Bianca Schöpper Die Systeme der progressiven Kundenwerbung unter besonderer Berücksichtigung des Multi-Level-Marketing- Systems
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- Lars Rothbauer
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2 Bianca Schöpper Die Systeme der progressiven Kundenwerbung unter besonderer Berücksichtigung des Multi-Level-Marketing- Systems
3 Reihe Rechtswissenschaft Band 214
4 Bianca Schöpper Die Systeme der progressiven Kundenwerbung unter besonderer Berücksichtigung des Multi-Level- Marketing-Systems Centaurus Verlag & Media UG
5 Bianca Schöpper, geb. 1980, absolvierte ein Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Osnabrück und promovierte dort mit dieser Arbeit. Sie ist Staatsanwältin bei der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Lübeck. Bibliografische Informationen der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar. ISBN DOI / ISSN ISBN (ebook) Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. CENTAURUS Verlag & Media KG, Freiburg Satz: Vorlage der Autorin Umschlaggestaltung: Antje Walter, Titisee-Neustadt
6 I 1. Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Januar 2010 von der juristischen Fakultät der Universität Osnabrück als Dissertation angenommen. Mein Dank gilt meinem Doktorvater Herrn Prof. Dr. Ralf Krack für die Anregung zu diesem Thema sowie die Betreuung und Begutachtung meiner Dissertation. Weiterhin möchte ich Herrn Prof. Dr. Roland Schmitz für die Erstellung des Zweitgutachtens danken. Darüber hinaus danke ich allen, die mich durch ihr Interesse an meiner Arbeit sowie Diskussionen bei der Erstellung unterstützt haben. Insbesondere bedanke ich mich bei meinen Eltern für die Unterstützung während meiner gesamten Ausbildung. Ihnen ist diese Arbeit gewidmet.
7 III Inhaltsverzeichnis 1. Vorwort... I A. EINLEITUNG UND GANG DER UNTERSUCHUNG...1 B. DARSTELLUNG UND FUNKTIONSWEISE DER UNTERSUCHTEN VERTRIEBSSYSTEME...3 I. DIE SYSTEME DER PROGRESSIVEN KUNDENWERBUNG Das Schneeballsystem Das Pyramidensystem Geldgewinnspiele Zusammenfassung...10 II. DAS MULTI-LEVEL-MARKETING-SYSTEM Entwicklung einer Definition...12 a) Bisherige Definitionen...12 aa) Definition von Tietz...12 bb) Definition von Otto und Brammsen...13 cc) Definition von Zacharias...13 dd) Definition von Wehling...13 b) Auswertung...14 aa) Direktvertrieb...14 bb) Einsatz von nicht kaufmännisch Ausgebildeten im Haupt- oder Nebenberuf...16 cc) Der Vertrieb durch Repräsentanten und deren rechtlicher Status18 (1) Der Eigenhändler...18 (2) Der Vertragshändler...19 (3) Der Verkaufskommissionär...19 (4) Der Handelsvertreter...20 (5) Ergebnis...20 dd) Akquisition neuer Mitarbeiter...21 ee) Stufenmäßige Gliederung des Systems...23 (1) Der Einstieg in das Multi-Level-Marketing-Unternehmen...23 (2) Der Aufbau der eigenen Vertriebslinien...24 (3) Der Ausbau der Vertriebslinien über mehrere Ebenen...24 (4) Ergebnis...25 ff) Erfolgsbezogene Vergütung...25 (1) Die Handelsspanne...26 (2) Teamorientierte Provisionen...27 (3) Bonuszahlungen...27 (4) Ergebnis...28 gg) Produktbindung...28 hh) Keinerlei Lagerbestände oder Abnahmeverpflichtungen...29 ii) Arbeit im Rahmen eines Franchise-Programms...30
8 IV jj) Der Marketing-Plan...34 c) Eigene Definition Die Geschichte des Multi-Level-Marketing Beispiele von im Multi-Level-Marketing-System tätigen Unternehmen...39 a) Das Unternehmen Amway...39 b) Das Unternehmen Herbalife...41 c) Das Unternehmen Nu Skin Enterprises...42 d) Zusammenfassung...43 III. ERGEBNIS DES ABSCHNITTS B C. RECHTSGRUNDLAGEN...45 I. DIE HISTORISCHE ENTWICKLUNG DES 16ABS. 2 UWG...45 II. DIE RECHTSNATUR DES 16ABS. 2 UWG Der Tatbestand der progressiven Kundenwerbung als abstraktes Gefährdungsdelikt Der Tatbestand der progressiven Kundewerbung als Unternehmensdelikt III. DAS GESCHÜTZTE RECHTSGUT Individualschutz oder Kollektivschutz...52 a) Eine Ansicht: Schutz ausschließlich des Individualvermögens...53 b) Andere Ansicht: Schutz auch kollektiver Rechtsgüter und Schutzobjekte...53 c) Stellungnahme Die geschützten Rechtsgüter und Schutzobjekte im Einzelnen...55 a) Schutz der Allgemeinheit...55 b) Schutz der Mitbewerber...56 c) Schutz der Verbraucher...56 IV. ERGEBNIS DES ABSCHNITTS C D. UNTERSUCHUNG DER VERTRIEBSSYSTEME NACH DEM GELTENDEN 16 ABS. 2 UWG...58 I. STRAFBARKEIT VON SCHNEEBALL- UND PYRAMIDENSYSTEMEN NACH 16 ABS. 2 UWG Beurteilung von Schneeball- und Pyramidensystemen in Rechtsprechung und Literatur Der Verbraucher als Tatbestandsmerkmal des 16 Abs. 2 UWG...59 a) Der Begriff des Verbrauchers und seine Entwicklung...60 aa) Der Verbraucherbegriff nach europäischem Recht...60 bb) Der Verbraucherbegriff nach dem BGB...61 cc) Der Verbraucherbegriff nach dem UWG...62 b) Die Verbrauchereigenschaft der Umworbenen im Rahmen der Schneeball- und Pyramidensysteme...63 aa) Natürliche Person...63 bb) Abschluss eines Rechtsgeschäfts...63
9 V cc) Keine gewerbliche oder selbständige berufliche Tätigkeit...64 (1) Die Tätigkeit im Rahmen der Schneeballsysteme...65 (a) Keine gewerbliche Tätigkeit...65 (aa) Die unterschiedlichen Gewerbebegriffe...65 (bb) Subsumtion...65 (b) Keine selbständige berufliche Tätigkeit...66 (c) Zwischenergebnis...67 (2) Die Tätigkeit im Rahmen der Pyramidensysteme...67 (a) Das Anwerben als gewerbliche oder selbständige berufliche Tätigkeit...68 (b) Das Problem der Existenzgründung...69 (aa) Eine Ansicht: der Existenzgründer als Verbraucher...69 (bb) Andere Ansicht: der Existenzgründer als Unternehmer...70 (cc) Stellungnahme...71 ( ) Wortlaut...71 ( ) Systematische Auslegung...73 ( ) Teleologische Auslegung...75 dd) Ergebnis...78 II. STRAFBARKEIT VON MULTI-LEVEL-MARKETING NACH 16ABS. 2 UWG Multi-Level-Marketing in Rechtsprechung und Literatur...78 a) Die Auffassungen der Rechtsprechung...79 aa) Die Entscheidung des BayObLG...79 bb) Die Entscheidung des LG München II vom cc) Die Entscheidung des LG München II vom dd) Die Entscheidung des LG München I...82 ee) Die Entscheidung des LG Offenburg...84 ff) Die Entscheidung des Landgerichts Düsseldorf...85 gg) Die Entscheidung des OLG Hamm...86 b) Die Auffassung der Literatur...87 c) Auswertung Subsumtion des Multi-Level-Marketing unter den Tatbestand des 16 Abs. 2 UWG...90 a) Mögliche Täter...90 aa) Der Systembetreiber...90 bb) Die Vertriebsrepräsentanten...90 b) Handeln im geschäftlichen Verkehr...91 c) Das Veranlassen von Verbrauchern zur Abnahme von Waren, Dienstleistungen oder Rechten...92 aa) Das Veranlassen zur Abnahme von Waren, Dienstleistungen oder Rechten...92 bb) Verbraucher...94 (1) Das reine Verkaufsgespräch...94 (2) Das kombinierte Verkaufs- und Anwerbegespräch...94 (3) Der Erwerb einer Beratergrundausstattung...95
10 VI (4) Zusammenfassung...96 d) Das Versprechen von besonderen Vorteilen...96 aa) Besondere Vorteile...96 (1) Einkaufsrabatte als besondere Vorteile...97 (2) Provisionen als besondere Vorteile...97 bb) Versprechen der besonderen Vorteile...98 (1) Das reine Verkaufsgespräch...99 (2) Das kombinierte Verkaufs und Anwerbegespräch...99 cc) Zwischenergebnis...99 e) Kausalität des Versprechens für die Warenabnahme f) Veranlassen anderer zum Abschluss gleichartiger Geschäfte aa) Wortlaut der Norm bb) Wille des Gesetzgebers cc) Richtlinie 2005/29/EG dd) 16 Abs. 2 UWG als Strafnorm ee) Sinn und Zweck g) Ergebnis III. ERGEBNIS DES ABSCHNITTS D E. UNTERSUCHUNG DER NOTWENDIGKEIT EINER REFORM DES 16 ABS. 2 UWG I. EXISTENZBERECHTIGUNG DES 16ABS. 2 UWG Die Strafwürdigkeit progressiver Kundenwerbung a) Der Begriff der Strafwürdigkeit b) Kriterien für die Strafwürdigkeit der progressiven Kundenwerbung und Würdigung dieser Kriterien im Einzelnen aa) Verschleierung von Risiken gegenüber Systemteilnehmern bb) Glücksspielcharakter durch mangelnde Einblicksmöglichkeit in das Vertriebssystem cc) Überdimensionale Eingliederung von Laien in das Vertriebssystem dd) Die Erschließung des Marktes über den Verwandten- und Bekanntenkreis ee) Geschäftemachen mit anderer Leute Arbeit ff) Zielverlagerung gg) Marktsättigung c) Die Gesamtbetrachtung der Strafwürdigkeitskriterien aa) Gesamtbetrachtung in Bezug auf Pyramidensysteme bb) Gesamtbetrachtung in Bezug auf Schneeballsysteme cc) Ergebnis Strafbedürftigkeit progressiver Kundenwerbung a) Schutz durch zivilrechtliche Vorschriften aa) 8, 9 UWG i. V. m. 3, 4, 5 UWG (1) Unlautere geschäftliche Handlung...131
11 VII (2) Hinreichender Schutz bb) 826 BGB cc) 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB b) Schutz durch öffentlich-rechtliche Vorschriften c) Ergebnis Ausreichender Schutz durch bestehende Strafvorschriften a) 263 StGB aa) Täuschung bb) Irrtum cc) Vermögensverfügung dd) Vermögensschaden (1) Der Vermögensschaden im Rahmen der Schneeballsysteme (2) Der Vermögensschaden im Rahmen der Pyramidensysteme (3) Der persönliche Schadenseinschlag ee) Bereicherungsabsicht ff) Ergebnis zu 263 StGB b) 284 ff. StGB aa) Systematik der Tatbestände bb) Zufall cc) Einsatz (1) Die Meinung der älteren Rechtsprechung und eines Teils der Literatur (2) Die Meinung der neueren Rechtsprechung und eines Teils der Literatur (3) Stellungnahme dd) Öffentlichkeit ee) Tathandlung ff) Spielplan (1) Verneinende Auffassung (2) Bejahende Auffassung (3) Stellungnahme gg) Ergebnis zu 284 ff. StGB c) 16 Abs. 1 UWG aa) Angaben bb) Irreführend und unwahr cc) Öffentlichkeitsrahmen (1) Akquisition durch frei zugängliche Werbeveranstaltungen, Postwurfsendungen, Zeitungsannoncen oder Inserate im Internet159 (2) Akquisition durch Werbeveranstaltungen, die nur geladenen Gästen offen stehen (3) Akquisition durch gezieltes Ansprechen einzelner Personen dd) Absicht, den Anschein eines besonders günstigen Angebots hervorzurufen ee) Ergebnis zu 16 Abs. 1 UWG...164
12 VIII 4. Ergebnis II. DIE STRAFWÜRDIGKEIT DES MULTI-LEVEL-MARKETING-SYSTEMS Verschleierung von Risiken gegenüber Systemteilnehmern Überdimensionale Eingliederung von Laien in das Vertriebssystem Die Erschließung des Marktes über den Verwandten- und Bekanntenkreis Geschäftemachen mit anderer Leute Arbeit Zielverlagerung Marktverengung Glücksspielartiger Charakter des Systems Die Gesamtbetrachtung der Strafwürdigkeitskriterien III. NEUFORMULIERUNG DES 16ABS. 2 UWG Das Tatbestandsmerkmal der Verbraucher Klarstellung in Bezug auf das Multi-Level-Marketing-System a) Subjektive Komponente: Ausrichtung des Systems auf den Produktabsatz an Endverbraucher und nicht auf Warenabsatz in die Systemstruktur b) Objektive Komponente: Umsatzabhängigkeit der Anwerbeprovisionen anstelle von Kopfprämien c) Weitere Unterschiede zwischen Multi-Level-Marketing-Systemen und den Systemen progressiver Kundenwerbung Formulierungsvorschlag IV. ERGEBNIS DES ABSCHNITTS E F. ZUSAMMENFASSUNG UND ENDERGEBNIS LITERATURVERZEICHNIS...186
13 1 A. Einleitung und Gang der Untersuchung Werbung ist in unserem Leben allgegenwärtig. Jeden Tag werden wir in Printmedien, im Fernsehen, auf der Straße oder in öffentlichen Verkehrsmitteln mit Werbung konfrontiert. Unternehmen werben um den Kauf von Waren oder Dienstleistungen, gemeinnützige Einrichtungen um Spenden und politische Parteien um die Stimmen der Bürger. In vielen Fällen setzen die Werbenden klassische Medien wie Zeitung, Fernsehen oder Radio für die Vermarktung ihres Produktes ein. Daneben wird aber auch Werbung durch den Kunden selbst betrieben. Dieser soll durch Empfehlung das Interesse weiterer Kunden am Kauf der beworbenen Produkte wecken. Diese Art der Werbung ist Grundlage diverser Vertriebssysteme. Eines dieser Vertriebssysteme, das sogar ausschließlich auf Werbung durch den Kunden setzt und daneben auf klassische Werbung verzichtet, ist das aus den USA stammende Multi-Level-Marketing-System. Diese Vertriebssysteme gewähren ihren Kunden und potentiellen Kunden die Möglichkeit, selbst als Vertriebsrepräsentant bei dem jeweiligen Multi-Level-Marketing-Unternehmen tätig zu werden und Gewinne sowohl aus dem Verkauf von Produkten zu erzielen als auch andere Mitarbeiter anzuwerben und an deren Umsätzen zu partizipieren. Diese Art des Vertriebs bringt sowohl für das Unternehmen als auch für den vertreibenden Mitarbeiter beachtliche Vorteile mit sich. Das Unternehmen spart hohe Kosten für sonstige Werbemaßnahmen sowie für die Gewinnung von Personal. Darüber hinaus gelingt es den Multi-Level-Marketing-Unternehmen, durch die mit der Anwerbung verbundene stetige Ausweitung des Systems den Markt auf schnelle Art und Weise zu durchdringen. Für Vertriebsmitarbeiter erscheint das System insbesondere aufgrund der günstigen Startbedingungen attraktiv. Eine Tätigkeit als Vertriebsmitarbeiter ist nicht an bestimmte Vorkenntnisse, Ausbildungen oder Schulabschlüsse geknüpft und kann in jedem Alter aufgenommen werden. 1 Wegen seiner wirtschaftlichen Vorteile und seiner wachsenden Bedeutung auf dem Markt ist das Multi-Level-Marketing-System daher Gegenstand mehrerer betriebswirtschaftlicher Untersuchungen geworden. 2 In der Rechtswissenschaft hat das Multi-Level-Marketing-System hingegen bislang wenig Berücksichtigung gefunden, wird aber von einigen Stimmen in der Rechtsprechung und einer Stimme in der Literatur mit den Systemen progressiver Kundenwerbung gleichgestellt, die durch 16 Abs. 2 UWG unter Strafe gestellt wer- 1 2 Althoff, S. 33. Vgl. etwa die Untersuchungen von Frehrking/Schöffski; Kühn/Ruetsch Keller; Reineke/Howaldt; Seeger; Schmahl; Tietz; Wehling; Weinberg/Besemer.
14 2 den. 3 Die Systeme progressiver Kundenwerbung setzen den Kunden als Werbemittel zur Gewinnung von Kunden ein, indem sie ihm bestimmte Vorteile in Aussicht stellen, wenn er dem System weitere Abnehmer zuführt. Haupterscheinungsformen dieser Vertriebssysteme sind das Schneeball- und das Pyramidensystem; im Rahmen dieser Untersuchung wird der Begriff der progressiven Kundenwerbung als Oberbegriff für Schneeball- und Pyramidensysteme verwendet. Diese Arbeit untersucht zum einen Schneeball- und Pyramidensysteme als Haupterscheinungsformen progressiver Kundenwerbung und beschäftigt sich zum anderen mit der Frage, wie das Multi-Level-Marketing-System in den Bereich progressiver Kundenwerbung einzuordnen ist. Hierzu werden zunächst die Funktionsweisen von Schneeball- und Pyramidensystemen, auch anhand von Beispielen aus der Rechtsprechung, erläutert. Nachfolgend werden die Merkmale des Multi-Level- Marketing-Systems herausgearbeitet und auf dieser Grundlage eine Definition entwickelt. Im Anschluss werden sowohl die Systeme progressiver Kundenwerbung als auch das Multi-Level-Marketing-System nach dem geltenden 16 Abs. 2 UWG untersucht. Hierbei wird insbesondere erörtert, wo die Probleme bei der Anwendung des 16 Abs. 2 UWG auf Schneeball- und Pyramidensysteme liegen und darüber hinaus, ob auch das Multi-Level-Marketing-System von dieser Strafnorm erfasst wird. In einem weiteren Teil wird der Frage nachgegangen, ob die Norm des 16 Abs. 2 UWG einer Änderung bedarf. Hier ist zu klären, ob ihre Existenz aus kriminalpolitischer Sicht berechtigt ist oder ob sie ersatzlos gestrichen werden kann. Anschließend wird geprüft, ob das Multi-Level-Marketing-System aus kriminalpolitischer Sicht strafbar sein sollte. Die Untersuchungsergebnisse dieser Arbeit werden schließlich in einem Gesetzesvorschlag umgesetzt. Abschließend werden die im Verlauf dieser Arbeit herausgearbeiteten Ergebnisse anhand von Thesen zusammengefasst. 3 S. dazu Abschnitt D.II.1.
15 3 B. Darstellung und Funktionsweise der untersuchten Vertriebssysteme In dieser Arbeit werden sowohl die Systeme progressiver Kundenwerbung als auch das Multi-Level-Marketing-System im Hinblick auf verschiedene Fragestellungen untersucht. Als Ausgangspunkt dieser Untersuchungen werden zunächst der Aufbau und die Funktionsweise der Systeme progressiver Kundenwerbung dargestellt und anhand von Entscheidungen aus der Rechtsprechung erläutert. Anschließend befasst sich dieser Abschnitt mit dem Multi-Level-Marketing-System. Anhand seiner grundlegenden Merkmale wird eine Definition dieses besonderen Vertriebssystems entwickelt I. Die Systeme der progressiven Kundenwerbung Vertreibt ein Unternehmen Waren mit Hilfe progressiver Kundenwerbung, so bietet es seinen potentiellen Kunden an, dem Vertriebssystem als aktives Mitglied beizutreten. Den potentiellen Kunden wird in Aussicht gestellt, weitere Kunden anwerben zu können und hierfür bestimmte Vergünstigungen, etwa Preisnachlässe oder Sonderleistungen, zu erhalten. Durch diesen Anreiz wird der Erstkunde dazu bewegt, die Waren des Unternehmens zu erwerben, die in der Regel zu sehr hohen Preisen angeboten werden. Wirbt der Kunde nachfolgend weitere Abnehmer an, kann er diesen wiederum dieselben Vorteile anbieten, unter der Bedingung, dass die Angeworbenen auch weitere Abnehmer finden, denen sie wiederum die Vergünstigungen in Aussicht stellen können. 4 Machen alle Abnehmer von dieser Möglichkeit Gebrauch, so nehmen im Laufe der Zeit immer mehr Menschen am Vertriebssystem teil. Das System weitet sich in progressiv geometrischer Reihe aus. 5 Progressive Kundenwerbung wird in zwei Grundformen betrieben, dem Schneeball- und dem Pyramidensystem. Im Laufe der Jahre haben die Betreiber dieser Systeme diverse Sonderformen entwickelt. Insbesondere zu nennen sind die so genannten Geldgewinnspiele als Sonderfälle der Pyramidensysteme. 6 Diese haben insbesondere in den 90er Jahren eine hohe Teilnehmerzahl erfahren und dadurch einen erheblichen Vermögensschaden angerichtet. Aufgrund der weiten Verbreitung der Geldgewinnspiele sollen diese neben den Grundformen der progressiven Kundenwerbung, den Schneeball- und den Pyramidensystemen dargestellt werden Meyer/Möhrenschläger, WiVerw 1982, 28 f.; Otto, Jura 1999, 97, 98. Rengier, in: Fezer, UWG, 16 Rn So auch BGHSt 43, 270, 273; LG Rostock, wistra 2002, 75, 77.
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