BAVC-KURZPOSITION. zu den anstehenden Koalitionsverhandlungen. Stand: 17. Oktober Bundesarbeitgeberverband Chemie e.v.
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1 BAVC-KURZPOSITION zu den anstehenden Koalitionsverhandlungen Stand: 17. Oktober 2017 Abraham-Lincoln-Str. 24 D Wiesbaden Telefon info@bavc.de Hauptstadtbüro Neustädtische Kirchstraße 8 D Berlin Telefon info@bavc.de Europabüro Rue Marie de Bourgogne 58 B-1000 Brüssel Telefon bruessel@bavc.de
2 Keine Zeit für Grabenkämpfe Unser Land steht vor großen politischen Herausforderungen. Digitalisierung, Demografie, Bildung wichtige Entscheidungen für die Zukunft unseres Landes müssen jetzt getroffen werden. Deutschland braucht eine Strategie für eine gute gemeinsame Zukunft ökonomisch, sozial und ökologisch. Mit dem Ergebnis der Bundestagswahl ist die Bildung einer Koalition alles andere als einfach. Gerade deshalb gilt es, die Regierungsbildung zügig in Angriff zu nehmen. Je länger die Koalitionsverhandlungen dauern, desto stärker sinkt die Akzeptanz und der Glaube der Wähler an die Handlungsfähigkeit der Politik. Eben das ist aber wichtig, um Populisten den Nährboden zu entziehen. Die Chemie-Arbeitgeber fordern von der Politik eine offene Diskussion über die tatsächlichen Problemfelder. Unser Land braucht ein entschlossenes Handeln aller politischen Entscheidungsträger. Die neue Regierung muss alles daransetzen, den Standort zu stärken und ihn zukunftsfest zu machen. Dabei gilt es insbesondere, die notwendigen Weichenstellungen für eine digitale Arbeitswelt vorzunehmen und die richtigen Antworten auf unsere alternde Bevölkerung zu finden. Eine Einschränkung der betrieblichen Flexibilität über Eingriffe in Arbeitsmarkt und Arbeitsrecht mindert die Wettbewerbsfähigkeit und kostet damit Beschäftigungschancen am Standort Deutschland. Die neue Bundesregierung ist gefordert, der Wettbewerbsfähigkeit wieder mehr Bedeutung beizumessen und ihr Handeln entsprechend auszurichten. Seite 2 von 5
3 10 Kernforderungen der Chemie-Arbeitgeber Mit Blick auf die anstehenden Koalitionsverhandlungen fordern die Chemie-Arbeitgeber: 1. Die Politik muss wieder mehr tun, um den Standort zu stärken. Denn ohne eine starke Wirtschaft ist auch soziale Gerechtigkeit nicht zu haben. Nur, wenn wir hierzulande viel erwirtschaften, können wir auch viel verteilen. Weniger Regulierung, mehr Flexibilität, mehr Raum für Innovationen - das stärkt die Wettbewerbsfähigkeit und gibt Unternehmen den notwendigen Spielraum, auf globale Herausforderungen und Digitalisierung angemessen zu reagieren. 2. Mehr Gestaltungsspielraum für die Tarifpartner sie sind näher dran als der Gesetzgeber. Wenn dennoch etwas durch den Gesetzgeber geregelt wird, dann müssen tarifgebundene Unternehmen davon abweichen können. Tarifbindung wird nur dann effektiv gefördert, wenn Unternehmen, die sich zur dauerhaften Anwendung des gesamten Tarifwerks der Branche verpflichtet haben, vom Gesetz abweichende Regelungen treffen können. 3. Keine weiteren gesetzlichen Einschränkungen der unternehmerischen Freiheit. Das gilt sowohl für Befristungen als auch für Teilzeit und Zeitarbeit. In der Kinderbetreuung und Pflege gibt es die Rechtsgrundlage für befristete Teilzeit längst; es besteht kein Handlungsbedarf. Die sachgrundlose Befristung baut Einstellungshürden ab und erhöht die Chance der Arbeitnehmer auf einen dauerhaften Arbeitsplatz. Arbeitgeber erhalten so die benötigte Flexibilität im betrieblichen Alltag. 4. Wir wollen das Arbeitszeitrecht modernisieren: Die Sozialpartner sollen mehr Verantwortung übernehmen. Insbesondere bei der Verkürzung der Ruhezeit auf 9 Stunden kann der Gesetzgeber den Tarifparteien im Einklang mit EU-Recht mehr Handlungsspielraum einräumen. Aber auch die Umstellung auf eine wöchentliche Betrachtung bei der Höchstarbeitszeit bietet Unternehmen und Arbeitgebern in bestimmten Situationen Rechtssicherheit. Tarifverträge müssen diese Regelungen flankieren. Seite 3 von 5
4 5. Der Beitragssatz zur gesetzlichen Rentenversicherung muss dauerhaft unter 22 Prozent bleiben. Die Entscheidung, das Leistungsniveau schrittweise zurückzunehmen und die Altersgrenze anzuheben, bleibt richtig. Ein Festschreiben oder Anheben des Rentenniveaus überfordert Rentenversicherung und Beitragszahler; zur Vermeidung von Altersarmut tragen sie zudem nicht bei. Neue Frühverrentungsanreize darf es nicht geben. Eine verpflichtende Einbeziehung weiterer Gruppen in die gesetzliche Rentenversicherung schafft langfristig mehr Probleme als Lösungen. Der Ausbau der betrieblichen Altersversorgung ist der richtige Weg, um die Altersversorgung insgesamt zu stärken. Hier muss vor allem die Angleichung der steuer- und handelsrechtlichen Bewertung von Pensionsrückstellungen umgesetzt werden. 6. Die Rückkehr zu einer paritätischen Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung lehnen wir ab. Durch die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall leisten die Arbeitgeber einen deutlich höheren Beitrag als die Arbeitnehmer. Der Zusatzbeitrag der Versicherten ist zudem ein zentrales Element des notwendigen Wettbewerbs im Gesundheitswesen. Das Ziel einer nachhaltigen Gesundheitspolitik, bei der eine hochwertige medizinische Versorgung und Beitragsentwicklung für Arbeitgeber und Arbeitnehmer in Einklang stehen, muss durch mehr Eigenverantwortung und Eigenbeteiligung unterstützt werden. Eine Abschaffung des bewährten Systems aus gesetzlicher und privater Krankenversicherung zugunsten einer Bürgerversicherung führt hingegen zu deutlich höheren Kosten für Arbeitgeber und Arbeitnehmer und löst keine Probleme. 7. Im Arbeits-und Gesundheitsschutz müssen die Eigenverantwortung und die Gesundheitskompetenz gestärkt werden statt auf neue Regulierungen zu setzen. Die bestehenden Regelungen sind ausreichend. Sinnvoll sind dagegen mehr praxisnahe Handlungshilfen und Unterstützungsangebote insbesondere auch für KMU. Mit Blick auf die psychische Gesundheit in der Arbeitswelt ist es notwendig, Wirkungszusammenhänge auch unter Berücksichtigung privater Einflussfaktoren weiter zu erforschen. Nur auf Basis wissenschaftlicher Grundlagen kann Handlungssicherheit für den Arbeits- und Gesundheitsschutz der Zukunft geschaffen werden. Seite 4 von 5
5 8. Wir müssen die allgemeine und berufliche Bildung stärken durch mehr Investitionen, aber auch durch eine digitale Grundbildung an Schulen als verpflichtenden Teil der schulischen Ausbildung. Wichtig sind zudem eine ganzheitliche Berufsorientierung an Schulen, das Aufzeigen realistischer Karrierewege, die Stärkung der MINT-Fächer sowie eine attraktive Ausbildungsförderung für mittelständische Betriebe. Besonderer Handlungsbedarf besteht bei den Berufsschulen. Hier sind erhebliche Verbesserungen bei der Ausstattung (Gebäude, IT und Kommunikation), den Finanzmitteln, der Fachlehrerversorgung und der Qualifizierung des vorhandenen Lehrpersonals nötig, damit das duale Ausbildungssystem auch zukünftig qualifizierte Fachkräfte hervorbringen kann. 9. Weiterbildung muss sich am betrieblichen Bedarf orientieren. Einen pauschalen Rechtsanspruch auf Weiterbildung oder eine Bundesweiterbildungsbehörde lehnen wir entschieden ab. Die Arbeitsagentur ist gefordert, sich auf eine weitere Professionalisierung ihrer Kernkompetenzen (flächendeckende Präsenz, Beratungs- und Lotsenfunktion) zu konzentrieren. Darüber hinaus muss es gelingen, die berufliche Weiterbildung als attraktive Alternative zur akademischen Laufbahn zu stärken. 10. Wir wollen ein starkes Europa, das ein hohes Niveau an sozialem Schutz gewährleistet und Beschäftigung stärkt. Aber nicht alle Lebensbereiche müssen europaweit einheitlichen sozialen Standards unterliegen. Das scheitert schon am sehr unterschiedlichen Standard der wirtschaftlichen Leistungskraft. Die Chemie-Arbeitgeber bekräftigen ihr Bekenntnis zum sozialen Dialog und dessen Förderung im Rahmen der Zusammenarbeit zwischen den Staaten Europas. Seite 5 von 5
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