Erkenntnisse der Säuglings- bzw. Bindungsforschung

Transkript

1 Dr. Melanie Madlung Psychologin, Psychotherapeutin Müllerstrasse 21 A-6020 Innsbruck Tel.: Erkenntnisse der Säuglings- bzw. Bindungsforschung

2 ENTWICKLUNGSBEREICHE IM KLEINKINDALTER Ernährung Motorische Entwicklung Sprachentwicklung Emotionale Entwicklung Sozialverhalten Sauberkeitsentwicklung Schlafverhalten

3 HÄUFIGE IRRITATIONEN UND PROBLEME DER BABYS Chronisch kranke oder behinderte Babys Frühgeborene bzw. unreife Babys Babys mit einem unerwarteten Temperament Babys, die Probleme mit der Selbstregulation haben

4 SYNDROM DES SCHWIERIGEN SÄUGLINGS Mangelnde Selbstberuhigungsfähigkeit Mangelnde Toleranz gegenüber Änderungen Mangelnde Voraussagbarkeit des kindlichen Verhaltens Taktile Abwehr / mangelnde Anschmiegsamkeit Eingeschränkte Offenheit für soziale Interaktionen ( slow to-warm-up-baby )

5 URSACHEN EXZESSIVEN SCHREIENS Organische Ursachen Nicht organische Ursachen Selten Koliken Übermüdung Neurologische Probleme Langes Liegen i. d. Schwangerschaft Infektionen Geburtstrauma Gastroösophagealer Reflux Ab 6 Monaten Beziehungsintention Nahrungsunverträglichkeit KISS- Syndrom

6 MÖGLICHE FOLGEN FÜR DIE BEZUGSPERSONEN Extreme Verunsicherung Enttäuschung Selbstvorwürfe Isolation und Rückzug Depressionen Schwierigkeiten in Beziehungen zum sozialen Umfeld (Familie und Freund) Schlafentzug Schwächung des Immunsystems Aggressionen Babys sind gefährdet Gewalt zu erfahren ( Schütteltrauma) Die Beziehung zwischen Eltern und Kind kann daher langfristig entgleisen!

7 ELTERN UND ASPEKTE IHRER ELTERNSCHAFT Instinktive Elternschaft Erlernte Elternschaft Die von realen Bedingungen geprägte Elternschaft Die von unbewussten Motiven geprägte Elternschaft

8 HÄUFIGE IRRITATIONEN UND PROBLEME DER ELTERN Unsicherheit Abgelehnte, ambivalent besetzte Schwangerschaft Soziale, finanzielle Probleme Stress Problematische Umstände kurz vor bzw. während der Schwangerschaft oder nach der Geburt Sehr junge Eltern / AlleinerzieherInnen Partnerschaftsprobleme Psychische Probleme der Eltern

9 DIE FÜNF HÄUFIGSTEN GESPENSTER IM KINDERZIMMER Selma Fraiberg Das Kind als Wiedergeburt von Vorfahren Das Kind als strenger Richter Das Kind als (ersehnte) Mutterfigur Heraufbeschwörung der Vergangenheit durch ihr Gegenteil Schaffung einer idealen Beziehung

10 DIE BINDUNGSFORSCHUNG Die Bindungsforschung wurde von John Bolwby ( ) begründet. Sie befasste sich bis Mitte der 1980 iger Jahre mit den Einflüssen mütterlicher ( elterlicher ) Feinfühligkeit auf die sich entwickelnden Bindungsqualitäten bei Säuglingen und Kleinkindern. Aktuelle Fragen betreffen vor allem die Entwicklung von Bindungsqualitäten im weiteren Verlauf der Entwicklung. Korrelation zwischen den Bindungsrepräsentationen der Eltern und der Bindungsqualität ihres Kindes sind transgenerational nachgewiesen worden.

11 DIE FREMDENSITUATION / MARY AINSWORTH ( Aufnahme mit einer Videokamera) 1. Mutter und Kind befinden sich in einem Spielzimmer und spielen 2. Eine fremde Person kommt kurz hinzu und geht dann wieder 3. Die Mutter verlässt kurz den Raum 4. Die Mutter kommt nach kurzer Zeit wieder 5. Ein zweites Mal verlässt die Mutter den Raum 6. Die fremde Person kommt herein und versucht das Kind zu trösten 7. Die Mutter kommt wieder herein Maßgeblicher Indikator für das Bindungsverhalten des Kleinkindes ist die Trennung von der Mutter

12 DIE 4 BINDUNGSTYPEN / VERHALTEN DER BEZUGSPERSONEN (John Bowlby, Marry Ainsworth) 1. SICHER GEBUNDEN (68 %) Die Mutter / Bezugsperson reagiert schnell und angemessen 2. UNSICHER GEBUNDEN (20 %) Die Mutter / Bezugsperson reagiert zurückweisend oder manchmal auch überbehütend 3. UNSICHER AMBIVALENT GEBUNDEN (12%) Die Mutter / Bezugsperson reagiert inkonsistent und wenig vorhersehbar 4. DESORGANISIERT / DESORIENTIERT (< 5 %) Kinder werden misshandelt oder stark vernachlässigt

13 Bindungsreaktionen der Kinder nach J. Bolwby und M. Ainsworth Sicher gebundene Kinder zeigen nach der Trennung deutliches Bindungsverhalten. Sie suchen die Mutter und sind deutlich gestresst, bzw. weinen oft. Auf das Wiedersehen mit der Mutter reagieren sie mit Freude. Unsicher vermeidende Kinder reagieren auf die Trennung mit wenig Protest und zeigen auch kein deutliches Bindungsverhalten. Auf die Rückkehr der Mutter reagieren sie eher mit Ablehnung. Intensiver Körperkontakt wird oft vermieden. Unsicher ambivalent gebundene Kinder Zeigen nach der Trennung den größten Stress. Nach der Rückkehr der Mutter lassen sie sich von dieser aber kaum beruhigen. Ihr Körperkontakt zeigt sich ambivalent zwischen Wunsch nach Nähe und aggressiver Ablehnung. Kinder mit desorganisierten Verhaltensmustern Können keinem klaren Muster zugeordnet werden. Sie sind in ihrem Verhalten chaotisch und äußerst unberechenbar.

14 Bindungsreaktionen Der Kinder nach K.H.Brisch Keine Anzeichen von Bindung Diese Kinder zeigen keine Bindungsverhalten. In Trennungssituationen reagieren sie nicht mit Protest. Sie zeigen selten psychosoziales Verhalten und bevorzugen keine Bindungsperson. Undifferenziertes Bindungsverhalten Diese Kinder zeigen sich freundlich gegenüber allen Bezugspersonen. Sie lassen sich auch von absolut fremden Personen trösten Unfall Risiko Typ Diese Kinder sind häufig in Unfälle mit Selbstgefährdung und Selbstverletzung verwickelt. Sie versichern sich nicht bei Erwachsenen, ob ihr Verhalten passt. Trotz schmerzhafter Erfahrungen wiederholen sie ohne Lernprozess ihr Risikoverhalten. Übersteigertes Bindungsverhalten Diese Kinder fallen durch exzessives Klammern auf. Gegenüber fremden Personen und Situationen reagieren sie überängstlich. Gehemmtes Bindungsverhalten Diese Kinder zeigen kaum Widerstand gegenüber Trennungen. Gegenüber ihren primären Bindungspersonen zeigen sie Angepasstheit und Vorsicht. Auffallend ist aber ihr freier und offener Umgang mit fremden Personen. Verdacht auf Misshandlung! Aggressives Bindungsverhalten Diese Kinder zeigen ihr Bedürfnis nach Bindung und Nähe paradoxer Weise über Aggressionen. Sie fallen oft als Störenfriede auf. Bindungsverhalten mit Rollenumkehr Diese Kinder erscheinen sehr einfühlsam, manchmal überfürsorglich zu ihren Bindungspersonen. Psychosomatische Symptomatik Diese Kinder reagieren mit körperlichen Symptomen und versuchen so, ihre Bezugspersonen zu binden.

15 REGRESSION Der Begriff Regression stammt von Sigmund Freud. Die Regression beschreibt das Zurückgehen, Zurückfallen auf frühere Stufen der geistigen Entwicklung bzw. des Trieblebens. Einen sehr positiven Zugang zum Begriff Regression beschreibt der Psychiater Reinhard Lempp: Er beschreibt die Regression als beinahe alltägliches, oft nur kurz andauerndes Verhalten, das den Menschen vor den Zumutungen der Gegenwart und seinen Selbstzweifeln zeitweise schützt und ihm Gelegenheit des Durchatmens verschafft.

16 BEISPIELE FÜR REGRESSION IN DER BINDUNGSDYNAMIK Anklammerungstendenzen Erneute Trennungsprobleme Unfähigkeit Dinge alleine zu bewältigen, die bereits gelungen sind Ängste ( vor der Dunkelheit, vor dem alleine sein, Schlafen, nicht alleine in einem Raum sein können) Rückzug von sozialen Gruppen

17 HÄUFIGSTE AUSLÖSER FÜR REGRESSIVES VERHALTEN Veränderung in der Kinderkrippe selbst Urlaub, Veränderung des Alltages Ankunft eines Geschwisterkindes Wohnortwechsel Längere oder schwere Krankheit des Kindes Aktuelle familiäre Belastungen Psychische Krisen der Bezugspersonen

18 FRAGEN ZUM BESSEREN VERSTÄNDNIS DES KINDES Wie war der Verlauf von Schwangerschaft und Geburt? Wie verlief der Start mit dem Baby? Welches Trennungsverhalten zeigt das Kind? Welches Trennungsverhalten zeigen die Bezugspersonen? Im Falle regressiven Verhaltens gibt es akute Veränderungen und Erklärungsmöglichkeiten?