Sensomotorisches System

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1 REIHE, physiofachbuch Sensomotorisches System Physiologisches Detailwissen für Physiotherapeuten Bearbeitet von Christoph Anders, Christian Angleitner, Georg Blümel, Andreas Kannenberg, Wolfgang Laube 1. Auflage Buch. 712 S. Hardcover ISBN Format (B x L): 17 x 24 cm Weitere Fachgebiete > Medizin > Physiotherapie, Physikalische Therapie Zu Inhaltsverzeichnis schnell und portofrei erhältlich bei Die Online-Fachbuchhandlung beck-shop.de ist spezialisiert auf Fachbücher, insbesondere Recht, Steuern und Wirtschaft. Im Sortiment finden Sie alle Medien (Bücher, Zeitschriften, CDs, ebooks, etc.) aller Verlage. Ergänzt wird das Programm durch Services wie Neuerscheinungsdienst oder Zusammenstellungen von Büchern zu Sonderpreisen. Der Shop führt mehr als 8 Millionen Produkte.

2 Pathophysio logie des senso motorischen Systems nach Verletzungen und bei degenerativen Gelenker krankungen Abb Die Abbildung zeigt die Einflussregionen der Gelenkafferenzen. Zum einen sind sie auf der spinalen Ebene direkt und indirekt mit den Motoneuronenpools verknüpft und andererseits tragen sie auf der supraspinalen Ebene (Hirnstamm, Kortex) zur Regulation der Stütz- und Zielmotorik bei. Abb Die Abbildung zeigt die Verknüpfung der Gelenkafferenzen mit den Motoneuronenpools. Die Afferenzen des Kreuzbands sind für die Rekrutierungsfähigkeit der FTF-α-Motoneuronen von besonderer Wertigkeit. Sie sorgen über den Antrieb der γ-motoneuronen ( γ-loop ; nach Konishi et al u. 2003) für intensive Ia-Afferenzen, welche die FTF- Motoneuronen bahnen. Diese Bahnung ist die Basis für ihre Rekrutierbarkeit durch die zentrale Efferenz.

3 10.1 Funktion des sensomotorischen Systems nach Verletzungen des propriozeptiven Feedback aus dem Kreuzband wird übereinstimmend als Erklärung für die sensomotorischen Veränderungen und die funktionellen Instabilitäten, wie sie bei einem sehr hohen Anteil der Kreuzbandpatienten zu verzeichnen sind, herangezogen (Fromm u. Kummer 1994; Borsa et al. 1997; Lephart et al. 1997; Laube 2000). 4. Ursachenkomplex. Schmerzafferenzen greifen in die sensomotorische Regulation der Kniegelenkstabilität und der Bewegungsdynamik ein (Johansson et al. 1990; Solomonow et al. 1987) bzw. sie haben über plastische Veränderungen im ZNS einen nachhaltigen Einfluss auf die sensomotorische Regulation. 5. Ursachenkomplex. Von vielen Patienten erfährt man auch den psychologisch relevanten Fakt, dass die physischen Aktivitäten aus Respekt oder auch aus Angst vor dem Hervorrufen von Schmerzen oder einer neuerlichen Verletzung bewusst zurückgefahren worden sind. Untersuchungen des Einflusses auf die sensomotorische Regulation der Kraftentwicklung Der Einfluss von Verletzung und Operation auf die sensomotorische Regulation der Kraftentwicklung kann partiell mit dem Willkür-EMG und konkret mit der Kombination von Willkür-EMG, zugehöriger Willkürkraft und stimulierter Muskelzuckungen (vgl. Laube 1987, 1994, 1998 u. 2000) untersucht und beantwortet werden. EMG-Aktivität einer isometrischen maximalen Kontraktion. Bei 24 knieinstabilen Patienten infolge Kreuzbandverletzung vor mindestens 6 Monaten wurden vor der geplanten Operation und wöchentlich bis zur 6. Woche die EMG-Aktivitäten einer isometrischen maximalen Kontraktion gemessen. Eine Patientin aus dieser Gruppe wurde auch nochmals in der 13. postoperativen Woche untersucht. Die Abb bis Abb zeigen die Originalergebnisse dieser Patientin vor der Operation, am 4. Tag und der 13. Woche postoperativ. Zugleich wird die EMG- Aktivität der Quadrizepsanteile der zu operierenden bzw. der operierten Seite in Prozent der Gegenseite angegeben. Ergebnis: Abb EMG des M. rectus femoris und (Kanal 1 2), des M. vastus medialis und (Kanal 3 4) und des M. vastus lateralis und (Kanal 5 6) am Tag vor der geplanten VKB-Rekonstruktion bei einer Patientin mit deutlicher vorderer Knieinstabilität. Die Aktivität der Muskelanteile der kreuzbandverletzten Seite liegt bei 27 %, 15 % und 32 % der nicht verletzten Seite.

4 Pathophysio logie des senso motorischen Systems nach Verletzungen und bei degenerativen Gelenker krankungen Abb EMG des M. rectus femoris und (Kanal 1 2), des M. vastus medialis und (Kanal 3 4) und des M. vastus lateralis und (Kanal 5 6 ) am 4. Tag nach der VKB-Rekonstruktion (Abb. 10.4). Die Aktivität der Muskelanteile der kreuzbandverletzten Seite liegt bei 10 %, 6 % und 16 % der nicht verletzten Seite. Abb EMG des M. rectus femoris und (Kanal 1 2), des M. vastus medialis und (Kanal 3 4) und des M. vastus lateralis und (Kanal 5 6 ) in der 13. Woche nach der VKB-Rekonstruktion (Abb u. Abb. 10.6). Die Aktivität der Muskelanteile der kreuzbandverletzten Seite liegt bei 32 %, 23 % und 43 % der nicht verletzten Seite.

5 10.1 Funktion des sensomotorischen Systems nach Verletzungen Vor der Operation konnte die Patientin den M. rectus femoris mit 27 %, den M. vastus medialis mit 15 % und den M. vastus lateralis mit 32 % der Gegenseite aktivieren. 4 Tage nach der Operation betrug die Aktivierungsfähigkeit 10 %, 6 % und 16 %. Nach 13 Wochen war die EMG-Aktivität erst auf 32 %, 23 % und 43 % der nicht operierten Seite angestiegen. Medianwerte und Min-Max-Werte. Die Abb gibt die Medianwerte und die Min-Max-Werte der EMG-Aktivität für die 24 Patienten wieder. Präoperativ beträgt der Medianwert für die EMG-Aktivität der zu operierenden Seite 54 %. Für die Woche postoperativ wurden die folgenden Medianwerte errechnet: 14 %, 27 %, 26 %, 39 %, 42 % und 44 % in der 6. Woche. Vor der Operation wiesen 4 Patienten ein seitengleiches EMG aus (Unterschied nicht größer als 15 %) und bei den übrigen war eine erhebliche Innervationsinsuffizienz zu verzeichnen. In der postoperativen Phase ordneten sich die 4 Patienten voll in das Niveau der Seitendifferenz der anderen Patienten ein und zeigten auch keine schnellere Angleichung an die präoperativen Verhältnisse. Weitere Untersuchungen. Bei der Gruppe von 86 Kreuzbandpatienten, deren Kraftdefizit in Abb dargestellt ist, wurde auch simultan das EMG des M. rectus femoris, M. vastus medialis und lateralis während der isometrischen maximalen Kontraktion, dem Stehen in Halbkniebeuge mit Kontrolle der Körpergewichtsverteilung und vollständiger Verlagerung des Körpergewichts auf die gesunde und nachfolgend verletzte Seite dokumentiert. Die Abb zeigt einen typischen EMG-Befund der isometrischen Kontraktion und die Abb einen Befund der Halbkniebeuge mit Körpergewichtsverlagerung in der 12. postoperativen Woche. Bei der Isometrie ist auf der verletzten Seite über allen Anteilen des Quadrizeps eine ausgeprägte Aktivierungsinsuffizienz zu erkennen. Der Patient kann offensichtlich bei gleicher Belastung nur eine wesentlich verminderte Beanspruchung hervorrufen (S. 237 f). Der Muskel ist offensichtlich willkürlich vermindert ansprechbar. Es bleibt hier zunächst noch offen, welche der beiden Mechanismen der Kraftentwicklung Rekrutierung und/oder Entladungsrate daran bevorzugt teilhaben. Aktivierungsinsuffizienz. Daraus ergibt sich direkt eine praktische Konsequenz. Die Aktivierungsinsuffizienz belegt, dass der Muskel zurzeit nur begrenzt willkürlich angesprochen werden kann. Dies muss als absolute Indikation für eine Elektromyostimulation angesehen werden (S. 415). Damit gilt es, zumindest 2 Aspekte zu behandeln: die Inaktivitätsatrophie, die Verminderung der aeroben Funktion. Aus den genannten Zielstellungen ergeben sich zugleich auch 2 elektrotherapeutische Programme: eine kraftorientierte und eine ausdauerorientierte Muskelstimulation. Abb Medianwerte und die Min-Max-Werte einer Gruppe von 24 Patienten am Tag vor einer geplanten VKB-Rekonstruktion wegen vorderer Knieinstabilität und postoperativ am Tag sowie nach der 2., 3., 4., 5. und 6. Woche. Der Medianwert der EMG-Aktivität in Prozent der nicht betroffenen Seite liegt vor der Operation bei 54 %, direkt danach bei 14 % und er steigt bis zur 6. Woche auf 44 % an.

6 Pathophysio logie des senso motorischen Systems nach Verletzungen und bei degenerativen Gelenker krankungen gesunde Seite operierte Seite M. rectus femoris M. vastus medialis M. vastus lateralis 4 s 4 s Abb Die EMG-Aktivität (M. rectus femoris, M. vastus medialis und lateralis und ) während einer maximalen willkürlichen isometrischen Kontraktion (Kniegelenk 0 ) bei einem Patienten in der 12. Woche nach Kreuzbandplastik (Lig. patellae). Die Kontraktion wurde zunächst mit der gesunden linken (Bild ) und nachfolgend mit der operierten rechten (Bild ) Seite ausgeführt. Das EMG ist vorverarbeitet (gleichgerichtet) und die Auswertungsabschnitte (4 s) sind durch Marker abgetrennt. Die Aktivierungsfähigkeit aller Anteile des M. quadriceps femoris der verletzten Seite ist stark reduziert. gesunde Seite operierte Seite M. rectus femoris M. vastus medialis M. vastus lateralis 4 s 4 s Abb Die EMG-Aktivität (M. rectus femoris, M. vastus medialis und lateralis und ) während des Stehens in Halbkniebeuge (Kniegelenk 60 ) mit voller Verlagerung des Körpergewichts zunächst auf die gesunde linke (Bild ) und nachfolgend die operierte rechte (Bild ) Seite bei einem Patienten in der 12. Woche nach Kreuzbandplastik (Lig. patellae, vgl. auch Abb ). Das EMG ist vorverarbeitet (gleichgerichtet) und die Auswertungsabschnitte (4 s) sind durch Marker abgetrennt. Die Aktivierung (Beanspruchung) aller Anteile des M. quadriceps femoris der verletzten, atrophierten Seite ist stark reduziert. Bei gesunder sensomotorischer Funktion müsste der atrophierte Muskel die höhere Aktivität aufweisen.

7 10.1 Funktion des sensomotorischen Systems nach Verletzungen IEMG (µv s) gesund Rehabilitation Lig. cruciatum M. quadr. fem.; 10 s MVC; n = 86 verletzt gesund verletzt gesund verletzt 4 Wochen 4 Wochen 4 Wochen Abb Die Abbildung zeigt für eine Gruppe von 86 Patienten mit Kreuzbandverletzung und nach operativer Versorgung die mittlere EMG-Aktivität (vgl. Kraft, Abb. 10.2) des M. rectus femoris, des M. vastus medialis und lateralis während maximaler isometrischer Kontraktion in der Woche. Die jeweils 3 Balken weisen die Aktivität des Quadrizepsanteils der gesunden Seite (jeweils ), der verletzten Seite zu Beginn einer 4-wöchigen Anschlussheilbehandlung (jeweils Mitte) und am Ende des stationären Aufenthalts (jeweils ) aus. 0 M. vastus med. M. rectus femoris M. vastus lat. Inwiefern die Elektromyostimulation auch die wesentlichste Insuffizienz nach der Verletzung, die Rekrutierungsfähigkeit, beeinflusst, kann aktuell nicht eingeschätzt werden. Nach Verletzung sind über einen relativ langen Zeitraum variabel große Muskelanteile willkürlich nicht aktivierbar. Damit ist aber auch automatisch das efferente Informationsset der Rezeptoren betroffen. Der veränderte quantitative (Rezeptorverluste) und qualitative (Mechanik verändert) afferente Informationsstrom wird auf spinaler und supraspinaler Ebene adäquate plastische Folgen haben. Die Trainierbarkeit des Gesamtmuskels als integraler Teil des sensomotorischen Systems ist reduziert und das Regulationssystem selbst unterliegt einer Änderung. Darüber hinaus lebt der nicht aktivierbare Muskelanteil sogar in einer vollständigen kontraktilen Immobilisation (funktionelle Teilparese) und wird trotz Therapie, sofern ausschließlich aktiv und nicht zugleich mittels Elektromyostimulation, weitere Funktionsverluste ausbilden. EMG der Halbkniebeuge. Betrachtet man das EMG der Halbkniebeuge (Abb ), dann wird die Funktionsstörung noch ausgeprägter sichtbar. Während der Halbkniebeuge muss die Extremität die gesamte Gewichtskraft tragen. Da der M. quadriceps femoris der verletzten Seite die wesentlich geringere Kraft besitzt (Abb. 10.2), wäre zu erwarten, dass er das höhere EMG aufweist. Unter gesunden Funktionsbedingungen schaltet ein schwacher Muskel für eine gleiche Kraftleistung mehr motorische Einheiten zu und folglich ist die Summe der elektrischen Aktivität größer. Nach Gelenkverletzungen ist aber genau das Gegenteil nachweisbar: Es geht im sensomotorischen System hochgradig pathophysiologisch zu. Ergebnisse. Die Zusammenfassung der EMG-Ergebnisse von 86 Patienten, jeweils für die isometrische Kontraktion und die Halbkniebeuge (Abb ), belegt, dass die Einzelbefunde repräsentativ sind. Damit wird auch der geringe Kraftzuwachs in den 4 Therapiewochen erklärt. Das Koordinations- und das Krafttraining konnten jeweils nur einen Teil des Muskels ansprechen und das Ergebnis muss bezogen auf gesunde Funktionsverhältnisse hinter den Erwartungen zurückbleiben. Da die Rekrutierungsinsuffizienz die FTF betrifft, bleibt der Kraftzuwachs zusätzlich zurück, denn diese Faserpopulation liefert gegenüber der STF-Population das höhere Kraftpotenzial. Einordnung und Interpretation der Untersuchungsergebnisse Abnahme der maximalen willkürlichen Kraftentwicklung. Diese Ergebnisse sowie die Interpretationen lassen sich sehr gut mit denen der Literatur vergleichen. Es wird übereinstimmend diskutiert, dass der Verlust von Rezeptoren das afferente Set von Feedback-Informationen verändert und eingrenzt. Demzufolge verliert die Regulation an Qualität. So werden u.a. auch aufgrund tierexperimenteller Ergebnisse die Funktionseinbußen in der Kniegelenkstabilität dem veränderten Feedback der Mechanorezeptoren aus den zugehörigen Bindegewebestrukturen zugeschrieben (Fuller et al. 1991; Khalsa u. Grigg 1996). Auch die Ausschaltung der Mechanorezeptoren durch das Einbringen eines Anästhetikums in die Kniegelenkkapsel beim Menschen führt zur Abnahme der maximalen willkürlichen Kraftentwicklung einschließlich einer Reduzierung der EMG- Aktivität (Konishi et al. 2002). Bei Gesunden unterbindet diese Prozedur gleichsam die Mechanoafferenzen der Gelenkkapsel und des Kreuzbandes. Es kann zwischen der Wertigkeit der Afferenzen beider Standorte nicht differenziert werden. Die Ergebnisse der gleichen Prozedur bei rupturiertem Kreuzband