Mit Tomas auf dem Weg*
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- Friedrich Schuler
- vor 6 Jahren
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1 Benedikt Schwank Mit Tomas auf dem Weg* Liebe Brüder und Schwestern, geht es Ihnen nicht auch manchmal so: Ich frage mich mitunter: Machst du überhaupt noch Fortschritte? Oder geht es nur abwärts, nicht nur äußerlich, sondern auch innerlich? Im Evangelium, das wir soeben gehört haben, hat der vorher zweifelnde Tomas zum Glauben gefunden und ruft staunend aus: Mein Herr und mein Gott! (Joh 20,28). Werde ich auch in meinem Leben einmal zu einem so festen Glauben finden können? Tomas war lange auf der Suche nach dem richtigen Weg, bis er zu diesem glücklichen Augenblick fand, in dem er fest glauben konnte. Dabei war er keineswegs nur ein Zweifler. Er war auch der Suchende, der allerdings dazu neigte, skeptisch zu sein. An drei Stellen im Johannesevangelium wird uns dieser Charakter des Tomas 1 geschildert. Und diese drei Stellen möchte ich heute mit Ihnen betrachten. Immer geht es da um einen Weg. I. Das erste Mal geht es um den Weg Jesu hinauf nach Jerusalem (Joh 11,16), das heißt zurück in die Gegend, die er verlassen hatte, weil man ihn dort festnehmen wollte. Er hatte sich zurückgezogen in die Gegend jenseits des Jordan, wo Johannes einst getauft hatte. Dort kamen nun aber Boten aus Betanien an mit der Nachricht, sein Freund Lazarus liege sterbenskrank danieder. Ganz nebenbei erfahren wir da etwas Schönes und Menschliches über den Charakter Jesu; der Evangelist erklärt uns: Jesus liebte nämlich die Marta, ihre Schwester Maria und den Lazarus (Joh 11,5). Als sich daher Jesus entschließt wieder zurück ins feindliche Judäa zu gehen, warnen ihn seine Jünger: Rabbi, dort will man dich doch steinigen! Jesus bleibt bei seinem Entschluss. Da meldet sich erstmals Tomas. Auch für ihn ist Jesus zwar nicht mehr zu verstehen. Sehr skeptisch denkt er: Hat das denn einen Sinn für einen kranken Freund das Leben zu riskieren? Doch 1 Tomas ist die griechische Umschrift des aramäischen tumâ. Übersetzt bedeutet das auf griechisch dídymos, auf deutsch Zwilling. Daneben gibt es den Namen Thomas, der vom griechischen Wort thaumásios d.h. Wunderbarer! gebildet st. 1
2 dann sagt er - fast fatalistisch - zu den anderen Jüngern: Gehen wir eben auch, damit wir zusammen mit ihm sterben (Joh 11,16). Auch bei uns, liebe Schwestern und Brüder, können Stunden kommen, in denen wir merken: Bisher habe ich mich eigentlich noch gar nicht richtig für den christlichen Glauben entschieden, sondern ihn fast eher so dahin gelebt. So ähnlich ging es wohl auch Tomas und den anderen Jünger: Sie waren zunächst einfach mit Jesus mitgegangen doch nun standen sie vor einer echten Entscheidung: Denn wer sich entscheidet, von Jericho aus nach Jerusalem heraufzugehen, der weiß: Dieser Weg ist steil und mühsam. Und man kann nicht umkehren, denn der Weg führt mitten durch die Wüste, und am Ende warten Leid und Tod. Welchen Sinn macht es, sich für diesen anstrengenden und leidvollen Weg zu entscheiden? Warum sollten wir das tun? Das fragen wir uns heute wohl ebenso wie die Jünger damals. Und auch uns heute kann der Apostel Tomas neuen Mut machen: Denn obwohl auch er den Sinn dieses Weges nicht versteht, ruft er uns dennoch zu: Nur weiter! Wir sind ja nicht allein, der Meister geht ja voraus auf diesem Weg II. Auch beim letzten Abendmahl beschäftigt diesen Tomas die Frage nach dem richtigen Weg. Jesus hatte davon gesprochen, dass er zum Vater gehe, um dort einen Platz für uns vorzubereiten und dass wir den Weg dorthin kennen (vgl. Joh 14,2). Ganz nüchtern, fast misstrauisch fragt da Tomas: Herr, wir wissen nicht, wohin du gehst. Wie sollen wir dann den Weg kennen? Durch diese Frage hat uns Tomas Jesu richtungsweisende Antwort erwirkt: Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben (Joh 14,5-6). Bei diesem Weg geht es jetzt nicht mehr um einen Weg zwischen zwei Orten, wie bei der Straße von Jericho hinauf Richtung Jerusalem. Eher geht es in der Antwort Jesu um den rechten Lebensweg, also um das Tun des Guten; das ist nämlich auch gemeint mit dem Wort, das folgt: Wahrheit. Denn im biblischen Sinn ist damit keine philosophische Definition gemeint; die Wahrheit, das ist ein guter Lebenswandel, vor allem jene Gottes- und Nächstenliebe, die uns belebt, und mit der Gottes Leben in uns selbst beginnt (vgl. 1 Joh 3,14). Deshalb nennt Jesus in der Antwort an Tomas diese drei zusammengehörenden Worte:; er sei der Weg und die Wahrheit und das Leben. 2
3 Tomas hat damals noch nicht verstanden, wieso Jesus hinzufügen konnte: Niemand kommt zum Vater außer durch mich. Damals war er noch unterwegs, er wandert noch und sucht. Und er kennt das Ziel noch nicht so gut, dass er merken könnte: Dieser Herr das ist ja wirklich selbst der Weg. Auch wir, liebe Schwestern und Brüder, sind noch wie Tomas unterwegs. Und da ist es am vernünftigsten, wie er vorerst weiterzumachen, so gut wir eben können. III. Unser vorsichtiger Tomas wollte sich selbst nach der Auferstehung des Herrn noch nicht festlegen lassen. Das ist die dritte Stelle, an der Tomas im Johannesevangelium genannt wird, nämlich im heute vorgelesenen Abschnitt. In der Liturgie wird dieser Text jedes Jahr am Oktavtag von Ostern, also heute, vorgelesen; denn ausdrücklich wird darin gesagt, dass sich die zweite Erscheinung im Jüngerkreis acht Tage danach abgespielt habe (Joh 20,26). Bei der ersten Erscheinung war Tomas nicht dabei gewesen, und der Versicherung der anderen, der Herr sei nicht tot, sie hätten ihn als Lebenden gesehen, - der will er keinen Glauben schenken. Tomas steht auch jetzt, ganz wie es zu ihm schon immer passte, ihren Worten skeptisch gegenüber. Und da stellt er eine geradezu groteske oder, wenn wir uns eine große offene Wunde vorstellen, eine grausame Forderung. Er würde, so sagt er zu den andern, erst glauben, wenn er Finger und Hand in die Wunden des Gekreuzigten legen könnte. Dabei war es doch gar nicht selbstverständlich, dass auch die Erscheinung eines Auferstandenen noch die Wunden des Sterbenden trägt. Doch im Evangelium geht es gerade darum das klar erkennbar werden zu lassen. Nebenbei bemerkt: Uns heute erscheint es zunächst gar nicht überraschend, dass der Auferstandene noch die Wunden des Sterbenden trägt. Doch wie oft gehen auch wir eher davon aus, dieses Leid sei dann doch vergangen. Gerade die Forderung des Tomas im heutigen Evangelium macht deutlich, dass die Wunden des irdischen Lebens zu dem gehören, was einen Menschen ausmacht, und damit auch zum unvergänglichen, ewigen Leben gehören. Doch sie schmerzen dann nicht mehr, eher sind die Wundmale dann Narben nach siegreichem Kampf. Jesus steht also am Oktavtag wieder in ihrer Mitte und grüßt: Friede euch! Ohne dass ihm jemand das gesagt hätte, weiß er, was Tomas, was der Jünger vom Meister fast überheblich gefordert hatte. 3
4 Aber Jesus tadelt ihn nicht. Im Gegenteil, er lädt ihn ein, seine Wunden zu betasten. Tomas ist von dieser göttlichen Herzenskenntnis überwältigt. Vom Hineinlangen in blutige Wunden ist im Folgenden gar nicht mehr die Rede, nur noch vom Sehen und Glauben. Tomas stammelt: Mein Herr und mein Gott! (Joh 20,28). Und Jesus antwortet: Weil du mich gesehen hast, glaubst du. Und dann die Feststellung, die Tomas nicht erfüllt hatte, als die anderen Jünger ihm den lebenden Herrn bezeugten. Um so mehr gilt dieser Nachsatz heute uns, die im Evangelium das apostolische Zeugnis gehört haben: Selig sind, die nicht sehen und doch glauben. Jetzt ist Tomas bei jenem Vater angekommen, zu dem niemand kommt, außer durch Jesus; denn in ihm ist auch schon der Vater sichtbar (vgl. Joh 14,10). Der kritische Tomas ist auf der Suche nach Gott, auf der Suche nach dem Weg zu Gott, glaubend bei dem angekommen, der vorher schon selbst der Weg war, auf dem Tomas zum Herrn unterwegs war. Liebe Schwestern und Brüder, auch wir sind noch unterwegs, und auch wir sind damit zugleich auch schon auf dem Weg zum Vater, ja vielleicht sind wir bereits bei ihm, auch wenn wir es selbst noch nicht erkannt haben; denn, wie der Apostel Tomas, möchten wir ihm ja folgen und bitten ihn, uns den richtigen Weg zu zeigen, was eben bedeutet: unseren je eigenen, je unterschiedlichen Lebensweg in seiner Nachfolge zu finden. Die Gemeinschaft derer, die lebten wie Jesus, wurde am Anfang der Weg genannt. Man hätte sie, um sie zu unterscheiden von anderen Gruppen, etwa den Essenern,, Pharisäern oder Herodianern, an sich auch Jesuaner nennen können, wie man sie viele Jahre später in Antiochia am Orontes Christianer (griechisch Christianói ), Christen genannt hat (vgl. Apg 13 ) so, wie es sich schließlich durchgesetzt hat und wie wir uns ja heute nennen. Doch sie sagten: Wir sind der Weg (vgl. Apg 9,2; 19,9). Denn indem sie der Lehre und dem Leben Jesu folgten, versuchten sie ihm nachzufolgen auf seinem Weg, das Gute zu tun. Als der Weg waren sie die Gemeinschaft, in der jener lebendig war, der von sich gesagt hatte: Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben. Mit diesem Jesus waren sie unterwegs. Zu Beginn hatten wir uns gefragt, wie das mit den eigenen Fortschritten ist. Auch ich fragte mich: Wie steht das mit Fortschritten auf meinem Lebensweg? Bei Tomas konnten wir alle lernen: Ich selbst kann lediglich nach dem Weg suchen. Der Herr selbst muss mir 4
5 helfen ihn zu finden. Und dieses Finden des Ziels wird, wie bei Tomas, auch bei jeder und jedem von uns in einer Art und Weise und zu einer Zeit sein, die uns heute noch unbekannt ist. Vorerst bin ich dankbar zu erkennen: Es war wieder ein Schritt" auf meinem Lebensweg, dieses Ostern 2014 erreicht zu haben. Amen Halleluja. 5
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