Mag. Markus PELZL Büchereien Wien: ZW 53 Billrothstraße WIEN
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1 Mag. Markus PELZL Büchereien Wien: ZW 53 Billrothstraße WIEN Die integrative Rolle der Büchereien Wien hinsichtlich ihrer türkischen und serbokroatischen Klientel Projektarbeit im Rahmen der Hauptamtlichen Ausbildung für Bibliothekare (Ausbildungslehrgang /B)
2 Inhaltverzeichnis I. Vorwort S. 1 II. Theoretischer Teil 1. Begriffsdefinition Integration S Eine kurze Geschichte der Migration S Migranten in Österreich S Wien und seine Zuwanderer S Integration als kommunalpolitisches Handlungsfeld S. 16 III. Praktischer Teil 1. Integration ein Handlungsfeld der Büchereien Wien? S Integrative Rolle und Praxis bei den Büchereien Wien S Die Genese der bibliothekarisch-integrativen Tätigkeit bei den Büchereien Wien S Personalfrage und fremdsprachige Bibliothek S Interview mit den Verantwortlichen für den türkischen und serbokroatischen Bereich S Interview mit Kollegin Mayda Janezic S Interview mit Kollegin Gülay Olt-Sahiner S Der türkische und serbokroatische Bestand bei den Büchereien Wien 6.1. Allgemeines S Bestandsdaten: Umfang und Entlehnzahlen S Türkische und Serbokroatische Bibliothek aus der Sicht der Schwerpunktbüchereien S Öffentlichkeitsarbeit, interkulturelle Veranstaltungen und Kooperationen bei den Büchereien Wien S. 68 IV. Resümee S. 75 V. Anhang 1. Anmerkungen S Bibliographie S. 85
3 I. Vorwort Eine der größten gesellschaftlichen Herausforderungen mit der sich Europa auseinandersetzt bzw. in Zukunft noch intensiver zu beschäftigen haben wird, stellt die Thematik der Migration dar. Analog zur europäischen Situation ist die Entwicklung in Österreich mit fast ) Personen mit Migrationshintergrund zu sehen, insbesondere verstärkt in Wien, wo diese gesellschaftliche Gruppe zirka Menschen - 23,6 % der Einwohner 2) umfasst. Als Folge des gegebenen politischen Handlungsbedarfs sind unter anderem die Metropolis Konferenz 2003 in Wien, die sich mit Zuwandererfragen und Integrationsstrukturen beschäftigte 3),als auch der bis 2004 zu erfolgende Aufbau einer eigenen Magistratsabteilung für Integrations- und Diversivitätspolitik 4) zu sehen. Ziel der vorliegenden Projektarbeit soll es sein in diesem thematischen Zusammenhang die integrative Rolle der Büchereien, als Teil des Magistrats der Gemeinde Wien, bezüglich der zwei größten Migrationsgruppierungen aus der Türkei und dem ehemaligen Jugoslawien in der Bundeshauptstadt zu untersuchen. Das heißt bezogen auf eine konkretere Fragestellung: Können die Büchereien Wien als ein Faktor der Integration postuliert werden? Entspricht eine derartige Aufgabe dem Charakter und den Kompetenzen öffentlicher Bibliotheken? Welche Rahmenbedingungen und Voraussetzungen sind existent um eine integrative Rolle als evident erachten zu können? Welche Angebote und Serviceleistungen bietet die Institution diesem spezifischen Personenkreis an? Die Aufgabe und der Versuch der folgenden Kapitel wird die Beantwortung obigen Fragenkatalogs sein, als auch eine deskriptive Annäherung an Entwicklungen, Strukturen, Probleme und insbesondere auch Leistungen der Büchereien Wien in diesem gesellschaftspolitisch immanent wichtigen Bereich. 1
4 II. Theoretischer Teil 1. Begriffsdefinition Integration Zunächst erscheint es naturgemäß sinnvoll den gesellschaftlich vielgebrauchten Begriff Integration sowie die damit verknüpften Termini Assimilisation, Akkulturation und Ethnie näher zu erklären. Integration bedeutet in ursprünglicher Form die Herstellung bzw. Entstehung einer Einheit aus einzelnen Elemente. Das heißt allgemeiner formuliert, darunter ist ein Prozess zu verstehen in dem die Eingliederung von Personen oder Gruppen in ein soziales oder gesellschaftliches System durch einen den Aufgenommenen betreffenden soziokulturellen Wandel erfolgt, der nicht die Notwendigkeit eines Sprach- und Kulturverlustes beinhaltet, aber auf die Anerkennung gemeinsamer Grundwerte und Strukturen abzielt. Integration kennzeichnet den Zugang und die Partizipationsmöglichkeiten an gesellschaftlichen Dimensionen wie zentralen Werten und Gütern des aufnehmenden Gesellschaftssystems wie z.b. Schulbildung, Wohnqualität, Wahlrecht etc. Integration hat zwei Grundbedeutungen die miteinander korrelieren: Aufnahme und Zusammenhalt. Bezüglich der Integration von Migranten sind die Umstände, die dazu beitragen, dass diese zu anerkannten Mitgliedern der aufnehmenden Gesellschaft werden, zu beachten. Dazu gehören sowohl Kenntnisse der Sprache des Einwanderungslandes, seine sozialen Regeln und Gesetze, aber auch Toleranz und Anerkennung für kulturelle Differenzen seitens der Mehrheit. Dies bedeutet Integration ist nicht nur die subjektive Entscheidung sich niederzulassen, sondern erfordert ebenso die Beseitigung von institutionellen Hürden und weiteren Hindernissen, die eine kulturell-soziale Eingliederung untergraben, wie die Abschottung gegenüber Einwanderern, Festschreibung des Ausländerstatus und ungleiche Chancen in Ausbildung und Beruf usw... Integration ist ein Prozess der wechselseitigen Anpassung und Veränderung zwischen aufnehmender und der aufzunehmenden Gruppe, wobei deren Charakter asymetrisch ist, da die Einwanderer eine weitaus größere individuelle Anpassungsleistung erbringen, wogegen die Gesellschaft mit der großen Herausforderung konfrontiert ist ihre politischen, rechtlichen und kulturellen Einrichtungen solcher Art zu transformieren, dass aus Fremden gleichberechtigte Bürger werden. Ein gänzlich anderes Integrationskonzept ist unter Assimilisation zu verstehen, wobei es sich um einen einseitigen Prozess der Angleichung der Migranten an eine andere ethnische Einheit handelt, in der sie letztlich völlig aufgehen und die eigene Identität enden sollte, was mit dem Verlust der ursprünglichen Eigenart, dem sprachlichen Übergang und dem ideologischen Bekenntnis zur Aufnahmenation verknüpft ist. Dabei werden die zu erfüllenden Standards ausschließlich von der dominanten aufnehmenden Gruppe vorgegeben um letztlich in eine generell absolute Anpassung an die gesellschaftliche Lebensweise zu münden. Zu beachten ist hierbei, dass die Forderung nach Assimilisation als Voraussetzung für Integration oft gerade das Gegenteil beabsichtigt, nämlich die Konservierung der Segregation. 2
5 Der dritte damit verbunden Begriff wäre der der Akkulturation oder Interkulturation, der die Auf- und Übernahme fremder kultureller Werte und Güter definiert ohne dass die übernehmende Gruppe das Bewusstsein seiner eigenen Art verliert. D.h. eine Entwicklung in der der Migrant gleichsam als Wanderer zwischen zwei Sozialsystemen einen Teil seines soziokulturellen Erbes behält, einen Teil an Neuen hinzu gewinnt und auch einen Bereich an gemischter Kultur entwickelt, was in einem bestimmten Grad Voraussetzung für die Akzeptanz der Zuwanderer seitens der aufnehmenden Gesellschaft darstellt. In diesem Zusammenhang ist auch noch kurz der Terminus Ethnie zu nennen, worunter die Bezeichnung für eine Gruppe zu verstehen ist, die sich betreffend das gesamte Alltagsleben umfassende Charakteristika als anders wahrnimmt und auch von ihrer Umwelt als anders wahrgenommen wird. Die Differenzierung selbst kann verschiedene Ausprägungen beinhalten, dabei kann es sich um eine unterschiedliche Sprache, spezifische das Alltagsleben der Gruppe prägende kulturelle Formen oder in ihr verankerte Wertevorstellungen handeln. 1) 2. Eine kurze Geschichte der Migration Voranzustellen ist, dass Prozesse weltweiter Arbeitsmigration kein neues Phänomen darstellen, sondern eine Folgeerscheinung globaler und regionaler Wohlstandsunterschiede sowie Ausdruck einer generellen Globalisierung sind. Denn der Weltmarkt hat neben der Globalisierung der Waren- und Finanzströme auch eine erhöhte Mobilität der Menschen erzeugt, wobei die Ursachen der Migrationsbewegungen nach den Motiven der Wanderung differenziert werden müssen. So wandern Migranten auf Arbeitssuche in entwickeltere Regionen ab, um dort eine Existenzsicherung und Zukunftsperspektiven zu finden, derer es im Ursprungsland fehlt. Als zweite Ursache ist die erzwungene Migration zu nenne, als deren Folge Flüchtlinge und Asylanten sich auf das in der Europäischen Union geltende Asylrecht berufen können. So ist seit dem Zweiten Weltkrieg eine große Anzahl von Menschen in die EU eingewandert, dabei war aber der Charakter der Zuwanderung im Laufe der Zeit von strukturellen Veränderungen beeinflusst. In den Fünfziger und Sechziger Jahren wurde von den Mitgliedstaaten aus ökonomischen Gründen der Zuzug - ohne Begleitmaßnahmen forciert, da man von einem zeitlich begrenzten Aufenthalt ausging. Dagegen erfolgte basierend auf der ökonomischen Krise der Siebziger und Achtziger Jahre ein Ende der wirtschaftlichen Migration, gleichzeitig durch Beibehaltung humanitärer Maßnahmen Stichwort Asylrecht und Familienzusammenführung vollzog sich eine Ausweitung, da durch obige Gründe die Zuwanderung im beschränkten Ausmaß erhalten blieb. Zusätzlich existierte weiterhin eine gewisse illegale Migration. 3
6 Dementsprechend präsentiert sich der Bevölkerungsanteil mit Migrationshintergrund als eine sehr heterogene Gruppe: Angeworbene Arbeitskräfte und deren Familien aus mediterranen Ländern wie Türkei, dem ehemaligen Jugoslawien und Nordafrika Einwanderer aus ehemaligen Kolonien Illegale Zuwanderer vor allem in den südeuropäischen Staaten Politische Flüchtlinge 1) Die ursprünglichen Migrationskontingente aus Italien, Spanien und Griechenland der Nachkriegszeit wurden seit den Sechziger Jahren von Jugoslawien und der Türkei abgelöst, von wo aufgrund von bilateralen Abkommen angeworbene Arbeitskräfte auf Zeit bzw. mit offener Zeitperspektive kamen. Diese Entwicklung quantitativ verstärkend wirkten Migrationsnetzwerke, Kettenwanderungen und Familiennachzug, der mit der Zunahme von Daueraufenthalten und der Verlagerung des Lebensmittelpunktes in das Zielland vor allem ab Mitte der Siebziger anstieg. Die Herkunftsregionen der Zuwanderer waren meist stark agrarisch-vorindustriell strukturiert und ärmere ländliche Gebiete. Die Entwicklung der ausländischen Bevölkerung vom Arbeitskräftereservoir zu den heutigen ethnischen Gemeinschaften basierte paradoxerweise auf den staatlichen Anwerbestops und Zuwanderungsbegrenzungen, die eine Transformation von Arbeits- zu Daueraufenthalten erzeugten und in Folge der rechtlich garantierten Familienzusammenführung und dem natürlichen Zuwachs einen Anstieg der neidergelassenen Bevölkerung bewirkte. Die erfolgten Wanderungsbeschränkungen führten u.a. auch zu einem massiven Einbruch in der verstärkten türkischen Zuwanderung, die charakteristisch für den Prozess der Gewichtsverschiebung von europäischer zu außereuropäischer Migrationsbevölkerung war. Mit dem Wandel von Arbeitsaufenthalten zu Einwandererstrukturen, die eine Rückkehr in das Herkunftsland bei Erwerbslosigkeit in ökonomischen Krisenzeiten ausschloss, bildete sich eine überdurchschnittliche Arbeitslosigkeit in der Zuwandererbevölkerung, die als großteils ethnisch-sozial geprägte Unterschicht innerhalb der Gesellschaft existiert. 2) Der Übergang von Arbeitswanderungen zu echten Einwanderungsprozessen mit Etablierung von ethischen Gemeinden bewirkte, dass die vorhanden Integrationsmechanismen nicht mehr greifen konnten und den mit den sozialen Begleitumständen und Folgeproblemen der Migration konfronteirten Wohlfahrtssystemen adäquate Lösungsmechanismen fehlten. Denn bis dahin erfolgte die Integration der Immigranten in ihrer Funktion als Arbeitskräfte über den Arbeitsplatz, in Folge der Familienzusammenführung und dem Heranwachsen einer zweiten und dritten Generation standen und stehen Fragen u.a. der Unterbringung, Bildung, Ausbildung und sozial-kulturelle Einrichtungen im Mittelpunkt. Diese Problembereiche stellen bis heute ungelöste Felder dar: So ist die Wohnsituation der zugewanderten Bevölkerung konstant schlecht, gekennzeichnet von geringem Wohnraum und in überwiegend ausländisch geprägten Wohngebieten mit geringen Kontakten zur einheimischen Bevölkerung, was die Schwierigkeiten der Integration in die Gesamtgesellschaft vermehrt. Trotz einer Verbesserung der Bildungssituation bei Menschen mit Migrationshintergrund existieren weiterhin Sprachprobleme, mangelhafte schulische Bildung und Schwierigkeiten beim Erlangen eines beruflichen Ausbildungsplatzes. 4
7 Ebenfalls erschwerend wirkt sich die große sozio-kulturelle Distanz aus insbesondere hinsichtlich Immigranten mit islamischer Religionszugehörigkeit, die von den Aufnahmegesellschaften als die fremdeste wahrgenommen werden. 3) Kurzfristig, mittel- und langfristig müssen Konzeptionen und Strategien erarbeitet werden um die Eingliederung der Migranten zu unterstützen, denn die einzige vernünftige und zukunftsweisende Politik ist die der Stabilisierung und umfassenden Integration der heutigen niedergelassenen Zuwanderer. Wobei die zu vollziehende Migrationspolitik den gesamtgesellschaftlichen Kontext zu berücksichtigen hat, unter anderem die Arbeitsmarkt-, Wirtschafts-, Kultur-, Bildungs-, Wohnungs- und Gesellschaftspolitik wie z.b. Ausbildungsprogramme und Maßnahmen zugunsten der zweiten und dritten Generation, Förderung von Vereinen und kulturellen Aktivitäten etc... Letztlich kann Europa nur gemeinsam mit den hier lebenden Immigranten an deren echter Integration arbeiten und Rahmenbedingungen schaffen, die diesen die politische, rechtliche und kulturelle Teilnahme am gesellschaftlichen Leben gleichberechtigt ermöglichen, sie dabei in ihrer Selbstverantwortlichkeit unterstützen und die kulturelle und religiöse Vielfalt zum festen Bestandteil der bürgerlichen Gesellschaft machen, zu einem verbindenden statt zu einem trennenden Element. 4) 3. Migranten in Österreich: Nach Ende des Zweiten Weltkrieges hatte Österreich zirka 6,5 Millionen Einwohner, bis zum Jahr 2001 wuchs diese Zahl auf 8,1 Millionen. In den dazwischen liegenden Jahrzehnten kamen rund 3,6 Millionen Menschen als Vertriebene, Asylsuchende, angeworbene Arbeitskräfte oder Familienangehörige nach Österreich, das für viele als Gastland, Durchreisestation aber auch als Immigrationsziel fungierte. So blieben mehr als Flüchtlinge und über Arbeitsmigranten und ihre Familien auf Dauer und viele nahmen die österreichische Staatsbürgerschaft an, wodurch sie aus den entsprechenden Statistiken aus der Kategorie Ausländer verschwanden, was die Eruierung des Bevölkerungsanteils mit Migrationshintergrund entsprechend erschwert. 1) Von den oben genannten 8,1 Millionen Einwohnern hatten ,9% ( ) den rechtlichen Status als Ausländer inne. Die diesbezüglich wichtigsten Herkunftsländer der ausländischen Bevölkerung sind das ehemalige Jugoslawien mit Personen, einem Prozentsatz von 45,3 und die Türkei mit und einem Prozentsatz von 17,9. Zwecks zahlenmäßiger Verdeutlichung der ausländischen Wohnbevölkerung in den vergangen Jahren in Österreich erfolgt für die Dekade und die geographische Verteilung eine tabellarische Darstellung: 5
8 Ausländische Wohnbevölkerung nach Staatsangehörigkeit : 2) Ex-Jugoslawien Türkei Sonstige Gesamt Anteil an der WB ,1 % ,0 % ,9 % ,6 % ,0 % ,1 % ,0 % ,3 % ,4 % ,6 % ,0 % ,3 % ,9 % ,0 % ,1 % ,8 % ,3 % ,8 % ,8 % ,0 % ,8 % ,6 % ,7 % ,0 % ,8 % ,0 % ,1 % ,0 % ,4 % ,8 % ,3 % ,3 % ,8 % ,7 % ,4 % ,3 % ,5 % ,6 % ,9 % ,4 % ,3 % ,9 % ,8 % ,9 % Ausländische Wohnbevölkerung nach Bundesländern 2001: 3) B K NÖ OÖ S ST T V W Ö Nachdem in Folge von Einbürgerungen der Zuwanderer so nahmen allein zwischen 1981 und Personen die österreichische Staatsbürgerschaft an 4) der Bevölkerungsanteil mit Migrationshintergrund statistisch verzerrt wird, erscheint es auch notwendig die Kategorie Einbürgerungen zu betrachten um eine vollständigere und realistischere Abbildung der Gesamtsituation zu erlangen: Einbürgerungen nach Staaten : 5) Gesamt Ex- Türkei EU Osteuropa Sonstige Jugoslawien
9 Entscheidend für die demographische Entwicklung Österreichs ab Beginn der Sechziger Jahre waren die Ausdehnung des nationalen Arbeitsmarktes und die Anwerbung ausländischer Arbeitskräfte. Analog zu den westeuropäischen Staaten begann man bilateral Arbeitskräfte anzuwerben verknüpft mit dem Konzept der kurzfristigen Arbeitsaufenthalte (Rotationsprinzip), die schon bald durch die Perspektive der längerfristigen Beschäftigung und endgültigen Niederlassung ersetzt wurde. Ein erstes Anwerbeabkommen erfolgte 1962 mit Spanien, ein zweites 1964 mit der Türkei und ein drittes 1966 mit Jugoslawien, in Folge nahm Ende der Sechziger und Anfang der Siebziger die Zahl der Ausländer jährlich um Personen zu und erreichte 1973 mit importierten Arbeitskräften ihren ersten Höhepunkt. Sozial und geographisch gekennzeichnet war dieser Zustrom vermehrt durch geringe Berufsqualifikation und überdurchschnittliche Abstammung aus ländlichen Gebieten. Die Phasen der ökonomischen Stagnation in den Folgejahren brachte einen deutlichen Abbau der Gastarbeiterkontingente, um ab Mitte der Achtziger erneut zu steigen und neue Arbeitsmigranten aus Jugoslawien und der Türkei anzuziehen, die zusammen 60% der Zuwanderung repräsentierten erreichte diese mit einem positiven Wanderungssaldo von plus Personen einen neuen Höhepunkt. Die jüngsten Zuwandererwellen in den darauffolgenden Jahren basierten nur zum Teil auf Nachfragefaktoren, sondern auf den Folgen der politischen Ereignisse auf dem Balkan in Form von Asylsuchenden und Kriegsflüchtlinge. Die hohen Zuwanderungsgewinne dieser Zeit ließen die Zahl der Migranten steigen, so dass nach Staatsbürgerschaft gewertet ihr Bevölkerungsanteil fast 9 % beträgt und zirka 16 % der Einwohner Österreichs außerhalb seiner Grenzen geboren wurden. Verglichen mit anderen Westeuropäischen Staaten nimmt Österreich mit diesem Anteil an der Wohnbevölkerung eine mittlerer Position ein. 6) Als langfristig problematisch erweißt sich jedoch, dass die Gruppe der Zuwanderer aus den für Österreich typischen Herkunftsländern von Arbeitsmigranten Türkei und Ex- Jugoslawien unter den rechtlichen Bedingungen der Rotationspolitik bzw. kurzfristiger Arbeitsaufenthalte auf den österreichischen Arbeitsmarkt kamen. Das heißt kurzfristige Arbeitsbewilligungen, die forcierte Rückkehr in die Heimat und ein regelmäßiger Austausch der bereits im Land tätigen ausländischen Beschäftigten durch neu Angeworbene sollten die Element dieser Politik sein. Letztlich scheiterte dieses Konzept, da von Seiten der Wirtschaft wenig Interesse an hoher Fluktuation vor allem in Zeiten der Konjunktur existierte und viele Migranten für sich und ihre Familien eine längere Perspektive in Österreich erblickten. Bezüglich dieses Prozesses erfolgte aber keiner auf eine de facto Dauereinwanderung ausgerichteter politischer Wandel des institutionellen und rechtlichen Rahmens, obwohl die enge Korrelation zwischen rechtlichen Status der Zuwanderer und dem Ausmaß der Integration bzw. Nichtintegration in die Gesellschaft evident ist. Zusätzlich entstanden eine Reihe von Problemen, die im ursprünglichen Konzept nicht vorgesehen waren wie schulische Integration, zweite Generation, Einbürgerung, Ausbildung etc..., die bis heute nicht zufriedenstellend gelöst wurden und eine gesellschaftliche Herausforderung bilden. 7) 7
10 Entsprechen der Ausrichtung der österreichischen Migrationspolitik auf reine Arbeitsmarktorientierung, förderte der Staat die Integration von Ausländern in geringen Maße als andere Einwanderungsländer und erst ab Mitte der Achtziger Jahre setzte eine Integrationspolitik ein, die eine stufenweise Gleichstellung mit Inländern in gewissen Bereichen zum Ziel hatte. Ab 1980 mit dem gesetzlichen Ende des Rotationsmodells sollte die Ausländerpolitik vom Integrationsprinzip für längerfristige Aufenthalte getragen sein wurde der Aufenthalt von Ausländern in Österreich neu geregelt, wobei richtungsgebend für die Zuwanderung die Situation am Arbeits-, Wohnungsmarkt, Schul- und Gesundheitssektor mit einbezogen wird. 8) Weiteres erfolgte eine Reform der Materie im Sinne von verbesserter Integration, die als Integrationspaket II 1997 und 1998 in Kraft trat, jedoch real keine Verbesserungen der Bedingungen und zufriedenstellenden Regelungen bewirkte. 9) Seit dem Jahr 1999 gilt außerdem ein neues Staatsbürgerschaftsrecht, in dem die Verleihung der Staatsbürgerschaft an die erfolgreiche Integration des Bewerbers in die österreichische Gesellschaft und dem Nachweis von Deutschkenntnissen geknüpft ist. 10) 4. Wien und seine Zuwanderer Ausgehend von der Genese der Migranten in Österreich in den letzten Jahrzehnten stellen die Zuwanderer der traditionellen Gastarbeiterländer Türkei und Ex- Jugoslawien die wesentlichen Zielgruppen für Integrationsmaßnahmen vor allem in den Städten insbesondere in der Bundeshauptstadt dar, wo besonders die räumliche Konzentration von Ausländern quantitative Bedeutung besitzt und größter Handlungsbedarf besteht. 1) So war und ist Wien das hauptsächliche Migrationsziel für Zuwanderer und als Folge dessen stellt es für rund 40 % Personen der in Österreich lebenden Ausländer den Lebensmittelpunkt und Wohnsitz dar. 2) Wobei die Gesamtzahl der ausländischen Wohnbevölkerung sowie ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung Wiens, der 16 % beträgt, als Konsequenz der Zuwanderungspolitik seit Jahren weitgehend unverändert blieb. Damit liegt Österreich im Vergleich europäischer Städte im Mittelfeld, vergleichbare Kommunen in Deutschland verfügen wie z.b. Berlin über einen ausländischen Bevölkerungsanteil von 12,9 %, Köln 18,8 % und München 22,6 %. 3) Aufgeschlüsselt nach Staatsbürgerschaft basierend auf den Statistiken der Volkszählung 2001 ergibt sich folgendes Bild: Zwei Nationalitäten stellen traditionell das Gros der in Wien lebenden Ausländer; Als größte Gruppe sind das die Staatsbürger der Nachfolgestaaten des ehemaligen Jugoslawien mit Personen und 44,2 %. Die zahlenmäßig zweitgrößte Migrantengruppe sind Staatsangehörige der Türkei mit Personen und 15,2 % 4) Basierend auf den Veröffentlichungen der MA 14 Bevölkerungsevidenz 2001 (wobei auf die zahlenmäßigen Schwankungen der Daten zwischen den diversen Publikationen 8
11 von MA 14, MA 66, Statistisches Jahrbuch der Stadt Wien 2002 und MigrantInnen in Wien 2002 hingewiesen werden muss) ergibt sich folgende Verteilung auf die Wiener Gemeindebezirke: 5) Ausländer/innen nach Staatsangehörigkeit und Bezirk Staatsangehörigkeit (Personen mit Hauptwohnsitz) Jahr, Jugo- Kroatien Bosnien u. Mazedonien Türkei Polen ehem. Bezirk slawien 1) Herzegowina CSFR ) dav. männl weibl
12 Ausländer/innen nach Staatsangehörigkeit und Bezirk Staatsangehörigkeit (Personen mit Hauptwohnsitz) Jahr, Ungarn Deutsch- übrige EU- Iran Sonstige Zusammen Bezirk land Staaten 2) ) dav. männl weibl ) Serbien und Montenegro. - 2) Mitgliedsstand ab ) Bereinigung anhand der Volkszählung Quelle: MA 14 - Bevölkerungsevidenz. Klein ist hingegen im Vergleich dazu die Zahl der Doppelstaatsbürgerschaften betreffend beider oben genannter Herkunftsländer: Personen sind Staatsbürger Österreichs und eines der Nachfolgestaaten Jugoslawiens. 742 Personen besitzen auch eine türkische Staatsbürgerschaft. 6) 10
13 Zur Erfassung des Migrationshintergrundes erscheint es auch wesentlich die jährlichen Einbürgerungen zu betrachten, bei denen analog zur Gruppengröße, die Zuwanderer aus den Nachfolgestaaten des ehemaligen Jugoslawiens in der Statistik 2002 mit 5028 (33,5 %) Einbürgerungen an der Spitze lagen, gefolgt von der Türkei mit Einbürgerten und zirka 31 %. 7) Bei der letzten Volkszählung 2001 wurde zum ersten Mal nicht nur die Frage nach der Staatsbürgerschaft, sondern auch nach dem Geburtsland gefragt, womit für Österreich erstmals offizielle Daten vorliegen, die Aussagen über einen eventuellen Migrationshintergrund österreichischer Staatsbürger ermöglichen. Denn bis dato bestand das Problem, dass alle Zuwanderer die im Laufe ihres Lebens die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen bekamen, in den Statistiken nicht mehr als Migranten bzw. als Menschen mit Migrationsursprung erkennbar waren, was eine Annäherung an die Gruppe der Nachkommen von Migranten, der sogenannten Zweiten Generation erschwerte. Daraus ergibt sich, dass Wien das Bundesland mit den meisten im Ausland geborenen Einwohnern und 23,6 % - ist. Von diesen kamen zirka 33 % - in Ex-Jugoslawien und 12,9 % in der Türkei zur Welt. Auf der anderen Seite wiederum haben 16,3 % der ausländischen Staatsangehörigen, die in Österreich leben, einen österreichischen Geburtsort (zweite und dritte Migrantengeneration). 8) Wie stark ausdifferenziert die Wiener Wohnbevölkerung ist zeigt sich auch daran, dass nur drei von vier Bewohnern der Stadt ausschließlich Deutsch als Umgangssprache im Zuge der Volkszählung von 2001 angaben. Am höchsten ist der Anteil, die neben Deutsch noch eine weitere Umgangssprache verwenden, unter den im Ausland geborenen ausländischen Staatsangehörigen mit 69,5 %. Auch unter den im Ausland geborenen Österreichern aber ebenso der nichtösterreichischen Staatsbürger liegt der Anteil der zweisprachigen Bevölkerung jeweils über 50 %. Konkret betrachtet liegt Serbokroatisch als Umgangssprache von Personen an der Spitze, gefolgt von Türkisch mit rund Nennungen. 9) Folgend eine statistische Auswertung der Kriterien Geburtsland und Umgangssprache, die auf Migrationshintergrund schließen lassen, und deren bezirksmäßige Gliederung: 10) Wien: Bezirke Zusammen Zusammen Geburtsland (ausgew. Staaten) 2. Österreich EU-Staaten Bosnien-Herzeg Serbien,Monten Kroatien Mazedonien Slowenien
14 9. Türkei übr.ausland Umgangssprache (in Detail;inkl.Komb.m.Deutsch) 11. Deutsch Bosnisch Kroatisch Mazedonisch Serbisch Türkisch Kurdisch andere Umgangssprache (Grundgliederung) 19. Deutsch andere Bosnisch Kroatisch Mazedonisch Serbisch Türkisch Kurdisch andere u.dt Bosnisch u.dt Kroatisch u.dt Mazedonisch u.dt Serbisch u.dt Türkisch u.dt Kurdisch u.dt
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16 Wie die obige Tabelle verdeutlicht ist die räumliche Verteilung der ausländischen Wohnbevölkerung in Wien durch eine starke Konzentration gekennzeichnet. In weniger als einem Drittel der Wiener Bezirke (Rudolfsheim-Fünfhaus, Leopoldstadt, Brigittenau, Ottakring, Margareten, Hernals, Favoriten) lebt über die Hälfte 52,3 % - der Zuwanderer. In diesen Bezirken liegt der Anteil ausländischer Staatsangehöriger bzw. von im Ausland geborenen Personen bei 20 % bzw. 30%: 11) Rudolfsheim-Fünfhaus: 29,2 % (35%) Leopoldstadt: 24,7 % (32,6) Brigittenau: 24,1 % (30%) Ottakring: 23,8 % (29%) Margareten: 23,2 % (30%) Hernals: 22,4 % 14
17 Daraus folgernd ist die Verteilung der Immigranten durch zwei Kriterien charakterisiert: 1. Durch räumliche Segregation; d.h. eine uneinheitliche Verteilung über die Teileinheiten des Stadtgebietes 2. Durch räumliche Konzentration; d.h. überproportionaler Anteil dieser spezifischen Bevölkerungsgruppe in einem Bezirk an der Gesamtbevölkerung des Bezirkes. Genauer untersucht sind vorrangig die dichtbebauten gekennzeichnet durch die abgewohnte Bausubstanz der Gründerzeit Stadtgebiete zwischen Gürtel und Stadtrand, vor allem im gürtelnahen Bereich und die dichtbebauten Stadtteile der inneren Bezirke, als auch mit geringerer Bedeutung der Stadtrand in Nähe von Industrieanlagen von Zuwanderern besiedelt. Dass das eine ungünstige Konstellation für Integrationspolitik darstellt, verdeutlichte zur historischen Erinnerung an gegenwärtige sozialdemokratische Stadtpolitik schon Otto Bauer: Die Assimilation wird desto schwerer, je mehr sich die Minderheit zusammendrängt und je mehr sie sich von den Wohnsitzen der Mehrheit räumlich scheidet. 12) Ein weiteres interessantes und wichtiges Kriterium stellt das Alter dar, denn die Altersstruktur der ausländischen Wohnbevölkerung unterscheidet sich grundlegend von jener der inländischen, da die Zuwanderer über ein deutlich jüngeres Alter verfügen. Sind 20 % der ausländischer Staatsbürger zwischen 19 und 30 Jahre alt, liegt dieser Prozentsatz bei Inländern bei 12,6 %. Auf der anderen Seite sind 23,9 % der Österreicher, aber nur 6,8 % der Migranten der Bundeshauptstadt über 60 Jahre alt. Nach Nationalitäten gegliedert ist die türkische Wohnbevölkerung die jüngste, so waren 1999 fast ein Viertel (24 %) der türkischen Staatsbürger noch im Pflichtschulalter. Bei der aus dem ehemaligen Jugoslawien stammenden Bevölkerung beträgt der Anteil der unter Fünfzehnjährigen 19,1 %. 13) Altersverteilung ausgewählter Herkunftsgruppen 2001: 14) Ex-Jugoslawien Türkei Gesamt ,4 % 5,9 % 16,2 % 27,3 % 23,5 % 7,7 % 100 % ,1 % 7,2 % 22,7 % 27,3 % 13,2 % 4,5 % 100 % Da die ausländische Wohnbevölkerung im Vergleich zur inländischen deutlich jünger ist, liegt der Anteil der ausländischen Kindern in den Wiener Schulen deutlich über dem gesamten Anteil an der Gesamtbevölkerung. Berechnet man die Zahlen der Erstsprachenerhebung des Bildungsministeriums hinzu, ergibt sich dass der Anteil der Schüler mit einer anderen Erstsprache als Deutsch deutlich höher ist als der Anteil ausländischer Schüler. In den Schulen der Stadt Wien liegt er demnach bei 38,8 % und in der Hauptschule bei 45,3 %. 15) 15
18 5. Integration als kommunalpolitisches Handlungsfeld: Bei Betrachtung der Geschichte der Migration die sich vorwiegend in den Städten konzentrierte in Österreich fällt vor allem die ausländerpolitische Untätigkeit der Kommunen auf, die die Zuwanderung von Arbeitsmigranten goutiert und deren ökonomischen Auswirkungen auf die kommunalen Finanzen gerne akzeptiert wurden, sich letztlich als Folge jedoch in den Städten so auch und vor allem insbesondere in Wien eine unterste Unterschicht aus Zuwanderern bildete, deren ethnische Abgrenzung für eine äußerst niedrige Durchlässigkeit auch für die zweite Generation sorgte. So wie auf bundespolitische Ebene die Transformation von Arbeitsmigration in de facto Zuwanderung nicht realisiert bzw. ignoriert wurde, blieben auch auf Gemeindeebene in den Bereichen der sozialen Infrastruktur, in den Bereichen Verwaltung und kommunale Dienstleistung die Migranten unberücksichtigt. Was insofern ein bedeutendes Manko bildet, da deren aktuellen Lebensbedingungen und entsprechende Probleme sowie Bedürfnisse im Wesentlichen im kommunalen Bereich existieren, ergo kann eine realisierbare Form von Integration letztlich auch nur auf dieser kommunalen Ebene eingelöst werden. Realpolitisch sind die Gemeinden in weiten Bereichen an bundesweite Rahmenbedingungen gebunden, d.h. wichtige Bereiche wie Einbürgerung-, Arbeitsmarkt-, Bildungs- und Einkommenspolitik sind ihren Kompetenzen entzogen, dennoch besitzen diese Gebietskörperschaften einen bestimmten Gestaltungsspielraum, der naturgemäß von der Finanzlage mitdefiniert wird. So verfügen die Kommunen über Kompetenzen im administrativen und intermediären Bereich, in der Frage der Umsetzung von infrastrukturellen Versorgungsfragen, wo besonders in der sozialen Infrastruktur ein großer Nachholbedarf besteht. Denn Infrastrukturangebote sollten sowohl für Inländer als auch für Migranten gelten und jenen einen Zugang ermöglichen, damit sie u.a. Orte der Begegnung sind und einen integrativen Auftrag wahrnehmen. Das kann jedoch nur funktionieren, wenn der ausländischen Bevölkerung glaubhaft gemacht wird, dass ihren spezifischen Wünschen berücksichtigt und anerkannt werden. 1) Seit Beginn der Zweiten Republik wird die Bundeshauptstadt Wien kontinuierlich sozialdemokratisch regiert, was eine dementsprechende ideologische Ausrichtung der kommunalen Integrationspolitik bedeutet. Diesbezüglich erklärt das Parteiprogramm der Sozialdemokratischen Partei Österreich im Kapitel Politische Perspektiven: soziale Demokratie leben für Mitbestimmung und integrative Politik: (9) Das Zusammenleben zwischen Minderheiten und Mehrheit erfordert die Förderung des Geistes der Toleranz und des Dialogs sowie Maßnahmen zur Förderung der gegenseitigen Achtung, des gegenseitigen Verständnisses und der Zusammenarbeit zwischen allen Menschen unabhängig von deren ethnischer, kultureller, sprachlicher oder religiöser Identität. (10) Dies schließt insbesondere unsere ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürger ein, für deren Integration im politischen Leben, auf dem Arbeits- und Wohnungsmarkt sowie im Bildungs- und Sozialsystem wir eintreten." 2) 16
19 Wesentlich detaillierter betreffend der Stadt- und Integrationspolitik formuliert der Rathausklub der SPÖ Wien seine Zielsetzung in seinem Zukunftsprogramm: Dem Zusammenleben Chancen geben: Wien hat sich in der Vergangenheit, besonders in den letzten Jahrzehnten, als eine offene Stadt profiliert, die den Menschen entweder eine sichere Zwischenstation auf ihrem Weg in die Freiheit war, oder sie sogar - in wirtschaftlich schlechteren Zeiten als heute - ohne große Probleme aufgenommen und ihnen neue Lebenschancen eröffnet hat. Zuwanderung in Städte ist, wie in allen anderen großen Metropolen, die Normalität, nicht die Ausnahme. Was Wien von anderen Städten unterscheidet, ist das Bekenntnis zur Integration der ZuwanderInnen in die Gesellschaft. Nicht die Frage ob, sondern wie das Zusammenleben von alten und neuen BürgerInnen funktionieren soll, ist die Maxime sozialdemokratischer Integrationspolitik. Die SozialdemokratInnen sind überzeugt, daß das Miteinander allen Bevölkerungsgruppen zugute kommt, während Intoleranz, Ausgrenzung und Hetze ebenso allen schaden. Maßnahmen der Integrationspolitik richten sich daher nie nur an eine bestimmte Gruppe, sondern an alle, da es immer um die Verbesserung der Rahmenbedingungen aller Menschen geht. Integration fußt daher auf der Sozialpolitik, der Wohnungspolitik, der Bildungspolitik oder der Demokratiepolitik. Viele Konflikte im Zusammenleben zwischen ZuwanderInnen und ÖsterreicherInnen sind soziale Konflikte, etwa um knappen Wohnraum oder schlecht bezahlte Arbeitsplätze. Integrationspolitik kann nur erfolgreich sein, wenn sie an diesen konkreten Problemfeldern ansetzt und Rahmenbedingungen schafft, die die Lebensbedingungen ALLER benachteiligten Menschen verbessern. Dazu braucht es auch die entsprechenden Instrumente, über die Wien mit dem Wiener Integrationsfonds verfügt. Die Schwerpunkte der Integrationsarbeit in Wien sind: Bildung: Eine gemeinsame Sprache ist eine der wichtigsten Voraussetzungen für das Zusammenleben im Alltag, aber auch für das Wahrnehmen individueller Lebenschancen. Die Stadt wird daher das Angebot an ZuwanderInnen, kostengünstige Deutschkurse zu besuchen (Sprachoffensive), ausbauen und weiterentwickeln. Dabei werden weiterhin Kurse für Frauen mit Kinderbetreuungspflichten angeboten. Wichtig sind weiters die BegleitlehrerInnen für Kinder mit nicht-deutscher Muttersprache an den Schulen, Vorbereitungsgruppen für MigrantInnen-Kinder vor dem Schuleintritt und Maßnahmen im Bereich der Wiener Kindergärten. Auch die Unterstützung Jugendlicher, insbesondere der jungen Frauen der 2. und 3. Generation, bei der Berufswahl ist wichtig. Wohnen: Im Bereich des Wohnens sollen weiterhin Maßnahmen der Stadterneuerung, des MieterInnenschutzes und des integrativen Wohnens allen Bevölkerungsgruppen zugute kommen. Neben dem schon bestehenden und immer stärker genutzten Zugang von ZuwanderInnen zum geförderten Wohnbau von 17
20 gemeinnützigen und gewerblichen Bauträgern sollen auch zukünftig Integrationswohnprojekte für In- und AusländerInnen im Bereich der Genossenschaftswohnungen gefördert und auf den Gemeindewohnungsneubau ausgedehnt werden. Voraussetzung für den Bezug einer Integrationsgemeindewohnung soll ein mindestens 8-jähriger legaler Aufenthalt in Österreich sein. Erste Pilotprojekte für integratives Wohnen werden im Gemeindebau fortgesetzt und ausgebaut. Jugend: Die Jugendlichen der 2. und 3. MigrantInnengeneration leben häufig zwischen zwei Kulturen. Das sehen die SozialdemokratInnen nicht als Problem, sondern als Chance und gute Voraussetzung, mit dieser interkulturellen Kompetenz auf dem Arbeitsmarkt und in der Wirtschaft einen wichtigen Beitrag zu leisten, insbesonders angesichts der EU-Erweiterung. Immer mehr MigrantInnen-Kinder entscheiden sich für den Besuch höherer Schulen und zeigen ihr Interesse an Ausbildung, an einer Zukunft in Wien. Die SozialdemokratInnen bekennen sich dazu, junge Menschen der 2. und 3. Generation gezielt bei der Entwicklung ihrer interkulturellen Kompetenzen zu unterstützen. Frauen: Frauenrechte sind Menschenrechte. Die SozialdemokratInnen wollen weiterhin Zuwanderinnen bei der Wahrnehmung ihrer Lebenschancen unterstützen: durch Deutschkurse, Bildungsangebote, den Zugang zum Gesundheitssystem, und nicht zuletzt durch die Sicherung von spezifischen Beratungsstellen für Migrantinnen. Gerade für Migrantinnen ist der Grundsatz Wer hier lebt, soll auch hier arbeiten dürfen eine wichtige Voraussetzung zur Befreiung aus Abhängigkeitsverhältnissen. Partizipation: Für nichtösterreichische MitbürgerInnen mit Aufenthaltsverfestigung soll nach 8 Jahren legalem Aufenthalt auf Bezirksebene (für die Bezirksvertretungswahlen) das aktive und passive Wahlrecht eingeführt werden. Neben dem Wahlrecht streben die SozialdemokratInnen die Einrichtung von ZuwanderInnenbeiräten als Interessenvertretung sowie Initiativen zur Unterstützung von Kindern und Eltern aus MigrantInnenfamilien, sich aktiv an der Schuldemokratie zu beteiligen (SchülerInnenvertreterInnen, Elternvereine), an. Mehr Partizipation für ZuwanderInnen soll auch durch die gezielte Einbindung bei Grätzlplanungen, BürgerInnenbeteilungsverfahren, Planungszellen und anderen Initiativen, bei denen es um die Mitsprache und Mitbestimmung vor Ort geht, erzielt werden. Das für den Bereich der Wiener Stadtverwaltung bereits geltende passive Wahlrecht zum Betriebsrat für ausländische ArbeitnehmerInnen soll auch in der Privatwirtschaft umgesetzt werden. Antidiskriminierung, Antirassismus: Die Stadt soll klare Signale für ein friedliches Zusammenleben setzen. Wien soll eine Stadt sein, in der sich alle zu Hause fühlen, egal woher sie gekommen sind. Die SozialdemokratInnen schlagen eine Charta für das Miteinander in Wien vor, mit der ein deutliches Zeichen für Toleranz verschiedener Kulturen, gegen Rassismus und Diskriminierung gesetzt wird. Darüber hinaus werden die Modellprojekte für das Miteinander, gegen Ausgrenzung im Schulbereich, in der Verwaltung oder in der Privatwirtschaft, unterstützt und durch einen Preis der Stadt jährlich ausgezeichnet. 3) 18
21 Denn um den Aufsatz von Hannes Swoboda in Zukunft Stadt zu zitieren: Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass die Minderheitenpolitik, die Politik gegenüber Ausländern der Prüfstein der Kommunalpolitik, der städtischen Politik überhaupt ist. Dazu ist zu sagen, dass Städte immer auch von Zuwanderern leben. Größere Städte wie Wien sind ohne sie nicht denkbar. 4) Gerade eine Sozialdemokratie muss durch ihre Kulturpolitik [...] Internationalität in den Vordergrund rücken. Sie muss diese soziale, solidarische Aufgabe und Kulturpolitik bis in die Bezirke hinaus in den Vordergrund stellen und fördern. Das ist das sozialdemokratische Element nicht nur in der Kulturpolitik, sondern auch bei der Solidarität, und dabei geht es nicht so sehr um einzelne Maßnahmen [...] es geht um das, was wir in Wien ganz gut erreicht haben: Signale zu setzen. Es geht um eine Besetzung der Öffentlichkeit, es geht um das Gefühl, das die Menschen haben, die sich vernachlässigt vorkommen. Sie müssen sich wieder ganz geborgen fühlen und in ihrem Bereich auch eine gewisse Heimat erhalten. 5) Um dieses Gefühl von Heimat und Akzeptanz zu fördern, befassen sich sechs der hundert Projekte für die Zukunft Wiens unter dem Titel Weltoffenes Wien mit dem Miteinander der Kulturen: "Wien hat sich in der Vergangenheit, besonders in den letzten Jahrzehnten, als eine offene Stadt profiliert, die den Menschen entweder eine sichere Zwischenstation auf ihrem Weg in die Freiheit war, oder sie sogar - in wirtschaftlich schlechteren Zeiten als heute - ohne große Probleme aufgenommen und ihnen neue Lebenschancen eröffnet hat. Zuwanderung in Städte ist, wie in allen anderen großen Metropolen, die Normalität, nicht die Ausnahme. Was Wien von anderen Städten unterscheidet, ist das Bekenntnis zur Integration der ZuwanderInnen in unsere Gesellschaft. Es geht dabei nicht um die Frage OB, sondern WIE das Zusammenleben von alten und neuen BürgerInnen funktionieren soll. Dementsprechend lautet die Maxime der Wiener Integrationspolitik: nur ein gedeihliches Miteinander, ein aktives Aufeinanderzugehen, kommt allen Bevölkerungsgruppen zugute, während andererseits Intoleranz, Ausgrenzung und Hetze immer allen nur schaden. Für die Stadtverwaltung bedeutet das zum einen eine Stärkung der interkulturellen Kompetenzen auf Ebene der MitarbeiterInnen, zum anderen die gezielte Förderung von MigrantInnen in der Stadtverwaltung. Allgemeine Beratungs- und Sozialleistungen, die allen Menschen, die in Wien leben, offen stehen, sollen als selbstverständlicher Bestandteil der Stadtverwaltung in den jeweils zuständigen Geschäftsfeldern (z.b. Wohnen, Jugend, Soziales, Frauen) mit der dazu erforderlichen sprachlichen und (inter-)kulturellen Kompetenz besorgt werden. Die Schwerpunkte der Integrationsarbeit in Wien werden sein: 76 Sprach- und Bildungsoffensive für MigrantInnen Die Stadt wird das Angebot an ZuwanderInnen, kostengünstige Deutschkurse zu besuchen (Sprachoffensive), ausbauen und weiterentwickeln. Dabei werden 19
22 weiterhin Kurse für Frauen mit Kinderbetreuungspflichten angeboten. Wichtig sind zudem die BegleitlehrerInnen und Vorbereitungsgruppen für alle Kinder mit Kommunikations- und Sprachproblemen sowie Maßnahmen zur Elternkontaktnahme und betreuung im Schul- und Kindergartenbereich. 77 Der 2. und 3. Generation eine Chance Die Jugendlichen der 2. und 3. MigrantInnengeneration leben zwischen zwei Kulturen, was Chance und gute Voraussetzung ist, mit dieser interkulturellen Sprachkompetenz auf dem Arbeitsmarkt und in der Wirtschaft einen wichtigen Beitrag zu leisten, insbesondere angesichts der EU-Erweiterung. Sie sollen daher weiter zum Besuch höherer Schulen angeregt und bei der Berufswahl beraten werden. Das gilt insbesondere für die Förderung von Mädchen, die bei der Wahl eines zukunftssicheren Berufes unterstützt werden müssen. Die Forderung nach der DoppelstaatsbürgerInnenschaft für Jugendliche der 2. und 3. Generation wird aufrechterhalten. Sie soll einerseits die rechtliche Situation der Jugendlichen verbessern, andererseits auch in einer für alle Jugendlichen meist schwierigen Lebensphase ein deutliches Signal der Aufnahmegesellschaft setzen, mit dem klar gemacht wird, daß sie hier willkommen sind, und so auch eine emotionale Erleichterung bieten. 78 Alle Frauen haben ein Recht auf Eigenständigkeit Die Stadt wird weiterhin Zuwanderinnen bei der Wahrnehmung ihrer Lebenschancen unterstützen: durch anforderungsorientierte Deutschkurse und Bildungsangebote, den wenn erforderlich begleiteten - Zugang zum Gesundheitssystem, und nicht zuletzt durch die Sicherung von spezifischen Beratungsstellen für Migrantinnen. Es müssen vor allem die gesetzlichen Rahmenbedingungen, die Zuwanderinnen häufig vom Aufenthaltsstatus ihrer Ehepartner abhängig machen und von der Teilnahme am Erwerbsprozeß ausschließen, durch eine Harmonisierung von Aufenthaltsrecht und Beschäftigungsgesetz beseitigt werden. Einen besonderen Schwerpunkt der Integrationspolitik bilden junge Migrantinnen, die besonders bei der Wahl eines zukunftssicheren Berufes unterstützt werden sollen. 79 Integratives Wohnen fördern Im Bereich des Wohnens sollen weiterhin Maßnahmen der Stadterneuerung, des MieterInnenschutzes und des integrativen Wohnens allen Bevölkerungsgruppen zugute kommen. Neben dem schon bestehenden und immer stärker genutzten Zugang von ZuwanderInnen zum geförderten Wohnbau von gemeinnützigen und gewerblichen Bauträgern sollen auch zukünftig Integrationswohnprojekte für Inund AusländerInnen im Bereich der Genossenschaftswohnungen gefördert und auf den Gemeindewohnungsneubau ausgedehnt werden. Voraussetzung für den Bezug einer Integrationsgemeindewohnung soll ein mindestens 5-jähriger legaler Aufenthalt in Österreich sein. Erste Pilotprojekte für integratives Wohnen werden im Gemeindebau fortgesetzt und ausgebaut. 20
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