Wie können Väter im Projekt Keiner fällt durchs Netz erreicht werden?
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- Meike Geisler
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1 Wie können Väter im Projekt Keiner fällt durchs Netz erreicht werden? Chancen und Herausforderungen in den Frühen Hilfen Andreas Eickhorst & Stefanie Peykarjou Institut für Psychosomatische Kooperationsforschung und Familientherapie, Universitätsklinikum Heidelberg
2 Wie können Väter im Projekt Keiner fällt durchs Netz erreicht werden? Gliederung 1. Ergebnisse der Väterforschung 2. Väter in der aufsuchenden Arbeit 3. Aufsuchende Arbeit in den Frühen Hilfen: Modellprojekt Keiner fällt durchs Netz Ideal und Realität 4. Fazit 2
3 Kompetenz und Bedeutung von Vätern Gleiche Fähigkeiten (emotional, kognitiv, praktisch) wie Mütter in Pflege und Versorgung Interaktion und Erziehung ab dem Säuglingsalter Keine Unterschiede im intuitiven Elternverhalten Zum Vater kann eine eigene Bindung aufgebaut werden, unabhängig von der Bindung zur Mutter Gefahr negativer Entwicklungen bei Vaterabwesenheit: Geringerer Entwicklungsstand bei 4-5-monatigen Jungen Schlechtere Schulleistungen in der Grundschule Soziale Auffälligkeiten v. a. bei Jungen; Kompensation von Männlichkeit 3
4 Welche Unterschiede zu Müttern gibt es? Gleiche prinzipielle Fähigkeiten bezüglich Elternschaft wie Mütter Aber zum Teil andere Präferenzen, Motivation und tatsächliches Verhalten als Mütter Väter Kommunizieren eher physisch oder über Objekte mehr wildes, ausgelassenes Spielverhalten mit motorischer Stimulation Stärkere Förderung der Eigenständigkeit Stärkere Förderung der Geschlechtsidentitätsentwicklung unterschiedliches Verhalten ggü. Jungen & Mädchen Mütter Kommunizieren eher verbal Vorsichtiger gg. Kindern Mehr Körperkontakt Kritik an diesen Untersuchungen 1. Sehr stark kulturabhängig! Unterschiede bspw. zwischen USA, Schweden, Pygmäen-Kulturen 2. Alle Unterschiede gefunden in Familien mit traditioneller Rollenaufteilung 4
5 Gesellschaftliche Situation von Vätern Starker Rollenwandel über die Zeit (vom Patriarchen der Familie über den Lehrer und Brotverdiener zum modernen Vater) Heute große Rollenunsicherheit Veränderung von Interessen und Motivation zur Vaterschaft Wunsch der Väter nach eigener Gestaltung ihrer Rolle Schwierigkeit der Positionierung Potentielle Identitätskonflikte Widersprüchliche Anforderungen in Politik, Gesellschaft und Medien 5
6 Überblick: Herausforderungen für die Einbindung von Vätern in die Frühen Hilfen Männliches Geschlechtsrollenstereotyp: keine Probleme haben Teilnahme an Frühen Hilfen als öffentliches Eingeständnis der eigenen Unzulänglichkeit Bei Beteiligung an Hausbesuchen Gefahr von (latenter) Entwertung oder Rivalität durch / mit Familienhebamme Besonders ausgeprägt bei arbeitslosen Vätern: Wertigkeitsproblem; klassische Vaterrolle ( Ernährer ) kann nicht ausgefüllt werden Problem defizitorientierter Ansätze: Transport eines defizitären Vaterbildes (Präventions Dilemma) Abstand zu Frühen Hilfen als Abwehr und Vermeidung von Schuld-, Scham- und Unzulänglichkeitsgefühlen? 6
7 Chancen für die Einbindung von Vätern in die Frühen Hilfen Stärkung der primären Triade Arbeit mit Vater, Mutter und Kind gleichzeitig Wertschätzende Grundhaltung gegenüber Vater (unabhängig von akuten Herausforderungen) Akzeptanz der realen Situation und Bemühungen des Vaters Direktes und explizites Einbeziehen der subjektiven väterlichen Sichtweise Zunächst unabhängig von Rolle im Gefüge der Familie explorieren Dann auch gemeinsame Konstruktionen der Triade explorieren 7
8 Chancen für die Einbindung von Vätern in die Frühen Hilfen Betrachtung von Vaterschaft unter salutogenetischer Perspektive: Im Mittelpunkt der Betrachtung stehen Wohlbefinden der Väter Väterliche Ressourcen Bedeutung des Vaters im Kontext des Familiensystems Hilfsangebote, die männliche Bedürfnisse aufgreifen Etablierung (auch) männlicher Berater- und Helfersysteme zeitlich eng begrenzte Angebote mit konkreten Anleitungen 8
9 Ein Beispiel Das Präventionsprojekt Keiner fällt durchs Netz! Bundesmodellprojekt des NZFH für Hessen und das Saarland
10 Projektstandorte Hessen 1) Kreis Bergstraße 2) Landkreis Offenbach 3) Werra-Meissner-Kreis Saarland Alle sechs Kreise Baden-Württemberg 1) Stadt Heidelberg 2) Neckar-Odenwald- Kreis Gesamtlaufzeit des Projekts: Begleitende Prozess- und Ergebnisevaluation (gefördert durch das NZFH):
11 Die Hauptkomponenten des Programms Koordinierung Netzwerk für Eltern Komm-Struktur Elternkurse Das Baby verstehen Geh-Struktur Aufsuchende Arbeit d. Familienhebammen Betreuungszeitraum: Ab dem Ende der Schwangerschaft bis zum Ende des ersten Lebensjahres 11
12 Väter bei Keiner fällt durchs Netz - Anspruch - Einbezug von Vätern als ein Schwerpunktthema des Projektes! Möglichst aktive Einbeziehung aller biologischen und sozialen Väter in das Hausbesuchsprogramm von Anfang an Dies in allen Besuchen (so Väter vorhanden) und durch alle Fachkräfte Elternkurs Das Baby verstehen auf beide Elternteile zugeschnitten Ergebnisevaluation zur Wirksamkeit des Elternkurses und des Hausbesuchsprogramms mit Daten von Vätern und Müttern Umfangreiche Begleitforschung zum Thema Väterliche Präsenz Sammlung und Auswertung vieler Daten (Fragebögen und Videos) 12
13 Väter bei Keiner fällt durchs Netz - Planung - Sensibilisierung der aufsuchenden Familienhebammen und Kinderkrankenschwestern für die Belange der Väter Einbezug dieses Themas in die Ausbildungen / Weiterbildungen Weiterentwicklung des Elternkurses Das Baby verstehen in einer aufsuchenden Variante für beide Elternteile (u.a. mit Vater-Kind-Vorführvideos) Regelmäßige Thematisierung in der Supervision Dokumentation der soziodemographischen Daten der Väter, ihrer Belastungen, ihrer Einstellungen, ihres Wohlbefindens, der Vater-Kind-Interaktion und weiterer Konzepte 13
14 Väter bei Keiner fällt durchs Netz - Daten - Alter Im Durchschnitt 30,2 Jahre (14-70 Jahre) 1,6% der Väter sind unter 18 Familienstand 39,7% der Eltern leben in fester Partnerschaft 26,3% der Eltern sind verheiratet 17,7% der Mütter leben ohne Partner 6,2% der Mütter befinden sich in fester Partnerschaft/Ehe mit neuem Partner Schulabschluss 13,9% der Väter haben keinen Schulabschluss 50% der Väter haben Hauptschulabschluss 18,9% der Väter haben Realschulabschluss 10,3% der Väter haben Fachhochschulreife oder Abitur 6,9% der Väter haben Hochschulabschluss Berufstätigkeit 53,7% der Väter sind angestellt 4,4% der Väter sind selbstständig 28,2% der Väter sind arbeitslos 3,7% Väter sind in Elternzeit 10% der Väter sind in Ausbildung [Erhoben aus 643 gültigen Datensätzen; Januar 2008 bis Juni 2011]
15 Väter bei Keiner fällt durchs Netz - Beteiligung der Väter - Nur in einem Drittel der Besuche war der Vater überhaupt anwesend, aktiv beteiligt bei noch weniger Befragung der Familienhebammen zur Beteiligung der Väter an den Hausbesuchen in 2011 (N = Besuche) 15
16 Väter bei Keiner fällt durchs Netz - Interesse der Väter - Welche Form eines spezifischen Angebots für Väter nach der Geburt würden Sie sich für sich wünschen? 9% 2% 8% 9% N=175 Ich könnte mir vorstellen, an einem solchen Angebot teilzunehmen Ja = 38% Nein = 51% 44% Wochenend-Seminar für Väter Fortlaufende Väter-Gruppe mit Schwerpunkt auf Informationsvermittlung speziell für Väter Fortlaufende Väter-Gruppe mit dem Schwerpunkt Erfahrungsaustausch 9% 19% Fortlaufende Väter-Gruppe beide Anteile gemischt Kein Angebot Missing Nur / immerhin 175 Väter beteiligten sich an der Umfrage Nur / immerhin die Hälfte wünscht sich ein spezifisches Angebot oder würde daran auch teilnehmen
17 Väter bei Keiner fällt durchs Netz - Erfahrungen - Familienhebammen beschreiben teilweise ein schwieriges Bild (generell und auch hier): Generell Wenn Partner vorhanden sind, stellen sie keine Partner im herkömmlichen Sinn dar. Sie sind keine Hilfe, werden als Gefahr für die Frauen geschildert, haben schlechten Einfluss (Schneider, 2006, S. 74) Die Familienhebammen erleben häufig, dass die Väter sich nicht an dem aufsuchenden Angebot beteiligen und sich sogar aktiv zurückziehen, was häufig als kränkende Ablehnung ihrer Arbeit erlebt wird: Die gehen oft weg wenn ich komme (ebd., S. 74) In Keiner fällt durchs Netz (Momentaufnahmen) Berichte von Ablehnung belehrenden Verhaltens durch Familienhebammen gegenüber Vätern Beobachtbarer Rückzug der Väter bei den Besuchen Positive Einzelberichte von gelungener, teils origineller Kontaktaufnahme zu Vätern 17
18 Fazit Gleichberechtigter Einbezug schwieriger als vorher erwartet Problem zu hoher Erwartungen oder zu großer Ungeduld? Müssen empirische Unterschiede väterl. Verhaltens und väterlicher Haltungen stärker Berücksichtigung finden? Manko des fehlenden männlichen Personals? Fehlende Passung zwischen Bedürfnissen der Väter im Projekt und den Systemen der Hilfeanbieter? Wie lässt sich das Thema noch besser in die Weiterbildungen, z.b. für Familienhebammen, integrieren? Wie ist die Situation in anderen Projekten u. Angeboten? 18
19 Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit Kontakt: Dr. Andreas Eickhorst Institut für Psychosomatische Kooperationsforschung und Familientherapie Universitätsklinikum Heidelberg / andreas.eickhorst@med.uni-heidelberg.de 19
20 Literaturhinweise Borke, J., Eickhorst, A. & Lamm, B. (2011). Väter: Eine entwicklungspsychologische Bestandsaufnahme. In H. Keller (Hrsg.), Handbuch der Kleinkindforschung. Vierte, komplett überarbeitete Auflage (S ). Bern: Huber. Borter, A., Popp, C. & Schäfer, E. (2008). Wo und wie kann man Väter erreichen? Zurufe aus drei Werkstätten der Väterarbeit. In H. Walter (Hrsg.), Vater, wer bist Du? Auf der Suche nach dem hinreichend guten Vater (S ). Stuttgart: Klett-Cotta. Eickhorst, A., Benz, M., Scholtes, K. & Cierpka, M. (2010). Väterliche Präsenz Ein Rahmenmodell mit vier Ebenen. Praxis der Kinderpsychologie und Kinderpsychiatrie, 59, Lamb, M. (2004). Fathers and Child Development: An Introductionary Overview and Guide. In M. Lamb (ed), The Role Of The Father in Child Development, 4th Ed. Wiley, New York, pp Nakhla, D., Eickhorst, A. & Cierpka, M. (Hrsg.) (2009). Praxishandbuch für Familienhebammen. Arbeit mit belasteten Familien. Frankfurt/Main: Mabuse-Verlag. Nakhla, D., Eickhorst, A. & Schwinn, L. (2010). Catch them, when you can?! Angebote zur psychosozialen Unterstützung von Vätern mit Säuglingen und Kleinkindern unter besonderer Berücksichtigung der Teilnahmemotivation. Praxis der Kinderpsychologie und Kinderpsychiatrie, 59, Seiffge-Krenke, I. (2001). Väter u. Söhne,Väter u. Töchter. Forum der Psychoanalyse, 17, Schneider, E. (2004). Familienhebammen. Die Betreuung von Familien mit Risikofaktoren. Frankfurt: Mabuse. 20
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