Verdacht auf sexuellen Übergriff Was nun? Verdacht auf sexuellen Missbrauch. Problematik

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1 Verdacht auf sexuellen Übergriff Was nun? Ruth Draths Leiterin Kinder-und Jugendgynäkologie Neue Frauenklinik Luzern und Kinderspital Verdacht auf sexuellen Missbrauch 1. Problemstellung 2. Anamnese 3. Untersuchung 4. Kriterien zur Beurteilung 5. Sexuell übertragbare Infektionen 6. Diskussion Problematik Ca. 5% der Kinder werden sexuell missbraucht; in Kt. Luzern schätzungsweise 2500 pro Jahr. Sexueller Missbrauch ist häufig, sehr hohe Dunkelziffer! Definition sexueller Missbrauch: nicht nur Penetration! Es gibt kein spezifisches oder charakteristisches Missbrauchssymptom oder syndrom. Nur einige stark hinweisende und kaum beweisende Befunde 1

2 Teamarbeit im Kinderschutz Kinderarzt Eltern Opferberatung Kindergynäkologin Polizei Lehrperson Psychologen KJPD Kinderschutzgruppe Sozialarbeiterin Untersuchungsrichter Kinderschutzgruppe Kinderärzte Kinderchirurgen Kinder-Jugendpsychiater Kinder-Jugendpsychologin Pflegefachfrau Sozialarbeiterin (Kindergynäkologin) Beispiel 5 jähriges Mädchen von Mutter in die Praxis gebracht. Mutter bemerkte Rötung am Scheideneingang, nachdem Mädchen übers Wochenende beim Vater gewesen war. Die Eltern leben seit einem Jahr getrennt. 2

3 Anamnese Vor dem Untersuchungszeitpunkt zu klären: Zeitpunkt des möglichen Übergriffs: - Sofortige Untersuchung, wenn Übergriff (einmalig oder wiederholt) vor 24 (-72) Stunden (Rasche Heilung! Viele Ausbeutungsformen, auch solche mit Verletzungen, hinterlassen keine Spuren!) - > 48 (-72) Std: Untersuchung in Ruhe, möglichst normaler Tagesablauf von Kind und Klinik Angaben zum Täter (STI) Begleitung: Vertrauensperson Anzeige, Polizei, Untersuchungsrichter: Dokumentation, Asservate Anamnese Vertraut werden lassen, nie mit Missbrauchsthema beginnen. Allgemeine Anamnese, Lebensumstände etc. Je spezifischer die Fragen, desto mehr Gelassenheit: Maximale Langeweile Keine Bewertung, keine eigenen Emotionen. Offene Fragen, nie suggestiv. Wörtliche Dokumentation. Verhalten des Kindes wahrnehmen, dokumentieren Ganzkörperuntersuchung nimmt Fokus von Genitale Erklären, was alles normal ist Auf andere Zeichen der Gewalteinwirkung achten (Hämatome, Haltespuren) Ruhe bewahren und ausstrahlen 3

4 Ano-Genitale Untersuchung Voraussetzungen Kenntnis von -Anatomie -Normalbefunden/-varianten -Pathologien Ruhe, Zeit, Geduld Keine Traumatisierung Grenzen kennen Nie Zwang ausüben! Richtiges Instrumentarium Liege /Gynäkologischer Stuhl Kolposkop, Licht (Fotodokumentation) Handspiegel Einmalkatheter Richtiges Abstrichmaterial für Mikrobiologie Ziel der Untersuchung Maximum an Information und Minimum an zusätzlicher Traumatisierung Forensischer Aspekt kein Hauptziel, da selten ein beweisender Befund! (in nur ca. 5% der Opfer von sexuellem Missbrauch). Allfällige Verletzungen diagnostizieren Allfällige sexuell übertragbare Infektionen feststellen Gefühl von körperlicher Integrität wiederherstellen; Körperselbstbildstörung bei vielen Opfern: Primär therapeutischer Effekt 4

5 Vorbereitung Mit Kind Untersuchungsgang vorbesprechen Je nach Alter an Puppe Untersuchungsposition zeigen, Kind darf Puppe halten Untersuchung ev. auf Schoss der Mutter/ Vertrauensperson auf Gyni-stuhl Abstriche etc. vorbereiten für rasches und ruhiges Arbeiten Allfälligen Befund vorbesprechen und Bedeutung erklären (unauffällig heisst nicht, nichts ist passiert!) Das infantile Genitale Grosse und kleine Labien, Klitorisvorhaut Vestibulum (Scheidenvorhof) Meatus urethrae ext. Periurethrale/-hymenale Bänder Hymen Distale Vagina Fossa navicularis Hintere Kommissur Anus/perianale Gegend Untersuchungsmethoden Die Untersuchung des Kindes bei V.a. sexuellen Missbrauch: Externe Visualisierung ohne Spekulum, ohne vaginale oder rektale Palpation Ausnahme: (V.a) innere Verletzungen, Blutungen: ev. Narkose-untersuchung mit Vaginoskop 5

6 Untersuchungsmethoden Separationsmethode Traktionsmethode Knie-Brust-Lage Augenkontakt Interpretationshilfe der Befunde Internationale Klassifikation nach Adams, revidiert 2007 I: Normvarianten oder durch andere medizinische Ursachen bedingt II: Unklare Befunde (nicht ausreichende oder widersprüchliche Daten aus Studien) entspricht verdächtige Befunde ; untermauern Missbrauchsanamnese III: Diagnostisch für Trauma und/oder sexuellen Kontakt Guidelines for Medical Care of Children Who May Have Been Sexually Abused J. Adams, J Pediatr Adolesc Gynecol 2007;20: Genitale Blutung Jede genitale Blutung präpubertär muss abgeklärt werden! Differentialdiagnose Vulvovaginitis Fremdkörper Lichen sclerosus et atrophicans der Vulva Tumor (embryonale Rhabdomyosarkom) Unfall Sexueller Missbrauch 6

7 Links und Literatur Kinderschutz: (B. Herrmann, Kassel) Infektiologie: 7