Das musivische Pflaster.

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1 Das musivische Pflaster 1 Ehrwürdiger Meister, würdige und geliebte Brüder, das Thema meiner Zeichnung lautet: Das musivische Pflaster. Das Wort musivisch teilt sich einen Wortstamm mit dem Wort Mosaik. Beide stammen wohl von dem griechischen mouseion ab, welches sich als zu den Musen gehörig übersetzen läßt. Die Musen sind in der griechischen Antike die Schutzgöttinnen der Künste (das Umfaßt Gesang, Musik, Tanz, Dichtung und später auch die Wissenschaften). Der Lateinische Begriff opus musivum diente als Bezeichnung für ein Boden oder ein Wandgemälde welches aus vielen kleinen (oft) quadratischen Steinen oder Glasstücken zusammengesetzt ist. Heute kennen Wir den Begriff Mosaik für solche Arbeiten. Das musivische Pflaster im maurerischen Sinne ist ein Mosaik das aus regelmäßigen, quadratischen weißen und schwarzen Fliesen zusammengesetzt ist. Nach Lennhoff, Posner und Binder (2003) war nach einer alten, auf ihren Ursprung kaum überprüfbaren maurerischen Tradition der Salomonische Tempel mit schwarzen und weißen Steinen gepflastert. Aus der Bibel läßt sich diese Information nicht gewinnen. Im Talmud jedoch heißt es, daß ein solcher Fußboden im Konklave des salomonischen Tempels bestanden hat. Als weiterer Herkunftsstrang, als Symbol der spekulativen Freimaurerei, kann der Steinmetzgrund genannt werden. Georg Baller (1960) informiert uns: Der Steinmetzgrund besteht aus einem endlosen Netz aus einem Rasterwerk von Quadraten welche auf der Ecke stehen. Die ideale Figur der Erde ist in diesem Netz symbolhaft abgegrenzt durch das Winkelmaß am oberen, den Zirkel am unteren Pol. Der Kreuzbalken teilt das Weltquadrat in zwei rechtwinklige Dreiecke, die waagerechte ebenso. Das Dreieck also ist die Urfigur, das Element, welches das Quadrat zusammenfügt. Legt man nun die im Rastergrund des gerechten Steinmetzgrundes stehenden Halbquadrate mit ihrer Hypotenuse in einer ununterbrochenen Linie zusammen, so bekommt man eine Rahmenlinie. Dieser Rahmen kann nur rechtwinklig abgegrenzte Figuren umgrenzen. Aus den Rahmenlinien kann man im Rastersystem neue Quadrate bilden. Wenn man diese Quadrate als Bausteine auffaßt, so bilden immer 3x3=9 Quadrate einen zusammen gesetzten größeren Baustein, der nun nicht mehr auf der Ecke, sondern auf der Grundlinie steht. So ist der Steinmetzgrund ein ideales System, einen Entwurf in gesetzmäßiger Weise vorzuzeichnen. Die Meister der Bauhütten nutzen also ein Grundmuster mit gleichseitigen Dreiecken, Quadraten, Kreisen und Achtorten (regelmäßiges Achteck) auf dem sie ihre Konstruktionen für den Kathedralenbau aufbauten. In der Literatur findet man die Vermutung das auch schon die Ägypter, Babylonier, Perser und andere ihre Konstruktionen auf ein rautenförmiges Grundmuster aufbauten (Abbildung 1 zeigt die Konstruktion von bekannten Steinmetzzeichen).

2 Das musivische Pflaster 2 Abbildung 1: Steinmetzzeichen Das maurerische Symbol des musivischen Pflasters kann also einerseits auf Legenden über den Salomonischen Tempel und andererseits auf einen stilisierten Steinmetzgrund zurückgeführt werden. Sicher ist, daß das musivische Pflaster schon sehr lange Bestandteil der spekulativen, maurerischen Symbolik ist. Denn schon im Katechismus der Striken Observanz von 1764 (Imhof, 1983) heißt es in Frage 10: Was führt Ihr für Werkzeuge in Eurer Loge? Die Antwort: Derlei: Geräte, Kleinodien und Zieraten. Die Frage 13 dann: Welches sind die Zieraten? Die Antwort: Der flammende Stern, das musivische Pflaster und die verzierte Einfassung. Warum nun aber habe ich gerade das musivische Pflaster für meine Zeichnung gewählt? Als zentrales Element prangt es auf dem Arbeitsteppich des Lehrlingsgrades. Damit nimmt es ganz offensichtlich einen sehr mittigen Platz in unserer Loge ein. So mittig, daß in einigen Tempel der Boden mit einem musivisches Pflaster ganz oder teilweise belegt ist. Das Winkelmaß, der Zirkel, der rauhe Stein, der Spitzhammer und der 24 zöllige Maßstab sind Symbole von denen man viel hört und auch sieht in der Loge. Vom musivischen Pflaster hört man jedoch recht wenig. Mit seinen wechselnden schwarzen und weißen Feldern erinnert uns das Pflaster an den ständigen Wechsel von Licht und Schatten, Freude und Schmerz, sowie Kommen und Vergehen welchen das Leben für uns bereit hält (Lehrgespräche). Beim ersten Nachdenken darüber kommt mir das ein wenig streng vor. Kann man das Leben wirklich so schwarz-weiß sehen? Ganz ohne Graustufen? Ist das nicht intolerant oder gar ignorant? Denkt man über die Farben Schwarz und Weiß jedoch einmal genauer nach, so bemerkt man das Weiß das ganze Spektrum des Lichts beinhaltet und Schwarz das gesamte Spektrum des Lichts absorbiert. Beide sind alles und eins. Beim weiteren näheren hinsehen auf das Pflaster, bemerkt man außerdem noch, daß neben jeder weißen eine schwarze Fliese liegt und umgekehrt. Ohne das erhalten wir kein musivisches Pflaster, die Andersartigkeit ist notwendig. Toleranz kann man darin finden. Auch fällt auf, daß drei Fliesen oder vier noch

3 Das musivische Pflaster 3 keinen Eindruck eines Pflasters erzeugen. Dafür benötigt es mehr als nur ein paar Fliesen. Sozusagen ein tolerantes miteinander. Auch bemerkt man schnell das eine überlast an weißen Fliesen oder auch an schwarzen Fliesen das Bild verändert. Das Pflaster bildet also ein ausgewogenes, tolerantes miteinander. Fast ohne dieses Symbol zu bemerken umkreisen wir es dreimal bei unserer Aufnahme, wirklich überschreiten tun wir es jedoch nur einmal (es sei denn einer von uns ist oder wird zufällig der Großmeister). Diese Symbolik will sich mir noch nicht so recht erschließen, denn dem Wechsel von Freude und Leid ist ein profaner Mensch genauso ausgeliefert wie ich als Maurer warum also führen die Reisen am musivischen Pflaster vorbei und nur einmal darüber? Oder müssen wir uns das Pflaster in die Unendlichkeiten vergrößert vorstellen und wir umkreisen es am Ende gar nicht sondern befinden uns zu jeder Zeit darauf? Warum ist dann aber nicht der Boden jedes Tempels ganz mit einem musivischen Pflaster bedeckt um uns dies leichter erkennen zu lassen? Das Pflaster ist symbolisch auf den Vorhof des Salomonischen Tempels beschränkt und liegt zwischen der Lehrlingssäule J. zur Linken und der Säule B. zur Rechten. Also hat es sogar auf so manchem Teppich nur einen eingeschränkten Platz bekommen. Oder zeigt uns dies das wir das Pflaster einfach übersehen könnten? Die drei Reisen führen uns nicht zum Ziel, wir verfehlen den Osten und finden uns am Ende der Reise immer im Westen wieder, nur der Weg über das Pflaster führt zum Osten und zum Licht (Lehrgespräche). Können wir daraus entnehmen das wir zwar das musivische Pflaster des Lebens vermeiden oder übersehen können, dann aber auch nicht zum Licht gelangen? Müssen wir schließen, das wir das Pflaster öfters umkreisen müssen wenn wir es meiden aber sobald wir es betreten nur einmal überschreiten können? Dabei stellt sich noch die Frage wie wohl die Färbung des Lebens außerhalb des Pflasters ist, sind wir ohne Licht im dunkeln und damit auf dem äquivalent einer schwarzen Fliese? Unser Aufenthalt in der schwarzen Kammer, die Einführung in die Loge, die verbundenen Augen und, am Schluß die Lichtgebung können leicht als Wiedergeburtssymbolik identifiziert werden. Führt die Vermeidung oder das Übersehen des Pflasters uns am Ende zu einem ewigen Zyklus der Wiedergeburt ohne Aussicht auf Erlösung, außer wir schicken uns endlich an das Pflaster zu sehen und zu überschreiten damit wir das Licht finden? Da eine starke Wiedergeburtssymbolik in der Freimaurerei immanent ist könnte man diese Schlüsse ziehen. Ein Bruder sagte zu mir, das er das musivische Pflaster gerne Betrachtet und sich dabei überlegt welche Färbung die Fliese seines Lebens im Augenblick hat. Eine interessante Fragestellung, aber beim Nachdenken darüber kamen mir weitere Fragen zu dem Symbol des musivischen Pflasters in den Sinn. Wie

4 Das musivische Pflaster 4 können alle Fliesen gleich groß sein wenn doch aber die Schicksalsschläge im Leben so wenig vergleichbar sind. Erfährt ein Mensch zum Beispiel von einer unheilbaren Krankheit die ihn befallen hat, so wird es wohl eine schwarze Fliese sein auf der er sich befindet. Aber eine weiße Fliese ist doch gar nicht in Sicht, wenn die Krankheit doch unheilbar ist. Na gut, dann ist die schwarze Fliese eben eine sehr große schwarze Fliese und die weißen Fliesen sind dafür genau so groß, wie schön. Leider nur nicht schön für den Menschen der nun gerade die schwarze Fliese betreten hat. Doch auch ein kranker oder anders vom Schicksal negativ getroffener Mensch hat schöne Momente, Minuten, Stunden, Tage oder sogar Jahre, wie passt das nun noch ins Symbol? Er steht auf einer großen schwarzen Fliese, das überschattet eigentlich alles, aber die positiven und schönen Momente sind trotzdem weiße Fliesen. Also komme ich zu dem Schluß das wir auf der großen schwarzen Fliese kleiner weiße und schwarze Fliesen anbringen müssen um diesem Umstand Rechnung zu tragen. Das gilt dann wohl auch für die benachbarte große weiße Fliese denn auch im Glück finden sich negative Momente. Betrachten wir unser Werk nun, so wird man sehen das die großen Fliesen nicht mehr zu sehen sind und ein weiteres musivisches Pflaster mit nun insgesamt kleineren Fliesen vor uns liegt. Um regelmäßige Fliesen erhalten zu können müssen wir also die Licht- und Schattenseiten des Lebens unabhängig von ihrer Dauer betrachten. Also könnte man bei der richtigen Betrachtungsweise sowohl die Dauer eines Unglücks als auch seine Größe ignorieren. Wenn wir uns nun endlich anschicken die drei Schritte des Lehrlings über das Pflaster zu machen, so beschreiten wir es nicht irgendwie. Jeder Schritt bildet einen rechten Winkel und gibt die Lehre stets nach Recht und Pflicht zu wandeln (Lehrgespräche I). Die Bewegungsrichtung ist von West nach Ost. Damit ist sichergestellt das nach jeder weißen eine schwarze Fliese kommt und nach jeder Schwarzen eine Weiße. Die Diagonale zu beschreiten ist nicht maurerisch. Dies bemerken wir an jeder Handlung im Tempel, denn jeder Gang der im Ritual getan wird erfolgt rechtwinklig und damit nie diagonal zum Pflaster. Wer eine diagonale beschreitet bewegt sich nicht zielstrebig auf das Ziel, den Osten und das Licht zu und läuft Gefahr nach einer schwarzen Fliese eine weitere schwarze Fliese zu erreichen. Aber auch die andere Diagonale ist nicht die unsere. Ein Mensch dessen Leben nur über weiße Fliesen verläuft vernachlässigt möglicherweise die Pflicht, er vergißt daß um ihn her schwarze Fliesen liegen und er übersieht das Leid der anderen. Erinnert uns das Pflaster also auch an Hilfsbereitschaft und Nächstenliebe? Zusammenfassend kann ich also nun feststellen das für mich das musivische Pflaster ein tröstliches Symbol ist. Es bildet für mich das weltliche Leben auf dem unserer maurerische Arbeit aufbaut und gleichzeitig einen Zeiger auf unser Ziel das Licht. Es beruhigt mich wenn mein Leben in eine negative Phase rutscht und ermahnt mich wenn ich mich im Glück befinden. Es zeigt mir das Gegensätze wie Leben und Tod als Einheit betrachtet werden können. Ich kann

5 Das musivische Pflaster 5 das musivische Pflaster als das Fundament verstehen auf dem Ich mich befinde, von dem aus sich mein Leben entwickelt und auf dem meine profane wie auch maurerische Arbeit aufbaut. Wir überschreiten das Pflaster nicht mit einem Schritt. Wir brauchen drei Schritte um den Osten zu erreichen. Unser Leben wird also selbst wenn, oder sogar weil wir alles richtig machen aus mehrer Phasen des Glücks aber auch des Unglücks bestehen. Ehrwürdiger Meister, meine Zeichnung ist beendet.

6 Literaturverzeichnis 6 LITERATURVERZEICHNIS APPEL, R.; OBERHEIDE, J.; Was ist Freimaurerei? 9. Auflage, Bonn: Die Bauhütte. BALLER, G.; Geheimnisse der Renaissance. Hamburg: Hamburger Kulturverlag. GROßLOGE ALPINA.; Schweizer Freimaurer Rundschau 1/2005. GROßLOGE AFuAMvD.; Lehrgespräche I, Katechismus der Lehrlinge nach dem Ritual der Großloge A.F.u.A.M.v.D. Bonn: DIE BAUHÜTTE Verlags KG. IMHOF, G.; Kleine Werklehre der Freimaurerei. 5. Auflage, Lausanne: Verlag der schweizerischen Grossloge Alpina. LENNHOFF, E.; POSNER, O.; BINDER, D. A.; Internationales Freimaurer Lexikon. München: Herbig Verlagsbuchhandlung GmbH. NAREDI-RAINER VON, P.; Salomos Tempel und das Abendland. Monumentale Folgen Historischer Irrtümer. Köln: DuMont Buchverlag.