Texte zur Dorfgeschichte von Untervaz

Transkript

1 Untervazer Burgenverein Untervaz Texte zur Dorfgeschichte von Untervaz 1516 Conrad Gessner Weitere Texte zur Dorfgeschichte sind im Internet unter erhältlich. Beilagen der Jahresberichte Anno Domini unter

2 Conrad Gessner Martin Leuch in: Neue Zürcher Zeitung am Sonntag, 13. März Seite 57/58. Naturforscher und Arzt: Conrad Gessner.

3 -3- Gessners eigene Illustrationen in der «Historia plantarum» waren kleine Kunstwerke, hier Türkenbund und Feldrose (links).

4 - 4 - Wie das Genie die Welt sah. Conrad Gessner bündelte das gesamte Wissen über Pflanzen und Tiere der damaligen Zeit. Zürich feiert den 500. Geburtstag des grossen Gelehrten. von Martin Leuch Conrad Gessner war der erste moderne Mensch: Der britische Theologe Charles Earle Raven ( ) wählte dramatische Worte, um Gessner gerecht zu werden. Er wollte damit beschreiben, dass der Zürcher Arzt und Naturforscher ein Pionier des rationalen Denkens und wissenschaftlichen Arbeitens war. In der Renaissance, am Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit, besannen sich die Gelehrten zurück auf die kulturellen und wissenschaftlichen Leistungen der Antike. Gessner beherrschte Hebräisch, Griechisch und Latein. Dies ermöglichte ihm, das gesamte Wissen von der Antike bis ins 16. Jahrhundert zusammenzutragen. Gessner hinterfragte und kommentierte die Arbeiten anderer Autoren und ergänzte sie durch eigene Forschungen. «Mit seinen Werken schuf er eine unerhörte Erweiterung des geistigen Horizonts über mittelalterliche Anschauungsformen hinaus in eine neue Zeit», erklärt der Direktor des Zürcher Zoos, Alex Rübel. Zu Gessners 500. Geburtstag sind neue Bücher erschienen, und in Zürich sind diverse Ausstellungen zu sehen. Sie erinnern an einen der grössten Gelehrten der Schweiz, dessen Werk zu Unrecht in Vergessenheit geraten ist. Conrad Gessner wurde am 16. März 1516 in Zürich geboren, das damals gerade einmal 7'000 Einwohner zählte. In seinen Jugendjahren wurde er stark geprägt vom Reformator Huldrych Zwingli. Dieser predigte ab dem Jahr 1519 seine neue Glaubenslehre am Grossmünster. Gessner war zeit seines Lebens tief religiös. Weil seine Familie arm war, wuchs er bei einem Grossonkel, dem Kaplan Hans Frick, auf. Er besuchte die Fraumünster-Schule und die Hohe Schule am Grossmünster. Die angehenden Theologen wurden dort in Griechisch, Latein und Hebräisch, aber auch in den Naturwissenschaften unterrichtet.

5 -5- Von Tieren sammelte Gessner auch bestehende Darstellungen wie die Meerschweinchen des Basler Malers Hans Hug Kluber ( ).

6 - 6 - Schon früh zeigten sich Gessners Begabung und Wissbegierde. Anlässlich eines Studienaufenthaltes in Bourges und Paris studierte er die Werke der antiken Autoren. Im Jahre 1536 begann Gessner in Basel ein Medizinstudium, das er 1541 mit dem Doktortitel abschloss. In der Zeit dazwischen hatte er in Lausanne als Griechischlehrer gearbeitet und in Montpellier seine medizinischen Studien weiterverfolgt. Nach Zürich zurückgekehrt, unterrichtete er von nun an, an der Hohen Schule Philosophie, Mathematik, Naturwissenschaften und Ethik. Daneben publizierte Gessner - seinen wissenschaftlichen Neigungen folgend, aber auch weil er unbedingt Geld brauchte. Mit neunzehn Jahren hatte er geheiratet. Zwar war seine Ehe kinderlos, aber er musste seine Mutter und seine Verwandten unterstützen. Ab und zu gönnte er sich eine Auszeit mit einer Reise in die Berge, nach Deutschland oder Italien. Im Jahre 1546 wurde er zum Professor gewählt, 1554 zum Stadtarzt und 1558 zum Chorherrn am Grossmünster. «Vater der Bibliografie» Schon lange hatte Gessner geplant, eine «Bibliotheca universalis» herauszugeben. Als die monumentale Arbeit fertig war, umfasste sie alle in Griechisch, Latein und Hebräisch publizierten Werke von der Antike bis ins 16. Jahrhundert. Gessners Werk war im Vergleich zu jenem anderer Autoren viel umfangreicher. Er führte darin nicht nur die Namen der entsprechenden Autoren mit ihrer Biografie und ihren Werken auf, sondern kommentierte darüber hinaus ihre Arbeiten. «Das machte die <Bibliotheca universalis> über die Bibliografie hinaus zur universalen Literaturgeschichte von der Antike bis zur Renaissance», sagt Urs Leu. Der Historiker und Leiter der Abteilung Alte Drucke und Rara der Zentralbibliothek Zürich hat sich in einer umfangreichen Biografie mit Conrad Gessner befasst. Die «Bibliotheca universalis» erschien im Jahre Sie machte den damals 29-jährigen Gessner europaweit berühmt und trug ihm den Beinamen «Vater der Bibliografie» ein. Eine thematische Erweiterung der «Bibliotheca universalis» sind die sogenannten Pandekten. Sie erschienen ab dem Jahre 1548 und bildeten den Sachkatalog zu den in der «Bibliotheca universalis» alphabetisch angeordneten Autoren. Man konnte die Literatur bei Gessner somit alphabetisch oder nach Sachgruppen geordnet nachschlagen.

7 Das Leben Gessners Am 16. März wird Conrad Gessner in Zürich in eine Familie mit insgesamt acht Kindern geboren. Die Stadt zählt damals 7000 Einwohner Weil Gessners Familie arm ist, kommt er im Alter von fünf Jahren zu seinem Grossonkel, dem Kaplan Hans Frick Im Oktober stirbt Gessners geistiger Förderer, der Reformator Huldrych Zwingli, in der Schlacht gegen die Katholiken bei Kappel am Albis im Februar erlangt Conrad Gessner in Basel den Doktor der Medizin. Zuvor war er drei Jahre lang Professor der griechischen Sprache an der reformierten Akademie in Lausanne Gessner wird Stadtarzt in Zürich. Geringe Einkünfte, aber persönliches Interesse veranlassen ihn, gelehrte Schriften aller Art zu publizieren Am 13. Dezember, im Alter von 49 Jahren, stirbt Conrad Gessner in Zürich als weltbekannter und hoch geschätzter Gelehrter an den Folgen der Pest. (pim.) Weitere Werke - Von der Paläontologie bis zur Bäderkunde Alle Werke von Conrad Gessner sind auf Lateinisch erschienen, weil dies damals die Sprache der Gelehrten war. Neben der Bibliotheca universalis und der Historia animalium (siehe oben) publizierte Gessner unzählige weitere Werke und Abhandlungen. Zu nennen sind zum Beispiel seine Werke in Medizin und Pharmakologie, der Bäderkunde und der Paläontologie. Gessner veröffentlichte auch ein wegweisendes Werk in den vergleichenden Sprachwissenschaften. Ausserdem gab er ein griechisch- lateinisches Wörterbuch sowie ein Wörterbuch mit einem Namensverzeichnis aller zu seiner Zeit bekannten Pflanzen auf Griechisch, Lateinisch, Deutsch und Französisch heraus. Martin Leuch Die Beobachtungsgabe Gessners und seine genaue und lebendige Darstellung der Pflanzen sind von höchster Qualität.

8 - 8 - Die Pandekten gliedern sich, nach Sachgebieten geordnet, in zwanzig Bücher, die in einem Band erschienen. Die «Historia animalium» ist ein weiteres wichtiges Werk Gessners, das in vier Bänden zwischen den Jahren 1551 und 1558 erschien. In Anlehnung an Aristoteles gliederte er die Bände seiner «Historia animalium» in vierfüssige, lebendgebärende Tiere; vierfüssige, eierlegende Lebewesen, Vögel und Wassertiere. Die Bände eins bis vier umfassen 3500 Seiten und sind mit 1100 Abbildungen aus gestattet. Ein fünfter Band über Schlangen und Skorpione erschien nach Gessners Tod im Jahre 1587 und ein sechster Band über Insekten sogar erst 1634 in London. Gessner scheute keinen Aufwand, um einen möglichst grossen Teil der beschriebenen und abgebildeten Tiere aus eigener Anschauung zu beschreiben und systematisch einzuordnen. «Gessners Stärken waren das beobachtende Auge und die sachliche Interpretation», sagt Zoodirektor Rübel. Gessner griff auch auf vorhandene Literatur und Bilder zurück, die ihm andere Gelehrte oder Freunde zusandten. Mit diesen unterhielt er einen regen Briefkontakt. Im Gegensatz zu anderen Autoren ging er mit den erhaltenen Informationen und Bildern sehr kritisch um. Laut Rübel enthält seine «Historia animalium» nur vier Tiere, die er nicht als Fabelwesen entlarven konnte - unter ihnen das Einhorn. Gessners unvoreingenommene und empirische Arbeitsweise zeigt sich auch in seinen Versuchen mit Mäusen. Damit widerlegte er den Aberglauben, dass die Leber von Mäusen bei Vollmond grösser ist als bei Neumond. Pionier der Pflanzenkunde Bis ins 15. Jahrhundert hatte das Sammeln von Pflanzen vor allem medizinischen Zwecken gedient. Mit seiner «Historia plantarum» beabsichtigte Gessner, die Pflanzenkunde auf eine neue, wissenschaftliche Basis zu stellen, wie Reto Nyffeler vom Institut für Systematische Botanik der Universität Zürich erklärt. Leider starb Gessner, bevor er sein Werk vollenden konnte. Bis zu seinem Tod hatte er etwa 1000 verschiedene Arten. gezeichnet und die entsprechenden Folio seiten mit Notizen und Kommentaren versehen. Auswertungen der Unterlagen haben ergeben, dass rund 200 der abgebildeten Pflanzen ausschliesslich von ihm stammen.

9 - 9 - Bei 270 weiteren Folioseiten steuerte er Detail-Illustrationen bei. Gessners Nachlassverwalter Caspar Wolf veröffentlichte nur einen Teil davon. Den Rest verkaufte er. Nach verschiedenen Besitzerwechseln gelangte das Manuskript schliesslich in die Hände von Christoph Schmiedel, der damals Professor für Anatomie und Botanik in Erlangen war. Schmiedel veröffentlichte in den Jahren 1753 und 1771 je einen Band. Die beiden Bände wurden im 20. Jahrhundert in der Universitätsbibliothek Erlangen wiederentdeckt. Ein dritter Band tauchte erst vor einigen Jahren in der Universitätsbibliothek von Tartu (Estland) wieder auf. Gessners Beobachtungsgabe und seine genaue und lebendige Darstellung der Pflanzen sind aussergewöhnlich und von höchster künstlerischer Qualität. Die Zeichnungen sind meist in Tusche ausgeführt, ein grosser Teil ist mit Wasserfarben koloriert. Darge stellt ist nicht nur die Pflanze als Ganzes, sondern auch in separaten Darstellungen die verschiedenen Pflanzenteile wie Blüten, Samen, Früchte, einschliesslich der Wurzeln. Wahrscheinlich habe Gessner schon ein Konzept einer möglichen späteren Klassifikation nach bestimmten Merkmalen im Kopf gehabt, vermutet Nyffeler. Wegen seines frühen Todes war es ihm aber nicht mehr vergönnt, diese zu realisieren. Gessner habe sich mit der Natur nicht primär als Mittel zum Zweck, sondern zur Ehre Gottes befasst, erklärt Urs Leu. «Er war überzeugt, dass sich in der Natur Gott offenbart.» So hielt Gessner fest, dass es kein Lebewesen gebe, das nicht über etwas Bewundernswertes verfüge, das letztlich auf einen genialen Schöpfer hinweise. Aber nicht nur in der belebten, sondern auch in der unbelebten Natur findet Gessner Zeichen für die Existenz Gottes. In einem Schreiben an seinen Freund Jakob Vogel, Landschreiber zu Glarus, drückt er seine Bewunderung für die Glarner Alpen so aus: «Der Geist wird, ich weiss nicht wie, durch die bewundernswerte Höhe erschüttert und zur Betrachtung jenes höchsten Baumeisters hingerissen.» Conrad Gessner starb am 13. Dezember 1565 im Alter von 49 Jahren an der Pest siehe dazu auch in unserer Sammlung: 1559 Erstes Pflanzenverzeichnis vom Calanda Brief von Fabricius Montanus Joh. an Conrad Gessner, Zürich. Internet-Bearbeitung: K. J. Version 03/2016