VL Geschichtsunterricht in Bayern, Sitzung 6: Strukturierungskonzepte im GU

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1 VL Geschichtsunterricht in Bayern, Sitzung 6: Strukturierungskonzepte im GU A) Allgemeines Dominanz des chronologischen Durchgangs, aber allmähliche Relativierung! Weiterführende Schulen generell: vertiefende Reflexionsphasen Gymnasiale Oberstufe: Strukturelle Themen, Längsschnitte Grundschule: Exemplarische Häppchen in Lokal- u. Regionalgeschichte Verfahrensweisen, Darstellungsprinzipien, Unterrichts- bzw. Untersuchungsverfahren

2 B) Untersuchungsverfahren 1. Chronologisch-genetischer Durchgang Grundgerüst des GU: Überblickswissen (v.a. Politikgeschichte) nur Lernwissen? unverzichtbar: Orientierungswissen, Epochenmerkmale, Schlüsselereignisse Bedeutung der Zeitleiste! Konstitutive Dimension der Zeit : linear u. kausalgenetisch Entwicklungsprozesse Reduktion der Lehrpläne: Chronologische Addition von Einzelthemen (Bsp. Mittelalter: wenig Chronologie, dann Strukturen!)

3 Fs. Genetisch-chronologischer Durchgang Grundsätzliche Probleme: - Starre Zuordnung Themen-Klassenstufen: früh spät, Überforderung durch antike Themen, Lösung: Starke Vereinfachung! - Standardmodell Groß- u. Einzelepochen: Fehlen der Weltgeschichte u. langer Dauer (Existenz von Weltbildern) Enge Perspektive (Europa!) ohne anthropologische Konstante - Geschichtsbild zwanghafter Abläufe: Anschein determinierter Geschichte ( Einbahnstraße ) Lösung Gegenchronologie???

4 2. Historischer Längsschnitt Thematischer Aspekt über längeren Zeitraum: Gang der Geschichte Veränderungen : Tiefendimension: Historizitätsbewusstsein V.a. anthropologische Themen u. Relevanz für Gegenwart Grundbedürfnisse u. -situationen des Menschen: Wurzeln in der Vergangenheit Gefahren: Konzentration vs. Isolierung, kaum tiefere Betrachtung realer Zeitumstände bzw. Hintergründe, eher naives Fortschrittsdenken Bloße Aneinanderreihung verschiedenartiger Erscheinungsformen, naives Fortschrittsdenken???

5 3. Struktureller Epochenquerschnitt Zunehmend beliebtes Verfahren (Lehrpläne, Schulbücher): statisch-additive Momentaufnahme des prallen Lebens Breites Epochenprofil : Politik, Gesellschaft, Wirtschaft, Kultur, Religion, Mentalität Fächerübergreifendes Prinzip, Stationenlernen! Probleme: - Gesamteindruck statt Problemorientierung - Vernachlässigung steter Prozesshaftigkeit von Geschichte - sehr schwierige Verifizierung von Strukturen (höchst theoretische Strukturanalysen nötig!)

6 Spezialfall Fallanalyse / Fallstudie Extreme Komprimierung des Querschnitts : Historische Tiefenbohrung : Exemplarische Bedeutung eines historischen Sachverhalts Gebündelte Betrachtung von Zeittypischem! V.a. lokal- u. regionalgeschichtliche Themen Lebensweltbezug u. Motivation der Schüler Elementare Einsichten: - Methodentraining: Arbeitstechniken, Denkweisen, Deutungsmuster etc. - Geschichte als Konstrukt : Fragekompetenz! - Motivation durch Selbsttätigkeit: Experten Forschend-entdeckendes Lernen!

7 4. Vergleichendes Verfahren Definition: Vergleich historischer Gesellschaften oder bestimmter Einzelaspekte Einzelanalyse, dann Konfrontation! 2 Arten von Vergleichen: - diachron: damals vs. heute (z.b. Demokratie, Stadt) - synchron: Vergleich in Epoche (z.b. Athen- Sparta, USA-UdSSR) Methodische Voraussetzungen: - Sinnvolle Kriterien: überhaupt Vergleichbares? - Polarität relevanter Kriterien: Kontrastives!

8 5. Perspektivisch-ideologiekritisches Verfahren Metaebene: Perspektivität historischer Narrationen (v.a. bei Rezeption!) besonders wichtig bei starren Geschichtsbildern - Stereotype u. Vorurteile - Legenden- u. Mythenbildungen - Öffentliches Gedenken Geschichtskultur! Doppelter Erkenntnisgewinn: - keine Geschichte schlechthin, sondern Deutungen - Abhängigkeit von Zeitumständen, Interessen etc. sehr anspruchsvoll (SEK II)!

9 6. Fazit Große Vielfalt historischer Strukturschemata als subjektiver Inszenierungstechniken wenn möglich: variabler Einsatz im Schuljahr! Für alle Zugriffsmöglichkeiten gilt es operationale Fähigkeiten und Fertigkeiten des Umgangs mit Geschichte, ihrer Überlieferung und ihrer Darstellung zum unentbehrlichen Inhalt des GU zu machen. Ziel ist dabei, in kritischer Distanz zur Überlieferung und Verbreitung von Historie die Grenzen geschichtlicher Wahrheitsfindung und die Möglichkeiten geschichtlicher Bewusstseinsbildung aufzuzeigen (H. Gies)