5 Die Wassergewinnung

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1 5 Die Wassergewinnung Gerade in der Art der Wassergewinnung zeigen sich die außerordentlich pragmatischen Methoden der römischen Ingenieure. Dort, wo Wasser im Überfluss vorhanden war, wie in den nördlichen Provinzen des Imperiums, musste viel weniger Aufwand betrieben werden, um an das begehrte Nass heranzukommen, als in den ariden und halbariden Zonen des römischen Reiches. Im Norden waren es eher die Qualitätsansprüche an das Wasser, die den enormen Aufwand bezüglich der Transportwege erklären. Ansonsten passte man sich nach Möglichkeit den örtlichen Gegebenheiten an, um das Wasser an Quellen zu fassen oder dem Grundwasser zu entnehmen. In Ausnahmefällen wurde auch Flusswasser genutzt, wenn die Entnahmestelle im oberen Bereich eines sauberen Fließgewässers anzulegen war. In den südlichen Provinzen mit ihren durch Trockenzeiten bedingten Schwankungen des Wasserdargebotes war die Situation eine andere. Hier galt es, das notwendige Angebot für die wasserarmen Jahreszeiten bereitzuhalten, und dafür sind Vorratsbehälter von manchmal riesigen Ausmaßen gebaut worden. Die in römischer Zeit gebauten Talsperren bei Mérida in der spanischen Extremadura sind zwei antike Staumauern heute noch in Betrieb beeindrucken den Besucher nach wie vor, auch wenn die Dämme selbst in nachrömischer Zeit ersetzt wurden. Der natürliche Abfluss eines Wasservorkommens sei es eine Quelle oder ein offenes Gewässer wie ein Fluss oder See lässt sich sperren, um das Wasser in eine Leitung einzuspeisen. Die Möglichkeiten dazu, in römischer Zeit wie auch heute, boten ein kleines Wehr oder aber auch eine imposante Talsperre. Die Römer bevorzugten sauberes Quellwasser vor offenen Gewässern: Wo die hydrologischen Gegebenheiten es zuließen, verwendete man Quellwasser für die Versorgung der Städte. Bestand darüber hinaus noch die Möglichkeit, Quellen mit kalkhaltigem und somit geschmacklich besserem Trinkwasser zu nutzen, so nahm man es gar in Kauf, kilometerlange Fernleitungen zu bauen, nur um an das von den Römern als bestes aller Wasser angesehene heranzukommen. Da die innerstädtischen Verteilernetze in der Regel aus Bleileitungen bestanden, kann das kalkhaltige Wasser auch der gesundheitlichen Vorsorge gedient haben, denn die Kalksinterablagerungen innerhalb der Leitungen bildeten eine regelrechte Schutzschicht, die eine Kontaminierung des Wassers mit dem gesundheitsschädlichen Blei verhinderte. Dafür gibt es zwar keine Belege, aber Vitruv hat zumindest auf die Schädlichkeit des Bleis schon hingewiesen: Auch ist Wasser aus Tonröhren gesünder als das durch Bleiröhren geleitete, denn das Blei scheint deshalb gesundheitsschädlich zu sein, weil aus ihm Bleiweiß entsteht. Dies aber soll dem menschlichen Körper schädlich sein. Wenn nun das, was aus ihm entsteht, schädlich ist, kann es auch selbst zweifellos der Gesundheit nicht zuträglich sein. Ein Beispiel hierfür können uns die Bleiarbeiter liefern, weil sie eine bleiche Körperfarbe haben. Wenn nämlich Blei geschmolzen und gegossen wird, dann entzieht der von ihm ausströmende Dampf, der sich an den Gliedern des Körpers festsetzt und sie von dort ausbrennt, ihren Körperteilen die wertvollen Eigenschaften des Blutes. Daher scheint es ganz und gar nicht gut, dass man Wasser durch Bleiröhren leitet, wenn wir der Gesundheit zuträgliches Wasser haben wollen. 93 S. 61 / 62: Quellheiligtum am Djebel Zaghouan am Wasserleitungsbeginn für Karthago (Tunesien). 93 Vitruv VIII, 6, S. 63 / 64: Das Quellheiligtum am Djebel Zaghouan (Tunesien) liegt hoch über der Ebene

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4 Dem Ausbau jeder städtischen Wasserversorgung hatte also die genaue Erkundung der Quellen der Umgebung vorauszugehen, wobei der Radius des in Frage kommenden Gebietes gar nicht so eng anzusetzen ist. Die schließlich genutzten Quellen konnten in der Luftlinie durchaus mehr als 50 Kilometer vom Versorgungsgebiet entfernt liegen; wenn das zwischen beiden Orten liegende Gelände es zuließ, so überbrückte man diese Entfernung eben durch eine Fernwasserleitung. Die Methoden zur Auffindung von Quellen mit gesundem und schmackhaftem Trinkwasser werden wiederum von Vitruv beschrieben. 94 Selbst auf die Qualitätsprüfung geht er ganz pragmatisch ein: Die Erprobung und Prüfung der Quellen aber muss so besorgt werden. Wenn die Quellen von selbst hervorquellen und offen zu Tage liegen, dann betrachte und beobachte man, bevor man mit dem Leitungsbau beginnt, welchen Gliederbau die Menschen haben, die in der Umgebung dieser Quellen wohnen. Ist ihr Körperbau kräftig, ihre Gesichtsfarbe frisch, sind ihre Beine nicht krank und ihre Augen nicht entzündet, dann werden die Quellen ganz vortrefflich sein. 95 Vitruv empfiehlt also, sich bei der Suche nicht nur vom eigenen Geschmack leiten zu lassen, sondern wie er an einer anderen Stelle beschreibt auch die Pflanzenwelt der Umgebung der Quellen, aber, wie zitiert, vor allen Dingen die Menschen, die sich bisher aus der betreffenden Quelle versorgt haben, zu begutachten.»triefaugen«bei den Menschen seien durchaus auch als ein Hinweis auf die schlechte Qualität des Trinkwassers zu werten. Quellfassungen War die Entscheidung für die Ausnutzung eines Wasserdargebotes gefallen, so hatte der antike Wasserbauer nun über eine zweckmäßige Methode der Wassergewinnung nachzudenken. Am unkompliziertesten war dies bei Quellen, denn diese waren auf einfache Art durch einen Mauerkranz zu fassen. In diesen Becken sammelte sich das Wasser, und eine Überlaufvorrichtung ermöglichte das Abfließen in die Leitung. Das Spektrum der Ausmaße einer Quellfassung war außergewöhnlich breit. Dabei konnte es sich um die Ausnutzung eines kleines Quelltopfes wie dem Heiligen Pütz am Kopf der Drover-Berg-Tunnelleitung 96 handeln oder am anderen Ende der Skala um ein riesiges Quellheiligtum wie das der Leitung für Karthago (Tunesien) am Djebel Zaghouan. 97 Schwieriger war es, wenn diese Quellen nicht offen zutage traten, sondern wenn es galt, einen unterirdischen Horizont anzuzapfen. Als Beispiel hierfür kann die Brunnenstube Klausbrunnen bei Mechernich-Kallmuth am Kopf eines Leitungsstranges der Eifelwasserleitung nach Köln gelten. 98 Diese Kammer, mit 3,5 mal 5,8 Meter Innenmaßen, ist etwa um drei Meter durch die aus Gehänge- und Verwitterungsschutt bestehenden Schichten bis in den anstehenden zerklüfteten Kalkfels eingetieft worden. Durch 94 Vitruv VIII, 1, Vitruv VIII, 4, Grewe 2002, 27 35; Grewe 2010, Rakob Grewe 1986, (Fundstelle 17.3).

5 die im Fundament porös konstruierten Seitenwände der Kammer konnte das aus dem Felsgestein hervorquellende Wasser direkt in die Brunnenstube hereinsprudeln. Diesem Zweck diente der besondere Aufbau der Umfassungsmauern: Neben den torartigen Öffnungen in den gewaltigen Fundamentquadern drang das Wasser auch durch die zwischen den Quadern lose aufgeschichtete Wandung aus Grauwacke-Handquadern in die Brunnenstube ein. Zur Entlastung dieses mörtellos zusammengesetzten Teils der Wandung dienten die darüberliegenden Stürze und Bögen, die das aufgehende Mauerwerk, nun durch Mörtel verbunden, zu tragen hatten. Das Bauwerk ragte etwa bis in Brusthöhe aus dem Boden; die Mauern hatten eine Bekrönung aus halbrunden Sandsteinen, eine Überdachung der Brunnenstube war nicht vorhanden. Ein Schwellstein ließ das Wasser auf ungefähr 30 Zentimeter Höhe im Inneren des Beckens ansteigen, ehe es in die an der Längsseite angeschlossene Leitung abfließen konnte. Das sorgte für Der Klausbrunnen bei Mechernich-Kallmuth war bis in den Grundwasserhorizont eingetieft. (Grafik: W. Haberey) lichte dabei, dass sich die Schwebstoffe absetzen eine gewisse Beruhigung des Wassers und ermög- konnten. Eine etwas andere Art der unterirdischen Wasserfassung finden wir ebenso im Verlauf der Eifelwasserleitung beim so genannten Grünen Pütz bei Nettersheim. 99 Hier wird das Wasser am Fuße eines das Urfttal begleitenden Steilhanges gewonnen. Zu diesem Zweck bauten die römischen Ingenieure eine etwa 80 Meter lange Sickergalerie parallel zum Hangfuß. Diese Sickergalerie gleicht in ihrem Aufbau einer U-förmigen Wasserleitungsrinne, nur dass in diesem Fall die bergseitige Wange mörtellos gebaut wurde, während auf der Talseite eine dicke Tonpackung für eine zusätzliche Dichtigkeit sorgte. Das aus dem Hang heraustretende Quellwasser konnte also durch die lose aufeinandergesetzten Steine der linken Wange in diese Sickergalerie, deren lichte Höhe von 0,7 auf 1,1 Meter zunimmt, eindringen. Die Rinne war mit starken Sandsteinplatten abgedeckt und mit Erdreich überlagert worden. An ihrem Ende stand (und steht nach ihrer Restaurierung heute wieder) ein nach oben hin offenes Bauwerk von 1,93 mal 1,86 Meter Innenmaßen. Diesem führte die Sickergalerie das Wasser zu, hier konnte es sich beruhigen und ein wenig klären, ehe es in den angeschlossenen unterirdischen Steinkanal nach Köln gegeben wurde. 99 Jürgens 1977, 84 97; Grewe 1986, (Fundstelle 9.1)

6 Der Grüne Pütz wurde aus einer 80 Meter langen Sickergalerie gespeist: Hier begann der längste Ast der Eifelwasserleitung nach Köln. (Grafik: W. Haberey) Einfassung eines natürlichen Quelltopfes: der Heilige Pütz am Kopf der Drover-Berg-Tunnel-Wasserleitung bei Kreuzau-Drove. (Foto: A. Thünker) Zu dieser Sickergalerie gibt es eine weitere Variante bei den ebenfalls für das römische Köln genutzten Quellen in den so genannten Hauser Benden bei Mechernich-Dreimühlen. 100 Dort führte der U-förmig gemauerte Kanal unterirdisch in die wasserführenden Erdschichten. Er war mit grobem Steinmaterial gefüllt; durch dieses konnte das Wasser einsickern, wobei gleichzeitig Verunreinigungen zurückgehalten wurden. Der Kanalanfang mit der Füllung diente also gleichzeitig als Sickerleitung und Filteranlage. Noch eine Möglichkeit der Gewinnung von Trinkwasser aus unterirdischen Schichten kann man bei Euskirchen- Kirchheim vorfinden. 101 Ein kleines unterirdisches Kanälchen führte hier in eine relativ großzügig bemessene Brunnenstube. Die Wassergewinnung erfolgte am Anfang dieser Kanalrinne, indem deren Wangen fächerförmig divergierten, also das Quellgebiet gleichsam wie mit ausgebreiteten Armen umschlossen und auf diese Weise das Wasser 100 Grewe 1986, (Fundstelle 19.2). 101 Jürgens / Lommerzheim / Sommer / Vogt 1979; Grewe 1986, (Fundstelle 31.1).

7 Badevergnügen in der heißen Quelle von Hierapolis (Türkei). Die Trümmer des römischen Quellheiligtums bilden heute den pittoresken Rahmen einer beliebten Badeanstalt. einfingen ein Verfahren, das bei relativ geringen Schüttmengen zur Anwendung kam. Ob diese bei Kirchheim beginnende Wasserleitung eine bei Niederkastenholz gelegene ehemalige villa rustica versorgt hatte oder in ihr ein weiterer Arm der Eifelwasserleitung zu sehen ist, ist noch nicht erforscht. Die erste Vermutung scheint allerdings die wahrscheinlichere zu sein. Die angeführten Beispiele von Quellfassungen der Eifelwasserleitung zeigen deutlich, welcher Variantenreichtum selbst im relativ eng begrenzten Gebiet der Nordeifel zu finden ist. Flussableitungen Standen keine Quellen mit ausreichenden Schüttmengen zur Verfügung, so zog man auch Flusswasser für die Versorgung heran, wobei dabei dann aber Wert darauf gelegt wurde, die Wasserentnahmestelle weit flussaufwärts zu legen, um auf diese Weise möglichst reines Wasser zu gewinnen. In Deutschland war für das römische Trier eine Fernwasserleitung in das Tal der Ruwer gebaut worden, um deren Wasser in die Stadt zu leiten Neyses o. J

8 Flussableitung in der Sierra Guadarrama oberhalb von Segovia (Spanien). Ein steinernes Wehr staut das Wasser des Rio de la Acebeda auf und zwängt es in die angeschlossene Wasserleitung heute wie vor 2000 Jahren. Das schönste Beispiel für eine antike Flussableitung ist das kleine Wehr im Oberlauf des Rio de la Acebeda, mit dessen Hilfe man das Wasser für die Versorgung des römischen Segovia (Spanien) aufstaute. 103 Diese Anlage erhält ihre besondere Bedeutung durch die Tatsache, dass wir in ihr das einzige noch funktionierende Bauwerk dieser Art sehen müssen, das aus antiker Zeit erhalten ist. Nun werden nicht sämtliche Teile dieses Wehres noch römischen Ursprungs sein, dennoch ist anzunehmen, dass zumindest die mächtigen Steinquader auch bei Renovierungsarbeiten immer wieder benutzt worden sind. Auch in der Ausführung der mit Blei vergossenen Eisenklammern, die die einzelnen Blöcke zusammenhalten, bietet sich dem Betrachter heute noch ein Bild römischer Bautechnik. Die Staumauer des Wehres sperrt das in den Bergen noch enge Tal des Rio de la Acebeda auf einer Breite von zwölf Meter ab, wobei ihre Lage nicht etwa rechtwinklig zur Fließrichtung des Flüsschens verläuft, sondern schräg dazu. Dadurch wird das aufgestaute Wasser in die an einem Ende des Wehres beginnende Wasserleitung gedrückt; am Beginn des Kanals ist zudem eine Vorrichtung angebracht, um seinen Zulauf durch ein Schütz absperren zu können. Die eigentliche Staumauer des Wehres ist 11,37 Meter lang und besteht auf ihrer Krone aus 25 Steinplatten von 0,69 Meter Breite, die durch jeweils zwei Eisenklammern untereinander verbunden sind. Die Schwachstelle des Wehres war wohl zu allen Zeiten die Stelle, an der sich der abgehende Kanal anschließt; entsprechend stärker dimensioniert sind in diesem Bereich die verwendeten Steinblöcke. 103 Grewe 1985, 46.