Mediale Vermittlung und Wirkung von komplexen Sachverhalten. Aktuelle Perspektiven aus der Sicht der Medienwirkungsforschung.

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1 Mediale Vermittlung und Wirkung von komplexen Sachverhalten. Aktuelle Perspektiven aus der Sicht der Medienwirkungsforschung. Wirkungspotential einer emotionalen Agenda Dr. Katrin Döveling

2 Staatsverschuldung und Medienwirkungsforschung 1. Wie lässt sich zu dem abstrakten Thema Interesse auf Seiten der Medienrezipienten und Wähler wecken? 2. Wo bestehen welche Berührungspunkte? Interdisziplinärer Diskurs: Entwicklung einer gemeinsamen neuen Kommunikationsstrategie 2

3 Mediengesellschaft Massenmedien stellen einen besonderen auch emotionalen Wirklichkeitsbezug her. Medien stellen Verbindungen zu anderen Menschen und Gruppen her nicht nur Vermittlung von kognitiven Informationen, ebenso von Emotionen in Vergemeinschaftungen Durch die Herstellung emotionaler Bindungen erlebt sich der Mensch als soziales Lebewesen und Mitglied in einer Gemeinschaft als Teil der Gemeinschaft. [T]o be rational means also to be emotional. (Turner, 2000: 59) 3

4 Emotionen und Medien und Gemeinschaft Vergemeinschaftung als ein Schlüssel zur medialen Darstellung = soziale Beziehung, die auf der Schaffung einer gefühlten Zugehörigkeit bzw. Bindung zu einer Gruppe basiert, wobei die Beteiligten aufgrund dieses Gefühls ihr Verhalten aneinander orientieren. (Weber,1921: 22) 4

5 Emotionen und Medien und Gemeinschaft Eine sich erhaltende Vergemeinschaftung darf eben diese bedürfnisrelevante Kraft der Emotionen auch und insbesondere in ihrer Berichterstattung nicht vernachlässigen. Medien vermitteln gemeinschaftsrelevante Emotionen. 5

6 Medienwirkungsforschung Der Agenda-Setting-Ansatz 6

7 Agenda Setting der Medien It may not be successful much of the time in telling people what to think, but it is stunningly successful much of the time in telling its readers what to think about. (Cohen,1963: 13) Agenda der Medien Agenda des Publikums Thematisierungsfunktion der Medien 7

8 Medien legen nicht nur eine kognitive Themenstrukturierung nahe, sondern ebenso eine (explizite wie implizite) Thematisierung von Emotionen = eine emotionale Strukturierung von Themen, Ereignissen und Personen, eine emotionale Agenda Vergemeinschaftung 8

9 Medien und Gemeinschaft: Kollektivbewusstsein Kollektive Gefühle Kollektivbewusstsein Kollektivbewusstsein arbeitet mit Bildern, Szenen und Zeichen. Das Zeichen, Symbol oder Bild ist gemeinschaftsbildend, da es die Gefühle der Individuen vereint. Hierbei beziehen sich die Gefühle nicht nur auf materielle Objekte (sondern auch gemeinsame Erlebnisse) (Durkheim, 1968, 1998) 9

10 Agenda Setting der Medien 1. Rezipientenvariablen 2. Eigenschaften der Nachricht 3. Einfluss von Umweltbedingungen 10

11 1. Agenda Setting und intervenierende Rezipientenvariablen [I]ncreased need for orientation leads to increased mass media use, which in turn leads to increased agenda-setting effects by media. (Weaver 1977: 108). 1. Bedeutsamkeit ( Relevance ) der Information für den Rezipienten & sein Interesse 2. Grad der Unsicherheit ( Uncertainty ) über den Gegenstand der Aussage 11

12 2. Agenda Setting und intervenierende Eigenschaften der Nachricht Nachrichten sind nicht gleich Nachrichten (vgl. Schenk 2002: 444ff) 1. Titelgeschichten = Einflussgrößen 2. Präsentationsform & Position der einzelnen Nachrichten im Gesamtblock 3. Nicht nur die Art der Nachricht wichtig, sondern auch die Person, die sie medial vermittelt Präsidentenansprachen = besonderes Interesse (entsprechenden Themen der Ansprachen besondere Beachtung). 12

13 2 Cont. Agenda Setting und intervenierende Eigenschaften der Nachricht 4. Visuelle Elemente, die bestimmte Themen hervorheben, verstärken Agenda-Setting-Effekte. (Williams/ Semlak1978: ) 5. Aufdringlichkeit der Themen (Obtrusiveness) 1. Aufdringliche Themen, (Kriminalität, lokale Politik) sind persönlich und direkt erfahrbar. 2. Unaufdringliche, wie internationale Beziehungen, nationale Politik, sind indes nicht direkt erfahrbar. 13

14 3. Intervenierender Einfluss von Umweltbedingungen 1. Sensibilisierung für Themen, wenn Rezipient selber von dem Thema betroffen ist 2. Interpersonale Kommunikation beeinflusst das Wirkungspotential der Medien - Die Themen werden zwar zunächst durch die Massenmedien bekannt; - Das soziale Netzwerk = Einfluss auf die Bedeutung der Themen 14

15 Second Level Agenda Setting 1. Framing To frame is to select some aspects of a perceived reality and make them more salient in a communicating text, in such a way as to promote a particular problem definition, causal interpretation, moral evaluation, and/or treatment recommendation for the item described. (Entman 1993:52). Fokus: Wie Medien eine Idee oder einen Sachverhalt selektieren, hervorheben, ihn gegebenenfalls ausschließen und elaborieren. Nicht nur die Auswahl an Themen, sondern vor allem die Art und Weise der medialen Darstellung = starker Einfluss auf die Themenstrukturierung und -gewichtung beim Rezipienten 15

16 Second Level Agenda Setting 2. Priming By priming certain aspects of national life while ignoring others, television news sets the terms by which political judgements are rendered and political choices made. (Iyengar/ Kinder 1987: 4) By calling attention to some matters while ignoring others, television news influences the standards by which governments, presidents, policies, and candidates for public offices are judged. (Iyengar/ Kinder: 63) 16

17 Emotionale Agenda [I]t is intringing that the strongest effects are on the affective dimension. (McCombs/Llamas/ Lopez-Escobar/Rey 2002: 482f.) 17

18 Emotionale Agenda Thema oder Sachverhalt in den Medien wird auch emotional dargestellt das Publikum nimmt nicht nur eine kognitive Wertung, sondern ebenso eine emotionale Gewichtung des präsentierten Materials vor. Die in den Medien dargestellten Emotionen weisen also unmittelbare, emotionale Konsequenzen auf Seiten des Rezipienten aus. Medien können im Sinne eines emotionalen Agenda Settings Emotionen aktivieren, kanalisieren und verstärken. 18

19 Gratifikationsforschung Bedürfnisorientierte Publikumsforschung Verbesserung der kognitiven Kontrolle der Umwelt (Sicherheit) Stärkung der persönlichen Identität Ablenkung und Distanzierung von der Umwelt Förderung persönlicher Kontakte Kultivierung von Emotionen in Vergemeinschaftungen Überladung von Emotionen? Gefühlsdramaturgie? 19

20 Persuasionsforschung Einstellungen sind dann verhaltensprädiktiv, wenn sie für die Person zentral und wichtig ist. Die Höhe des Zusammenhangs steigt bei konkreten Erfahrungen mit dem Einstellungsobjekt (Hannover/Mauch/ Leffelsend 2004: 192) 20

21 Die in den Medien dargestellten Themen und Ereignisse bleiben nicht folgenlos: First-Level: Individuen lernen aus den Massenmedien über Themen und Ereignisse Second-Level: Sie bilden auch infolge medialer Darstellungen Attribute, Bewertungen und Emotionen. Entwicklung zu einer engeren Verzahnung des Agenda-Setting- Konzepts mit dem Einstellungskonzept, das die Einstellungs- und Meinungsänderung untersucht. 21

22 Wirkungspotential einer emotionalen Agenda für die mediale Kommunikation von Staatsverschuldung Thematisierungsfunktion der Massenmedien Themen-Sensibilisierung Aufmerksamkeit, Bedeutsamkeit 1. Art der medialen Vermittlung 1. Wie: Präsentationsform & Position 2. Wer vermittelt die Botschaft? 3. Direkt erfahrbare, (auch) emotionale Bezüge zur Alltagswelt des Rezipienten schaffen. 4. Visuelle Elemente 5. Framing und Priming 2. Kollektivbewusstsein Vergemeinschaftung = emotionale Basis von Solidarität = soziale Integration basiert auf affektiv bindenden Erfahrungen (Durkheim 1968) = gruppenkohäsive Prozesse 22

23 Dreieck der politischen Kommunikation (vgl. Rogers/ Dearing) Medien Agenda Policy-Agenda Vergemeinschaftung Publikums-Agenda 23

24 Danke. 24