Strahlenbiologische Grundlagen. Exposition der Bevölkerung. Jürgen Kiefer Universität Giessen
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1 Strahlenbiologische Grundlagen. Exposition der Bevölkerung Jürgen Kiefer Universität Giessen
2 1. Strahlenwirkungen auf den Menschen Akute Wirkungen Funktionsstörungen von Organen: Blutbildendes System, Magen Darm-Trakt, Fertilität, Haut Teratogene Wirkungen Augenkatarakte Akutes Strahlensyndrom und akuter Strahlentod Charakteristika: Ausmaß ist dosisabhängig Effekte sind deterministisch Es existieren Schwellendosen Spätwirkungen Genetisches Risiko durch Keimzellmutationen, Krebs Charakteristika: Wahrscheinlichkeit ist dosisabhängig Effekte sind stochastisch, d- h- zufallsgesteuert Schwellendosen sind nicht bekannt
3 Schwellendosen akuter Wirkungen (Organdosen, geschätzte Werte) Haut 2000 mgy Augenkatarakt (500) mgy Fertilität 50 mgy Teratogenität 50 mgy Strahlensyndrom 2000 mgy (Ganzkörper) Mittlere Letaldosis 5000 mgy (Ganzkörper)
4 Augenkatarakte Neuere Untersuchungen deuten darauf hin, dass die Schwellendosen erheblich niedriger sind als bisher angenommen. Die ICRP hat im April 2011 daher einen Grenzwert von 20 msv empfohlen (bisher 150 msv). Die EU hat in ihren neuen Richtlinien 2014 empfohlen diesen wert in die nationalen Verordnungen zu übernehmen Katarakte bei niedrigen Dosen (< 2 Gy) sind gefunden worden bei Japanischen Bombenopfern Chernobyl Aufräumarbeitern Flugzeugpiloten Astronauten Beruflich Strahlenexponierten Radiologen in der Medizin
5 Deterministische Strahlenwirkungen bei röntgendiagnostischen Maßnahmen Bei Durchleuchtungen und interventionellen Maßnahmen können auch schwere nicht-stochastische Schäden nicht ausgeschlossen werden und zwar sowohl bei Patienten als auch bei dem medizinischen Personal.
6 2. Strahlenwirkungen auf das Ungeborene
7 Pränatale Strahleneffekte
8 Krebs bei Expositionen in utero Bei den Überlebenden von Hiroshima und Nagasaki wurde nach Bestrahlung in utero keine erhöhte Krebsrate gefunden Neue Untersuchungen zeigen jedoch, dass auch bei Exposition in frühem Kindesalter vermehrt Tumoren auftreten.
9 Entwicklungsphasen PI Organogenese Foetale Periode Blutbildung Herz Skelett Auge ZNS Präimpl Wochen p. c.
10 Schwellendosen von Strahlenwirkungen auf Embryo und Foetus Intrauteriner Tod Fehlbildungen Mentale Retardierung 1000 mgy mgy 200 mgy Maligne Neubildungen (Verdopplungsdosis) mgy
11 3. Genetische und carcinogene Wirkungen
12 Genetische Strahlenwirkungen (1) Abschätzung basiert ausschließlich auf Tierversuchen Statistisch signifikante Daten bei Menschen liegen nicht vor Daten aus Hiroshima und Nagasaki zeigen nur eine nicht signifikante Erhöhung Dies bedeutet nicht, dass kein Risiko vorliegt
13 Genetische Strahlenwirkungen (2) Die Abschätzung benutzt das Prinzip der Verdopplungsdosis Sie ist diejenige Dosis, welche das spontane Risiko gerade verdoppelt Sie wird aus umfangreichen Tierversuchen mit 1 Sv abgeschätzt Das spontane Risiko wird beim Menschen mit 10% abgeschätzt. ICRP und UNSCEAR gehen von 1%/Sv schwerwiegender genetisch bedingter Defekte aus.
14 Strahlencancerogenese Die Beziehung zwischen ionisierender Strahlung ist im Tierversuch zweifelsfrei etabliert. Die Abschätzung des Risikos beim Menschen beruht auf epidemiologischen Daten, wobei die Studien an den japanischen Atombombenopfern immer noch die wichtigsten sind (ca Menschen seit 1950). Die Dosisermittlung beruht auf rechnerischen Abschätzungen. Die Ergebnisse neueren Studien an beruflich Exponierten sind mit den japanischen kompatibel.
15 Solide Tumoren (atomic bomb survivors )
16 Leukämieinzidenz Hsu et al. Radiat. Res. 179 (2013)
17 Zeitlicher Verlauf der (zusätzlichen) Tumormortalität ( Überlebende) Gesamt pro Intervall solide Tumoren Leukämie solide Tumoren Leukämie Pro Jahr zusätzliche Fälle Fälle pro Ja total Zeitraum Zeitraum
18 Tumorinzidenzen alle soliden Tumoren Harnblase Brust Lunge Hirn Ovarien Schilddrüse Colon Oesophagus Oral Magen Leber Pancreas Haut Niere Prostata Uterus Leukämie : 4,7 Preston et a. Radiat. Res. 168, 1-64 (2007) 0 0,5 1 1,5 2 2,5 Zus. rel. Risiko
19 Strahlenbedingte Krebsinzidenzen in Abhängigkeit vom Expositionsalter
20 Röntgendiagnostik und Krebs Neuere Studien zeigen, dass bei wiederholten CT-Untersuchungen im Kindesalter die Rate von Leukämien und Hirntumoren erhöht ist.
21 Nominelle Risiko Faktoren (% letale Tumoren pro Sv)) ICRP 26 ICRP 60 Knochenmark Colon 0.85 Lunge Magen 1.10 Blase 0.30 Brust Leber 0.15 Oesophagus 0.30 Schilddrüse Haut 0.02 Knochenoberflächen Ovarien 0.10 Sonstige (Rest) Insgesamt
22 Grundlegende neue Studien zur Strahlencancerogenität International Commission on Radiological Protection (ICRP) Empfehlung Nr, 103 (2007) Japanische Studie Leukämie : Hsu WL, Preston DL u. a. The Incidence of Leukemia, Lymphoma and Multiple Myeloma among Atomic Bomb Survivors: Radiat Res. 179, (2013) Japanische Mortalitätsstudie : Personen, Personenjahre, mittlere Dosis (Exponierte): 0,21 Sv D. L.. Preston, D. Let al., Radiat. Res. 160, (2003). Japanische Mortalitätsstudie : Ozasa K, Shimizu Y et al., Radiat Res. 177: (2012) Japanische Inzidenzstudie : Personen, Personenjahre, D. L. Preston et al., Radiat. Res. 168, 1-64 (2007). Beruflich Strahlenexponierte (Mortalität): Personen, Personenjahre, mittlere Dosis (Exponierte): 0,0194 Sv E. Cardis et al., Brit. Med. Journal 331(7508):77 (2005).
23 Strahlenbelastung der Bevölkerung durch natürliche und zivilisatorische Quellen
24 Durchnittliche Strahlenbelastung in msv pro Person und Jahr in Deutschland (Stand 2002) Inhalation 1,1 (26%) Technik 0,015 (0,4%) Röntgen 2,0 (48%) Ingestion 0,3 (7%) direkte terrestrische Strahlung 0,4 (9%) Nuklearmedizin direkte kosmische 0,13 (3%) Strahlung 0,3 (7%)
25 Effektive Dosen in der Diagnostik BfS 2008
26 Häufigkeits- und Dosisanteile verschiedener röntgenologischer Untersuchungen % Thorax Skelett Ernährungstrakt Art Harntrakt Mammografie Häufigkeitsanteil Dosisanteil Arteriografie CT Sonstiges BfS 2002
27 Häufigkeits- und Dosisanteile röntgendiagnostischer Maßnahmen % Zahn Thorax Skelett Ernährungstrakt, Urogenital Mammografie Häufigkeitsanteil Dosisanteil Arteriografie CT Sonstiges BfS 2008
28 Mittlere jährliche Belastungen pro Kopf im Weltdurchschnitt 10 2,4 1 0,4 msv/jahr 0,1 0,01 0,005 0,002 0,001 0,0002 0,0001 Natürlich Medizin Bombentests Chernobyl Kernenergie
29 Natürliche Strahlenquellen Weltraumstrahlung Kosmogene Radionuklide Primordiale Radionuklide Zerfallsreihen
30 Wege der Strahlenbelastung Externe Bestrahlung: Röntgen- und Gammastrahlen Aufnahme mit der Nahrung: Ingestion: Alpha-, Beta- und Gammastrahler. Wichtigstes Nuklid: K-40 Aufnahme mit der Atemluft: Inhalation: Alpha- und Betastrahler. Wichtigste Nuklide: Rn-222 und unmittelbare Folgeprodukte
31 Direkte und indirekte Weltraumstrahlung Weltraum Teilchenstrahlung 84% Protonen, 14% Alphateilchen, 1% schwere Ionen Sekundäre Strahlung: Elektronen, Myonen, Neutronen Kosmogene Radionuklide Atmosphäre
32 Effektive Dosen bei verschiedenen Flughöhen Regulla and David 1991
33 Kosmogene Radionuklide Production rate / atoms cm -2 s -1 1,E+01 1,E+00 1,E-01 1,E-02 1,E-03 1,E N + n 3 H + 12 C 14 N + n 14 C + p 1,E-05 3-H 7-Be 14-C 22-Na Nuclide
34 Primordiale Radionuklide Nuklid Halbwertszeit Strahlenarten K-40 1,3 Milliarden Jahre U-238 4,5 Milliarden Jahre U-235 O,7 Milliarden Jahre Gamma, Beta Alpha, Gamma Alpha, Gamma Th Milliarden Jahre Alpha, Gamma
35 Uran-Radium-Zerfallsreihe Th d U y ß Decay Alpha Decay Pb m Po m Rn d Ra y Th y Pa m U y Bi m Pb y Po µs Bi d Pb-206 stable Po d Pb Bi Po Rn Ra Th Pa U
36 Radon-Zerfallsreihe 226 Ra 1600 J., α 222 Rn 3,8 Tg., α 218 Po 3 Min, α 214 Pb 27 Min, β, γ Alpha 214 Bi 20 Min, β, γ Beta 214 Po 164 µs, α 210 Pb 22,3 J., β, γ
37 Lungenkrebsrisiko durch Radon in Häusern [S. Darby et al. BMJ 330 (7485): 223]
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