Mobile Arbeit gesund gestalten Herausforderungen für den Arbeits- und Gesundheitsschutz
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- Katharina Siegel
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1 Mobile Arbeit gesund gestalten Herausforderungen für den Arbeits- und Gesundheitsschutz Dr. Gerlinde Vogl Universität Oldenburg Folie 1
2 Agenda 1. Warum ist mobile Arbeit derzeit so ein Thema? 2. Was ist mobile Arbeit? 3. Mobile Arbeit gute Arbeit? 4. Welche Formen von Leistungssteuerung braucht mobile Arbeit? 5. Welche Herausforderungen ergeben sich daraus für den Arbeits- und Gesundheitsschutz? 6. Das Forschungsprojekt prentimo präventionsorientierte Gestaltung mobiler Arbeit Folie 2
3 1. Warum über mobile Arbeit reden? Folie 3
4 modern society is a society on the move (Urry 1994). Der moderne Kapitalismus ist undenkbar ohne physische Mobilität (Sennett, 2007). Das Bedürfnis nach einem stets ausgedehnteren Absatz für ihre Produkte jagt die Bourgeoisie über die ganze Erdkugel (Marx/Engels 1848). Folie 4
5 Mobile Arbeit im Aufwind Mobiles Arbeiten wird Normalität in Unternehmen, zumindest für weite Teile der Belegschaft. ( ) Zukünftig sind kaum noch Berufe vorstellbar, in denen die Mobilität nicht Einzug hält (Prümper 2016, 57). Folie 5
6 Jeder fünfte Erwerbstätige ist derzeit aus beruflichen Gründen mobil. Immer mehr Berufsgruppen werden mobil Neuerdings reisen auch Handwerker ins Ausland. Jetzt kommt es aber immer häufiger vor, dass auch Tarifmitarbeiter z.b. eine Dienstreise nach China machen müssen, um dort die Handwerker, die wir vor Ort rekrutieren, einzuarbeiten und anzuleiten. Vom Incentive zur Selbstverständlichkeit Dass eine Dienstreise ein Privileg ist, das auch was mit Anerkennung zu tun hat, also dieses Bild kann man als vergangen bezeichnen. Mobilität wird zum Imperativ: Sei mobil! Die Bereitschaft zu Mobilität wird unhinterfragt vorausgesetzt Nichtbereitschaft zu Mobilität wird zunehmend negativ sanktioniert Managen von Mobilität(sanforderungen) wird individualisiert Mobilität als (unsichtbare) Leistung on top Folie 6
7 2. Was ist mobile Arbeit? Folie 7
8 Formen mobiler Arbeit Mobilität der Arbeitsinhalte Reine Tele(heim)arbeit Alternierende Telearbeit Virtuell vernetzte Projektarbeit Mobilität der Beschäftigten Beruflich veranlasste räumliche Mobilität Arbeit beim Kunden bzw. an verschiedenen Standorten Dienstreisen Mobile Telearbeit Arbeiten unterwegs im Hotel, im Zug, in der Lobby, Quelle: Vogl/Nies 2013: 15 auf dem Weg zum Kunden, etc. Folie 8
9 Mobile Arbeit Mobilität von Menschen und Daten Mobilität gehört zur Erledigung der Arbeitsaufgabe ( verordnete Mobilität ) Mobiles Arbeiten bedingt räumliche Mobilität (z.b. Dienstreisen) Mobile Arbeit ist orts- und zeitflexible Arbeit, d.h. sie findet an mehreren Orten (z.b. beim Kunden oder unterwegs) oftmals außerhalb der regulären Arbeitszeit statt Nutzung mobiler Endgeräte (Smartphone, Handy, Laptop) Werner Bachmeier 9
10 3. Mobile Arbeit = Gute Arbeit? Folie 10
11 Mobile Arbeit - gute Arbeit? hoher Autonomie in der Arbeit und selbstbestimmtem Arbeiten. Keine direkte Kontrolle höhere Handlungs- und Entscheidungsspielräume, Hohe Anforderungen an Selbstmanagement Projektorientierung: Vom Zeitraum zum Zeitpunkt (Termine, Meilensteine bestimmen den Umfang Arbeitszeit) Entgrenzung von Arbeit und Leben (verstärkt durch räumliche Mobilität) Folie 11
12 Ergebnisse einer Mitarbeiterbefragung (IT Unternehmen) Gründe beruflich gern unterwegs zu sein Gründe beruflich nicht gern unterwegs zu sein Auszeit vom Alltag/abwechslungsreich weniger Zeit für Familie/Kinder guter/direkter Kundenkontakt andere Leute/Städte/Unternehmen kennenlernen neue Erfahrungen/Ideen/Prozesse Networking/Kommunikation spannend/herausfordernd Übernachtungen weniger Freizeit durch Fahrzeiten geht Zeit verloren Privatleben leidet andere Aufgaben kommen zu kurz andere* 0% 20% 40% 60% 80% 100% * u. a. praktische Anwendung, Wertschätzung durch Kunden andere* 0% 20% 40% 60% 80% 100% * u. a. stressig (abhängig von Hotel, Entfernung von Wohnort) Folie 12
13 Mobilitätsbedingte Belastungen Belastungen durch Verkehr (Stau, Verspätung, Jet-lag) Belastung durch geringe Autonomie: Wie stark durchgetaktet sind Aufgaben und Termine? Selbst geplante Reisen sind weniger belastend. Belastung durch Rationalisierung Zunahme von beruflicher Reisetätigkeit führt zu erhöhter Rationalisierung: Der Anteil der Holzklassereisenden nimmt zu. Verdichtung von Reisen (mehr Termine, kürzere Reisen) Belastungen durch unpassende Arbeitsmittel und -umgebung: Mobile Endgeräte wie Laptop, Smartphone usw. sind nicht für eine Dauernutzung geeignet Arbeit im öffentlichen Raum ist selten ergonomisch Folie 13
14 Raum-zeitliche Dimensionen mobiler Arbeit Unterwegssein Vor Ort sein Weg-sein Zurück sein Folie 14
15 Radikalisierte Entgrenzung mobil Beschäftigte stehen vor der Aufgabe, berufsbedingte Mobilität mit dem Privatleben zu vereinbaren die Abwesenheiten führen auch zu einem Konflikt innerhalb der Arbeit: am Arbeitsplatz bleibt Arbeit liegen, der wiederum auf das Verhältnis von Arbeit und Privatleben wirkt. Folge ist eine radikalisierte Entgrenzung sowohl auf der Arbeitsebene selbst, als auch in Bezug auf das Verhältnis von Arbeit und Leben. Im Ergebnis wird die private Zeit zur Verhandlungsmasse als Zeitpuffer bzw. Ressource zur Lösung arbeitsbedingter Konflikte. Folie 15
16 4. Wie lässt sich mobile Arbeit am besten steuern? Folie 16
17 Steuerung von Arbeit und Leistung über räumliche Distanzen hinweg Problem: keine Kontrolle, keine direkten Anweisungen möglich, situatives Arbeitshandeln ( ) Lösung: Wandel von direkter (command and control) zu indirekter Steuerung 1. Führung durch Ziele (Management by Objectives) mittels Zielvereinbarungen 2. Beschäftigter trägt Verantwortung sowohl für die Qualität seiner Arbeit als auch für den Unternehmenserfolg 3. An die Stelle der Leistung tritt der Erfolg Folge: Mobilität sind ein notwendiger, aber zusätzlicher Aufwand, der oftmals individuell austariert wird. Folie 17
18 Folgen und Nebenwirkungen indirekter Steuerung: Interessierte Selbstgefährdung Interessierter Selbstgefährdung meint ein Verhalten, bei dem man sich selbst dabei zusieht, wie das persönliche Arbeitshandeln die eigene Gesundheit gefährdet aus einem Interesse am beruflichen Erfolg heraus (Peters 2011, Krause u.a. 2012). Repräsentative Untersuchung von Chevalier/Kaluza (2015): Selbstgefährdendes Verhalten tritt als Folge indirekter Steuerung auf. Neue psychische Belastungen durch indirekte Steuerung Konflikt zwischen fachlichem und unternehmerischem Gewissen Innere Zerrissenheit: Konflikte die ich früher mit jemand anders hatte, habe ich nun mit mir selbst selbst schuld am zunehmenden Leistungsdruck Gruppendruck: Gefühl von Vereinzelung und individuellem Versagen Konflikt mit lebensweltlichen Anforderungen (Work-life-Balance) Folie 18
19 Mitarbeiterbefragung Ergebnisse im Überblick Bild von algotruneman Ressourcen Information & Mitsprache Vielseitigkeit & Handlungsspielraum Unternehmensprozesse Fairness Arbeit im Team Betriebliche Leistungen Führung & Wertschätzung Arbeit mit Kunden Belastungen *keine Unterschiede zwischen mobilen und nicht-mobilen Mitarbeitenden; mobil/nicht-mobil Qualitative Belastungen Quantitative Belastungen Unterbrechungen Umgebungsbedingungen Arbeitszeitbelastung Zielvereinbarungen mobil nichtmobil Beeinträchtigungen Erleben der Mobilität Verlängerung der Arbeitszeit Burnout Vereinbarkeit Beruf und Privatleben Psychische Beschwerden Körperliche Beschwerden Arbeitsfreude & Arbeitszufriedenheit mobil nichtmobil Folie 19
20 5. Herausforderungen für den Arbeitsund GesundheitsschutzFolie 20
21 Herausforderungen im Arbeits- und Gesundheitsschutz (1) Regulierungsdefizit: Normen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes gelten nicht oder nur eingeschränkt bei mobiler Arbeit. Interventionsdefizit: Gefährdungsbeurteilungen erstrecken sich in der Praxis meist nicht auf die psychischen und physischen Belastungen aus der Mobilität. Kontrolldefizit: Die Einhaltung gesetzlicher Regelungen (soweit sie überhaupt gelten) zu mobiler Arbeit sind schwer zu kontrollieren. Arbeit wird außerhalb des Betriebs erbracht, von daher für Arbeitsschützer und Interessenvertretung kaum mehr kontrollierbar. Indirekte Steuerung: viele Beschäftigte sehen sich in einer Zwickmühle: um den Erfolg nicht zu gefährden gerät die eigene Gesundheit ins Hintertreffen. (Stichwort Präsentismus, Ausdehnung Arbeitszeit, usw. ) Folie 21
22 Herausforderungen im Arbeits- und Gesundheitsschutz (2) Interessierte Selbstgefährdung: Erfolgsorientierung birgt die das Risiko einer interessierten Selbstgefährdung, bei der Beschäftigte eigenmotiviert Reisezeiten verdichten, private Ressourcen aufbringen und Arbeitszeiten ausweiten, mit negativen Auswirkungen auf die Gesundheit. Regelungen und Vereinbarungen zum Gesundheitsschutz werden ignoriert und unterlaufen. Individualisierung des Gesundheitsschutzes: Der Arbeits- und Gesundheitsschutz wird den Beschäftigten überantwortet. Das Arbeitsschutzgesetz, das den Arbeitgeber verpflichtet, für die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten zu sorgen, verliert an praktischer Bedeutung. Beschäftigte werden selbst für die Einhaltung von Arbeitszeitgrenzen und von Pausen oder für die Beachtung ergonomischer Regeln verantwortlich gemacht. Beteiligung: Notwendigkeit eines beteiligungsorientierten Ansatzes bei der Gestaltung mobiler Arbeit. Folie 22
23 6. Das Forschungsprojkt prentimo
24 Prentimo präventionsorientierte Gestaltung mobiler Arbeit Personalmanagement Arbeitsgestaltung Mobile Arbeit gesund gestalten Gesundheitsförderung Kompetenzentwicklung gefördert vom Folie 24
25 Vielen Dank! Kontakt: Dr. Gerlinde Vogl 25
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