Heinz Otto Sibum Physik aus ihrer Geschichte verstehen

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1 Heinz Otto Sibum Physik aus ihrer Geschichte verstehen

2 Wissenschafts- und Technikgeschichte

3 Heinz OHo Sibum Physik aus ihrer Geschichte verstehen Entstehung und Entwicklung naturwissenschaftlicher Denk und Arbeitsstile in der Elektrizitätsforschung des 18. Jahrhunderts ~ Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH

4 CIP-Titelaufnahme der Deutschen Bibliothek Sibum, Heinz Otto: Physik aus ihrer Geschichte verstehen : Entstehung und Entwicklung naturwissenschaftlicher Denk- und Arbeitsstile in der Elektrizitätsforschung des 18. Jahrhunderts I Heinz Otto Sibum.- Wiesbaden: Dt. Univ.-Verl., 1990 (DUV : Wissenschafts- und Technikgeschichte : Technik) Zugl.: Oldenburg, Univ., Diss., 1989 ISBN ISBN (ebook) DOI / Springer Fachmedien Wiesbaden 1990 Ursprünglich erschienen bei Deutscher Universitäts-Verlag GmbH, Wiesbaden Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

5 Vorwort Es besteht wohl kein Zweifel darüber, daß sich die Naturwissenschaften mit ihren Theorieansätzen und experimentellen Methoden in ihrer Rückwirkung auf Natur und Gesellschaft als folgenschwerste erwiesen haben. Folgerichtig erfordert ihr Vorgehen eine beständige Überprüfung dessen, was mit den Subjekten und der Natur geschieht, wenn sie Physik betreiben. Was wäre ein besserer Ort als in den jeweiligen Disziplinen damit zu beginnen. Die gegenwärtige Hochschulausbildung läßt aber erkennen, daß die Physik sich selbst gegenüber unbewußt bleibt. Insbesondere entgleiten die physikalischen Theorien - Repräsentanten des derzeit konstitutiven Naturverhältnisses - und deren Methoden dieser notwendigen Kritik. Anstelle dessen wird effizient in physikalische Denkstile eingeübt. Die mit Hilfe einer vergleichenden Erkenntnistheorie rekonstruierten Denk- und Arbeitsstile der Elektrizitätsforschung des 18. Jahrhunderts bilden das gedankliche Fundament, aus dem unsere Wissenschaft von der Elektrizität hervorgegangen ist. Der Nachvollzug dieser Entstehung und Entwicklung naturwissenschaftlicher Theorien der Elektrizität zeigt aber auch die Janusköpfigkeit wissenschaftlichen Fortschritts: Die im Rücken der Disziplingeschichte aufgefundenen Ansichten zur Elektrizität - die Geschichte der 'Verlierer' - belegen, daß die Herausbildung der physikalischen Disziplin Elektrizitätslehre zugleich den Verlust an historischem Naturwissen bedeutete. Mit der hier versuchten systematischen Rückbindung gegenwärtigen physikalischen Denkens auf diese zumeist unbekannte Entstehungsgeschichte sollen daher Voraussetzungen geschaffen werden, Grundlagen der Elektrodynamik aus der historisch-kritischen Auseinandersetzung mit der Entwicklung dieser Disziplin zu begreifen, d.h. Physik aus ihrer Geschichte zu verstehen. Damit wird es ermöglicht, die Fachsystematik und die individuellen und gesellschaftlichen Auswirkungen dieser anzueignenden Form der Naturbeherrschung zum Gegenstand der Physikausbildung werden zu lassen. Diese auf Selbstreflexion ausgerichtete Auffassung akademischer Lehre und Forschung bricht aber mit der gewohnten Einstellung, daß eine solche Reflexionsarbeit Aufgabe von Experten wie Wissenschaftstheoretikern, Philosophen, Soziologen etc. sei. Sie muß innerhalb des Fa- -V-

6 Oldenburg, im Juli 1990 H.O. Sibum ches von den Betroffenen selbst geleistet werden. Den Wunsch eines solchen interdisziplinären Unternehmens entwickelte ich während meines Physikstudiums. Der Mut dazu entstand in Auseinandersetzung mit meinem Lehrer Falk Rieß, dessen kritische und geduldige Begleitung meiner wissenschaftlichen Arbeit mich lehrte, meinen Vorstellungen Ausdruck zu verleihen. In der Arbeitsgruppe "Hochschuldidaktik und Wissenschaftsgeschichte" des Fachbereichs Physik und dem Ruder Kolloquium fand ich die aufgeschlossenen Gesprächspartner und -partnerinnen, um ein solches langfristiges Forschungsprogramm diskutieren zu können. Dem Fachbereich Physik der Universität Oldenburg sei dafür gedankt, daß er sich den Luxus geleistet hat, ein permanentes "schlechtes Gewissen" bezüglich seiner Forschungs- und Lehrtätigkeit in Form dieser Arbeitsgruppe zu institutionalisieren. Und dennoch genügten diese guten Voraussetzungen nicht, unbeirrt den eingeschlagenen Weg weiterzugehen: Die an mir selbst zu beobachtenden Veränderungen innerhalb der letzten Jahre wurden mir insbesondere durch meine Lebensgefährtin Hedwig Vavra bewußt gemacht und konstruktiv aufgefangen. Ihrer inspirierenden Kraft und dem Vertrauen in Freunde und Familie verdanke ich die Überwindung meiner zeitweisen Mutlosigkeit. -VI-

7 Inhalt 1. Physikausbildung zwischen Anspruch und Wirklichkeit Physik verstehen - Zur Genese und Aktualität des historisch-genetischen Ansatzes Das Proseminar - Luxuswissen des Physikers Ausbildungspraxis als Einüben in den physikalischen Denkstil Die sogenannte objektive Fachsystematik und ihre scheinbare A-Historizität Die Unvermitteltheit physikalischer Grundbegriffe Ladung, Ladungserhaltung Die elektromotorische Kraft Das elektrische Feld Wechselwirkungskonzepte Die Verfremdung von Forschungspraxis Die EntsinnHebung von Denken und Handeln Das Ringen um Anschaulichkeit Die verordnete Selbstbegrenzung Der Physiker - "ein Mensch von heute und sonst nirgendwoher" Historische Rekonstruktion in didaktischer Absicht Begriffserläuterung Wissenschaftskritische Überlegungen 49 -VII-

8 Naturbeherrschung als Aufforderung zur Selbstreflexion Für die Rettung des Subjekts in den Naturwissenschaften Der Verlust der Natur und ihre gesellschaftliche Rekonstruktion Wider den intuitiven Fortschrittsbegriff in der Physik Physik als sozial und historisch vennittelte Erkenntnistätigkeit Der Erkenntnisprozeß - die Achillesferse der Physik V ersuch einer vergleichenden Erkenntnistheorie Denkstil und Denkkollektiv Die Funktion anschaulicher Leitbilder im F orschungsprozeß Die Entstehung der physikalischen Disziplin Elektrizität Wider eine Legitimationsgeschichte der Physik Historische Rekonstruktion ursprünglicher Erfahrungen mit Elektrizität Das fünfte Element - eine historische Fallstudie zur Elektrizitätsforschung des 18. Jahrhunderts Die ''vis electrica ; das Anathema der mechanischen Philosophie 119 -VIII-

9 Okkulte Kräfte im Lichte der experimentellen Philosophie Ausströmungstheorien - charakteristische Denkmodelle der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts Effluviakonzepte - Stephen Grays Bemühungen um die Elektrizität Charles Dufays Bestimmungsversuche anziehender und abstoßender Kräfte Elektrizitätsforschung in Deutschland ( )- Kein Thema der anerkannten Naturphilosophie J ohann Heinrich Winklers Theorie der elektrischen Atmosphäre Die Elektrizitätsforschung - eine Bewährungsprobe für die experimentelle Philosophie Elektrizität- Naturphilosophie -Öffentlichkeit Die Verstärkungsflasche- ein unerwartetes Forschungsergebnis mit weitreichenden Folgen Der Blick in die Materie - Erkenntnisgrenze oder Aufbruch ins neue Zeitalter Die quantitativ-technische Beherrschung der Naturder Weg zur Elektrostatik Benjamin Franklins ökonomische Theorie der Elektrizität Der Blitzableiter - eine zeitgemäße Propaganda für eine sich neu konstituierende Disziplin Widerstände Militärische und ökonomische Interessen Ein Symbol Franklins Ein-Fluidum-Theorie in Buropa- ein Streit zwischen Nah- und Fernwirkungstheoretikern 194 -IX-

10 Robert Symmers Konzept der Harmonie von Kraft und Gegenkraft - der Beginn eines Fluidastreites 'Theoria electricitatis more geometrico explicata' Die Beherrschung der eigenen Natur des Menschen - der Weg zum elektrischen Strom Frühe Elektrodynamik - ein gescheiterter Versuch von Natur- und Selbsterfahrung Ätherspekulationen im Schatten des mechanistischen Weltbildes Die Natur des Lebendigen- ein Streitobjekt zwischen Physiologen und Elektrizitätsforschern Das "elektromotorische Instrument" - Alessandro Voltas Beitrag zur Widerlegung der "thierischen Elektrizität" Schlußbetrachtung Anmerkungen Physikausbildung zwischen Anspruch und Wirklichkeit Historische Rekonstruktion in didaktischer Absicht Das fünfte Element- eine historische Fallstudie Die "Vis electrica", das Anathema der mechanischen Philosophie Die quantitativ-technische Beherrschung der Naturder Weg zur Elektrostatik Die Beherrschung der eigenen Natur des Menschender Weg zum elektrischen Strom 274 ~X-

11 Uteratur Quellen Sekundärliteratur Anhang XI-

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