Wirtschaftsstruktur und -chancen - Kirgisistan

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1 Wirtschaftsstruktur und -chancen - Kirgisistan Inhalt Kirgisistan im globalen und regionalen Kontext Sektorale Struktur Regionale Struktur Außenhandel Hohe Abhängigkeit von Goldförderung und Geldtransfers der Arbeitsmigranten / Von Fabian Nemitz (Juli 2016) Almaty (GTAI) - Kirgisistan zählt zu den ärmsten Ländern weltweit. Wichtige Wirtschaftsfaktoren der GUS-Republik sind die Geldüberweisungen der Arbeitsmigranten, die Goldförderung und der Reexport von Waren vor allem aus der VR China. Über großes Potenzial verfügt das Hochgebirgsland im Tourismus und bei der Nutzung von Wasserkraft. Im August 2015 trat Kirgisistan der Eurasischen Wirtschaftsunion (EAWU) bei. Seit Ende Januar 2016 gelten für das Land die APS+-Handelspräferenzen der EU. Kirgisistan im globalen und regionalen Kontext Ende August 2016 jährt sich die Unabhängigkeit Kirgisistans von der ehemaligen Sowjetunion zum 25. Mal. Die Erlangung der staatlichen Souveränität ging jedoch einher mit Einbußen an Wohlstand und sozialer Sicherheit. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion war das kaufkraftbereinigte Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Kopf laut Angaben der Weltbank von 1990 bis 1995 von US$ auf $ zurückgegangen. Seitdem zeigen die Trends wieder nach oben, doch konnte der Ausgangswert erst 2007 (2.449 $) überschritten werden. Im Jahr 2015 erreichte das kaufkraftbereinigte BIP pro Kopf ein Niveau von Internationale Dollar zu laufenden Preisen. Hierzu trug ein reales Wirtschaftswachstum von durchschnittlich 4,6% von 2007 bis 2015 bei. Auch für 2016 bis 2021 erwartet der Internationale Währungsfonds (IWF) Zuwachsraten von 4,5%. Allerdings lebten 2014 immer noch 30,6% der Bevölkerung unter der Armutsgrenze (2006: 39,9%). Der Zusammenbruch der Planwirtschaft und der traditionellen Handelsbeziehungen hat in Kirgisistan zu einem weitgehenden Verlust der ohnehin nur schwachen industriellen Basis geführt. Die Landwirtschaft ist heute, nach Auflösung der Kolchosen, kleinteilig organisiert und großenteils von Subsistenzwirtschaft geprägt. Dagegen konnte sich das Land dank des Beitritts zur Welthandelsorganisation (WTO) Ende 1998 als Drehscheibe für den Absatz von Waren vor allem aus der VR China auf die GUS-Märkte etablieren. Anders als die Nachbarländer Kasachstan und Usbekistan hat Kirgisistan keine nennenswerten Vorkommen an Öl und Gas. Das nominale BIP pro Kopf erreichte 2015 laut IWF mit $ nur einen Bruchteil des Wertes in Kasachstan (9.796 $) und war geringer als in Usbekistan (2.121 $), aber leicht höher als in Tadschikistan (922 $). Größter Reichtum des Hochgebirgslandes sind Vorkommen an Gold, seltenen Erden und die landschaftliche Schönheit. Hinzu kommen Wasserressourcen an den Oberläufen großer zentralasiatischer Flüsse und das damit verbundene Strompotenzial. 1

2 Wichtigste außenpolitische Partner Kirgisistans sind Russland sowie das kulturell und sprachlich eng verwandte Kasachstan. Die Rolle des östlichen Nachbarn VR China als Wirtschaftspartner und Kreditgeber steigt. Seit August 2015 ist Kirgisistan Mitglied der EAWU. Von dem Beitritt erhoffte sich das Land eine höhere Attraktivität als Investitionsstandort, eine Umorientierung der Wirtschaft vom Reexport auf mehr eigene Produktion und neue Absatzchancen. Hinzu kommen verbesserte Bedingungen für die Arbeitsmigranten in Russland und Kasachstan. Deren Geldüberweisungen erreichten 2014 laut Angaben der Weltbank mit 2,2 Mrd. $ rund 30,0% des BIP. Nach Tadschikistan (36,6%) und vor Nepal (29,8%) war dies der zweithöchste Wert weltweit. Hieran spiegelt sich deutlich die Schwäche der lokalen Wirtschaft wider. Nach zwei Aufständen (2005 und 2010) und zwei gestürzten Präsidenten ist Kirgisistan als einziges Land in Zentralasien eine parlamentarische Demokratie. Es ist ein Vielvölkerstaat, allerdings steigt der Anteil der ethnischen Kirgisen. Stellten sie 1989 nur rund die Hälfte der Einwohner, so waren es 2015 fast 73%, während der Anteil der Russen auch wegen Abwanderung von mehr als einem Fünftel auf 6,2% gesunken ist. Die zweitgrößte ethnische Gruppe sind mit 14,5% die Usbeken. Konfliktpotenzial birgt die Diskrepanz zwischen dem traditionelleren, stärker islamisch geprägten Süden und dem eher russisch geprägten Norden. Spannungen herrschen auch zwischen Kirgisen und Usbeken in Südkirgisistan, die sich zuletzt im Juni 2010 blutig entluden. Eckdaten im Überblick (2015) Kirgisistan Deutschland Bevölkerung (Mio.) 6,0 *) 81,6 BIP (nominal, Mrd. US$) 6, ,6 Anteil der verarbeitenden Industrie am BIP (%) 12,1 22,6 Anteil der Dienstleistungen am BIP (%) 50,3 68,6 *) zum Quellen: Nationales Statistikkomitee, IWF Sektorale Struktur Rund die Hälfte des BIP Kirgisistans wird im Dienstleistungsgewerbe erzeugt. Der größte Anteil davon wiederum entfällt auf den Groß- und Einzelhandel. Hier spiegelt sich die immer noch große Bedeutung des Reexports wider, dessen wichtigste Zentren die Basare Dordoi bei Bischkek und Kara-Suu bei Osch sind. Allerdings kommt der Handel seit der Gründung der Zollunion (Belarus, Kasachstan, Russland) im Jahr 2010 und der EAWU 2015 sowie durch die Konkurrenz des Knotenpunkts Chorgos an der kasachisch-chinesischen Grenze immer mehr unter Druck. Laut UN Comtrade ist der Export von Waren aus der VR China nach Kirgisistan von 2014 bis 2015 von 5,2 Mrd. auf 4,3 Mrd. $ gesunken. Im Rekordjahr 2008 lagen diese noch bei 9,2 Mrd. $. Die Industrie steuerte 2015 rund 15,3% zur Entstehung des BIP bei. Rund die Hälfte davon entfällt auf die Goldmine Kumtor, die von der kanadischen Firma Centerra Gold betrieben wird. Mit einer Produktion von knapp 20 t Gold pro Jahr im Zeitraum 2010 bis 2015 zählt die auf rund m Höhe gelegene Mine zu den größten weltweit. Statistisch wird der größte Teil der Aktivitäten von Kumtor der Metallindustrie zugerechnet. Weitere wichtige Zweige des verarbeitenden Gewerbes sind die Nahrungsmittel-, Textil- und Baustoffindustrie. Eine große Bedeutung hat die Landwirtschaft, wo laut Weltbank 2013 fast 32% aller Arbeitskräfte tätig waren. Chancen bieten sich bei der Herstellung von Bioprodukten. Potenzial birgt außerdem der Tourismus in Kirgisistan. Dies gilt besonders für den Issyk-Kul, dem der Fläche nach zweitgrößten Hochgebirgssee der Welt. 2

3 An Bedeutung gewinnen könnte künftig der Transitsektor. Es gibt Pläne zum Bau einer von der VR China finanzierten Eisenbahnstrecke von China über Kirgisistan nach Usbekistan. Die Topografie, Mängel in der Infrastruktur und die weite Entfernung von den Weltmärkten hemmen bislang die Entwicklung des Landes. Bedeutung der Wirtschaftssektoren (Anteile in %) Sektoren Anteil am BIP Anteil am BIP Anteil an den Beschäftig Anteil an den Beschäftig ten 2008 *) ten 2013 *) Landwirtschaft 17,4 14,0 34,0 31,7 Industrie, davon 20,7 15,3 20,6 20,2.Bergbau 0,6 0,9 k. A. k. A..verarbeitende Industrie.Stromwirtschaft, Gasversorgung 16,9 12,1 k. A. k. A. 2,9 2,1 k. A. k. A. Bauwirtschaft 5,5 8,3 k. A. k. A. Dienstleistungen, davon.groß- und Einzelhandel.Information und Kommunikation.Transport und Lagerung 49,3 50,3 45,3 48,1 15,9 18,7 k. A. k. A. 4,2 4,3 k. A. k. A. 4,9 3,9 k. A. k. A. *) aktuelle Angaben liegen nicht vor Quellen: Nationales Statistikkomitee, Weltbank (World Development Indicators) Produktion in den wichtigsten Zweigen des verarbeitenden Gewerbes (in Mio. US$) Sektoren Industrieproduktion insgesamt Industrieproduktion ohne Berücksichtigung der Goldmine Kumtor Bergbau verarbeitende Industrie, davon Metallindustrie, Metallwaren Nahrungsmittel, Getränke, Tabak Kunststoffe, Baustoffe Textil- und Bekleidungsindustrie Quelle: Nationales Statistikkomitee 3

4 Regionale Struktur Kirgisistan ist in sieben Gebiete und zwei Städte Bischkek und Osch unterteilt. Dabei gibt es große Unterschiede zwischen dem stärker entwickelten Norden (Hauptstadt Bischkek, Tschui, Issyk-Kul) und dem ärmeren, dichter besiedelten Süden (Batken, Dshalal-Abad, Osch). In den vergangenen Jahren wurden die Straßen- und Stromverbindung zwischen den beiden von Gebirgsketten getrennten Landesteilen weiter ausgebaut. Die Bevölkerung im Süden konzentriert sich an den Rändern des Ferganatals, das an Usbekistan und Tadschikistan grenzt. Eingeschränkt wird das wirtschaftliche Potenzial des Landesteils durch ethnische Spannungen, ungeklärte Grenzverläufe und mangelnde wirtschaftliche Kooperation insbesondere mit Usbekistan. Der Süden Kirgisistans ist überwiegend agrarisch geprägt. Wichtige Anbauprodukte sind Reis, Baumwolle sowie Früchte wie Melonen und Aprikosen. Immer noch lebt der größte Teil der kirgisischen Bevölkerung auf dem Land. Laut Angaben der Weltbank hat sich dieser Anteil seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion sogar erhöht (1989: 61,9%; 2015: 64,3%). Entwicklungsstand der Gebiete in Kirgisistan 2015? Gebiet Anteil am landesweiten BIP Bruttoregionalprodukt pro Kopf (in Einwohnerzahl (in (in %) US$) 1) 1.000) 2) Hauptstadt Bischkek 38, ,5 Tschüi 14, ,5 Issyk-Kul 13, ,1 Dshalal-Abad 10, ,5 Osch 7, ,7 Stadt Osch 5, ,7 Batken 4, ,6 Talas 3, ,3 Naryn 2, ,6 1) Umrechnung in US$ nach dem Jahresdurchschnittskurs der Deutschen Bundesbank; 2) zum Quelle: Nationales Statistikkomitee Außenhandel Kirgisistan weist traditionell ein hohes Handelsbilanzdefizit aus. Importen in Höhe von fast 4,1 Mrd. $ standen 2015 Exporte im Wert von nur knapp 1,7 Mrd. $ gegenüber. Der Fehlbetrag wird vor allem durch Geldtransfers der Arbeitsmigranten ausgeglichen. Während die Importe in den vergangenen drei Jahren sanken, hielten sich die Exporte in etwa konstant. Gründe für die geschrumpften Importe liegen in vorgezogenen Käufen im Vorfeld des EAWU-Beitritts und verringerten Geldüberweisungen wegen der Krise in Russland. Hinzu kommen gesunkene Kosten für Treibstoffimporte - dem traditionell wichtigsten Einfuhrgut, das Kirgisistan exportsteuerfrei aus Russland bezieht. 4

5 Außenhandel Kirgisistans (in Mio. US$) Importe Exporte Handelsbilanzsaldo Quelle: Nationales Statistikkomitee Russland ist das wichtigste Lieferland Kirgisistans, gefolgt von der immer bedeutender werdenden VR China,. Deutschland lag 2015 auf Platz sechs. Die wichtigsten deutschen Exportgüter sind Maschinen, Pharmazeutika, Kfz und Kunststoffe. Hauptausfuhrgut Kirgisistans ist Gold, auf das 2015 fast 40% der Gesamtexporte entfiel. Die Hoffnungen auf vermehrte Lieferungen auf die Märkte der EAWU nach dem Beitritt haben sich bislang nicht erfüllt. Gründe hierfür sind die schwache wirtschaftliche Lage Russlands und Kasachstans sowie protektionistische Maßnahmen der Partnerländer. Seit kommt Kirgisistan jedoch in den Genuss der APS+-Vergünstigungen der EU. Damit kann das Land mehr als Warenpositionen zollfrei in die EU exportieren. Chancen ergeben sich bei Waren wie Obst und Früchten sowie bei Textilien und Filzprodukten. Einfuhr nach Ländern (in Mio. US$, Veränderung im Vergleich zum Vorjahreszeitraum in %) Veränderung 2015/14 Insgesamt 3.222, ,5-29,0 Russland 1.083, ,3-31,3 VR China 666, ,1-14,3 Kasachstan 385,5 677,3 17,8 Türkei 84,7 163,7-27,6 USA 191,3 122,0-48,0 Deutschland 88,6 92,8-60,4 Ukraine 81,5 89,3-22,4 Japan 86,4 61,2-83,1 Usbekistan 93,8 61,4-42,3 Korea (Rep.) 49,5 54,0-59,2 Quellen: Nationales Statistikkomitee (Angaben für 2014 und 2015), UN Comtrade (Angaben für 2010) 5

6 Einfuhr nach Warengruppen (in Mio. US$, Veränderung nominal in %) SITC Warengruppe Veränderung 2015/13 1) Insgesamt 3.222, ,1-32,0.davon aus Deutschland 88,6 92,9-60,2 33 Erdöl, Erdölerzeugnisse 752,1 658,6-43,3.davon aus Deutschland 1,6 3,5-4,2 67 Eisen und Stahl 93,5 351,5 27,1.davon aus Deutschland 0,2 1,2 61,5 78 Straßenfahrzeuge 269,1 202,5-71,8.davon aus Deutschland 41,2 26,4-79,3 72 Arbeitsmaschinen 133,2 167,9-13,7.davon aus Deutschland 5,6 5,3-65,8 65 Garne, Gewebe 88,6 165,4 15,4.davon aus Deutschland 0,2 0,4 112,3 54 Pharmazeutische Erzeugnisse 108,7 148,4-22,0.davon aus Deutschland 6,7 10,9-28,3 84 Bekleidung 118,6 137,9-40,4.davon aus Deutschland 0,2 0,2-51,0 04 Getreide 107,5 118,8-39,2.davon aus Deutschland 0,1 0,1-63,5 93 Besondere Warenverkehrsvorgänge und Waren 2) 21,8 113,7 445,0.davon aus Deutschland 0,0 0,1-27,5 77 Elektrische Maschinen 92,4 109,4-50,1.davon aus Deutschland 2,4 3,1-37,2 1) Veränderung 2015 zu 2013, da bei UN Comtrade keine Angaben für 2014 verfügbar; 2) in der SITC-Gruppe werden auch Waren für vollständige Fabrikationsanlagen erfasst Quelle: UN Comtrade (N.M.) KONTAKT Verena Saurenbach Wirtschaft 6

7 +49 (0) Ihre Frage an uns Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck auch teilweise nur mit vorheriger ausdrücklicher Genehmigung. Trotz größtmöglicher Sorgfalt keine Haftung für den Inhalt Germany Trade & Invest Gefördert vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages. 7