Erfahrungsbericht über ein Auslandssemester an der Universidade Nova de Lisboa im Wintersemester 2009/2010

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1 Erfahrungsbericht über ein Auslandssemester an der Universidade Nova de Lisboa im Wintersemester 2009/2010 Im Wintersemester 2009/2010 habe ich als Studentin der Politikwissenschaften der Universität Bremen ein Erasmus-Auslandssemester an der Faculdade de Ciencias Sociais e Humanas der Universidade Nova de Lisboa in Portugal absolviert. Mit dieser Universität besteht eine Kooperation, so dass die Bewerbung relativ einfach über das International Office gemacht werden konnte. Dafür hatte ich mich vor allem entschieden, um mein während eines Brasilienaufenthaltes erlerntes Portugiesisch zu verbessern. Im folgenden Bericht möchte ich meine Erfahrungen aus dem Auslandssemester schildern und Hilfestellung bieten für Studenten, die nach mir nach Lissabon gehen werden. Dafür werde ich zuerst die allgemeinen Vorbereitungen für Erasmus schildern, dann Informationen über die Universidade Nova geben und wie das Leben an der Universität dort funktioniert sowie über die Formalitäten, die man als Erasmusstudent beachten muss, einschließlich der nach der Rückkehr anfallenden. Anschließend werde ich Informationen zu Unterkunft, öffentlichen Verkehrsmitteln, Studentenjobs und Lissabon allgemein geben und abschließend ein persönliches Fazit der Zeit in Lissabon ziehen. Vorbereitungen und Beginn des Semesters Als ich mich entschieden hatte, ein Auslandssemester zu absolvieren, habe ich mich auf der Seite des International Office (IO) der Universität Bremen ( über die Fristen und alles andere informiert. Die Partnerhochschulen findet man auf der Internetseite des Instituts für Politikwissenschaften, jedoch sollte man vorher mit dem Erasmuskoordinator Lothar Probst sprechen, denn zum Beispiel steht in der Liste oft nur die Stadt, nicht aber die Universität. Das kann bei Städten wie Lissabon, in der es mehrere Universitäten und unzählige Hochschulen gibt, zu Problemen führen. So hatte ich mich zuerst für die Univerisidade de Lisboa beworben, da auf der Seite des IO diese als Partneruniversität veröffentlicht war. Nach der Nominierung bekommt man von der Universidade Nova de Lisboa (UNL) eine mit allen Informationen und auch den benötigten Formularen, die man ausgedruckt und ausgefüllt per Post nach Lissabon schicken muss und dann gestempelt und unterschrieben zurückbekommt. Darunter befindet sich neben der Application Form auch das Learning Agreement (LA), in das man die gewünschten Kurse nach einer Besprechung mit Prof. Probst eintragen muss. Dabei sollte man beachten, dass die im Internet zugänglichen Kurspläne nicht alle im Wintersemester angeboten werden. Es stehen einfach alle Kurse, die allgemein angeboten werden, im Internet (zu finden unter: In welchem Semester sie stattfinden und zu welchen Uhrzeiten, erfährt man dann auf Listen, die in der Universität selbst ausgehängt 1

2 werden. Also sollte man sich nicht zu viel Gedanken um das erste LA machen, da man es mit großer Wahrscheinlichkeit aus Zeitüberschneidungsgründen o. ä. ändern muss. Für die Recherche der Kurse ist Portugiesisch von Vorteil, da die meisten Informationen nicht auf Englisch verfügbar sind. Im Sommer bekommt man dann noch einmal eine des Erasmusbüros der UNL (besser der Fakultät FCSH-UNL), in der der Termin für den Einführungstag für Erasmusstudenten steht. An diesem Tag sollte man in der Universität sein, da man dort alle erforderlichen Informationen und Dokumente erhält und andere Erasmusstudenten trifft. In den ersten zwei Wochen der Vorlesungszeit hat man dann Zeit, sich die Kurse anzuschauen und auszuwählen, welche man belegen möchte. Dann muss man sie in die Changes of the Original Learning Agreement eintragen und zur Unterschrift nach Deutschland schicken. Danach unterschreiben erst die Zuständigen der UNL. Für den endgültigen Stundenplan gibt es ein striktes Abgabedatum im Erasmusbüro, das man einhalten sollte. Für die verschiedenen Dokumente und Formulare braucht man sehr viele Passbilder, es lohnt sich, diese schon in Deutschland zu kopieren oder einzuscannen und mehrfach auszuducken. Man braucht sie nicht nur für alle Formulare, die die Universität betreffen (Bibliothekskarte, Studentenausweis und viele Professoren verlangen Fotos, damit sie sich die Namen schneller merken können), sondern z. B. auch für das Metroticket. Die Partneruniversität: Universidade Nova de Lisboa Die UNL ist eine der beiden wichtigsten Universitäten Lissabons und relativ groß. Das fällt einem jedoch nicht so auf, da die verschiedenen Fakultäten in der ganzen Stadt verteilt sind und diese auch eher die organisatorischen Einheiten sind, mit denen man als Student in Kontakt kommt. So hat die Faculdade de Ciencias Sociais e Humanas (FCSH) ein eigenes Erasmusbüro (erasmus@fcsh.unl.pt) mit Teresa Alonso als hilfsbereiter Koordinatorin, eine eigene Bibliothek (es gibt keine Zentralbibliothek an der UNL, eine Karte kann man leicht beantragen), eine eigene Mensa (Essen für zwei Euro, es gibt keine Mensakarte) und einen Computerraum, in dem man ohne Passwort das Internet nutzen kann. Ich habe während meines Auslandssemesters auch nie einen anderen Teil der UNL besucht. Die FCSH ist an sich auch schon relativ groß und hat jedes Semester sehr viele Erasmusstudenten, auch besonders viele Deutsche. Sie ist nördlich vom Zentrum an der Metrostation Campo Pequeno gelegen. In der Nähe findet man Supermärkte, den Museumspark Gulbenkian und die Bibliothek im Palacio Galveias am Campo Pequeno, in der man besser lernen kann als in der Fakultätsbibliothek. Bezogen auf das Politikwissenschaftliche Department kann man sagen, dass es einen Bachelor der Politikwissenschaften und Internationalen Beziehungen gibt sowie einige 2

3 Master. Innerhalb des Departments lehren einige Professoren, die verschiedene Themengebiete der Politikwissenschaften abdecken, so z. B. Politische Theorie und Internationale Beziehungen. Die Kurse sind meist Vorlesungen in kleinen Hörsälen mit bis zu 50 Studenten. Ein Seminar habe ich weder besucht, noch davon gehört. Der Stundenplan der Bachelor-Studenten ist festgelegter als bei uns und bietet daher wenig Wahlfreiheit. Im fünften Semester ist im Bachelor größtenteils Statistik Pflichtprogramm. Da ich das nicht auf Portugiesisch belegen wollte, habe ich Veranstaltungen aus unteren Semestern belegt. Dies führte eher dazu, dass schon bekannte Themen behandelt wurden, da der Aufbau des Bachelors an sich sehr dem in Bremen ähnelt. Die Masterkurse sollen um einiges interessanter sein, können meines Wissens von Bachelor-Studenten jedoch nicht belegt werden. Die Kurse, die vom Politikwissenschaftlichen Department angeboten werden, finden immer auf Portugiesisch und zweimal in der Woche für zwei Stunden statt. Fast alle Professoren sprechen jedoch sehr gutes Englisch und nehmen daher auch Hausarbeiten und Klausuren auf Englisch an. Sie helfen meist auch bei der Suche der Kursliteratur auf Englisch. Um den Inhalten folgen zu können, ist Portugiesisch jedoch sehr von Vorteil. In allen Kursen werden Midterms und Final Exams geschrieben, obwohl das Semester nur sehr kurz ist. Die Prüfungsleistungen sind vom Professor abhängig, es gibt Gruppen- und Einzelhausarbeiten, Essays und Klausuren (von meist zwei Stunden). Des Weiteren muss man für die meisten Kurse relativ viel Lesen. Es ist jedoch nicht so wie in Bremen, so dass man für einzelne Sitzungen Literatur bekommt, sondern meistens muss man verschiedene Bücher komplett über das ganze Semester lesen, oft auch ohne Zusammenhang zum Unterricht. Die Inhalte der Vorlesungen und der Lektüre werden dann in den Klausuren abgefragt. Für alle Erasmusstudenten werden kostenlos Sprachkurse des Fremdsprachenzentrums der Fakultät angeboten. Zuvor muss man eine Art kleinen Test machen und wird danach in die üblichen Niveaus eingeteilt (A1, A2, B1, B2, C1). Der Sprachkurs findet wie alle Kurse zweimal wöchentlich zweistündig statt. Außerdem werden vom CIEE englischsprachige Kurse v. a. für die amerikanischen Studenten angeboten. Einige der Departments der Fakultät bieten einen Kurs auf Englisch an, in dem dann meist auch nur ausländische Studenten sitzen (Politik bietet im Übrigen keinen englischsprachigen Kurs an). Während meines Semesters fanden u. a. Kurse zu Anthropologie, Medienwissenschaften, Literaturwissenschaften und Geschichte statt. Ich besuchte einen Kurs zu Portugiesischer Literatur und den Medien in Portugal. Da ich meinen Pflichtteil schon vor dem Auslandsaufenthalt in Bremen abgeschlossen hatte, musste ich mir um die Anerkennung der Kurse keine Sorgen machen und kann dazu auch 3

4 nicht viel sagen. Es gibt viele Kurse, die denen aus Bremen inhaltlich ähnlich sind und die man sich daher bestimmt anrechnen lassen kann. Man sollte dies jedoch vorher auf jeden Fall mit Lothar Probst besprechen. Unterkunft in Lissabon Mit den Unterlagen für die Anmeldung als Erasmusstudent an der UNL bekommt man auch ein Formular für die Anmeldung im Studentenwohnheim der FCSH in Lumiar. Ich habe mich damals nicht beworben, da es mir zu weit draußen erschien und ich kein Zimmer teilen wollte. Ich habe jedoch viele Freunde, die dort wohnten und sehr zufrieden waren. Es ist vergleichsweise sehr billig (175 Euro für ein Doppelzimmer) und man hat im Winter eine Heizung, was man dann zu schätzen lernt. Da das Netz der öffentlichen Verkehrsmittel in Lissabon sehr gut ist, auch nachts Busse fahren und Taxen nicht teuer sind, ist Lumiar auch gar nicht so dezentral wie es auf dem Stadtplan vielleicht aussieht. In diesem Wohnheim wohnen nur ausländische Studenten der FCSH, d. h. der Fakultät. Privat möblierte Zimmer zu finden, ist nicht so schwer, wenn man geduldig und am besten vor Ort ist, um sich alles selbst anzuschauen und Enttäuschungen vorzubeugen. Wohnungen findet man im Internet auf der Seite von Erasmuslisboa ( auf Englisch) oder oft billiger auf der portugiesischen Seite bquarto ( Wenn man vor Ort ist, kann man auch gut in der Zeitung Ocasião suchen, die jede Woche neue Angebote veröffentlicht (auf Portugiesisch). Während dieser Zeit kann man Couchsurfen oder in einem Hostel in der Innenstadt wohnen (es kostet nicht mehr als 15 Euro pro Nacht, das ist eher schon teuer). Die Mieten bewegen sich meist zwischen 200 und 300 Euro (oft egal ob Doppel- oder Einzelzimmer), wobei man häufig für 200 Euro ein Zimmer ohne Fenster bekommt. Viele Doppelzimmer kosten auch 250 Euro pro Person. Meist haben die Wohnungen Waschmaschinen, da es in Lissabon keine Waschsalons gibt, und Internet. Es gibt selten Mietverträge und die Miete muss man fast immer bar bezahlen. Wenn man in einem schönen Altbau in der Innenstadt wohnt, muss man damit rechnen, dass es im Winter sehr kalt und feucht ist, da die Häuser schlecht isoliert sind und keine Heizungen haben (wenn keine elektrische Heizung vorhanden ist, kann man für 10 Euro eine im Elektromarkt kaufen). Oft regnet es auch in die Häuser rein und das nicht nur im obersten Stockwerk. Schöne und zentrale Viertel zum Wohnen sind die Alfama, Graca, Anjos, Marques de Pombal, Rato oder Santos. Die Stadt Lissabon Lissabon hat wie oben schon erwähnt auch ein gutes Netz öffentlicher Verkehrsmittel. Es gibt vier Metrolinien und unzählige Busse und Straßenbahnen. Nachts fahren Busse in der 4

5 Woche jede Stunde und am Wochenende alle 30 Minuten. Die Metro fährt in der Woche und am Wochenende nur von 6.30h bis 1.00h. Wenn man jedoch in der näheren Innenstadt wohnt, kann man auch oft laufen. Für Studenten unter 23 Jahren gibt es ein Studententicket, das für Bus und Metro im Monat nur 14 Euro kostet (sonst aber auch nur ca. 28 Euro). Um dieses zu beantragen, braucht man ein Formular, das von der Universität unterschrieben und gestempelt wurde, ein Studentenausweis reicht nicht aus. Dieses Formular bekommt man am Einführungstag in der Fakultät zusammen mit den anderen Unterlagen. Damit muss man sich dann an einer der größeren Metrostationen anstellen und kann einen Tag oder zwei Wochen später (je nachdem, ob man fünf oder zehn Euro zahlen möchte) seine Chipkarte abholen. Da man vieles auch laufen kann, lohnt es sich vielleicht nicht für jeden ein solches Ticket zu kaufen, Einzeltickets kosten auch nur 0,8 Euro, wenn man sich eine grüne Karte zum Aufladen einmal gekauft hat. Außerdem ist Taxi zu fahren wie schon erwähnt nicht so teuer, der Preis bewegt sich in der näheren Umgebung des Zentrum meist bei um die fünf Euro. Lissabon ist eine sehr atmosphärische Stadt mit einem unglaublichen Kulturangebot. Jeden Monat finden Filmfestivals und Ausstellungseröffnungen statt. Es gibt eine Unmenge an Museen, Galerien und alternativen Kulturzentren, in denen Musik und Kunst aus aller Welt präsentiert wird (Chapito, Lxfactory, Fabrica de Braco das Pratas, Bacalhoeiro, Centro Cultural de Belem, Crew Hassan, Atelier Real u.v.m.). Man sollte nicht nur den Angeboten, der meiner Meinung nach zumindest in Lissabon sehr kommerziell orientierten Erasmusorganisationen ESN und Erasmuslisboa folgen, sondern versuchen, die portugiesische Kultur selbst kennen zu lernen. Studentenjobs sind in Lissabon vor allem deshalb unattraktiv, da das Einkommen in Portugal sehr niedrig ist und man häufig nur vier Euro in der Stunde verdient, ob als Kellner oder in einem Geschäft. Einige Freunde haben in den zahlreichen von Deutschen oder Österreichern geführten Cafés (u. a. Pois Café und Kaffeehaus) in der Innenstadt für etwas mehr Geld gearbeitet. Vor allem sind für diese Nebenjobs jedoch Portugiesischkenntnisse unerlässlich. An der Universität wurde mir gesagt, dass es schon als portugiesischer Student schwer sei, einen Job an der Universität zu bekommen und dass es für Erasmusstudenten eher nicht möglich sei. Man kann als Erasmusstudent ein eigenes Konto bei einer portugiesischen Bank eröffnen (Unterlagen bekommt man auch von den Erasmusorganisationen, Studentenausweis der FCSH kann auf Wunsch auch eine Bankkarte der Bank Santander genutzt werden). Ich habe dies nicht gemacht, da man relativ gut mit der deutschen Bank- oder einer Visa Karte in den 5

6 meisten Läden bezahlen kann. Man kann außerdem bei der Deutschen Bank, die in Lissabon viele Filialen hat, kostenlos abheben, wenn man bei der Deutschen oder der Postbank Kunde ist. Außerdem gibt es unzählige Angebote von deutschen Banken, bei denen man die Gebühren für das Abheben erlassen bekommt oder eine bestimmte Anzahl an Abhebungen frei hat. Abschließend möchte ich jeden nur ermuntern nach Lissabon zu gehen, da es sich wirklich um eine schöne Stadt handelt. Die Universität ist besonders gut, wenn man nicht schon wie ich alle Pflichtkurse vorher belegt hat, da sie in vielen Bereichen interessante Kurse anbietet und man seine Sprachkenntnisse durch den kostenlosen Sprachkurs gut verbessern kann. 6