Beantwortung der Großen Anfrage DS/2070/VI der Fraktion der SPD- Hilfen zur Erziehung
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- Angelika Schmid
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1 Beantwortung der Großen Anfrage DS/2070/VI der Fraktion der SPD- Hilfen zur Erziehung Das Bezirksamt beantwortet die o. g. Anfrage wie folgt: 1. Wie haben sich die Fallzahlen bei Hilfe zur Erziehung seit 2007 entwickelt (bitte Die Fallzahlen sind der folgenden Tabelle zu entnehmen (ausgewiesen ist jeweils das Mittel der monatlichen Stichtagswerte eines Jahres bzw. dessen Hochrechung für 2011): Hilfearten Anzahl der begünstigten jungen Menschen V-Ist 2011 Vollzeitpflege Sonstige betreute Wohnform ab 2011 bei Heimerziehung Heimerziehung einschließlich a Inobhutnahme Soziale Gruppenarbeit Betreuungshelfer Sozpäd. Familienhilfe Intensive sozpäd. Einzelbetreuung Wie haben sich die durchschnittlichen Fallkosten seit 2007 entwickelt (bitte Die durchschnittlichen Fallkosten sind der folgenden Tabelle zu entnehmen (ausgewiesen sind jeweils die Transferkosten). Hilfearten Durchschnittlichen Fallkosten V-Ist 2011 Vollzeitpflege Sonstige betreute Wohnform ab 2011 bei Heimerziehung Heimerziehung einschließlich a Inobhutnahme Soziale Gruppenarbeit Betreuungshelfer Sozpäd. Familienhilfe Intensive sozpäd. Einzelbetreuung
2 2 3. Wie haben sich die Zuweisungen und Ausgaben seit 2007 entwickelt und in welcher Höhe wurden Ausgabenüberschreitungen vom Berliner Senat ausgeglichen (bitte Eine Aussage zur Zuweisung und Basiskorrektur ist nicht nach den einzelnen Hilfearten möglich. Die Hilfen zur Erziehung werden auf der Grundlage von Budgetierungsobjekten zugewiesen und basiskorrigiert. Da sich die Produkte und damit die Budgetierungsobjekte ständig verändern, kann ein direkter Zusammenhang nicht hergestellt werden. Die Daten zu Zuweisungen und die Basiskorrektur beziehen sich deshalb immer auf die Hilfen zur Erziehung insgesamt. Diese sind in der folgenden Tabelle ausgewiesen: Hilfen zur Erziehung - Gesamt Jahr Zuweisung Ist-Ausgaben Basiskorrektur V-Ist-Ausgaben Aus welchen Gründen ist Lichtenberg seit Jahren der Bezirk mit einem überdurchschnittlich schlechtem Verhältnis zwischen ambulanten und stationären Hilfen im Berlinweiten Vergleich (2006: Lichtenberg: 1,49, Berliner Durchschnitt: 1,04; 2007: Lichtenberg: 1,34, Berliner Durchschnitt: 1,06; 2008: Lichtenberg: 1,38, Berliner Durchschnitt: 0,95; 2009: Lichtenberg: 1,48, Berliner Durchschnitt: 0,86; Quelle: Was kostet wo wie viel, Senatsverwaltung für Finanzen )? Es gibt derzeit keine objektive Datenlage die erklären kann, weshalb sich das Verhältnis von ambulanten zu stationären Hilfen zur Erziehung zwischen den Bezirken unterscheidet. Lichtenberg insgesamt nimmt in Berlin eine mittlere Position hinsichtlich der wichtigsten sozialstrukturellen Daten ein, so z. B. hinsichtlich des Anteils der Kinder und Jugendlichen, die Transferleistungen empfangen. Die sozialstrukturellen Daten weisen jedoch starke Unterschiede in der Belastung der einzelnen sozialen Räume aus. In 12 Planungsräumen (von insgesamt 32) bezieht mindestens jedes zweite Kind oder Jugendliche Existenzsicherungsleistungen. Gerade diese Planungsräume weisen eine hohe Hilfedichte auf. Wie das Jugendamt Marzahn-Hellersdorf in seiner Tiefenprüfung im Rahmen des Fach- und Finanzcontrollings HzE beschrieben hat, beobachtet auch das Jugendamt Lichtenberg eine spezifische Gruppe von besonders sozial belasteten Familien. Diese Familien sind deutsch und bildungsfern, leben oft isoliert, verfügen nicht über stützende familiäre Netzwerke und leben in einer hohen Problemdichte in prekärer Lebenslage. Als Problemnennungen bei Beginn von Hilfen tritt häufig eine deutliche Überforderung der Eltern auf, auch schon bei Kindern im Alter von 0-6 Jahren. Der Anteil dieser Altersgruppe ist in den letzten Jahren deutlich gestiegen (zunehmender Bezug von Existenzsicherungsleistungen, Schulden, Wohnungsverlust, finanzielle Notlagen). Diese Indikatoren sind relevant, weil in den genannten Familien oft die minimal notwendigen Ressourcen und Kompetenzen fehlen, auf die eine ambulante Erziehungshilfe notwendigerweise aufbauen können muss. Festgestellter Erziehungshilfebedarf, der häufig mit einer Gefährdung des Kindeswohls verbunden ist, kann somit nur mit stationären Hilfen erfüllt werden. Zu verweisen ist hier weiterhin auf eine gestiegene Anzahl von
3 3 Sorgerechtsentzügen oder anderer Auflagen der Familiengerichte, die häufig zu langwierigen stationären Hilfen führen und die verdeutlichen, dass dies keine kurzfristigen Hilfeprozesse sind. In einer gegenwärtig laufenden Fallrevision der stationären Hilfen in Heimen werden insbesondere zu dieser Fragestellung tiefer gehende Antworten systematisch erhoben. 5. Welche Gründe haben dazu geführt, dass in Lichtenberg die Anzahl stationär betreuter Menschen von 2008 auf 2009 um 15 % angestiegen und Lichtenberg damit Berliner Spitzenreiter ist (Quelle: Was kostet wo wie viel?, Senatsverwaltung für Finanzen, )? Der Anstieg stationärer Hilfen ist kein Lichtenberger Phänomen. In allen Berliner Bezirken und auch bundesweit sind die Zahlen im Zeitraum von 2007 bis 2010 deutlich gestiegen. Maßgeblich verantwortlich dafür ist die Entwicklung im Kinderschutz, z. B. die Einführung des Netzwerks Kinderschutz in Berlin und die damit einhergehende gestiegene Aufmerksamkeit für Kinder, die gefährdet sind. Hilfen zur Erziehung sind das maßgebliche Instrument der Jugendhilfe, um auf bestehende Kindeswohlgefährdungen zu reagieren. Ein steigender Anteil der stationären Jugendhilfe betrifft zudem Kinder und Jugendliche, deren Bedarf an Erziehungs- oder Eingliederungshilfe wesentlich durch die Folgen einer psychischen Erkrankung oder seelischen Behinderung bedingt ist. Ebenso führen psychische Erkrankungen von Eltern, die ebenfalls bundesweit zunehmen, häufiger zu stationärem Hilfebedarf. Hier sind durch die Jugendhilfe Entwicklungen abzufangen, die nicht von der Jugendhilfe gesteuert oder verändert werden können, sondern auf gesamtgesellschaftliche Probleme zurück zu führen sind. 6. Welche Umsteuerungsinstrumente werden vom Bezirk genutzt, um stationäre Hilfe zu vermeiden? Welche Erfolge wurden hierdurch erzielt? In Lichtenberg gibt es zahlreiche präventive Angebote, die sich an Familien, Kinder und Jugendliche richten. Gerade in den Sozialräumen, die eine hohe soziale Belastung aufweisen, hat das Bezirksamt gezielt zusätzliche Mittel eingesetzt. Es gibt eine gute Versorgungsstruktur an Jugendfreizeiteinrichtungen, präventiven Projekten und einen hohen Grad an Vernetzung von Angeboten für Familien. Dazu zählt auch eine gute Ausstattung mit Angeboten der Kindertagesbetreuung. Das Angebot an ambulanten Hilfen zur Erziehung ist differenziert und dem Bedarf entsprechend entwickelt. Über die üblichen Angebote hinaus hat Lichtenberg spezielle Formen ambulanter Hilfen entwickelt: - KiC als ambulante Krisenintervention mit dem ausdrücklichen (und durch regelmäßige Evaluation bestätigten) Anspruch, häufiger ein Verbleiben in der Familie zu sichern - Intensive Formen von sozialer Gruppenarbeit mit erhöhtem Anteil an Elternarbeit - Kompensatorische Familienhilfe, die bei Bedarf auch langfristig eingesetzt wird, wenn damit stationäre Unterbringungen vermieden werden können. Besonders hinzuweisen ist hier darauf, dass die Zunahme der Fallzahlen in der Vollzeitpflege ein gewünschtes Steuerungsergebnis darstellt, weil jedes Kind, das in Vollzeitpflege untergebracht wird, sonst unabweisbar einen Bedarf an Heimerziehung hätte. Die Hilfe in Vollzeitpflege stellt aber in einer Reihe von Fällen sowohl unter pädagogischen als auch unter finanziellen Aspekten die bessere Alternative dar. Deshalb ist der Ausbau von Vollzeitpflege mit dem dafür beauftragten freien Träger weiterhin ein Steuerungsziel des Jugendamts Lichtenberg. Zusammenfassend kann eingeschätzt werden, dass jedes dieser Projekte nachgewiesenermaßen Erfolge gebracht hat. Zugleich sind jedoch neue komplexe Hilfebedarfe entstanden, die allein mit präventiven Maßnahmen und ambulanten Hilfen nicht
4 4 zu beheben sind. Der Fallzahlenanstieg kann damit also nicht verhindert, aber signifikant abgeschwächt werden. 7. Welche fachlichen, finanziellen und zeitlichen Standards verfolgt das Jugendamt bei stationären Unterbringungen (Vollzeitpflege, Heimerziehung, Inobhutnahme, betreutes Wohnen) und wie wird verfahren, wenn diese nicht eingehalten werden? Siehe Welche fachlichen, finanziellen und zeitlichen Standards verfolgt das Jugendamt bei ambulanten Hilfen (soz. Gruppenarbeit, Betreuungshelfer, soz.-päd. Familienhilfe, intensive soz.-päd. Einzelbegleitung) und wie wird verfahren, wenn diese nicht eingehalten werden? Fachliche, finanzielle und zeitliche Standards von stationären Hilfen zur Erziehung sind im Wesentlichen durch Landesvorschriften geregelt. Die fachlichen Standards, nach denen freie Träger der Jugendhilfe ambulante und stationäre Hilfen zur Erziehung zu erbringen haben, sind im BRVJ festgelegt. Die finanziellen Regelungen wie Entgelte oder Fachleistungsstundensätze werden in der Vertragskommission zwischen öffentlichem Träger und freien Trägern landesweit einheitlich vereinbart. Vertragspartner der freien Träger in den Trägerverträgen ist die Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und Forschung. In regelmäßigen Hilfeplangesprächen und Trägergesprächen wird durch das Jugendamt die Leistungserbringung überprüft und ggf. Mängel in der Leistungserbringung angesprochen. Kommt es zu gravierenden Standardverletzungen durch die Leistungserbringer unterrichtet das Jugendamt die Senatsverwaltung. Die fachlichen Standards des Jugendamts bei der Hilfegewährung sind im Wesentlichen durch die entsprechende Verwaltungsvorschrift (AV Hilfeplanung) geregelt. Entscheidungen zu Hilfen zur Erziehung werden unter Beteiligung der Leitung im Fachteam und im Fallteam immer auch unter Kostengesichtspunkten getroffen. Dabei gilt der Grundsatz, die sorgeberechtigten Eltern umfangreich einzubeziehen. Im Rahmen fortlaufender Hilfeplanung wird die Zielerreichung mindestens halbjährlich überprüft und in Abhängigkeit vom Verlauf werden Veränderungen vorgenommen. 9. In wie vielen Fällen wurden seit 2009 die Fallpauschalen überschritten, zu welchen Ausgabenüberschreitungen hat dies geführt und wie geht das Jugendamt mit solchen Fällen um? Fallpauschalen sind verwaltungsinterne Instrumente des Jugendamts Lichtenberg zur Steuerung der Fallkosten. Erfolgt eine Überschreitung im Einzelfall, muss dies in einem festgelegten Verfahren begründet werden. Erst dann erfolgt eine Entsperrung der Kosten. Im Rahmen der aktuell laufenden Fallrevision werden Daten für das Jahr 2010 analysiert. Für das Jahr 2009 liegen dazu keine aggregierten Angaben vor. Nach derzeitigem Stand ist einzuschätzen, dass die Fallpauschalen dann überschritten werden, wenn ein besonders komplexer und hoher Hilfebedarf bei Kindern und Jugendlichen und ihren Eltern vorliegt. Dabei geht es insbesondere um Kinder und Jugendliche mit multiplen psychischen Störungsbildern und um Kinder und Jugendliche, die nicht mehr beschult werden können, so dass dann schulergänzende oder schulersetzende Leistungen der Jugendhilfe erforderlich werden. Ebenso sind Hilfen für psychisch kranke oder seelisch behinderte Kinder und Jugendliche häufig nur mit erheblich größeren pädagogischen Aufwendungen leistbar. Eine Reihe von HzE-Fällen erfordert auch durch die psychische Erkrankung der Eltern besonders intensive Hilfen. Besonders allein Erziehende mit einer Psychose- oder Suchterkrankung und fehlenden familiären Ausgleichsmöglichkeiten sind krankheitsbedingt schwierige Kooperationspartner für die stationären Einrichtungen.
5 5 10. In welchem Maße haben die Fall- und Fachteams seit deren Einführung zu einer bedarfsgerechteren Hilfezuweisung bzw. zu Einsparungen geführt? Fall- und Fachteams wurden zur Qualifizierung des Entscheidungs- und Hilfeprozesses eingeführt. Insbesondere mit der Einführung des Fallteams im Rahmen der Sozialraumorientierung waren keine Einsparziele verbunden. In Lichtenberg wird das Fallteam im Zusammenwirken von öffentlichen und freien Trägern nach der vorgegebenen Methode Kollegiale Beratung qualifiziert durch: stärkere Beteiligung der Betroffenen im Vorfeld der Fallteams, Entwicklung verschiedener Perspektiven zum Problem, Entwicklung verschiedener Lösungsideen. Damit werden passgenauere und bedarfsgerechte Hilfen möglich, Einsparungen in signifikanter Höhe sind dadurch nicht zu erwarten. gez. Räßler-Wolff
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