Provenienzforschung. eine wichtige Aufgabe für die Forstwirtschaft. Armin König
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- Irmela Kraus
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1 Provenienzforschung eine wichtige Aufgabe für die Forstwirtschaft Armin König Institut für Forstgenetik und Forstpflanzenzüchtung Großhansdorf & Waldsieversdorf 1
2 Übersicht 1. Definitionen 2. Ziele der Provenienzforschung 3. Historischer Rückblick 4. Wiederaufforstung 5. Beispiele mit mitteleuropäischen Baumarten 6. Fremdländische Baumarten 7. Welche Merkmale? 8. Nochmals: Ziele der Provenienzforschung Geographische Variationsmuster und Nutzanwendung Ursachen der Entstehung geographischer Variationsmuster 9. Einige Ergebnisse 10. Folgerungen und Ausblick 2
3 Ziele der Provenienzforschung 1. Auffinden der für gegebene Standortsverhältnisse am besten geeigneten Population. Am besten geeignet ist diejenige Population, welche die meisten forstlich wünschenswerten Merkmale in sich vereinigt (s. unten). 2. Feststellung des geographischen Variationsmusters und Formulierung von Herkunftsempfehlungen. 3. Untersuchungen zu den Ursachen der Entstehung eines geographischen Variationsmusters. 3
4 Definitionen OECD Scheme (1974): Provenance (Location of Seed Source) The place in which any stand of trees is growing. The stand may be indigenous or non-indigenous. Richtlinie 1999/105/EG des Rates der Europäischen Union (1999): Herkunft Der Ort, an dem ein Baumbestand wächst. Biologische Bedeutung: Population, Saat- oder Pflanzgut 4
5 Historischer Rückblick Duhamel du Monceau 1823/1862 Vilmorin Erste Provenienzversuche mit Kiefer mit insgesamt 30 Herkünften aus Schottland, Deutschland, dem Baltikum (Rigakiefer) und Frankreich Ursachen: Mangel an Qualitätsholz für den Schiffbau (Masten) Geschichte der Waldnutzung und zerstörung reicht weit zurück Phönizier (1000 v. Chr.): Schiffbau mit Libanonzeder Armin der Cherusker (9 AD): Germania ein Waldland 2. Siedlungsperiode ( AD): große Urwaldkomplexe wurden in Rodungs- und Siedlungsvorhaben einbezogen 5
6 Historischer Rückblick Mittelalter: Bedarf an Holz steigt 15. Jahrhundert: Bevölkerungszunahme Holzverbrauch durch Brennholz, Holzkohleherstellung, Bergwerke, Erzschmelze, Glashütten, Salinen etc. 6
7 Historischer Rückblick Die seefahrenden Nationen brauchten Holz für den Schiff- und Hafenbau. Ihre Vormachtstellung in Europa hing wesentlich von der Größe ihrer Flotte ab. 7
8 Historischer Rückblick Holzverbrauch Seeschlacht von Trafalgar
9 Historischer Rückblick Waldverwüstung Aufgelöster Wald im württembergischen Allgäu (Kupferstich 18. Jhdt., aus Schmidt-Vogt [1986] I: 253) 9
10 Frühe forstwissenschaftliche Arbeiten von Wangenheim (1787) von Burgsdorf (1787) 10
11 Historischer Rückblick Wiederaufforstung Umdenken in der zweiten Hälfte der 18. Jahrhunderts Wald als Wirtschaftsfaktor Vielfach degradierte Böden Aufforstung mit Nadelbaumarten Kiefer, Lärche Kiefer: Saatgutbeschaffung, wo es am billigsten war, z.b. Südfrankreich (Höhepunkt , C. Appel, Darmstädter Kiefer, Appelbäume ) Schweden: Deutschkiefern (Frost, Schneedruck, Schütte, Rost) Lärche: Sudetenlärche Alpenlärche Zahlreiche Misserfolge, Lärchenrätsel Fichte: weniger Probleme 11
12 Provenienzforschung mit mitteleuropäischen Baumarten Duhamel du Monceau ( ) Vilmorin (1823/1862) Provenienzversuche mit Kiefer Wiss. Interesse entstand in der zweiten Hälfte des 19. Jhdts Kienitz stellt Korrelationen zwischen der Entwicklung und der Temperatur bei verschiedenen Herkünften von Baumarten fest Cieslar, 1895: Versuch mit Fichten aus und in verschiedenen Höhenlagen physiologische Varietäten 1899 Engler Anpassung an die Höhenlage erblich bedingt Erster IUFRO Versuch mit Kiefer (13 Herkünfte) 1938/39 Zweiter IUFRO Versuch mit Kiefer (55/23 Herkünfte) 1938/39 Erster IUFRO Versuch mit Fichte (36/14 Herkünfte) 12
13 Fremdländische Baumarten Douglasie Entdeckung erst 1792 durch Archibald Menzies Einfuhr nach Europa durch David Douglas 1827 nach John Booth (1882) 1829 nach Alan Fletcher (pers. Mitt.) Höchste Baum m (70 80 m keine Seltenheit) Erste Einfuhren vermutlich aus der Umgebung von Vancouver (Columbia R.) Probleme mit Einfuhren nach 1890 Erste Provenienzversuche 1910/1912 IUFRO-Einsammlung ab 1966 (insg. 182 seed lots) 13
14 Welche Merkmale wollen wir? Anhang III der Richtlinie 1999/105/EG nennt unter Punkt 6 bis 10 folgende Merkmale: 6. Angepasstheit 7. Gesundheit und Widerstandsfähigkeit 8. Volumenzuwachs 9. Holzqualität 10. Form und Habitus Einige Beispiele für die Douglasie 14
15 Merkmale: Stammform, Beastung Douglasie Olympische Halbinsel (Foto: Hessenforst) Links: IUFRO Nr.1005, Williams Lake, BC Rechts: Nr. 1018, Salmon Arm, BC IUFRO Nr. 1047, Concrete, WA (Fotos: Burchard) 15
16 Merkmale: Rindenbild, Krankheiten Douglasie Rhabdoclinae pseudotsugae (Foto: Stephan) Grobborkig, beulig 1031, Gold River, BC (Foto: Burchard) Glatte Rinde 1001, Stoner, BC (Foto: Burchard) 16
17 Anmerkungen zu Merkmalen Was will der Forstmann? (Betriebssicherheit, Ertrag), was der Endverbraucher? Angepasstheit (wenig Ausfälle, hohe Vitalität, wenig Schädigungen) Gesundheit und Widerstandsfähigkeit (s. oben) Volumenzuwachs (Welche Sortimente wollen wir? Starkholz?) Holzqualität (Bauholz, Zelluloseholz, Zukunftsanforderungen weitgehend unbekannt, Qualität wachstumsabhängig, breite Jahrringe, Beispiele: Lärche, Große Küstentanne) Form und Habitus (zylindrisch, zweischnürig gerade, keine Zwiesel, kein Drehwuchs - für Biomasseproduktion aber unbedeutend) 17
18 Nochmals: Ziele und Aufgaben 1. Auffinden der für gegebene Standortsverhältnisse am besten geeigneten Population. Am besten geeignet ist diejenige Population, welche die meisten forstlich wünschenswerten Merkmale in sich vereinigt. 2. Feststellung des geographischen Variationsmusters und Formulierung von Herkunftsempfehlungen. 3. Untersuchungen zu den Ursachen der Entstehung eines geographischen Variationsmusters. 18
19 Genetisch-geographische Variationsmuster Oben: Spätfrostschaden bei Fichte (Foto: Solberg) Rechts: Austriebstermine der Fichte (spät<30) (nach Krutzsch 1968) 19
20 Genetisch-geographische Variationsmuster Douglasie Einfuhrregelungen für Deutschland nach dem alten FSaatG-Gesetz von 1979 (Graphik: Rütz [1989]) 20
21 Genetisch-geographische Variationsmuster Ursachen für deren Entstehung: Anpassung an Umweltvariable (Temperatur, Niederschläge, Photoperiode, Vegetationszeit etc.) Graphiken nach Langlet (1959) 21
22 Genetisch-geographische Variationsmuster Nach Dormling (1979) Graphik aus Eriksson und Ekberg (2001): 88 Ursachen für deren Entstehung: Anpassung an Umweltvariable Hier: Kritische Nachtlänge Klinale Variation 22
23 Einige Ergebnisse Allgemein: Unterschiede zwischen Rassen und Herkünften. Der Einfluss von Umwelt und Erbgut ist bei den verschiedenen Merkmalen unterschiedlich. Genetischer Einfluss bei Formeigenschaften und Krankheitsanfälligkeit höher. Wechselwirkung: Wuchsleistung - Resistenz Kiefer Versuch von Vilmorin zeigte, dass die Rigakiefer ihre guten Formeigenschaften auch im atlantisch getönten Klima Frankreichs beibehält, und dies auch noch in der zweiten Generation. Die unterschiedlichen Formeigenschaften zeigen sich auch in anderen Herkunftsversuchen wie in Chorin in Brandenburg. 23
24 Provenienzversuch von Schwappach in Chorin, 1905 Eberswalde (D) (Foto: Kätzel) Haute Loire (F) (Foto: Kätzel) 24
25 Einige Ergebnisse Kiefer Forts. N-Schweden: N-S Transfer hat weniger Mortalität zur Folge. Fichte Versuche Cieslars und Englers vor mehr als 100 Jahren: Anpassung an Höhenlage: Ausfälle, Vitalität... Schneebruch Regionen mit späterem Austrieb, früherem Abschluss, höherer Wüchsigkeit, Transfer nach Norden möglich. Lärche Lösung des Lärchenrätsels in den 30er Jahren durch Münch. Herkunftsversuche von Schober ausgewertet. 25
26 Einige Ergebnisse Tanne Kalabrische Tanne in DK, Gutes Abschneiden SO-europäischer Herkünfte. Douglasie IUFRO-Einsammlung 1966/68/69, Küstenherkünfte Große Küstentanne Wie Douglasie, Innlandsherkünfte vielleicht auch interessant. Stieleiche Zahlreiche Anbauten mit slawonischer Eiche in NW (1896 Budapester Weltausstellung) 26
27 Einige Ergebnisse Traubeneiche Herkünfte aus dem Spessart und dem Pfälzer Wald. Rotbuche Diskontinuierliches Variationsmuster, höhere Lagen haben bessere Stammform 27
28 Folgerungen Die Provenienzforschung kann auf eine 250jährige Geschichte zurückblicken. Intensivere Forschung seit etwa 120 Jahren. Wichtige Grundkenntnisse sind seit über 100 Jahren bekannt, dennoch wurden sie in der Vergangenheit von den vielen Saatguthändlern sowie in der Forstwirtschaft nicht beachtet. (Transfer quer durch Europa und in verschiedene Höhenlagen). Beispiele gibt es auch noch aus der jüngeren Vergangenheit (Douglasie aus dem Interior). Provenienzforschung hat wichtige Ergebnisse für Wissenschaft (Physiologie, Botanik, Genetik) und Praxis gebracht. 28
29 Folgerungen Zahlreiche Fragen der Provenienzforschung können heute zweifellos als gelöst betrachtet werden. Ergebnisse der Provenienzforschung mündeten verschiedentlich in Herkunftsempfehlungen und Importregelungen, vor allem für die Hauptbaumarten. Es ist aber auch nötig, dass die Erkenntnisse entsprechend in die Praxis umgesetzt werden. Der Verkehr mit forstlichem Vermehrungsgut ist gesetzlich geregelt, die Verwendung ist dem Waldbesitzer aber weitgehend freigestellt. Saatgutkosten - unbedeutender Anteil an den Gesamtkosten für die Begründung eines Hektars Wald - nicht sparen!!! 29
30 Folgerungen Es gibt mehreren Gründe, die Herkunftforschung weiterhin als wichtige Aufgabe der Forstwirtschaft zu betrachten: 1. Zu einem erfolgreichen Wissensmanagement gehört nicht nur die Vermehrung des Wissens durch neue Forschungsergebnisse, sondern auch die Bewahrung vorhandenen Wissens (Desinteresse Verlust) 2. Forschung - Förderung innovativer Ideen (Provenienzforschung gehört nicht dazu) 3. Moderne Forschungsmethoden Molekulargenetik 4. Meinungsbild zu Genetik und Züchtung Gentechnik Herkünfte sind naturbelassenes Vermehrungsgut 30
31 Folgerungen 5. Naturverjüngung in jedem Fall? 31
32 Folgerungen 6. Die Richtlinie 1999/105/EG - Oberster Leitsatz ist der freie Warenverkehr, EU Erweiterung Warum Spessarteiche, wenn südosteuropäische Eicheln billig importiert werden können. Warum österreichische Buche? Schärfung des Bewusstseins notwendig!! 7. Forschungsbedarf bei weitern Baumarten Buche auf gutem Wege Auswertung notwendig Eichen, Hainbuche, Linden, Ahorne 8. Wert der Herkunftsversuche für die Klimafolgenforschung 32
33 Folgerungen Klimafolgenforschung Provenienzversuche: Herkünfte aus anderen Klimaten Versuchsorte in anderen Klimaten (Angepasstheit, Reaktion auf Umweltfaktoren, alte und neue Krankheiten) Csaba Mátyás Vortrag in Teisendorf (2004) Hinweis auf die geringen Unterschiede zwischen Waldgesellschaften 33
34 Folgerungen Waldgesellschaften Table 1. Average temperature and precipitation data of zonal forest belts in the lowlands of the Carpathian Basin and the magnitude of expected changes (Mátyás, Czimber 2000) Beech zone Hornbeam-oak zone Turkey-sessile oak zone Exp. scenario Annual precipit. [mm] July temperature [ C ]
35 Folgerungen Csaba Mátyás Figure 3. Linear regressions relative height vs. change of temperature sum due to transfer (delta STVEG) by groups of provenances (1: northern, 2: central, 3: southern group) y = 1,005x + 99,11 R 2 = 0, RelH A y = 0,676x + 89,55 R 2 = 0, y = 0,882x + 96,64 R 2 = 0, Delta STVEG 35
36 Folgerungen Csaba Mátyás Figure 4. Response to an annual temperature rise of +200 degreedays change scenario along an ecological transect of differently adapted populations (see explanation in text) 36
37 Folgerungen Nutzfunktion Jochen Kleinschmit - schematische Darstellung Bevölkerungszunahme Entwicklung der Waldfläche 37
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