. Ein weiteres wichtiges Segment für die Messeentwicklung sind junge Firmen, die verstärkt auf Inlandsmessen setzen wollen. Fast 30% wollen sich zukünftig mehr an Messen beteiligen und nur 15% weniger. Demnach werden Messen, trotz der Internet-Orientierung, nicht als altmodisch eingestuft. Im Schnitt organisieren diese Unternehmen bereits rund 4 Messebeteiligungen innerhalb von 2 Jahren. (AUMA 2004, Pressegespräch S. 2) Eine EMNID Befragung 2 von 500 Unternehmen im Oktober 2004 ergab, dass die Position der Messe im Kommunikations-Mix der ausstellenden Unternehmen immer noch unverändert führend ist. Im Einzelnen wurden folgende Aussagen getroffen: 76% der befragten Unternehmen betrachten Messen als sehr wichtig oder wichtig. Direkt dahinter mit 75% folgt der persönliche Verkauf/Außendienst. Das Direct-Mailing wird von 62% der Unternehmen genutzt. Firmen, die auf Messen ausstellen, betrachten diese als den zentralen Baustein ihrer Kommunikation. Bei den jungen Unternehmen sind es sogar 70%. (AUMA Herbst 2004 Pressegespräch S.3) Des Weiteren folgt Werbung in Fachzeitschriften (59%), Public Relations (43%), Events (39%), 2 Durchgeführt im Auftrag der AUMA (Ausstellungs- und Messe Ausschuss der Deutschen Wirtschaft). 4

5 Vertrieb über Internet (39%) und Kongresspräsentation (34%). Im direkten Vergleich zeigte sich, dass Unternehmen im Bereich der B-to-B- Kommunikation, Messen nahezu doppelt so wichtig finden, wie Events! Ob sich diese positive Bewertung von Messen im Marketing-Mix direkt auf die Marktsituation des Messebaus auswirkt, muss allerdings bezweifelt werden. Trotz der erreichten Stabilisierung im Jahr 2004 bleibt abzuwarten, wie die Entwicklung weitergeht. Sicherlich sind nicht alle Unternehmen in der Lage auf der internationalen Bühne mitzuspielen. Insofern wird die Internationalisierung der Messen nicht für alle einen positiven Effekt haben. Auch kommen in zunehmenden Maße ausländische Konkurrenten hinzu, die aufgrund niedriger Lohnkosten günstiger anbieten können. Auch werden kleinere Messebauunternehmen nicht in der Lage sein, als Generaldienstleister aufzutreten. Das gesteigerte Kostenbewusstsein der Aussteller hat auch ökologische Effekte. Die großen Materialschlachten, in der ohne Bedenken in Größe und Ausstattung der Messestände investiert wurde, sind vorbei. Roland Lambrette, Vordenker des Ateliers Markgraph, Agentur für Markenkommunikation und Themeninszenierungen in Frankfurt, drückte diesen Tatbestand so aus: «Das Bedürfnis nach Begegnung wird sich nicht ändern. Nur der Materialeinsatz wird reduziert. Wenn an Messen eine Korrektur erfolgen wird, dann am Überfluss, und das kann dem Medium nur gut tun, weil dann die Inhalte und ihre professionelle Darstellung an Bedeutung gewinnen. Hier stehen wir wohl erst am Anfang einer langen Entwicklung, welche von der ehemaligen Exponateschlacht zur Inszenierung subtiler Markenlandschaften führt.» (Quelle: Expodata ) 1.2 Veränderte Anforderungen an den Messebau Der Messebau befindet sich derzeit in einer Umbruchphase. Die Anforderungen seitens der Aussteller haben sich gewandelt. Nach Einschätzung der FAMAB rückt die eigentliche Produktionsfunktion in den Hintergrund. Die früheren Generalisten aus der Holz- und Metallverarbeitung müssen sich zu modernen Spezialisten für Messe-, Ausstellungsbau und Events weiterentwickeln. (FAMAB Branchenbrief S.1). Das Motto im strategischen Marketing der Branche lautet daher: weg vom Produkt - hin zur Problemlösung, weg vom Messestand - hin zur erfolgreichen Gestaltung des Gesamtauftritts. Mit der 3 (Zugriff ) 5

6 Kommunikationsbühne Messestand wird die integrierte Kommunikation zum Schlüssel des Erfolges. (FAMAB Branchenbrief 2004: S.1). Aus der Sicht des Verbandes FAMAB müssen sich die Unternehmen folgenden zukünftigen Herausforderungen stellen (FAMAB Branchenbrief 2004: S.5): Diversifizierung zum Komplett-Dienstleister als Generalunternehmer mit o Kunden-Gesamtberatung vom Zielgruppenprofil bis hin zur Live- Kommunikation, Marketing-Events, Catering, Training des Messepersonals etc o Entwicklung von kundenspezifischen, ganzheitlichen Präsentationskonzepten auch außerhalb der klassischen Messen (Roadshows, Showrooms, Hausmessen) Internationalisierung o o Aktivitäten im Ausland (Kunden und Messegesellschaften folgen) Betreuung ausländischer Kunden (überproportionaler Trend) Systematische Kundenbindung /-sicherung im Customer Relationship Management Outsourcing = Einsatz von Subunternehmen Optimale betriebliche Steuerungsfunktionen und Controlling Mitgliedschaften bei FAMAB / ESG (Einkaufs- und Servicegesellschaft) und anderen Netzwerken als Qualitätssiegel Bei der weiteren Entwicklung wird auch zu beachten sein, wie sich die Aufgabenteilung zwischen Messegesellschaft, Veranstaltern, Agenturen und Messebau verändert. Für das infrastrukturelle Umfeld einer Messe ist die Messegesellschaft verantwortlich. Sie organisiert alle Grundleistungen auf dem Messegelände (Gebäudemanagement, Ver- und Entsorgung etc.). Die Aufgabe des Veranstalters besteht in erster Linie darin, sich um das Messemarketing zu kümmern sowie den organisatorischen Ablauf innerhalb der Messe zu betreuen (z.b. Eröffnungsveranstaltung, Zusatzveranstaltungen, Pressearbeit, Ausstellerservices). Messebauunternehmen werden in erster Linie von Firmen beauftragt, die die Planung und Umsetzung eines Messeauftritts an kompetente Spezialisten abgeben wollen. In Einzelfällen erhalten Messebauer von Agenturen einen Auftrag. Diese werden dann dazwischengeschaltet, wenn es um die Planung einer umfassenden des Messeauftritts in seiner Gesamtheit, also als strategisches Instrument geht. Der Messebau ist in diesem Kontext häufig eine nachgelagerte Dienstleistung (Zulieferfunktion). Inwieweit sich der Messebau in den Bereich der Planung des Gesamtmesseauftritts einschalten kann, ist im Wesentlichen von den Kompetenzen der Firmen abhängig. Unternehmen, die bereits ihre Kernkompetenzen gestärkt haben, sind heute produzierender Dienstleister, deren Aufgabe es ist, Ideen wenn irgendwie wirtschaftlich vertretbar und technisch möglich, zu realisieren und umzusetzen. Dies bedeutet nicht, mit den Kreativen (Architekten, Innenarchitekten, Designern und zunehmend auch Agenturen) in Konkurrenz zu treten, sondern sich als deren 6

7 pragmatisch-konstruktiver Partner zu sehen. Dies bedarf im Unternehmen einer Vielzahl von Fachleuten verschiedenster Disziplinen, vom Meister über den Techniker bis zum Ingenieur, Informatiker und Geisteswissenschaftler. So gesehen eine pragmatische Denkfabrik mit eigener Fertigung. (AMBROSIUS 2000) Ein möglicher Weg, den Ausstellern Kompetenzbündel anzubieten sind Anbietergemeinschaften. Der Aufbau derartiger Netzwerke mit Werbe- und Eventagenturen ist aber nicht einfach, da die bestehenden Kundenkontakte mit dem neuen Partner dann geteilt werden müssen. Messebauer planen und arbeiten grundsätzlich anlassbezogen. Im Mittelpunkt ihrer Tätigkeit hierbei das Produkt Messestand. Hiermit sind ein ganzes Bündel von Leistungen verbunden, mit denen Unternehmen sich und/oder ihre Produkte ziel- und kundenorientiert präsentieren können. Früher waren Messestände oft Tempel, statisch und ausstaffiert mit Produkten. Heute sind sie Funktions-Teil einer dynamischen Inszenierung, zwar Rückgrat und Hardware derselben, das sich darüber hinaus aber wie alle anderen Teile der Regie des Events unterordnet. (AMBROSIUS 2000). Durch viele neue Präsentationsformen- und orte haben die Veranstalter inzwischen Alternativen, wie sie ihren Auftritt gestalten wollen. Dem klassischen Ausstellungsstand begegnet man in Hallen bzw. an Orten, die im Alltag andere Funktionen erfüllen, wie innerstädtische Plätze, Parkanlagen, Gebäude oder Räume, die für ein Event temporär umfunktioniert und umgestaltet werden. Für alle Präsentationsformen gilt, dass es in der Hand des Auftraggebers liegt, Dramaturgie und Inszenierung des Auftritts zu bestimmen. Aus Sicht der Messebauer führt dies zu einer Ausweitung der Anforderungen. Die geschaffene Raumhülle z.b. muss offen sein für unzensierte und spontane Interaktion und Kommunikation zwischen den Besuchern und gleichzeitig aber dem Veranstalter Spielräume zur Selbstdarstellung ermöglichen. Wie bereits angesprochen findet ein Wandel hin zum General-Dienstleister statt. Dabei ist der unternehmerische Erfolg vor allem von funktionierenden Steuerungs- und Controllingfunktionen abhängig. Ein branchenüblicher hoher Stammkundenanteil (50-80%) und Mehrjahresverträge (10-30%) machen ein professionelles Customer Relationship Management (CRM) zur Pflichtübung. (FAMAB Branchenbrief 2004: S. 5). 7

8 Literatur Ambrosius, B. (2000): Messebau Spiegel des Wandels. IHK Wirtschaftsforum. Quelle: (Zugriff am ) Ausstellungs- und Messe Ausschuss der Deutschen Wirtschaft AUMA: AUMA- Herbst- Pressegespräch vom Online abzurufen unter: (Zugriff am ) Ausstellungs- und Messe Ausschuss der Deutschen Wirtschaft AUMA: AUMA-PRAXIS, Erfolgreiche Messebeteiligungen. Online abzurufen unter: (Zugriff am ) Ausstellungs- und Messe Ausschuss der Deutschen Wirtschaft AUMA (1994): Umweltorientierte Ausstellungsbedingungen auf dem Messeplatz Deutschland, Bergisch Gladbach, Fachverband Messe- und Ausstellungsbau FAMAB (2004): Branchenbrief Oktober Online abzurufen unter: (Zugriff am ) Zeitschriften: EXPODATA: Mietmobiliar ist kein Wegwerfartikel, Quelle: W5, Zugriff am , EXPODATA: Zukunft der Messewirtschaft, Interview mit Edwin Huber, Geschäftsführer Huber AG Exhibition Management, Quelle: OCxwYXJlbnQ9MA.html, Zugriff am