Keine Kriminalisierung von Menschen mit HIV!
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- Manfred Rothbauer
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1 Positionspapier Keine Kriminalisierung von Menschen mit HIV! Berlin, im März 2012 Zusammenfassung Nach wie vor werden in Deutschland Menschen mit HIV verurteilt, nachdem es beim Sex zu einer Übertragung des Virus gekommen ist. Sogar wenn nur die Möglichkeit dazu bestanden hat, ohne dass es tatsächlich zu einer Übertragung gekommen ist ( HIV-Exposition ), kann das zu einer Verurteilung führen. Die Deutsche AIDS-Hilfe lehnt die strafrechtliche Sanktionierung der HIV- Übertragung beziehungsweise -Exposition bei selbstbestimmten sexuellen Handlungen ab. Diese bürdet Menschen mit HIV die alleinige Verantwortung auf und schadet zugleich der HIV-Prävention. HIV-Übertragungen werden so nicht verhindert, sondern begünstigt. Die Kriminalisierung der HIV-Übertragung und -Exposition erfolgt über den Straftatbestand der Körperverletzung. Nach vorherrschender Rechtsprechung müssen HIV-Positive auf dem Gebrauch von Kondomen bestehen oder ihre Partnerinnen beziehungsweise Partner über die Infektion informieren. (Ausführliche Informationen: Diese Auslegung des geltenden Rechts ist keineswegs zwangsläufig, sondern gründet oft auf der Annahme, auf diese Weise zur Verhinderung von HIV-Infektionen beizutragen. Die Deutsche AIDS-Hilfe fordert die Justiz auf, ihre Anwendung der genannten Gesetze zu überdenken und fortan auf die daraus resultierende Kriminalisierung von Menschen mit HIV zu verzichten. Solange die HIV-Übertragung und -Exposition noch kriminalisiert werden, müssen Gerichte zumindest berücksichtigen, dass eine gut funktionierende HIV-Therapie mindestens genauso wirksam vor der Übertragung des Virus schützt wie Kondome. Die Strafbarkeit der HIV- Übertragung begünstigt die Verbreitung von HIV. 1
2 Positionspapier Keine einseitige Zuweisung von Verantwortung Nicht die HIV-Infektion an sich führt zur Übertragung, sondern sexuelle Handlungen, die zwei Menschen gemeinsam vollziehen. Dabei sind beide voll für ihr Handeln und damit für den Schutz vor einer HIV-Übertragung verantwortlich. Die Täter-Opfer-Logik des Strafrechts passt nicht zu sexuellen Begegnungen. Sie deutet eine Situation zu einer einseitigen Handlung von HIV-Positiven um, die Verantwortung der Partner wird ignoriert. Für den Schutz vor einer HIV-Übertragung sind alle Beteiligten verantwortlich. Kriminalisierung schadet der Prävention Wer die Verantwortung vor allem HIV-Positiven zuweist, unterhöhlt den Grundansatz der erfolgreichen Prävention in Deutschland: Jeder Mensch kann sich selbst schützen, sofern er über die nötigen Informationen und Mittel verfügt und ihn äußere Umstände nicht daran hindern. Indem die Verantwortung beim HIV-Positiven verortet wird, kann die Illusion entstehen, der Staat habe HIV unter Kontrolle. Menschen könnten sich darauf verlassen, dass allein HIV-Positive für Schutz verantwortlich seien. Das ist schon allein deswegen fatal, weil bei vielen HIV-Übertragungen Menschen beteiligt sind, die gar nichts von ihrer Infektion wissen. Die Strafbarkeit vermittelt ein falsches Sicherheitsgefühl. Da nur verurteilt werden kann, wer von seinem HIV-Status weiß, kann die Kriminalisierung Menschen vom HIV-Test abhalten. Das ist kontraproduktiv: HIV-Übertragungen werden unter anderem dann wirkungsvoll verhindert, wenn möglichst viele Menschen von ihrer Infektion wissen und sich rechtzeitig behandeln lassen. Mit einer gut wirksamen Therapie schützen sie auch ihre Partner vor einer HIV-Übertragung (siehe unten: Die Bedeutung der Viruslast einbeziehen ). 2
3 Positionspapier Manchmal wird argumentiert, die Strafandrohung motiviere HIV-Positive, ihre Partner zu schützen. Dafür gibt es keine Belege. Untersuchungen zeigen, dass Strafandrohungen das sexuelle Verhalten kaum beeinflussen. Die Strafandrohung ist in keinem Fall hilfreich. Ganz im Gegenteil: Sie steigert die Angst, über HIV und Schutz zu reden und sich damit möglicherweise als HIV-positiv zu offenbaren. Je größer der Druck auf Menschen mit HIV, desto größer die Angst vor Ablehnung. Sicherheit und Wahrhaftigkeit sind nicht einklagbar Wenn es um Sexualität geht, ist es oft nicht leicht, offen zu reden. Ängste und Hemmungen spielen ebenso eine Rolle wie Sehnsüchte und Projektionen. Die eigene HIV-Infektion zu thematisieren ist besonders schwierig, da oft Angst vor Ablehnung und Schuldgefühle damit verbunden sind. Bei sexuellen Begegnungen kann es aus diesen Gründen kein Recht auf Wahrheit geben. Einklagbare Wahrheit dieses Denken suggeriert, das Strafrecht könne Sicherheit herbeiführen. Hundertprozentige Sicherheit gibt es im Bereich der Sexualität aber nicht, auch nicht in auf Dauer angelegten Partnerschaften. Dies gilt es in alle Überlegungen zur Prävention einzubeziehen und nicht durch unrealistische Vorstellungen zu negieren. Die Deutsche AIDS-Hilfe fordert darum ein Ende der rechtlichen Sanktionierung auch für Fälle, in denen HIV-Positive ihre Infektion verschwiegen oder fälschlicherweise erklärt haben, HIVnegativ zu sein. Weil in aller Regel nicht böse Absicht, sondern Angst zugrunde liegt, sind strafrechtliche Drohungen auch hier schädlich. Hilfreich ist ein Klima, das es ermöglicht, offen über HIV und Sexualität zu sprechen. Hilfreich ist ein Klima, in dem man offen über HIV und Sexualität sprechen kann. Die Deutsche AIDS-Hilfe plädiert zugleich für eine deutliche Unterscheidung zwischen moralischen und juristischen Fragen. Psychische Verletzungen und gesundheitliche Schäden, die durch das Verschweigen einer HIV-Infektion und eine eventuelle Übertragung des Virus 3
4 Positionspapier entstehen, dürfen nicht bagatellisiert werden. Diese erfordern aber andere Formen der Bearbeitung als juristische Sanktionen. Die Bedeutung der Viruslast einbeziehen Immer noch erkennen zu wenige Gerichte an, dass auch HIV-Therapien ein wirksamer Schutz vor der Übertragung sein können, weil sie die Vermehrung von HIV im Körper reduzieren. Bei einer gut funktionierenden Therapie ist die Übertragung nahezu unmöglich, die Schutzwirkung mindestens so hoch wie die von Kondomen. Auch HIV-Therapien sind ein geeigneter Schutz vor der Übertragung. Die Deutsche AIDS-Hilfe plädiert für die Abschaffung der Kriminalisierung von Menschen mit HIV. So lange die HIV-Exposition aber noch kriminalisiert wird, müssen Gerichte zumindest die Frage der Viruslast berücksichtigen. Lassen sich im Blut eines HIV-positiven Menschen dauerhaft keine HI-Viren mehr nachweisen, hat er damit faktisch für den Schutz des Partners gesorgt. Fazit Das Strafrecht wird zurzeit missbraucht, um moralische Vorstellungen durchzusetzen. In der Gesellschaft herrscht die Auffassung vor, HIV-Positive seien in besonderem Maße für den Schutz der HIV-Negativen verantwortlich. Zugrunde liegt offenbar das Bedürfnis, die Verantwortung von sich zu weisen und sie an andere Menschen zu übertragen. Oft steckt die Illusion dahinter: Wenn HIV-Positive für den Schutz sorgen müssen, können die HIV-Negativen unbesorgt weiter ungeschützten Sex praktizieren. Was wir brauchen, ist ein offenes Klima, in dem Sexualität, Rausch und HIV keine Tabus sind. Wer sich gegen Diskriminierung einsetzt, unterstützt damit auch die HIV-Prävention. Gefragt sind hier Justiz, Politik, Medien und die gesamte Gesellschaft. 4
5 11. Bayerisches Forum Aids- Prävention Kriminalisierung der HIV- Exposition / Übertragung jacob hösl 2011
6 Inhalt Strafbarkeit der Übertragung von Krankheiten / Anwendung des Strafrechts Was ist bei HIV passiert? Rechtliche Aktivitäten Ziele des Strafrechts / Prävention / Opferschutz Werden diese Ziele bei HIV erreicht? Bestrafung der HIV Infektion / Exposition zur Wiederherstellung des Rechts Ist Strafe unerlässlich? Gibt es Alternativen? Wie weiter arbeiten? Diskussion
7 Strafbarkeit der Übertragung von Infektionskrankheiten Strafrechtlich geschützt wird man auch vor Angriffen auf die Gesundheit. ( 223 StGB: Wer einen anderen an der Gesundheit beschädigt.. ) Dies wird auch in anderen Rechtsordnungen so gesehen. Es ist sozusagen altes Kernstrafrecht. Hierzu werden auch Gesundheitsschädigungen durch Infektionskrankheiten gezählt. In manchen Ländern existieren besondere Strafvorschriften zum Schutz vor der Übertragung übertragbarer Krankheiten. (z.b. Österreich, Schweiz, Schweden)
8 Anwendung des Strafrechts bei Übertragung von Krankheiten Vor HIV gab es nahezu keine Fälle, wo jemand wegen der Übertragung einer Infektionskrankheit bestraft wurde. Selbst in Ländern, in denen es besondere Strafvorschriften wegen der Übertragung von Infektionskrankheiten gibt, gab es teilweise überhaupt keine Anwendung der Vorschriften seit deren Existenz (z.b. Schweiz).
9 Was ist nach dem Auftreten von HIV passiert?
10 Gesetze, Rechtswissenschaft und Justiz Sowohl in Deutschland als auch in anderen sog. highincome -Ländern wurde mit Auftreten von HIV Mitte der 80er Jahren sofort die Anwendung von Strafvorschiften auf die HIV-Exposition/Übertragung in der juristischen Literatur diskutiert und die Gerichte haben sie angewandt. In Ländern mit seuchenstrafrechtlichen Vorschriften fand eine Renaissance der Anwendung dieser Vorschriften statt. In manchen Ländern wurden extra Strafvorschriften geschaffen, um speziell die HIV-Exposition unter Strafe zu stellen. Teilweise wurde die Anwendung von Kondomen vorgeschrieben, teilweise die Offenbarung des HIV-Status gegenüber dem Sexualpartner, teilweise beides (z.b. Schweden).
11 Deutschland BGHSt 36, 1 ff. Der BGH hat zu HIV einige Besonderheiten in der Auslegung von Rechtsvorschriften und Rechtsgrundsätzen definiert, die heute gleichsam standartmäßig von Gerichten so angewandt werden:..
12 Tatbestand 223, 224 StGB Im Versuch war 1988 nur die Qualifikation der Körperverletzung strafbar und zwar nach 224 StGB ( 223a a.f.) in Form der das Leben gefährdenden Behandlung. Bisherige und spätere ständige Rechtsprechung zu diesem Tatbestandsmerkmal: Es kommt auf die Gefährlichkeit der Handlung an anders bei HIV (die einzelne Handlung ist gerade nicht besonders gefährlich) auf die Gefährlichkeit des Erfolges (lebensbedrohliche Krankheit).
13 (Bedingter) Vorsatz BGH: Der Vorsatz in solchen Fällen bedarf der besonderen Prüfung des Einzelfalls. Dabei darf aber berücksichtigt werden, dass selbst wenn die statistische Wahrscheinlichkeit einer HIV-Übertragung im Einzelfall gering sein mag, jedoch jede einzelne Handlung das volle Risiko in sich birgt und dies sei dem die HIV- Infektion kennenden Täter zuzurechnen.
14 Rücktritt vom Versuch durch Coitus Interruptus Angeklagte hat den aktiven Analverkehr vor Ejakulation abgebrochen und sodann ein Kondom übergestreift, und ihn bis zum Samenerguss fortzusetzen. (objektiv: Reduktion der Infektionswahrscheinlichkeit subjektiv war das auch die Intention und wurde so von ihm vorgetragen). LG Nürnberg/Fürth & BGH: Unbeachtlich, denn die Gefahr sei schon begründet gewesen und es sei nur einem Zufall überlassen gewesen, ob die Infektion stattfindet oder nicht. Im Übrigen belege das Verhalten, dass dem Angeklagten die Gefährlichkeit seines vorherigen Tuns bewusst war (bedingter Vorsatz).
15 Rechtsprechung Ausland - Beispiele USA / Canada: In Fällen, in denen Betroffenen gedroht haben, einen anderen zu infizieren und bei fehlender Strafbarkeit des Versuchs: Verurteilungen wegen Körperverletzung in Form von Zufügung von erschreckenden Angstzuständen terrifying threat bzw. Angst ( fear ). Schweiz: Keine Einwilligung in den ungeschützten Geschlechtsverkehr möglich, da die Volksgesundheit nicht individuell disponierbar ist. Strafbar aber nur der HIV-Positive!
16 Verurteilungsraten in Europa pro HIV-Infizierter und Land geklaut von Prof. Matthew Weait Universität Oxford & Birkbeck/London
17 Ziele der Gesetzgebung und Rechtsprechung Die Länder, in denen besondere Gesetze geschaffen wurden verfolgen offenkundig das Ziel, durch Strafandrohung HIV-Prävention zu betreiben. In Ländern, in denen schlafende seuchenstrafrechtliche Vorschriften (re-) aktiviert wurden, sollen ebenfalls HIV-Positive zu richtigem Verhalten bewegt werden. (Schweiz: Bei Einverständnis ist nur der HIV-Positive strafbar!) Auch in Deutschland ist den Entscheidungen der Gerichte zu entnehmen, dass Verhaltensregeln für Menschen mit HIV konstatiert werden sollen. Entweder: Kondom-Benutzung oder unmissverständliche Aufklärung des Partners über den HIV-Status.
18 Strafzwecke Grundlage des Strafrechts ist die Ahndung und Sühne der Rechtsverletzung: Wiederherstellung des Rechts. Dies setzt Schuld, d.h. Verantwortlichkeit voraus. Anerkannte Strafzwecke sind selbstverständlich auch die Prävention. Spezialprävention: abschreckende Einwirkung auf den konkret verurteilten Täter durch die verhängte Strafe. Generalprävention: abschreckende Wirkung auf andere durch die Bestrafung des konkret Verurteilten.
19 Präventionswirkungen der Kriminalisierung der HIV-Exposition? Vergleicht man die rechtlichen Settings mit HIV- Inzidenz in den verschiedenen Ländern, so kann man keinen Zusammenhang zwischen intensiver strafrechtlicher Verfolgung und geringer HIV- Inzidenz feststellen oder umgekehrt. Insbesondere Verhaltensstudien aus den USA belegen, dass unterschiedlich harte strafrechtliche Folgen für HIV- Expositionen/Übertragungen keinerlei Auswirkung auf das Sexualverhalten HIVinfizierter hat.
20 Sonstige präventive Wirkungen These: Die Bereitschaft einen HIV-Test durchzuführen sinkt wegen der Angst vor möglicher strafrechtlicher Verfolgung? Wird vermutet, ist wohl aber eher nicht belegt. These: Strafdrohung führt zu Angst bei HIV-Infizierten, sich ihrem Sexualpartner gegenüber zu offenbaren? Soweit ersichtlich nicht untersucht, aber naheliegend. Denn wer aufgrund einer unabänderlichen lebenslänglichen Beeinträchtigung (HIV-Infektion) bei dem Wunsch nach sexuellen Handlungen mit strafrechtlicher Verfolgung rechnen muss und gleichzeitig gerade deswegen die Zurückweisung durch einen Partner fürchten muss, wird Strategien entwickeln, die Infektion nicht offenbaren zu müssen und trotzdem seinen urmenschlichem Bedürfnis nach Ausüben von Sexualität nachgehen zu können. Im Idealfall: Verwendung eines Kondoms.
21 Wirkungen des Strafverfahrens auf das Opfer These: Das Opfer erfährt durch die Verurteilung des Täters wegen einer HIV-Übertragung / Exposition keine Genugtuung mithin ist das Strafverfahren nicht gut für die Krankheitsverarbeitung. Bekannt ist, dass das Einnehmen einer Opferrolle und Fokussierung des tragischen Geschehens auf einen Dritten nicht gut für die psychische Krankheitsverarbeitung der HIV-Infektion ist. Mit dem Zeitpunkt der eigenen Infektion weiß das Opfer ggf. unterbewusst dass es auch selbst zum Täter werden kann. Einige Geschädigte beginnen einige Zeit nach dem Strafverfahren das Verhalten des Täters nachzuvollziehen, da sie seine Situation jetzt, nachdem sie selbst infiziert sind, besser verstehen können. Ggf. entwickeln sich Schuldgefühle.
22 Wirkungen des Strafverfahren auf den Täter Der Verurteilte wird von einer Bestrafung beeindruckt sein und es wird sein Handeln in der Zukunft mitbestimmen. These: Langfristig wird der Wunsch nach sexueller Erfüllung stärker als die abschreckende Wirkung der Strafe sein. Soweit ersichtlich nicht untersucht.
23 Negativwirkung der strafrechtlichen Verfolgung im Bereich HIV Treffen die vorgenannten Thesen zu, dann hat strafrechtliche Verfolgung eher negative als positive präventorische Wirkungen bezogen auf die Verbreitung von HIV.
24 Wiederherstellung des Rechts These: Die strafrechtliche Verfolgung der HIV- Exposition / Übertragung ist trotz wohl nicht nachweisbarer präventiven Wirkungen (eher das Gegenteil) und negativer Auswirkung sowohl auf das Opfer als auch den Täter zur Widerherstellung des Rechts erforderlich, weil die dadurch begangene Rechtsverletzung so evident und für jedermann klar ist und anderenfalls der Wertekonsens in der Gesellschaft unerträglich geschädigt wäre.
25 Was passiert? A hat mit B ungeschützten Geschlechtsverkehr gehabt, A ist HIV-infiziert: B hat sich bei A (nicht) mit HIV infiziert. Variationen: - A und B wussten nichts von der Infektion: (keine) HIV- Infektion des B keine strafrechtliche Sanktion - A und B wussten von der Infektion des A: (keine) HIV- Infektion des B keine strafrechtliche Sanktion - B wusste nichts von der Infektion des A: (keine) HIV- Infektion des B ggf. strafrechtliche Konsequenz für A je nach subjektiver Motivation des A bei Begehung der Tat. - B wusste nichts von der Infektion des A. A hat B zusätzlich intensiv aktiv belogen bezüglich seines HIV-Status: (keine) HIV-Infektion des B mit hoher Wahrscheinlichkeit strafrechtliche Konsequenz für A. In allen Varianten kommt es (nicht) zur Infektion des B.
26 Was wird bestraft? Entsprechend dem Grundsätzen des Schuldstrafrechts wird jeder nach seiner Schuld (persönlicher Vorwerfbarkeit) bestraft. Somit wird der besonders verwerflich handelnde Täter auch besonders hart bestraft. Bei HIV wird aber scheinbar das Ausmaß der Unwahrheit (Nicht-Wissen <-> bloßes Schweigen <-> Aktives Lügen) bezüglich des HIV-Status zur Begründung des bedingten Vorsatzes (Gleichgültigkeit) gegenüber der Infektionsmöglichkeit des Partners herangezogen. These: Kein Sex ohne Lüge.
27 Ist Strafe unverzichtbar? Sozialadäquanz sexueller Risiken In 2005 und 2007 hat der Niederländische Oberste Gerichtshof entschieden, dass die HIV-Exposition nicht strafbar ist, weil die Infektionswahrscheinlichkeit so gering ist, dass der Betreffende eine Infektion nicht billigend in Kauf nimmt, sondern darauf vertrauen kann, dass sie ausbleibt. (Auch bei signifikanter Viruslast) Welche Sicherheitsanforderungen stellen wir an sexuelles Verhalten; welche Risiken werden sanktionslos hingenommen, z.b. ungewollte Schwangerschaften, HPV-Infektionen -> Risiko: Gebährmutterhalskrebs? Welche Sicherheitsanforderungen stellen wir an andere Verhaltensweisen z.b. mit Megarisiken? (Bau von Atomkraftwerken bei statistisch erwiesenermaßen bestehendem Risiko eines sog. Super-GAUs.) Welche alltäglichen Gefahren nehmen wir mehr oder weniger - bewusst in Kauf? (Teilnahme am Straßenverkehr) Die Zuweisung einer rechtlichen Relevanz von Verhaltensweisen erfolgt normativ in der Weise, dass bestimmten gefährlichen, aber menschlichen Handlungen, die Sozialadäquanz des damit verbundenen Risikos zu- oder abgesprochen wird (Sexualität bzw. Bedingungen der Ausübung der Sexualität).
28 Alternativen? Abwehr von Infektionsgefahren: durch Vorschriften der Gefahrenabwehr, insbesondere des Infektionsschutzgesetztes. Vertrauen auf die Funktionsfähigkeit menschlichen Erhaltungstriebs, d.h. Vorsicht, und ethischer Wertmaßstäbe, d.h. rechtlich nicht sanktionierte Verhaltensmaxime. Imaginäre Vorwegnahme der Verletzung (subjektive Immunisierung) Nachträgliche Aufarbeitung von HIV-Infektionen durch: Mediation zwischen des Beteiligten Trauer / Wut / Emotionale Schmerz- und Aggressionsverarbeitung Sicherstellung der Betreuung und Fürsorge für die Infektions-Opfer (Die Frage der Selbst- oder Fremdschuld wird dann ggf. weniger relevant)
29 Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit
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