Das Verhältnis von Prävention und Kinderschutz am Beispiel Frühe Hilfen
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- Klaudia Hummel
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1 Prof. Dr. Reinhold Schone FH Münster, FB Sozialwesen Das Verhältnis von Prävention und Kinderschutz am Beispiel Frühe Hilfen Vortrag zum Fachtag Prävention in der Kinder- und Jugendhilfe am in Vlotho
2 Gliederung Prävention Kinderschutz 1. Vorbemerkung 2. Prävention und Kinderschutz Begriffliche Annährungen 3. Exkurs: Kindeswohl als rechtliches und normatives Konstrukt 4. Kinderschutz im KJHG 5. Was sind Frühe Hilfen? 6. Zum Präventionsverständnis Früher Hilfen 7. Zusammenfassung/ Perspektiven Frühe Hilfen
3 Gliederung Prävention Kinderschutz 1. Vorbemerkung 2. Prävention und Kinderschutz Begriffliche Annährungen 3. Exkurs: Kindeswohl als rechtliches und normatives Konstrukt 4. Kinderschutz im KJHG 5. Was sind Frühe Hilfen? 6. Zum Präventionsverständnis Früher Hilfen 7. Zusammenfassung/ Perspektiven Frühe Hilfen
4 Prävention ist kein Gegenstück zur Intervention bedeutet immer den Versuch, in einen Geschehensablauf einzugreifen, um unmittelbar bevorstehende oder weit in der Zukunft liegende antizipierte unerwünschte Zustände zu verhindern Prävention ist immer Vorwegnahme einer Zukunft und Vorverlagerung einer Intervention zur Vermeidung einer letztlich normativ abgelehnten zukünftigen Entwicklung.
5 Kinderschutz ist einerseits Oberbegriff für alle Aktivitäten der Gesellschaft, die darauf ausgerichtet sind, Kindern und Jugendlichen ein geschütztes Aufwachsen zu ermöglichen (breites Verständnis) ist andererseits ein spezieller Begriff für die Aufgabe der Abwendung unmittelbarer Gefahren für Kinder und Jugendliche (enges Verständnis)
6 Gliederung Prävention Kinderschutz 1. Vorbemerkung 2. Prävention und Kinderschutz Begriffliche Annährungen 3. Exkurs: Kindeswohl als rechtliches und normatives Konstrukt 4. Kinderschutz im KJHG 5. Was sind Frühe Hilfen? 6. Zum Präventionsverständnis Früher Hilfen 7. Zusammenfassung/ Perspektiven Frühe Hilfen
7 Gliederung Prävention Kinderschutz 1. Vorbemerkung 2. Prävention und Kinderschutz Begriffliche Annährungen 3. Exkurs: Kindeswohl als rechtliches und normatives Konstrukt 4. Kinderschutz im KJHG 5. Was sind Frühe Hilfen? 6. Zum Präventionsverständnis Früher Hilfen 7. Zusammenfassung/ Perspektiven Frühe Hilfen
8 Sicherstellung der Infrastruktur durch Jugendhilfeplanung Jugendhilfe zwischen Prävention, Leistungserbringun Aufbau der Jugendhilfe und Intervention Krisenintervention Inobhutnahme Schutz von Kindern und Jugendlichen vor Gefahren Mitwirkung in Gerichtsverfahren ggf. Eingriff ins Elternrecht Hilfen für Kinder, Jugendliche und Familien in Not- und Krisenlagen Hilfen und Unterstützung bei defizitären Lebenslagen von Kindern und Familien Infrastruktur für Prävention Beratung und Unterstützung zur Bewältigung allgemeiner Belastungen (z.b. Familienberatung, Jugendberatung, Unterstützung für Alleinerziehende) Allgemeine Förderung für Kinder, Jugendliche und Familien Jugendarbeit, Kindertageseinrichtungen, Familienbildung
9 KomDAT Jugendhilfe Sonderausgabe 2006
10 Kinderschutz Idealtypisch lassen sich drei Ebenen (der Jugendhilfe) beschreiben, auf denen sich präventives staatliches Handeln zur Sicherung bzw. zum Schutz des Kindeswohls zeigt: 1. im Rahmen allgemeiner unterstützender Infrastruktur für Familien (nicht nur in Belastungssituationen (auch Frühe Hilfen) 2. im Rahmen von individuellen Hilfen zur Erziehung (individuelle Rechtsansprüche) 3. im Rahmen staatlicher Intervention bei Kindeswohlgefährdung (Schutzauftrag)
11 Kinderschutz Idealtypisch lassen sich drei Ebenen (der Jugendhilfe) beschreiben, auf denen sich präventives staatliches Handeln zur Sicherung bzw. zum Schutz des Kindeswohls zeigt: 1. im Rahmen allgemeiner unterstützender Infrastruktur für Familien (nicht nur in Belastungssituationen (auch Frühe Hilfen) 2. im Rahmen von individuellen Hilfen zur Erziehung (individuelle Rechtsansprüche) 3. im Rahmen staatlicher Intervention bei Kindeswohlgefährdung (Schutzauftrag)
12 Die allgemein fördernde und unterstützende Infrastruktur für Familien wird deutlich in Ziel- und Aufgabendefinitionen des SGB VIII. 1 Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit Schaffung und Erhaltung positiver Lebensbedingungen 11 Förderung der Entwicklung junger Menschen an den Interessen der Jugendlichen anknüpfen zur Selbstbestimmung befähigen zu gesellschaftlicher Mitverantwortung und gesellschaftlichem Engagement anregen und hinführen 16 Erziehungsverantwortung besser wahrnehmen können 22 Entwicklung des Kindes zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit Erziehung und Bildung in der Familie unterstützen orientierende Werte vermitteln Hier steht nicht die Verhütung defizitärer Zukunft, sondern die Gestaltung positiver Zukunft im Zentrum!
13 Kinderschutz Idealtypisch lassen sich drei Ebenen (der Jugendhilfe) beschreiben, auf denen sich präventives staatliches Handeln zur Sicherung bzw. zum Schutz des Kindeswohls zeigt: 1. im Rahmen allgemeiner unterstützender Infrastruktur für Familien (nicht nur in Belastungssituationen (auch Frühe Hilfen) 2. im Rahmen von individuellen Hilfen zur Erziehung (individuelle Rechtsansprüche) 3. im Rahmen staatlicher Intervention bei Kindeswohlgefährdung (Schutzauftrag)
14 Individuelle Hilfen zur Erziehung nach dem SGB VIII Im Jahr 2011 begannen in Deutschland Hilfen zur Erziehung für insgesamt ca junge Menschen Erziehungsberatung Familienbezogene Hilfen ambulante Einzelhilfen Heimerziehung/betreutes Wohnen Pflegefamilien (Statistisches Bundesamt 2012)
15 Quelle: KomDat Jugendhilfe 2/2009
16 Kinderschutz Idealtypisch lassen sich drei Ebenen (der Jugendhilfe) beschreiben, auf denen sich präventives staatliches Handeln zur Sicherung bzw. zum Schutz des Kindeswohls zeigt: 1. im Rahmen allgemeiner unterstützender Infrastruktur für Familien (nicht nur in Belastungssituationen (auch Frühe Hilfen) 2. im Rahmen von individuellen Hilfen zur Erziehung (individuelle Rechtsansprüche) 3. im Rahmen staatlicher Intervention bei Kindeswohlgefährdung (Schutzauftrag)
17 Die Feststellung einer Kindeswohlgefährdung geschieht aufgrund einer fachlichen (und rechtlichen) Bewertung von Lebenslagen hinsichtlich der möglicher Schädigungen, die die Kinder in ihrer weiteren Entwicklung aufgrund dieser Lebensumstände erfahren können; der Erheblichkeit der Gefährdungsmomente (Intensität, Häufigkeit und Dauer des schädigenden Einflusses) bzw. der Erheblichkeit des erwarteten Schadens; des Grades der Wahrscheinlichkeit (Prognose) eines Schadenseintritts (Es geht um die Beurteilung zukünftiger Einflüsse, vor denen das Kind zu schützen ist); der Fähigkeit der Eltern(teile), die Gefahr abzuwenden bzw. die zur Abwendung der Gefahr erforderlichen Maßnahmen zu treffen; der Bereitschaft der Eltern(teile), die Gefahr abzuwenden bzw. die zur Abwendung der Gefahr erforderlichen Maßnahmen zu treffen.
18 Entwicklung der gerichtlichen Maßnahmen (Fallzahlen) Anrufungen d. Gerichts Sorgerechtseingriffe
19 Gliederung Prävention Kinderschutz 1. Vorbemerkung 2. Prävention und Kinderschutz Begriffliche Annährungen 3. Exkurs: Kindeswohl als rechtliches und normatives Konstrukt 4. Kinderschutz im KJHG 5. Was sind Frühe Hilfen? 6. Zum Präventionsverständnis Früher Hilfen 7. Zusammenfassung/ Perspektiven Frühe Hilfen
20 Grundlegendes Ziel früher Hilfen ist es, in präventiver Orientierung riskante Entwicklungen von Kindern und ihren Familien bereits in ihrer Entstehung zu erkennen und zu bearbeiten und damit einer Entstehung und Verfestigung von Problemlagen entgegenzuwirken bzw. sie abzumildern.
21 Früherkennungssysteme zielen auf frühe Hilfen in doppelter Hinsicht 1. Zum einen unter zeitlicher Perspektive bezogen auf den Entstehungsprozess von Krisen allgemein 2. Zum anderen unter biographischer Perspektive bezogen auf die Entwicklungsphasen von Kindern
22 Frühe Hilfen Frühe Hilfen basieren vor allem auf multiprofessioneller Kooperation, beziehen aber auch bürgerschaftliches Engagement und die Stärkung sozialer Netzwerke von Familien mit ein. Zentral für die praktische Umsetzung Früher Hilfen ist deshalb eine enge Vernetzung und Kooperation von Institutionen und Angeboten aus den Bereichen der Schwangerschaftsberatung, des Gesundheitswesens, der interdisziplinären Frühförderung, der Kinder- und Jugendhilfe und weiterer sozialer Dienste. Frühe Hilfen haben sowohl das Ziel, die flächendeckende Versorgung von Familien mit bedarfsgerechten Unterstützungsangeboten voranzutreiben, als auch die Qualität der Versorgung zu verbessern. (Nationales Zentrum Frühe Hilfen Begriffsbestimmung 2009)
23 Frühe Hilfen bilden lokale und regionale Unterstützungssysteme mit koordinierten Hilfsangeboten für Eltern und Kinder ab Beginn der Schwangerschaft und in den ersten Lebensjahren mit einem Altersschwerpunkt der 0 bis 3- Jährigen zielen darauf ab, Entwicklungsmöglichkeiten von Kindern und Eltern in Familie und Gesellschaft frühzeitig und nachhaltig zu verbessern. tragen damit maßgeblich zum gesunden Aufwachsen von Kindern bei und sichern deren Recht auf Schutz Förderung und Teilhabe. (Nationales Zentrum Frühe Hilfen Begriffsbestimmung 2009)
24 Gliederung Prävention Kinderschutz 1. Vorbemerkung 2. Prävention und Kinderschutz Begriffliche Annährungen 3. Exkurs: Kindeswohl als rechtliches und normatives Konstrukt 4. Kinderschutz im KJHG 5. Was sind Frühe Hilfen? 6. Zum Präventionsverständnis Früher Hilfen 7. Zusammenfassung/ Perspektiven Frühe Hilfen
25 Zum Präventionsverständnis von Frühen Hilfen und beim Schutzauftrag bei Kindeswohlgefährdung Auftrag zur Gewährleistung von Frühen Hilfen Schutzauftrag bei Kindeswohlgefährdung Zielsetzung Erhalt bzw. Eröffnung positiver Entwicklungsmöglichkeiten und Teilhabechancen von Kindern; Verhinderung negativer Entwicklungen Schutz von Minderjährigen vor Gefahren für ihr Wohl (erheblichen Schädigungen); Abwehr konkret identifizierbarer Gefährdungen AdressatInnen/ Bezugsgruppen Risikobegriff Alle Familien mit Kindern, insbesondere aber Familien mit Säuglingen und Kleinkindern (Gewährleistung von niederschwelligen Zugangsmöglichkeiten auch und besonders für Familien in belasteten Lebenssituationen) Belastende Lebenslagen als theoriebasierte Risikozuschreibung für mögliche defizitäre Entwicklungen von Kindern Kinder und Jugendliche, deren Schutz vor Gefahren durch die Eltern nicht sichergestellt ist. Kontrolle von konkreten gewichtigen Anhaltspunkten Ereignisbasierte Risiko- und Gefahrenabschätzung
26 Zum Präventionsverständnis von Frühen Hilfen und beim Schutzauftrag bei Kindeswohlgefährdung Auftrag zur Gewährleistung von Frühen Hilfen Erste Signale schwache Hinweise auf misslingende Erziehungsprozesse Schutzauftrag bei Kindeswohlgefährdung gewichtige Anhaltspunkte ( 8a SGFB VIII) für eine Kindeswohlgefährdung Handlungsauslöser Handlungszeitpunkt Fachlicher Ansatzpunkt Vor oder bei der Entstehung von Problemen Als Einstieg in Hilfeprozesse Gewährleistung einer niedrigschwelligen Hilfe- Infrastruktur Angebot von alltagsorientierten Hilfen Bei Überschreitung der Gefährdungsschwelle bei Verweigerung der Annahme von notwendigen und geeigneten Hilfen Sicherung von geeigneten Interventionsstrukturen (Inobhutnahme, Vormundschaften) im Gefährdungsfall Handlungsprinzipien Vertrauen als Handlungsgrundlage Freiwilligkeit als Grundprinzip Kontrolle von Eltern zum Schutz des Kindes Ggf. unfreiwillige Eingriffe und Ausübung von Zwang
27 Gliederung Prävention Kinderschutz 1. Vorbemerkung 2. Prävention und Kinderschutz Begriffliche Annährungen 3. Exkurs: Kindeswohl als rechtliches und normatives Konstrukt 4. Kinderschutz im KJHG 5. Was sind Frühe Hilfen? 6. Zum Präventionsverständnis Früher Hilfen 7. Zusammenfassung/ Perspektiven Frühe Hilfen
28 Fazit 1: Es gibt eine Erosion der Begrifflichkeit Kinderschutz. Diese mag zwar nützlich sein, um öffentliche Aufmerksamkeit und Ressourcen auf das Thema zu lenken. Es behindert aber klare Orientierungen und klare Entwicklungslinien. Ein fachlich differenzierter Umgang mit der Chiffre Kinderschutz und eine klare Benennung dessen, was jeweils gemeint ist, ist aber Voraussetzung dafür, dass Fortschritte im Kinderschutz (hier im weit verstandenen Sinne) erzielt werden können.
29 Fazit 2: Die Frage, wann und in welcher Weise der private Lebensraum eines Kindes und einer Familie vom Staat beobachtet, bewertet und zum Gegenstand einer Intervention gemacht werden kann und soll, berührt die grundlegende Frage des Verhältnisses von Öffentlichkeit und Privatheit, von gesellschaftlicher Kontrolle und individueller Freiheit, von eigenständigem Elternrecht auf Erziehung und Gewährleistung des Kindeswohls. Wie diese Frage in der Gesellschaft diskutiert wird, hat Auswirkungen für das Selbstverständnis und für die Handlungsmöglichkeiten der Jugendhilfe: Es geht darum, ob Jugendhilfe die mittlerweile gefundene Balance zwischen einer modernen Dienstleistungskonzeption einerseits und dem Aufrechterhalten des Schutzgedankens andererseits wirkungsvoll und zum Wohle der Kinder und Jugendlichen ausgestalten kann. (Merchel, 2008, S. 12)
30 Zu früh zu viel zu spät, zu wenig Goldstein/Freud/Solnit: Diesseits des Kindeswohls, 1982, S.115ff
31 Zu früh zu viel zu spät, zu wenig Goldstein/Freud/Solnit: Diesseits des Kindeswohls, 1982, S.115ff
32
33 Statt einer Zusammenfassung Befürchtung Die nicht nachlassende Aufladung des Begriffs der Frühen Hilfen mit Aspekten der Kontrolle und der Abwehr von Kindeswohlgefährdung wirkt abschreckend auf Eltern. Dadurch erhöht sich die Gefahr, dass ein sorgsam in Balance zu haltendes System in Schieflage gerät und Eltern mit Angst und Abwehr reagieren. Eine verstärkte Wahrnehmung des Jugendamtes als Kontrollbehörde und damit ein Rückfall in Zeiten weit vor dem KJHG könnte gerade bei den Familien, die mit ihren Erziehungsaufgaben überfordert sind und die sich dieser Überforderung schämen, eher Rückzugs und Abschottungstendenzen auslösen, was im Hinblick auf eine breite Durchsetzung des Kinderschutzes fatale Folgen hätte.
34 Statt einer Zusammenfassung Hoffnung In 10 Jahren sind Frühe Hilfen als Grundhaltung in der gesamten Jugendhilfe und in angrenzenden Handlungssystemen verankert. Frühe Hilfen sind dann ein Synonym dafür, dass für alle Eltern notwendige und geeignete Förder-, Unterstützungs- und Hilfsangebote bereit stehen und von Familien gerne in Anspruch genommen werden. Die gesamte Infrastruktur von Jugendhilfe, Gesundheitswesen, materieller Sicherung ist auf diese Grundhaltung ausgerichtet. Sie bezieht sich dann nicht nur auf kleine Kinder sondern auch auf Jugendliche bei sich anbahnenden Krisen.
35 Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
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