Gerechter Krieg II. Michael Walzer, Just and Unjust Wars (1977)
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- Hildegard Peters
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1 Gerechter Krieg II Michael Walzer, Just and Unjust Wars (1977) Allgemeine Voraussetzung: Krieg kann gerechtfertigt sein, aus verschiedenen Gründen (Verteidigung, Befreiung etc.). Soldaten können also aus subjektiv berechtigten Gründen Krieg führen (sind keine Mörder ). Es gibt Regeln, an die man sich halten muss. Die wichtigste: Kämpfer von Nicht-Kämpfern zu unterscheiden und letztere zu schonen. Besondere Probleme der Moderne: 1. Bombenkrieg ( Massenvernichtungswaffen ) und Zivilbevölkerung 2. Partisanen-, Guerilla- und Befreiungskriege 3. Terrorismus 4. Atomare Abschreckung Prof. Dr. Ludwig Siep - Einführung in die politische Philosophie 1
2 1. Massenvernichtungswaffen und Schutz der Zivilbevölkerung Grundsatz des Kriegsrechts ( in bello ): Zivilbevölkerung möglichst von Kampfhandlungen verschonen. Kollidiert mit a) moderner Kriegstechnik: Waffen von immer größerer Zerstörungskraft b) moderner Kriegsführung: Artilleriekrieg, Luftkrieg, Kommunikation c) moderner Rüstungsindustrie: Fabriken, Zulieferer, Transport d) totalen Kriegen: Wirtschaftskraft entscheidend Theorie der Doppelwirkung: Zerstörung von Kampfkraft und Kollateralschäden Walzer: Es kommt darauf an, Krieg nicht einfach als gesetzlose Katastrophe zu verstehen ( war is hell anything goes ), sondern die Unterscheidung zwischen unvermeidbarer Nebenwirkung und Terror gegen die Zivilbevölkerung aufrecht zu erhalten. Konsequenzen: Ausweg für Zivilisten bei Belagerung, Wirtschaftsblockade nur gegen Kriegsgüter, nicht gegen Ernährung, Arzneimittel ( smart sanctions ). Zerstörung nur von Rüstungsindustrie. Heute: Entwicklung zielgenauer Waffen, Nichtverbreitung von Nuklearwaffen (aber Problem: preemptive strike, Monopol). Prof. Dr. Ludwig Siep - Einführung in die politische Philosophie 2
3 2. Partisanen-, Guerilla-, Befreiungskriege Problem: Können in einem unerklärten Krieg der Schwachen gegen die Starken (Besatzer) alle Mittel der Überraschung und der Täuschung benutzt werden? Kriegsrechtliche Unterscheidung zwischen Kriegs-, Waffenstillstands- und Friedenszeit verleiht den Kämpfern Kombattanten-Status und den Zivilisten Rechtsgarantien. Die Aufhebung berechtigt die Überfallenen, Zivilisten wie Kämpfer zu behandeln und Gefangene wie gewöhnliche Verbrecher. (Vorrecht der Kriegsgefangenen: Keine Straftat, benevolent quarantine ) Walzer: Die Unterscheidung kann eingeschränkt aufrechterhalten werden, wenn die Kämpfer politische und militärische Einrichtungen bzw. Personen attackieren. Beispiele für internes Kriegs recht der Guerilla (Mao, Cuba vgl. Walzer 181). Prof. Dr. Ludwig Siep - Einführung in die politische Philosophie 3
4 2. Partisanen- etc. Kriege (2) Walzer: 1. Wenn Guerillakämpfer die Unterstützung der Bevölkerung haben, steht ihnen die Anerkennung als Kriegsrechtssubjekte zu. 2. Wenn das ganze Volk sich am Befreiungskrieg beteiligt, dürfen die Besatzer nicht mehr Krieg führen (weil keine kriegsrechtliche Unterscheidung möglich ist) Beispiel: Der amerikanische Krieg in Vietnam unterschied am Ende nicht mehr zwischen Guerillas, Unterstützern (supporters) und neutraler Zivilbevölkerung, sondern bekämpfte undifferenziert die Landbevölkerung. An dieser Stelle wird die Unterscheidung Recht zum Krieg vs. Recht im Krieg aufgehoben: Zu einem solchen kriegsrechtlosen Krieg gibt es kein Recht mehr. Ein Krieg direkt gegen die Zivilbevölkerung hat kein Recht gewonnen zu werden (196) Prof. Dr. Ludwig Siep - Einführung in die politische Philosophie 4
5 3. Terrorismus Terror ist die Ausübung von Gewalt gegen Zivilisten um Druck auf den kriegführenden oder nicht-kriegführenden Feind auszuüben ( Fortsetzung des Kriegs mit politischen Mitteln ) Terror kann geführt werden a) von Staaten und Armeen b) Von Guerillakämpfern (bzw. organisationen). Historische Beispiele für a) General Sherman im amerikan. Bürgerkrieg Unbegrenzter U-Boot-Krieg im 1. Weltkrieg Deutscher und alliierter Bombenkrieg im 2. Weltkrieg Hiroshima und Nagasaki b) Irische Aufständische und russische Anarchisten im 19./20. Jh., seit dem 2. Weltkrieg verbreitet in allen Erdteilen Prof. Dr. Ludwig Siep - Einführung in die politische Philosophie 5
6 3. Terrorismus (2) Generell: Gewalt, sogar geplante Tötung ( Mord ) kann so lange noch eingeschränkt moralisch respektiert werden, wie sie sich gegen militärische oder hochrangige politische Träger einer unterdrückenden Macht richtet (Problem der Objektivierung der Kategorie Unterdrückung ). In dem Maße, in dem sie den Kreis ausweitet (alle Staatsbeamten, alle Unterstützer, alle Steuerzahler, alle Angehörigen des unterdrückenden Staates), verliert sie jede kriegsrechtliche Rechtfertigung und Anspruch auf moralische Billigung (völlige Instrumentalisierung von Menschen). In seiner modernen Form ist Terror die totalitäre Form von Krieg und Politik (203). Revolutionärer Kampf zeichnet sich dagegen durch Selbstbeschränkung in der Wahl der Mittel und der Feinde aus. Freiheit muss mit der Unterordnung unter moralische Gesetze verbunden sein (auch beim Soldaten). Prof. Dr. Ludwig Siep - Einführung in die politische Philosophie 6
7 4. Nukleare Abschreckung Nuklearbombeneinsatz ist unmoralisch, a) weil unbestimmte Massen von Nicht-kämpfern getötet werden b) weil Soldaten auf qualvolle Weise getötet werden (vgl. Gift, Chemie) Der erste Einsatz (Hiroshima) stellte die politische Aufgabe, Wiederholung zu verhindern. Eine Lösung: Abschreckung durch Drohung nuklearer Antwort. Also Drohung mit etwas selber Unerlaubtem, Unmoralischem. Das gilt auch für begrenzte Nuklearwaffen. Entweder dürfen sie in der Wirkung konventionelle Waffen nicht überschreiten, dann sind sie überflüssig und gefährlich. Oder sie lösen eine Eskalation aus, dann sind sie verboten. Dass man sie nicht wirklich einsetzen will, entschuldigt die nukleare Drohung nicht, weil der Einsatz nicht ausgeschlossen werden kann. Nukleare Abschreckung ist ein unmoralisches letztes Verteidigungsmittel. Abrüstung moralisch geboten. Aber: Ohne Sanktion, ohne Weltpolizei nicht endgültig durchführbar. Prof. Dr. Ludwig Siep - Einführung in die politische Philosophie 7
8 Krieg und Frieden im Völkerrecht Quellen des Völkerrechts sind Gewohnheitsrecht und Verträge zwischen den Staaten. Wichtig: Pariser Seerechtsdeklaration (1856) Genfer Konvention von 1864, Genfer Abkommen von 1925, 1929 und 1949 Haager Abkommen von 1899 ( Landkriegsordnung ) und 1907 Völkerbund (1919) und UN-Charta (1949), UN-Resolutionen Abrüstungsverträge zwischen USA und UDSSR Verbot der Antipersonenminen von 1997 Urteile des Internationalen Gerichtshofes (IGH) Entwicklung des modernen Völkerrechts: Während sich das jus in bello während des 19. Jh. erheblich weiterentwickelte, war die Lehre von der Indifferenz des Rechts zum Krieg bis zum Ersten Weltkrieg positives Recht (M. Bothe in Vitzthum (Hrsg.), Völkerrecht, 2001) Der Völkerbund führte ein Verfahren zur Kriegsverhinderung, kein Kriegsverbot ein. Zwangsmaßnahmen gegen den, der sich dem Verfahren nicht unterwirft. Prof. Dr. Ludwig Siep - Einführung in die politische Philosophie 8
9 Krieg und Frieden im Völkerrecht (2) Erste Verurteilung des Krieges im Briand-Kellog-Pakt Aber: Keine Sanktionen, nicht gegen unerklärte Kriege, Selbstverteidigung berechtigt. UN-Charta von 1949: Androhung oder Anwendung von Gewalt zwischen Staaten verboten. Vom Kriegsverbot zum allgemeinen Gewaltverbot vom IGH als Gewohnheitsrecht bestätigt. Aber: Zwischenstaatlich. Probleme: Auch Angriff auf Stützpunkte? Wann ist Grenzverletzung Gewalt? UN-Resolution von 1970: Unterdrückung des Selbstbestimmungsrechts von Kolonien ist Verstoß gegen Gewaltverbot. Schwere Menschenrechtsverletzung bisher als Friedensbedrohung, aber nicht als Verstoß gegen Gewaltverbot anerkannt. Begriff der Drohung unklar. Drohung mit Angriffskrieg rechtswidrig. Rüstung fraglich. Entwicklung und Erwerb von Massenvernichtungswaffen unter Verletzung von Verträgen zur Rüstungskontrolle unter Umständen rechtswidrig. Nukleare Abschreckung umstritten. Prof. Dr. Ludwig Siep - Einführung in die politische Philosophie 9
10 Krieg und Frieden im Völkerrecht (3) Rechtfertigungsgründe für Gewalt: (1) Selbstverteidigung, auch Beistand (aber: Verhältnismäßigkeit). Angriff muss aber vorliegen, präventiv unzulässig (umstritten). (2) Ausübung des Selbstbestimmungsrechts (nicht einhellig, aber mit Mehrheit in einigen Resolutionen). Umstritten: Hilfe dazu von anderen Staaten. (3) Schutz eigener Staatsangehöriger. Aber: Zustimmung des betroffenen Staates (4) Humanitäre Intervention. Bei blutiger Unterdrückung und schwerer Verletzung der Menschenrechte. Umstritten. Breit akzeptiert nur bei Zustimmung des Sicherheitsrates (Somalia, Ruanda, Haiti etc.). (5) Entscheidung Internationaler Organisationen (UNO). Entspricht der UN-Charta. Aber bisher nur: Beauftragung von Staaten, notwendige Maßnahmen zur Sicherung von Selbstverteidigung (Kuwait) oder Menschenrechten (Somalia etc.) zu ergreifen. Prof. Dr. Ludwig Siep - Einführung in die politische Philosophie 10
11 Krieg und Frieden im Völkerrecht (4) Recht im Krieg Allgemeiner Grundsatz: Legitime militärische Ziele dürfen nur mit legitimen Mitteln angegriffen werden. Legitim: den anderen Staat in seiner militärischen Widerstandskraft schwächen. Verbot überflüssiger Leiden. Der Umgang mit Zivilisten und Kombattanten unterliegt dem Völkerrecht, den Grundsätzen der Menschlichkeit und den Forderungen des öffentlichen Gewissens. 1. Schutz der Zivilbevölkerung bei Kampfhandlungen. Auswahl der Ziele muss notwendig sein. Flächenbombardements verboten. Angriff auf Infrastruktur von Großstädten umstritten. Geschützte Objekte: Krankenhäuser, Kulturgüter, Dämme und Deiche, Kernkraftwerke, Umwelt (schwierig) 2. Perfidieverbot. Vortäuschen einer besonderen Schutzsituation (Rotes Kreuz). Gift- und Mordverbot 3. Verbot besonderer Waffen: Explosivgeschosse der Infanterie, Minen, Brandwaffen chemische Waffen (Gas), Biowaffen, Laserwaffen gegen Personen, Strahlenwaffen (taktische Nuklearwaffen nicht endgültig geklärt) Prof. Dr. Ludwig Siep - Einführung in die politische Philosophie 11
12 Krieg und Frieden im Völkerrecht (5) Recht im Krieg (2) 4. Schutz der Wehrlosen. Verwundete und Kranke, wer sich ergibt, Zivilisten schonen und durch Hilfsaktionen unterstützen. Besonderes Recht der Kriegsgefangenen: Sachen und Gebrauchsgegenstände behalten, Lager entfernt von Kampfhandlungen, religiöse, geistige und körperliche Betätigung, Disziplinar- und Strafrecht des Gewahrsamsstaates mit völkerrechtlichen Garantien, Freilassung nach Kriegsende. Zivilisten befeindeter Staaten: Recht das Land zu verlassen, notfalls Internierung, Rechte analog Kriegsgefangene. Kriegerische Besetzung: Besatzungsmacht ist für die Wohlfahrt verantwortlich. Rechtsordnung soll intakt bleiben, Privateigentum respektieren, notfalls entschädigen. Keine eigenen Bürger ansiedeln. Sanktionen: Repressalien (Sanktionen), Internationale Ermittlungskommissionen, Internationale Gerichtshöfe. Prof. Dr. Ludwig Siep - Einführung in die politische Philosophie 12
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