BGH: Keine Pflicht zur Abgabe eines Barabfindungsangebots bei Rückzug von der Börse (BGH Beschluss vom 8.
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- Erwin Weber
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1 08/10/13 BGH: Keine Pflicht zur Abgabe eines Barabfindungsangebots bei Rückzug von der Börse (BGH Beschluss vom 8. Oktober 2013, Az.: BGH II ZB 26/12) NÖRENBERG SCHRÖDER Rechtsanwälte I Wirtschaftsprüfer I Steuerberater Partnerschaft Valentinskamp 70 / EMPORIO Hamburg Telefon: Fax: kontakt@noerenbergschroeder.de
2 BGH: Keine Pflicht zur Abgabe eines Barabfindungsangebots bei Rückzug von der Börse (BGH Beschluss vom 8. Oktober 2013, Az.: BGH II ZB 26/12) Sachverhalt: Am 11. Februar 2011 gab die Antragsgegnerin in einer Ad-hoc-Meldung ihren Wechsel vom regulierten Markt der Wertpapierbörse in Berlin in den Open Market, nämlich den Entry Standard der Frankfurter Wertpapierbörse bekannt, den der Vorstand mit Zustimmung des Aufsichtsrates beschlossen hat. Der Widerruf der Zulassung am regulierten Markt wurde einige Tage später wirksam und die Aktien der Antragsgegnerin sind seitdem in den Entry Standard einbezogen. Die Antragssteller sind Aktionäre der Antragsgegnerin. Sie haben die Durchführung eines Spruchverfahrens beantragt, um die Festsetzung eines angemessenen Barabfindungsangebots zu erreichen. Verfahren: Das Landgericht Bremen hat die Anträge auf Durchführung des Spruchverfahrens als unzulässig zurückgewiesen. Das Hanseatische Oberlandesgericht in Bremen hat die Entscheidungen bestätigt und die Beschwerden der Antragsgegner zurückgewiesen. Hiergegen richteten sich die Rechtsbeschwerden zum BGH. Entscheidung des BGH: Die Rechtsbeschwerden hatten keinen Erfolg und wurden vom BGH zurückgewiesen. Nach Ansicht des BGH bedarf der Widerruf der Zulassung zum Handel im regulierten Markt auf Veranlassung der Gesellschaft keinen Hauptversammlungsbeschluss. Außerdem haben Aktionäre keinen Anspruch auf ein Barabfindungsangebot. Ein Spruchverfahren zur Ermittlung einer Barabfindung ist daher nicht durchzuführen. 1. Der BGH hat ausdrücklich seine frühere Rechtsprechung aufgegeben, nach der eine Pflicht zur Abgabe eines Barabfindungsangebots daraus folgt, dass mit dem Widerruf der Zulassung zum Handel im regulierten Markt auf Veranlassung der Gesellschaft gem. 39 Abs. 2 BörsenG eine Eigentumsbeeinträchtigung folgt. Nach der hier dargestellten Entscheidung des BGH, die einer aktuellen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts folgt, greift der Widerruf der Börsenzulassung nicht in eine dem Aktionär als privatnützig zugeordnete Rechtsposition im Sinne von Art. 14 GG ein. Sowohl die mitgliedschaftlichen als auch die vermögensrechtlichen Elemente des Aktieneigentums werden durch den Widerruf der Börsenzulassung nicht berührt, da die durch die Börsenzulassung gesteigerte tatsächliche Verkehrsfähigkeit der Aktienanteile lediglich eine Ertrags- und Handelschance darstellt. Der Schutz des Art. 14 GG umfasst jedoch nur die rechtliche Verkehrsfähigkeit des Anteilseigentums. 2. Die Pflicht zur Abgabe eines Barabfindungsangebots folgt nach Ansicht des BGH nicht aus einer entsprechenden Anwendung des 207 UmwG.
3 Zum einen hinterfragt der BGH bereits, ob die Regelung des 207 UmwG einen verallgemeinerungsfähigen Inhalt hat, da gem. 250 UmwG bei einem Formwechsel einer Aktiengesellschaft zu einer Kommanditgesellschaft auf Aktien eine Anwendung des 207 UmwG ausgeschlossen ist. Zum anderen verneint der BGH die Vergleichbarkeit der Interessenlagen bei einem Wechsel vom regulierten Börsenhandel in den Freihandel mit einem Formwechsel, da weder die Zulassung zum Börsenhandel noch deren Widerruf eine Satzungsänderung erfordern. Die Zulassung zum Handel am regulierten Markt führt daher nicht zu einer Änderung der Organisations- oder der Beteiligungsstruktur der Gesellschaft. Daneben sind die 190 ff. UmwG nicht auf einen zwangsweisen Widerruf der Börsenzulassung gem. 39 Abs. 1 BörsenG zugeschnitten, der dann konsequenterweise auch mit einem Formwechsel gleichgesetzt werden müsste. 3. Der BGH sprach sich zudem gegen eine entsprechende Anwendung des 243 Abs. 2 S. 2 AktG aus. Dies folgerte er zum einen daraus, dass die Hauptversammlung in 119 Abs. 1 AktG nicht zur Entscheidung über die Beantragung des Widerrufs der Börsenzulassung berufen ist. Eine Zuständigkeit der Hauptversammlung folgt auch nicht daraus, dass der Vorstand besondere Geschäftsführungsmaßnahmen nicht alleine verantworten soll. In solchen Fällen ist nach 111 AktG in erster Linie der Aufsichtsrat zur Mitwirkung berufen. Zum anderen fehlt es aus Sicht des BGH an einer vergleichbaren Interessenlage, da beim Delisting nicht immer ein Sondervorteil eines Großaktionärs eintritt. Außerdem sieht 243 Abs. 2 AktG nicht eine Abfindung, sondern einen angemessenen Ausgleich vor und führt bei Fehlen eines angemessenen Ausgleichs nicht zu einem Spruchverfahren, sondern zur Nichtigkeit des Beschlusses. 4. Weiterhin scheidet eine analoge Anwendung des 29 Abs. 1 S. 1 Fall 2 UmwG aus. Bei 29 Abs. 1 S. 1 Fall 2 UmwG handelt es sich um eine nicht analogiefähige Ausnahmevorschrift, die direkt den Fall des kalten Delisting, also der Verschmelzung einer börsennotierten Aktiengesellschaft auf eine nicht börsennotierte Aktiengesellschaft, regelt. Das aus 29 Abs. 1 S. 1 Fall 2 UmwG kein allgemeiner Rechtsgrundsatz hergeleitet werden kann ergibt sich aus der Gesetzgebungsgeschichte und aus dem Zweck der Vorschrift, Aktionäre bei kalten Delisting vor Beeinträchtigungen zu
4 schützen. Vor Einführung des 29 Abs. 1 S. 1 Fall 2 UmwG waren die Aktionäre vor Beeinträchtigungen bei kalten Delisting nicht geschützt. Bei einem regulären Delisting ergibt sich der Schutz der Aktionäre bereits aus 39 Abs. 2 BörsenG. 5. Eine Pflicht zur Abgabe eines Barabfindungsangebots folgt auch nicht aus einer Gesamtanalogie zu den Regelungen gesetzlicher Strukturmaßnahmen. Nach Ansicht des BGH ist der Rückzug vom Handel am regulierten Markt keine Strukturmaßnahme und mit einer solchen auch nicht vergleichbar. Die Binnenstruktur der Gesellschaft wird durch den Rückzug vom regulierten Markt nicht verändert. Es bedarf keiner vergleichbaren Schutzmechanismen, da Vermögens- und Mitgliederinteressen der einzelnen Aktionäre nur mittelbar berührt werden. Weiterhin führen nach Ansicht des BGH auch die Veränderungen durch die fehlende Börsennotierung in Bezug auf die Meldepflicht eines Beteiligungserwerbs gem. 20 AktG (bei börsennotierten Gesellschaften 21 Abs. 1 WpHG), das Ausbleiben einer Angebotspflicht bei Übernahme der Kontrolle (bei börsennotierten Gesellschaften 35 WpÜG) und das Fehlen einer Ad-hoc-Publizitätspflicht nicht zu einer Vergleichbarkeit mit den kapitalmarktrechtlichen Strukturmaßnahmen. 6. Der Schutz der Anleger wird nach dem BGH durch 39 Abs. 2 BörsenG ausreichend gewährleistet. Die entgegengesetzte frühere Ansicht gibt der BGH ausdrücklich auf. Die Aktionäre sind insbesondere dann ausreichend geschützt, wenn die einschlägige Börsenordnung den Aktionären die Möglichkeit bietet, die Wirksamkeit des Widerrufs der Börsenzulassung bis zu sechs Monate zu verzögern, wenn nicht zeitgleich mit dem Widerruf ein Abfindungsangebot abgegeben wird. Aber auch das Fehlen einer solchen Regelung in der einschlägigen Börsenordnung führt nicht zu einem Absinken des Schutzniveaus der Aktionäre. Wie der BGH ausdrücklich betont, kann einer unzutreffenden Anwendung des 39 Abs. 2 BörsenG durch die Gesellschaft ausreichend effektiv mit Widerspruch und Anfechtungsklage gegen den Widerruf der Zulassung, also auf dem Verwaltungsrechtsweg, begegnet werden. Da ein effektiver Rechtsschutz über den öffentlichrechtlichen Weg besteht, bedarf es nicht zusätzlich des zivilrechtlichen Rechtswegs.
5 Hintergrund: In der sog. Macroton-Entscheidung hat der BGH (Urteil vom 25. November 2002, Az.: II ZR 133/01) entschieden, dass zur Wirksamkeit eines regulären Delisting ein Hauptversammlungsbeschluss und ein Pflichtabfindungsangebot an die Aktionäre erforderlich ist. Diese Erfordernisse begründete er damit, dass die Verkehrsfähigkeit einer Aktie durch Art. 14 GG geschützt ist und dass das Delisting die Verkehrsfähigkeit erheblich beeinträchtigt. Insbesondere für die Minderheits- und Kleinaktionäre, deren Engagement bei einer Aktiengesellschaft allein in der Wahrnehmung von Anlageinteressen besteht, bringt der Wegfall des Marktes wirtschaftlich gravierende Nachteile mit sich, die auch nicht durch die Einbeziehung der Aktien in den Freihandel ausgeglichen werden können. Dieser Rechtsprechung hat der 1. Senat des Bundesverfassungsgerichts mit den Urteilen vom 11. Juli 2012 (Az.: 1 BvR 3142/07, 1569/08) die Grundlage entzogen, indem es aussprach, dass der Widerruf der Börsenzulassung nicht den Schutzbereich der Eigentumsgarantie beeinträchtigt. Bei der durch die Börsenzulassung gesteigerten Verkehrsfähigkeit einer Aktie handelt es sich um einen einzelnen wertbildenden Faktor, der nicht in den Schutzbereich des Eigentums fällt. Die marktregulierenden Vorschriften des Aktien- und Börsenrechts dienen unmittelbar der Schaffung von Transparenz, der Missbrauchsprävention und damit - in Ansehung der volkswirtschaftlichen Bedeutung dieser Gesellschaften - auch dem Allgemeinwohl. Nur mittelbar dienen diese Vorschriften auch den Interessen der einzelnen oder der Gesamtheit der Anleger. Dies reicht nicht um den Schutzbereich des Art. 14 GG zu eröffnen. Dieser Rechtsprechung hat sich nun der BGH auch angeschlossen und seine frühere Rechtsprechung ausdrücklich aufgegeben. Fazit: Die Entscheidung des BGH vom 8. Oktober 2013 ist sehr zu begrüßen. Durch sie kehrt für Vorstände und Großaktionäre Rechtssicherheit in der Frage ein, ob eine börsennotierte Aktiengesellschaft für einen Rückzug von der Börse einen Hauptversammlungsbeschluss benötigt und ein Pflichtabfindungsangebot an die Aktionäre abgeben muss. Diese Rechtsfrage wird bis auf weiteres in der Jurisprudenz als geklärt angesehen werden können. Sollte ein weiterer Schutz von Aktionären beim Delisting für erforderlich gehalten werden, ist es nun am Gesetzgeber, einen solchen einzuführen. Ansprechpartner: Dr. Karsten Bornholdt bornholdt@noerenbergschroeder.de Pascal Verma verma@noerenbergschroeder.de
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