(Erstattung von Energiesteuer bei Forderungsausfall)
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- Frieda Böhm
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1 FG München, Urteil v K 722/11 Titel: (Erstattung von Energiesteuer bei Forderungsausfall) Normenkette: 2 Abs 1 EnergieStG Orientierungsätze: 1. Ein Anspruch auf Steuerentlastung nach 60 EnergieStG besteht nur dann, wenn der Mineralölhändler offene Forderungen rechtzeitig gerichtlich verfolgt, wobei es unbeachtlich ist, ob diese Maßnahme tatsächlich zum Erfolg führt. Auf die rechtzeitige gerichtliche Verfolgung des Anspruchs kann auch dann nicht verzichtet werden, wenn ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt ist. 2. Die gerichtliche Geltendmachung von Ansprüchen wird auch nicht dadurch entbehrlich, dass der Dieselkraftstoff vom Kunden bereits verbraucht und damit nicht mehr auf der Grundlage des vereinbarten Eigentumsvorbehalts rückholbar gewesen ist. 3. Ein Mahnsystem, bei dem sichergestellt ist, dass im Falle der Nichtbegleichung der Forderung spätestens etwa zwei Monate nach der Belieferung die gerichtliche Verfolgung in die Wege geleitet wird, ist hinzunehmen. Dabei handelt es sich nicht um eine starre Frist. Vielmehr hängt es von den Umständen des jeweiligen Einzelfalls ab, welche Maßnahmen als ausreichend anzusehen sind, um den Vergütungsanspruch zu erhalten. Liegen besondere Umstände vor, kann ein geringfügiges Überschreiten dieser Frist hingenommen werden. Es kann aber auch eine Situation eintreten, in der vom Lieferanten ein unverzügliches Handeln gefordert wird. Schlagworte: Anspruch, Dieselkraftstoff, Eigentumsvorbehalt, Energieerzeugnis, Energiesteuer, Erstattung, Forderungsausfall, Frist, Insolvenzverfahren, Mahnsystem, Mineralöl, Steuerentlastung, Verbrauch, Vergütung, Vergütungsanspruch, Zahlungsunfähigkeit Fundstelle: BeckRS 2013, Tenor 1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. Tatbestand 1 I. Streitig ist, ob die Klägerin einen Anspruch auf Rückerstattung von Mineralölsteuer hat. 2 Im Zeitraum vom 6. Mai 2009 bis zum 9. Juni 2009 belieferte die Klägerin die Firma A im Rahmen von 9 Einzellieferungen mit insgesamt Litern versteuertem Dieselkraftstoff (DK). Mit der Firma A war eine Begleichung der Rechnungen mittels Bankabbuchung vereinbart. In Ziffer 18.1 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) der Klägerin war geregelt, dass sich die Klägerin ihr Eigentum bis zur vollständigen Vertragserfüllung vorbehält, im Verkehr mit Unternehmern bis zur Tilgung aller aus der Geschäftsverbindung bereits entstandenen Forderungen und der im engen Zusammenhang mit der gelieferten Ware noch entstehenden Nebenforderungen.
2 3 Im Einzelnen lieferte die Klägerin an die Firma A am 6. Mai 2009 Liter und Liter, am 13. Mai 2009 Liter, am 19. Mai 2009 Liter und Liter, am 2. Juni 2009 Liter und Liter, am 3. Juni 2009 Liter und am 9. Juni 2009 Liter DK. Diese Lieferungen wurden der Firma A mit Rechnungen vom 8. Mai 2009 (Belegnummer und ), vom 13. Mai 2009 (Belegnummer ), vom 20. Mai 2009 (Belegnummer ), vom 22. Mai 2009 (Belegnummer ), vom 4. Juni 2009 (Belegnummer und Belegnummer ), vom 8. Juni 2009 (Belegnummer ) und vom 9. Juni 2009 (Belegnummer ) in Rechnung gestellt. In den Rechnungen wies die Klägerin jeweils darauf hin, dass der Betrag dem Konto der Firma A einen Monat später belastet werde. Hinsichtlich der Rechnungen Nr. und erfolgte eine Rücklastschrift am 10. Juni 2009, hinsichtlich der Rechnung Nr. erfolgte eine Rücklastschrift am 15. Juni Am 12. Juni 2009 teilte die Firma A der Klägerin telefonisch mit, dass sie demnächst einen Insolvenzantrag stellen werde. Daraufhin ordnete die Klägerin am selben Tag einen Lieferstopp an. Weitere Versuche, die noch offenen Rechnungen dem Konto der Firma A zu belasten, unternahm die Klägerin nicht. Ein gerichtlicher Mahnbescheid gegen die Firma A oder Herrn A als Komplementär wurde nicht beantragt. 5 Am 23. Juni 2009 stellte die Firma A einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens, woraufhin die vorläufige Insolvenzverwaltung angeordnet und bestimmt wurde, dass Verfügungen der Schuldnerin nur mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam und Maßnahmen der Zwangsvollstreckung in das bewegliche Schuldnervermögen eingestellt worden seien. Das Insolvenzverfahren wurde mit Beschluss des Amtsgerichts B am 1. August 2009 eröffnet (Az. ), in dem die Klägerin ihre Forderungen zur Insolvenztabelle anmeldete. Am 28. August 2009 wurde durch Beschluss des Amtsgerichts B über das Vermögen des Herrn A, dem persönlich haftenden Gesellschafter der Firma A, das Insolvenzverfahren eröffnet (Az. ). 6 Aufgrund dessen beantragte die Klägerin beim Hauptzollamt (HZA) mit Schreiben vom 27. August 2010 die Erstattung der in der gelieferten DK-Menge enthaltenen Energiesteuer i. H. v., was das HZA mit Bescheid vom 26. Mai 2010 ablehnte. 7 Dagegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 9. Juni 2010 Einspruch ein, den das HZA mit Einspruchsentscheidung vom 3. Februar 2011 zurückwies. 8 Dagegen erhob die Klägerin Klage, die sie im Wesentlichen folgendermaßen begründet: Sie habe alle ihr möglichen Maßnahmen ergriffen, um einen Forderungsausfall zu vermeiden. Den persönlich haftenden Gesellschafter habe sie nicht in Anspruch nehmen können, weil bereits mit der Anordnung vorläufiger Insolvenzverwaltung keine Ansprüche gegen diesen mehr geltend gemacht werden dürften. 9 Die Klägerin beantragt, das HZA unter Aufhebung des Bescheids vom 26. Mai 2010 und der Einspruchsentscheidung vom 3. Februar 2011 zu verpflichten, ihr Energiesteuer i. H. v. zu erstatten. 10 Das HZA beantragt, die Klage abzuweisen. 11 Es wäre der Klägerin noch deutlich vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens möglich gewesen, Maßnahmen zu ergreifen, um ihre Forderungen auch gegen den persönlich Haftenden durchzusetzen. Obwohl nach der telefonischen Mitteilung auf baldige Antragstellung zur Eröffnung eines Insolvenzverfahrens am 15. Juni 2009 eine weitere Rücklastschrift eingegangen sei, habe sie keine
3 Maßnahmen zur gerichtlichen Verfolgung der aus den DK-Lieferungen resultierenden Forderungen getroffen. Im Übrigen nimmt es auf seine Einspruchsentscheidung Bezug. 12 Hinsichtlich der Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die HZA-Akten, die im Verfahren eingereichten Schriftsätze der Beteiligten und die Niederschrift über die mündliche Verhandlung hingewiesen. Entscheidungsgründe 13 II. Die Klage ist nicht begründet. 14 Das HZA hat zu Recht mit Bescheid vom 26. Mai 2010 eine Entlastung von der Energiesteuer i. H. v. abgelehnt, weil die Klägerin keinen Anspruch auf Steuerentlastung nach 60 des Energiesteuergesetzes in der hier maßgeblichen Fassung (EnergieStG) hat. 15 Nach dieser Vorschrift wird dem Verkäufer von nachweislich nach 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 EnergieStG versteuerten Energieerzeugnissen auf Antrag eine Steuerentlastung für die im Verkaufspreis enthaltene Steuer gewährt, die beim Warenempfänger wegen Zahlungsunfähigkeit ausfällt, wenn der Steuerbetrag bei Eintritt der Zahlungsunfähigkeit 5.000,00 übersteigt, wenn keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Zahlungsunfähigkeit im Einvernehmen mit dem Verkäufer herbeigeführt worden ist, wenn der Zahlungsausfall trotz vereinbarten Eigentumsvorbehalts, laufender Überwachung der Außenstände, rechtzeitiger Mahnung bei Zahlungsverzug unter Fristsetzung und gerichtlicher Verfolgung des Anspruchs nicht zu vermeiden war und wenn Verkäufer und Warenempfänger nicht wirtschaftlich miteinander verbunden sind. Die genannten Voraussetzungen müssen kumulativ erfüllt sein, so dass mangels Vergütungsfähigkeit der gesamte Anspruch entfällt, wenn auch nur eine dieser Voraussetzungen nicht erfüllt ist (Urteil des Bundesfinanzhofs BFH vom 11. Januar 2011 VII R 11/10, BFH/NV 2011, 1022). 16 Die gerichtliche Verfolgung eines Anspruchs bedeutet, die rückständigen Forderungen, mit denen der Abnehmer in Zahlungsverzug geraten ist, beim Zivilgericht mit den Mitteln, die nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung (ZPO) zur Verfügung stehen, rechtshängig zu machen, also z. B. Klage zu erheben oder die Zustellung eines Mahnbescheids nach den 688 ff. ZPO zu bewirken mit ggf. anschließender Überleitung in das streitige Verfahren, und aus dabei erlangten Titeln gegen den Schuldner im Wege der Zwangsvollstreckung vorzugehen. Auf die konkreten Erfolgsaussichten einer gerichtlichen Geltendmachung des Anspruchs im Rahmen einer Kausalitätsbetrachtung ex-post kommt es nicht an. Zudem entbindet selbst ein Antrag auf Eröffnung der Gesamtvollstreckung oder die Eröffnung eines vorläufigen Insolvenzverfahrens den Mineralöllieferanten nicht von der Pflicht, den Anspruch z. B. durch die Erwirkung eines Mahnbescheids rechtzeitig gerichtlich zu verfolgen, wobei es unbeachtlich ist, ob diese Maßnahme tatsächlich zum Erfolg führt. Somit kann auf die rechtzeitige gerichtliche Verfolgung des Anspruchs auch dann nicht verzichtet werden, wenn ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt ist (BFH- Urteil vom 11. Januar 2011 VII R 11/10, a. a. O.; BFH-Beschluss vom 19. November 2007 VII R 1/05, BFH/NV 2008, 621; BFH-Urteil vom 8. August 2006 VII R 15/06, BFH/NV 2007, 109; BFH-Beschluss vom 5. März 2007 VII B 189/06, BFH/NV 2007, 1353). 17 Die gerichtliche Verfolgung muss zügig erfolgen, um Zahlungsausfälle möglichst zu vermeiden (BFH- Beschluss vom 19. November 2007 VII R 1/05, a. a. O.). Ein Mahnsystem, bei dem sichergestellt ist, dass im Falle der Nichtbegleichung der Forderung spätestens etwa zwei Monate nach der Belieferung die gerichtliche Verfolgung in die Wege geleitet wird, ist hinzunehmen. Dabei handelt es sich nicht um eine starre Frist. Vielmehr hängt es von den Umständen des jeweiligen Einzelfalls ab, welche Maßnahmen als ausreichend anzusehen sind, um den Vergütungsanspruch zu erhalten. Liegen besondere Umstände vor,
4 kann ein geringfügiges Überschreiten dieser Frist hingenommen werden. Es kann aber auch eine Situation eintreten, in der vom Lieferanten ein unverzügliches Handeln gefordert wird (BFH-Beschluss vom 14. Dezember 2010 VII B 144/10, BFH/NV 2011, 853; BFH-Urteil vom 1. Juli 2008 VII R 31/07, BFH/NV 2008, 1886; BFH-Urteil vom 8. August 2006 VII R 15/06, a. a. O.). 18 Derjenige, der eine Personengesellschaft mit versteuertem Mineralöl beliefert, hat den Kaufpreisanspruch nicht nur gegen die Gesellschaft, sondern auch gegen weitere in Betracht kommende Gesamtschuldner, wie z. B. den Komplementär, geltend zu machen und, soweit erforderlich, gerichtlich zu verfolgen (BFH- Beschluss vom 9. November 2010 VII B 153/10, BFH/NV 2011, 438). 19 Die Klägerin hat nach Überzeugung des Gerichts ihre Ansprüche gegen die Firma A nicht in ausreichender Weise geltend gemacht. 20 Zunächst hat sie nur hinsichtlich der ersten drei Lieferungen eine Abbuchung vom Konto der Firma A in Auftrag gegeben und für die weiteren Lieferungen nicht einmal versucht, ihre Forderungen im Lastschriftverfahren zu realisieren. Dazu kommt, dass zu den in den Rechnungen Nr. und angekündigten Abbuchungsterminen noch keine vorläufige Insolvenzverwaltung angeordnet gewesen ist. Stattdessen hat die Klägerin bereits aufgrund der ihr von ihrer Kundin telefonisch mitgeteilten Absicht, einen Insolvenzantrag zu stellen, ihre Bemühungen um Realisierung ihrer Ansprüche weitestgehend eingestellt. 21 Die Klägerin hat ihre Forderungen auch nicht im Sinne der dargestellten Rechtsprechung rechtzeitig gerichtlich geltend gemacht, weil sie gegen ihre Kundin überhaupt keine gerichtlichen Schritte eingeleitet und auch keinen Mahnbescheid beantragt hat. 22 Ob dies ohnehin ohne Erfolg geblieben wäre, kann dahinstehen, weil es nach der oben dargestellten Rechtsprechung auf die konkreten Erfolgsaussichten der gerichtlichen Verfolgung nicht ankommt und sich eine ex-post-betrachtung verbietet. Insbesondere ist die Beantragung eines Mahnbescheids nach Eröffnung des vorläufigen Insolvenzverfahrens vorliegend nicht von vorneherein aussichtslos und daher unzumutbar gewesen. Denn zum einen besteht in diesem Stadium keine Gewissheit, ob es überhaupt zur Eröffnung eines Insolvenzverfahrens kommt, weil der Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zurückgezogen werden kann. Zum anderen ist auch im Streitfall zumindest noch eine Vollstreckung in das unbewegliche Vermögen denkbar gewesen, weil sich die Einstellung von Maßnahmen der Zwangsvollstreckung nicht darauf erstreckt hat und Grundpfandrechte daher bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens weiterhin verwertet werden durften (vgl. 21 Abs. 2 Nr. 3 InsO; vgl. dazu BFH-Beschluss vom 19. November 2007 VII R 1/05, a. a. O.). 23 Die Erwirkung eines Mahnbescheids ist auch nicht rechtlich unmöglich gewesen. Denn eine Verfahrensunterbrechung bzw. ein Verlust der Prozessführungsbefugnis gem. 240 Satz 2 i. V. m. Satz 1 ZPO tritt nur dann ein, wenn die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners auf einen vorläufigen Insolvenzverwalter übergeht ( 21 Abs. 2 Nr Alt., 22 Abs. 1 InsO). Im Streitfall hat das Amtsgericht B jedoch künftige Verfügungen der Firma A nach 21 Abs. 2 Nr Alt. InsO lediglich unter den Vorbehalt der Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters gestellt. Der Umstand, dass Verfügungen des Schuldners nur mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind, führt jedoch nicht dazu, dass der Schuldner die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über sein Vermögen und seine Prozessführungsbefugnis verliert (BFH-Beschluss vom 19. November 2007 VII R 1/05, a. a. O.). 24 Die Klägerin hätte auch nicht deshalb untätig bleiben dürfen, weil am 10. und 15. Juni 2009 zwei Rücklastschriften eingegangen sind und die Firma A am 12. Juni 2009 mitgeteilt hat, dass sie beabsichtige,
5 die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu beantragen. Denn gerade in dieser Situation hätte die Klägerin unverzüglich handeln müssen, weil die Zahlungsschwierigkeiten ihrer Kundin dadurch offenkundig geworden sind. Daran ändert auch eine zuvor eingeholte, möglicherweise positive Auskunft der C nichts. 25 Die gerichtliche Geltendmachung der Ansprüche ist auch nicht dadurch entbehrlich gewesen, dass der DK vom Kunden bereits verbraucht und damit nicht mehr auf der Grundlage des vereinbarten Eigentumsvorbehalts rückholbar gewesen ist. Vielmehr ist eine gerichtliche Verfolgung umso notwendiger, wenn der Kunde nicht nur nicht zahlt, sondern auch Sicherungsmittel ins Leere laufen. 26 Ob die Klägerin ihre Ansprüche auch gegenüber dem Komplementär der Firma A hätte geltend machen können oder müssen, kann dahinstehen, weil sie ihre Forderungen überhaupt nicht rechtshängig gemacht hat. 27 Die Kostenentscheidung beruht auf 135 Abs. 1 FGO.
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