Reisezeit gleich Arbeitszeit? - Unterwegs permanent im Dienst?

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1 Reisezeit gleich Arbeitszeit? - Unterwegs permanent im Dienst? ITB Business Travel Strategietag 7. März 2013 Dr. Thomas Barthel Rechtsanwalt Fachanwalt für Arbeitsrecht

2 Seite 2 Inhalt Arbeitszeitbegriffe Öffentlich-rechtliches Arbeitszeitrecht Reisezeit als Arbeitszeit i.s.d. Arbeitszeitgesetzes Reisezeit als vergütungspflichtige Arbeitszeit Gestaltungsmöglichkeiten

3 Seite 3 Arbeitszeitbegriffe Öffentlich-rechtlicher Arbeitszeitbegriff Wie viel darf wann gearbeitet werden? Vertraglicher Arbeitszeitbegriff Wie viel muss gearbeitet werden? Wie viel geleistete Arbeitszeit ist zu vergüten?

4 Seite 4 Öffentlich-rechtliches Arbeitszeitrecht Geregelt im Arbeitszeitgesetz (ArbZG) Arbeitszeit im Sinne dieses Gesetzes ist die Zeit vom Beginn bis zum Ende der Arbeit ohne die Ruhepausen; Arbeitszeiten bei mehreren Arbeitgebern sind zusammenzurechnen.[ ] ( 2 Abs. 1 S. 1 ArbZG) Begrenzt zum Schutz von Arbeitnehmern (AN) höchstzulässige Arbeitszeit, 3 ArbZG Anwendungsbereich: - ArbZG gilt nicht für leitende Angestellte i.s.d. 5 Abs. 3 BetrVG sowie für Chefärzte, 18 Abs. 1 Ziff. 1 ArbZG Abweichende Regelung ( 7 ArbZG) - Durch Tarifvertrag (TV) für ausdrücklich genannte Fälle oder - Aufgrund eines TV in Betriebsvereinbarung oder Dienstvereinbarung - Neue Definition des Arbeitszeitbegriffs i.s.d. ArbZG auch durch TV nicht möglich

5 Seite 5 Öffentlich-rechtliches Arbeitszeitrecht Werktägliche Arbeitszeit / Höchstarbeitszeit ( 3 ArbZG) Werktägliche Arbeitszeit der AN darf 8 Std. nicht überschreiten Kann auf bis zu 10 Std. nur verlängert werden, wenn innerhalb von 6 Kalendermonaten oder innerhalb von 24 Wochen im Durchschnitt 8 Std. werktäglich nicht überschritten werden Besonderheit bei schwerbehinderten Mitarbeitern: Ablehnungsrecht für Verlängerung nach 124 SGB IX (dann: 8 Std. als absolute Höchstgrenze) Arbeitszeiten bei mehreren AG sind zusammenzurechnen ( 2 Abs. 1 S. 1 ArbzG) grundsätzlich erlaubt ausnahmsweise erlaubt grundsätzlich verboten

6 Seite 6 Öffentlich-rechtliches Arbeitszeitrecht Ruhepausen ( 4 ArbZG) Länger als 6 Std. hintereinander dürfen AN nicht ohne Ruhepause beschäftigt werden Ruhepausen Arbeitszeit Pause! 6 Std. 9 Std. 10 Std. Pause(n) insgesamt mind. 30 Min. Pause(n) insgesamt mind. 45 Min. Ruhezeit ( 5 ArbZG) Nach Beendigung der täglichen Arbeitszeit ununterbrochene Ruhezeit von 11 Std.

7 Seite 7 Reisezeit als Arbeitszeit i.s.d. ArbZG Varianten der Reisezeit (I/IV) Hin- und Rückweg Privatwohnung/Betriebsstätte Dienstreisen: - Zeit der Erbringung der Arbeitsleistung - Wegzeiten für Hin- und Rückreise - Wartezeiten am Zielort vor und nach Erbringung der eigentlichen Arbeitsleistung

8 Seite 8 Reisezeit als Arbeitszeit i.s.d. ArbZG Varianten der Reisezeit (II/IV) Hin- und Rückweg Privatwohnung/Betriebsstätte ist eindeutig keine Arbeitszeit i.s.d. ArbZG (BAG v. 8. Dezember AZR 304/58) Erbringung Arbeitsleistung vor Ort ist eindeutig Arbeitszeit i.s.d. ArbZG: AN erfüllt gerade die im Synallagma zum Entgelt stehende Hauptleistungspflicht Bzgl. der anderweitigen Zeiten einer Reise gilt sog. Beanspruchungstheorie BAG v. 11. Juli AZR 519/05: Wegzeiten einer Dienstreise keine Arbeitszeit i.s.d. ArbZG, wenn AG Benutzung eines öffentlichen Verkehrsmittels vorgibt und AN Nutzung der Zeit überlassen bleibt

9 Seite 9 Reisezeit als Arbeitszeit i.s.d. ArbZG Varianten der Reisezeit (III/IV) Beanspruchungstheorie: Sofern AN sich während Wegzeit mit privaten Dingen befassen kann keine Arbeitszeit i.s.d. ArbZG, da - Beanspruchung unterhalb des Beanspruchungsgrades der Rufbereitschaft liegt und AN nicht auf Abruf zur Verfügung stehen muss - AN lediglich Freizeitopfer abverlangt wird Weist AG bestimmte Tätigkeiten für Wegzeit an, gilt Wegzeit als Arbeitszeit i.s.d. ArbZG (vgl. BAG v. 11. Juli AZR 519/05)

10 Seite 10 Reisezeit als Arbeitszeit i.s.d. ArbZG Varianten der Reisezeit (IV/IV) Fazit: Steuert AN aufgrund Weisung Fahrzeug selbst Arbeitszeit AN als Beifahrer: Grad der Beanspruchung gering Keine Arbeitszeit Erst-Recht-Schluss des BAG: Wartezeiten am Zielort Keine Arbeitszeit, da AN frei in Gestaltung

11 Seite 11 Reisezeit als vergütungspflichtige Arbeitszeit Sofern individual- oder kollektivvertragliche Regelung (-), Unterscheidung nach: Arbeitszeit- kontingent Reise- und Wartezeiten innerhalb des vereinbarten Arbeitszeitkontingents Reise- und Wartezeiten generell vergütungspflichtig Reisezeit Reise- und Wartezeiten außerhalb des vereinbarten Arbeitszeitkontingents Sofern keine vertragliche Vereinbarung, ist Üblichkeit maßgeblich, 612 Abs. 1 BGB

12 Seite 12 Reisezeit als vergütungspflichtige Arbeitszeit Reise- u. Wartezeiten innerhalb des regelmäßigen Arbeitszeitkontingents Reise- u. Wartezeiten außerhalb des regelmäßigen Arbeitszeitkontingents Ohne ausdrückliche individualvertragliche / kollektivrechtliche Regelung vergütungspflichtig; unerheblich ist, ob AN passiv in einem öffentlichen Verkehrsmittel reist oder aktiv ein Fahrzeug steuert Nur vergütungspflichtig, wenn dies ausdrücklich vereinbart oder nach den Umständen zu erwarten ist Es darf individualvertraglich / kollektivrechtlich geregelt werden, dass es sich nur um vergütungspflichtige Arbeitszeit handelt, wenn auch Arbeitszeit i.s.d. ArbZG vorliegt; Reisezeiten in öffentlichen Verkehrsmitteln, die der AN mit Ausnahme des Umstandes, dass er sich im Verkehrsmittel befindet, frei nutzen kann, sind nicht zwingend zu vergüten

13 Seite 13 Reisezeit als vergütungspflichtige Arbeitszeit Problem bei Reisezeit außerhalb des vereinbarten Arbeitszeitkontingents: Was ist nach den Umständen zu erwarten? BAG v. 3. September AZR 428/96: Ein Rechtssatz, dass Reisezeit außerhalb der regulären Arbeitszeit zu vergüten ist, besteht nicht! Entscheidend: Was ist nach den Umständen zu erwarten? BAG v. 3. September AZR 428/96: Zwei Reisestunden pro Reisetag bei überdurchschnittlicher Vergütung Keine Vergütungspflicht LAG Hamm v. 12. Januar Sa 1665/94: Schon in gehobener, nicht erst in leitender Stellung hat AN gewisses Kontingent an Reisezeit unentgeltlich zu erbringen Bei Fehlen vertraglichen Vereinbarung ist für Frage, ob Vergütung zu erwarten ist, auch maßgeblich, ob AN während Reisezeit in seinem Tun frei ist oder ob er z.b. auf Weisung des AG Fahrzeug lenkt

14 Seite 14 Reisezeit als vergütungspflichtige Arbeitszeit Beachten Sie: Vertragliche Vereinbarung zur vergütungspflichtigen Arbeitszeit hat keinen Einfluss auf Anwendbarkeit des ArbZG! Anordnung von Reisezeiten - auch bei wirksamer Abgeltung - stellt ggf. Arbeitszeit i.s.d. ArbZG dar Verstöße gegen ArbZG können gem. 22, 23 ArbZG Ordnungswidrigkeit/Straftat begründen

15 Seite 15 Reisezeit als vergütungspflichtige Arbeitszeit Abgeltungsmöglichkeiten Rechtspr. zur Abgeltung von Überstunden ist entsprechend anzuwenden Keine Pauschalabgeltung (Verstoß gegen Transparenzgebot) Verhältnis von Leistung und Gegenleistung beachten; 25% der Arbeitsleistung als Überstunden abgegolten unwirksame Klausel (LAG Hamm v. 18. März Sa 1108/08) 10%ige Abgeltung der regulären Arbeitszeit wohl zulässig Beachten Sie: Abgegoltene Überstunden und Reisezeit sind zu addieren, da sonst unangemessene Benachteiligung möglich

16 Seite 16 Gestaltungsmöglichkeiten Regelungsvorschlag (I/II) " Reisezeit als Arbeitszeit 1. Reisezeiten, d.h. erforderliche Wege- und Wartezeiten, die mit der dienstlichen Inanspruchnahme am auswärtigen Tätigkeitsort verbunden sind, stellen nur dann Arbeitszeit im vergütungsrechtlichen Sinne dar, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer Weisungen hinsichtlich der Verwendung der Zeit erteilt, wobei hiervon auch die Führung eines Kraftfahrzeuges umfasst ist. Für jeden regelmäßigen Arbeitstag wird jedoch mindestens die auf ihn entfallende regelmäßige durchschnittliche Arbeitszeit berücksichtigt. Reisezeiten, d.h. Wege und Wartezeiten, die über die regelmäßige durchschnittliche Arbeitszeit am jeweiligen Tag hinausgehen, werden jedoch nur unter der Maßgabe des Satzes 1 vergütet. 2. Hat der Arbeitnehmer die Arbeitsleistung außerhalb der Betriebsstätte zu erbringen und sucht er den auswärtigen Arbeitsort auf Weisung des Arbeitgebers mit einem von ihm zu steuernden Fahrzeug auf, gilt die Wegezeit zwar als vergütungspflichtige Arbeitszeit, es ist jedoch der Zeitaufwand für den fiktiven Weg zur Betriebsstätte abzuziehen. Dasselbe gilt für den Rückweg von einem auswärtigen Arbeitsort, sofern der Arbeitnehmer direkt nach Hause fährt. [ ]

17 Seite 17 Gestaltungsmöglichkeiten Regelungsvorschlag (II/II) Vergütung [ ] Mit dem vorstehenden Gehalt sind Überstunden und, gemäß x dieser Vereinbarung als Arbeitszeit geltende und über die regelmäßige durchschnittliche Arbeitszeit hinausgehende, Reisezeiten, sofern diese überhaupt vergütungspflichtige Arbeitszeit darstellen, in Höhe von xxx Stunden pro Monat (10% der regelmäßigen Arbeitszeit) abgegolten.

18 Seite 18 Anwalt Dr. Thomas Barthel, Partner Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht Kurfürstenstraße Berlin Tel.: /-343 Praxisgruppe Mitglied Karriere Sprachen Veröffentlichungen Arbeitsrecht European Employment Lawyers Association, Berliner Anwaltsverein Freie Universität Berlin (Zweites Juristisches Staatsexamen 2000; Dr. iur. 2001), Hogan & Hartson LLP, Berlin und London ( ), Fachanwalt für Arbeitsrecht (2005), CMS Hasche Sigle, Berlin ( ) Deutsch, Englisch Regelmäßige Veröffentlichungen und Vorträge zu aktuellen Fragen des Arbeitsrechts

19 Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.