1 Herbst, Michael, Reden vom heruntergekommenen Gott, Neukirchen-Vluyn. S. 47.
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- David Bergmann
- vor 7 Jahren
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1 Gottesdienst am 6. Sonntag nach Trinitatis IV um 9.30 Uhr in Bolheim Text: Philipper 2,1-4 (Text vom 7. So nach Trinitatis) Thema: Seid eines Sinnes!?! Pfarrerin z.a. Hanna Nicolai Liebe Gemeinde! Zwei Freunde waren im Urlaub in den Rocky Mountains wandern! Als sie sich ihren Weg durch die Wälder bahnten, stand urplötzlich in einiger Entfernung ein riesiger Grizzlybär vor ihnen. Und dieser Grizzly war sichtlich wütend. Er setzte sich in Bewegung, um die Wanderer anzugreifen. Blitzschnell setzte sich der eine der beiden Freunde auf den Boden, riss sich die Wanderschuhe von den Füßen, holte die Laufschuhe aus dem Rucksack, zog sie an und schnürte sie zu. Der andere stand daneben und schaute abwechselnd auf seinen Freund und auf den Bär, der sich ihnen näherte. Sag mal, meinst du wirklich, du kannst vor dem Bären wegrennen? Die Ranger haben doch gesagt: Wegrennen hat keinen Zweck, Grizzlys sind in jedem Fall schneller als wir. Das schaffst du nie! Klar, sagte daraufhin der andere und stand auf. Ich muss auch gar nicht schneller sein als der Bär. Ich muss nur etwas schneller sein als du. 1 Herzliche Freundschaft, liebevolle Gemeinschaft. Darüber lässt sich immer gut reden, solange es nicht ernst wird. Darüber lassen sich auch prima Sonntagsreden halten: wie es in der Gemeinde zugehen sollte, in Liebe natürlich und den anderen im Blick haben und für den anderen da sein und so weiter. Aber wenn es ernst wird, dann zeigt sich erst der wahre Charakter: Rette sich, wer kann! Hauptsache, ich komme klar. Hören wir, wie Gott sich unser Leben mit Jesus Christus und unser Leben als Gemeinde eigentlich gedacht hat. In den Schönwetterzeiten, aber auch dann, wenn es brenzlig wird. Paulus schreibt in seinem Brief an die Gemeinde in Philippi zu Beginn des 2. Kapitels: 1 Ist nun bei euch Ermahnung in Christus, ist Trost der Liebe, ist Gemeinschaft des Geistes, ist herzliche Liebe und Barmherzigkeit, 2 so macht meine Freude dadurch vollkommen, dass ihr eines Sinnes seid, gleiche Liebe habt, einmütig und einträchtig seid. 1 Herbst, Michael, Reden vom heruntergekommenen Gott, Neukirchen-Vluyn. S
2 3 Tut nichts aus Eigennutz oder um eitler Ehre willen, sondern in Demut achte einer den andern höher als sich selbst, 4 und ein jeder sehe nicht auf das Seine, sondern auch auf das, was dem andern dient. 1. Was es in der Gemeinde in Philippi bereits alles an gutem Miteinander gibt Da macht Paulus zuerst eine beeindruckende Bestandsaufnahme, was es in dieser Gemeinde in Philippi alles gibt. Nicht in Form von Zahlen: So viele Gruppen und Kreise, so viele Gottesdienste mit so und so vielen Teilnehmern, diese und jene Gemeindeaktivität, so viele Taufen und so weiter. Nein, er macht eine beeindruckende Bestandsaufnahme dessen, was in der Gemeinde gelebt wird. Wie miteinander umgegangen wird. Bei diesen Christen in Philipp gibt es Ermahnung in Christus, den Trost der Liebe, die Gemeinschaft des Geistes und herzliche Liebe und Barmherzigkeit. Das lohnt sich, genauer anzuschauen. (1.) Ermahnung in Christus: So positiv hört sich das in unseren Ohren ja nicht an. Bei Ermahnung, da haben doch viele von uns den erhobenen Zeigefinger vor Augen und einen rauen, zurechtweisenden Ton im Ohr womöglich noch von oben herab. Ermahnung in der Bibel meint etwas anderes. Wörtlich übersetzt heißt es Ermutigung, Einladung. Da werden in dieser Gemeinde in Philippi also Menschen ermutigt, das neue Leben, das Jesus schenkt, Gestalt gewinnen zu lassen. Da gibt es ganz praktische Tipps für den Glauben im Alltag. Da hilft einer dem andern, dass die Beziehung zu Jesus noch inniger werden kann. Sie sagen einander auch unbequeme Wahrheiten, sie sagen einander auch das, was weh getan hat, wo sie verletzt wurden, wo der andere in Ihren Augen einen Fehler gemacht hat. Aber so, dass wir die persönliche Verbundenheit empfinden. So, dass sich beide Seiten bewusst sind: Jeder von uns lebt von Gottes Liebe und seiner Vergebung. Beeindruckend! (2.) In dieser Gemeinde gibt es aber nicht nur in diesem Sinne Ermahnung in Christus, sondern auch den Trost der Liebe. Da sind Menschen füreinander da. Da stellt sich einer an die Seite des andern. Sie lassen einander nicht allein mit dem, was sie beschäftigt, bedrängt, beglückt oder sorgenvoll sein lässt. (3.) Da ist Gemeinschaft des Geistes. Nicht nur menschliche Sympathie hat die Gemeindeglieder in Philippi zusammengeführt. Es ist Gottes guter Geist, der die Gemeinschaft bewirkt und trägt. Durch ihn wissen sie sich nicht nur mit Jesus, sondern auch miteinander verbunden. 2
3 (4.) Und da ist herzliche Liebe und Erbarmen. Da haben Menschen in der Gemeinde Hilfe bekommen, als es nötig war! Ermahnung in Christus, den Trost der Liebe, Gemeinschaft des Geistes, herzliche Liebe und Erbarmen. All das ist kein Ideal, sondern all das ist in der Gemeinde in Philippi schon vorhanden. Was würde Paulus über Bolheim sagen? Was würde er da aufzählen? Bei aller Kritik, die wir gerne an unserem Gemeindeleben äußern oder die uns von außen entgegenschallt, behaupte ich: Auch in der Bolheimer Kirchengemeinde trifft man viel von dem an, was Paulus hier über die Gemeinde in Philippi aufzählt: Trost, den sich Gemeindeglieder untereinander spenden, Besuche, bei denen die Hoffnung des Evangeliums aufblitzt, Menschen, die sich ein Herz fassen und sagen, was sie hier schon verletzt hat und dann den Mut aufbringen, mit dem anderen zu reden. Oder liebevolle Zuwendung und Herzlichkeit. Das kann man, wenn man genau hinschaut, auch in Bohleim sehen, oft im Verborgenen, aber doch wirksam. Oft in Form selbstverständlicher Nachbarschaftshilfe: eine Nachbarin, die täglich nach der anderen schaut oder Zeit zu einem Gespräch mitbringt. Seelsorge im Alltag beim Gespräch auf der Straße oder auf dem Friedhof oder beim Austausch von Eltern beim Abholen der Kinder vom Kindergarten. 2. Worauf es in einer Gemeinde vor allem ankommt: Einmütigkeit und Eintracht Und jetzt sagt Paulus: Macht meine Freude dadurch vollkommen, dass ihr eines Sinnes seid, gleiche Liebe habt, einmütig und einträchtig seid. Darauf kommt es an, bei allem was schon da ist: Darauf, dass alle eines Sinnes sind, einmütig und einträchtig. Paulus ist wichtig, dass es etwas gibt, was alle verbindet und zusammenschweißt. Um gleich einem Missverständnis vorzubeugen: Paulus geht es nicht darum, dass alle gleich ticken und die gleiche Meinung vertreten. Es geht nicht um Gleichschaltung oder Ausschaltung des eigenen Denkens. Das streben Diktatoren an, nicht aber Mitglieder einer christlichen Gemeinde. Nein, Paulus wirbt darum, dass wir als Gemeindeglieder unseren Sinn auf eine gemeinsame Sache ausrichten so unterschiedlich wir sind, so unterschiedliche persönliche Anliegen wir haben. Dass wir ein gemeinsames Ziel haben. Dass wir letztlich vom gleichen Herzensanliegen getrieben sind. Jetzt sagen Sie vielleicht: Was das gemeinsame Ziel in einer Kirchengemeinde sein muss, ist doch klar: Jesus. Oder Sie sagen: Das gemeinsame Ziel ist, dass wir zusammen Gemeinde bauen und bei diesem Bauen, da kann sich jede und jeder mit seinen Fähigkeiten und Gaben 3
4 einbringen. Oder Sie sagen: Gehet hin in alle Welt und machet zu Jüngern alle Völker. das ist das Ziel. Was ist das, worauf wir unseren Sinn als Gemeinde richten? Ist das Ziel wirklich so klar? Reden wir da miteinander darüber oder setzen wir stillschweigend voraus: Für den anderen wird das schon das Gleiche sein wie für mich? Und dann ist ja auch noch die Frage: Was verstehe ich unter so frommen Formulierungen wie Machet zu Jüngern alle Völker? Und versteht der andere auch das, was ich darunter verstehe? Und was heißt ein solcher Satz konkret für Bolheim? Menschen, die miteinander etwas erreichen wollen, müssen sich einig sein in dem, was sie anstreben, wonach sie trachten. Zwietracht zerstört, Eintracht bringt nach vorne. Wir wissen heute, wie wichtig es ist, dass eine Gemeinde zu einem gemeinsamen Ziel findet. Wozu gibt es die Gemeinde in Philippi, und wozu gibt es die Gemeinde in Bolheim? Warum soll es sie weiterhin geben? Was will sie in den nächsten Jahren bewirken? Paulus verrät uns auch, wie eine Gemeinde zu ihrem Ziel findet. Sie findet es nicht, indem die Stärkeren sagen: Hier geht s lang. Sie findet es, indem Eintracht untereinander gefunden wird. Eintracht wird nicht von oben verordnet, sondern miteinander gefunden. Sie wird gefunden beim Lesen der Bibel, die uns sagt, wozu Gemeinde existiert. Sie wird gefunden beim Hören auf Gott. 3. Was die Eintracht in einer Gemeinde immer wieder gefährdet - oder: das Einüben von eintrachtsfördernden Verhaltensweisen. Paulus ist kein Träumer und Fantast. Und Paulus ist keiner, der auf eine Gemeinde nur durch die rosarote Brille schaut. Er blendet nicht aus, was es in so vielen Gemeinden eben auch gibt: Zwietracht, Streit, Grüppchen, da zieht der eine in die eine Richtung und der andere in die andere. Zwei Gemeinschaftskiller, zwei Eintrachtskiller nennt Paulus beim Namen. Er sagt: Tut nichts aus Eigennutz oder um eitler Ehre willen. Selbstsucht und Geltungsdrang; Prahlen und Ellenbogenmentalität - traurig aber wahr: so etwas kann auch in der christlichen Gemeinde um sich greifen. Es geht so schnell, dass diese Störfaktoren, dass die Selbstsucht und der Geltungsdrang in der Gemeinde und in unserem persönlichen Empfinden die Oberhand gewinnen. Steckt dahinter nicht unsere menschliche Sorge, selber zu kurz kommen zu können? Unser Blick fixiert sich ängstlich auf uns: könnte ich unter die Räder kommen? Werde ich genügend wertgeschätzt? Wie schnell meinen wir, uns selbst Geltung verschaffen zu müssen sei es 4
5 aktiv, indem wir uns selber nach vorne schieben, oder passiv, indem wir empfindlich und beleidigt reagieren, weil man uns nicht so begegnet, wie wir das doch eigentlich erwarten dürften. Diese Verhaltensmuster sind menschlich, allzumenschlich. Der Realist Paulus weiß darum und rechnet damit in Philippi und auch bei uns. Und dann schlägt er den Philippern und uns ein anderes Verhalten vor: Nicht Eigennutz und die eigene Ehre sollen unser Verhalten bestimmen, sondern die Demut: In Demut achte einer den anderen höher als sich selbst. Wieder so ein Wort mit einem Gschmäckle. Demut. Aber was bedeutet es eigentlich demütig zu sein? Demut ist die Neigung vor Gott und die Zuneigung zum Menschen. Demut denkt vom anderen her. Demut sucht das zu tun, was für den anderen förderlich ist. Demut ist Mut zum Dienen. Es ist wie bei einem Streichholz. Hält man es nach oben, so ist seine Flamme schnell erloschen. Hält man es nach unten, so brennt es bis zuletzt. So lebt die Gemeinde Jesu davon, dass da Menschen sind, die die Richtung nach unten haben. Oder wie Paulus weiter sagt: und ein jeder sehe nicht auf das Seine, sondern auch auf das, was dem andern dient. Einerseits heißt das, dass auf das meine Sehen nicht falsch ist, sondern wichtig. Dass es aber nicht absolut werden darf, weil ich auch auf das sehen soll, was eben dem anderen dient. In einer so großen Kirchengemeinde gar nicht so einfach. Bei so vielen unterschiedlichen Menschen: das im Blick zu haben, was dem anderen dient. Da ist etwas für den einen dienlich, was für den anderen absolut nicht förderlich ist. Und doch muss ein Weg gefunden werden. Umso wichtiger, dass wir einander im Blick haben und uns klar werden, was die entscheidenden Dinge sind. Was das Ziel ist, auf das wir unseren Blick ausrichten wollen und von dem her wir unser Leben und unser Handeln, unsere Überlegungen und Entscheidungen in der Kirchengemeinde bestimmen lassen wollen. Demut ist die Neigung vor Gott, die gemeinsame Neigung vor Gott und die Zuneigung zum Menschen. Den beiden Wanderern in den Rockies hätte das vielleicht wenig geholfen, denn Grizzlys lesen selten den Philipperbrief. Lebenspraktisch sollen Predigten ja auch sein, darum dies zum Schluss: Man muss sich auf den Boden legen und tot stellen; hat man Glück, so lässt der Bär von seinem Opfer ab. Gut, dass wir keine Grizzlys in unserem Wald haben und auch nicht auf dem ehemaligen Truppenübungsplatz in Münsingen, zu dem nachher etliche beim Mitarbeiterausflug aufbrechen! Amen. 5
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Spüre den Blick Christi! Sieh, dass er dich ansieht.
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