Untersuchungen zur 2D- und 3D- Rekonstruktion von Rückwandgeometrien in der Impuls-Thermografie
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1 DACH-Jahrestagung 2012 in Graz - Poster 33 Untersuchungen zur 2D- und 3D- Rekonstruktion von Rückwandgeometrien in der Impuls-Thermografie Regina RICHTER *, Marc KREUTZBRUCK *, Christiane MAIERHOFER * * BAM Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung, Unter den Eichen 87, Berlin, Kontakt: Regina.Richter@bam.de Kurzfassung. Die aktive Thermografie kommt zunehmend in der zerstörungsfreien Prüfung zum Einsatz. Hierin steckt allerdings der Bereich der Defektklassifizierung und die quantitative Defektcharakterisierung noch in den Kinderschuhen. In diesem Beitrag werden die Möglichkeiten untersucht anhand einer inversen Rekonstruktion von thermografischen Daten die Rückwandgeometrien in 2D und 3D zu ermitteln. Die Datensätze wurden bei der Prüfung von 2 cm dicken PVC-Platten mit rückseitiger Nutfräsung und mit Flachbodenbohrungen von unterschiedlichen Restwandstärken und Durchmessern gewonnen. Die thermische Anregung erfolgt mit Blitzlampen, die zeit- und ortsaufgelöste Erfassung der Oberflächentemperatur mit einer Infrarotkamera. Sowohl die thermische Anregung als auch die Temperaturmessung werden von der defektfreien Vorderseite aus durchgeführt. Die Unregelmäßigkeiten in der Abkühlung weisen auf unterschiedliche Materialdicken hin, die unter Verwendung eines iterativen Vergleiches mit simulierten Daten an die realen Wandstärken angenähert werden. Mittels simulierter Daten, die in 2D bzw. 3D durch eine Finite-Elemente-Methode berechnet werden, rekonstruieren wir die Geometrie des Probekörpers in 2D bzw. 3D mit einer optimierten und zuverlässigeren Version der iterativen Echo-Defect-Shape-Methode. Diese zeiteffiziente Methode berechnet den Startwert und seine iterative Verbesserung anhand des relativen Kontrastes. Wanddicken können innerhalb der Iteration zu- und abnehmen, bei der optimierten Version aber nicht kleiner als der Startwert werden. Dies bietet eine größere Zuverlässigkeit, da die Wanddicke vor der Iteration, d.h. der Startwert, grundsätzlich unterschätzt wird. Unter der Voraussetzung geeigneter Startwerte und Abbruchkriterien kann die Restwand an minimalen Wanddicken im Mittel auf ca. 1 mm genau bestimmt werden (z. B. bei 3D Rekonstruktion der Flachbodenbohrungen). Speziell an scharfen Defektkanten verliert das Verfahren durch laterale Wärmeflüsse an Genauigkeit. Lizenz: 1
2 Abbildung 1: Das Poster Nr.33 mit Messaufbau und 3D-Rekonstruktionsergebnissen 2
3 Einführung Um qualitative Informationen über Wanddicken aus thermografischen Daten nach einer Blitzanregung zu erhalten, empfehlen wir zur Übersicht die Veröffentlichungen von Maldague [2], Sun [3] und Omar [4]. Diese Verfahren werten die Messdaten wie im Folgenden beschrieben aus: Maximum der 2. Ableitung der logarithmierten Temperaturkurve in der Zeit (Shepard [5]), Maximum der 1. Ableitung der Temperaturkurve multipliziert mit einer anderen Funktion in der Zeit (Zeng [6]), Maximum des absoluten Kontrastes (Maldague [2]), Maximum der 1.Ableitung des absoluten Kontrastes (Ringermacher [7]), Wert zu einem optimalen Zeitpunkt bzw. das Erreichen des Schwellwertes des relativen Kontrastes [1],[8],[9], [10],[11]. Für alle diese Verfahren müssen die thermischen Materialkonstanten bekannt sein, um aus dem Zeitpunkt des jeweiligen Maximums die Materialdicke zu berechnen. Für die ersten beiden Verfahren sind keine Messdaten eines defektfreien Bereiches notwendig, dafür wird eine Glättung mit Polynomen niedriger Ordnung [5] empfohlen. Für die letzten beiden Verfahren ist die Kenntnis der Position eines defektfreien Bereiches notwendig; u.u. kann dies mit einer analytischen 1D-Lösung für eine vorgegeben Materialdicke oder der durchschnittlichen Temperatur des gemessenen Bildausschnittes ersetzt werden. Die iterative Echo-Defect-Shape-Methode [1] schließt laterale Wärmeflüsse ein, obwohl die Temperaturkurven pro IR-Kamera-Pixel unabhängig voneinander ausgewertet werden, indem die Echo-Defect-Shape-Methode iterativ auf simulierte Temperaturdaten (2D oder 3D) angewendet wird. Wir werden in diesem Manuskript das Verfahren aus [1] in optimierter Weise zur 2D- und 3D-Rekonstruktion anwenden und den Einfluß des lateralen Wärmeflusses auswerten. 1. Optimierte iterative echo defect shape Methode Die Echo-Defect-Shape Methode wertet den zeitlichen Temperaturverlauf T (t) in K eines einzelnen Pixels nach einer Blitzanregung aus (Raumtemperatur auf 0 K gesetzt), in dem der relative Kontrast zum Temperaturverlauf einer defektfreien Stelle T defektfrei (t) analysiert wird: K rel T ( t) Tdefektfrei ( t) ( t). Gl. 1 T ( t) defektfrei Der relative Kontrast K rel (t) ist beim Blitzauslösen bei t = 0 s noch Null und steigt dann bis zum Erreichen eines Maximums an. Für eine kleine Materialdicke steigt der Kontrast stärker an und das Maximum wird eher erreicht. Aus dem Zeitpunkt t 0 seines Erreichens eines (vom Kamerarauschen abhängig gewählten) Schwellwertes (hier bzw , siehe 2.3) berechnet sich die Materialstärke nach [1] wie folgt z ln( 0.035) t, Gl
4 wobei die Temperaturleitfähigkeit des Materials ist. Unsere Erfahrung zeigt, dass die Echo-Defect-Shape-Methode die Defektgröße grundsätzlich überschätzt, d.h. die Materialdicke oder Wanddicke z ist in Wirklichkeit größer als das Ergebnis dieser Methode. Wenn wir dieses a priori Wissen in den iterativen Prozess einfließen lassen, dann verbessert dies in einigen Fällen die Rekonstruktionsergebnisse Verschlechterungen traten nicht auf. Damit kann die optimierte iterative Echo-Defect-Shape-Methode mit zk z0 max(0, zk zs ) Gl. 3 1 k beschrieben werden, wobei z 0 die Materialdicke für den gesamten Probekörper nach der pixelweisen Auswertung der Messdaten beschreibt, d.h. z 0 ist ein Vektor für eine 2D- Rekonstruktion oder eine Matrix für eine 3D-Rekonstruktion. Der Index k kennzeichnet die Materialdicke in der k-ten Iteration und z S die Materialdicke für simulierte Daten. Dafür k wird eine FEM-Berechnung der Temperaturverteilung S k in Ort und Zeit eines 2D- oder 3D-Probekörper mit der Wanddicke z k benötigt, Details dazu werden in 2.2 beschrieben. Die Echo-Defect-Shape-Methode auf die simulierten Daten angewendet liefert damit z S k. 2. Auswertung 2.1 Probekörper und Messaufbau Schwarzes Hart-PVC bietet für die aktive Thermografie optimale thermische Materialeigenschaften, da der Emissionskoeffizient sehr hoch und sehr homogen, die Transmission in der Wellenlängenbereichen der Anregung und Detektion nahezu Null und seine Temperaturleitfähigkeit ca. 100x geringer als bei typischen Metallen ist. Durch zeitliche Mittelungen pro Messpunkt während oder nach der Messung kann das Rauschen stark vermindert werden. Für 2D-Rekonstruktionen haben wir sechs verschiedene nutförmige Fräsungen an der Rückseite einer 2 cm dicken PVC-Platte (15 cm x 15 cm) vorgenommen. Wir stellen hier nur die Nut vor, bei der die optimierte Echo-Defect-Shape- Methode ihren Vorteil zeigt. Abbildung 2 zeigt dessen 3D-Darstellung und Abbildung 3 zeigt dessen Profil. In Abbildung 4 und 5 sind Schnitte durch die Flachbodenbohrungen mit 12 mm bzw. 8 mm Durchmesser gezeigt. Die Restwandstärken betragen jeweils 0.15, 0.3 und 0.6 cm. Abbildung 2: 3D-Abbildungen der Probekörper mit Nut (links), Bohrungen mit 12 mm Durchmesser (mitte) und Bohrungen mit 8 mm Durchmesser (rechts). 4
5 Abbildung 3: 2D-Abbildung des Probekörpers mit der Nut Abbildung 4: 2D-Abbildungen des Probekörpers mit 12 mm Bohrungen; oben: Profil bei Länge 5 cm, unten Profil bei Länge 10 cm. Abbildung 5: 2D-Abbildungen des Probekörpers mit 8 mm Bohrungen; oben: Profil bei Länge 5 cm, unten Profil bei Länge 10 cm. Der Messaufbau (siehe Abbildung 1, links oben) erfolgte in Reflexion mit zwei Blitzlampen. Um eine homogene Erwärmung zu erreichen, wurden mehrere Messzyklen gemittelt, bei der die Position der Blitzlampen variiert wurde bzw. der Probekörper 5
6 innerhalb der vertikalen Ebene gedreht wurde. Für die Nut wurden zehn Messzyklen gemittelt, für die Bohrungen vier Messzyklen. Da die Messdaten der Nut auch entlang eines Linienfilters geglättet werden konnten, haben die Daten der Nut ein vergleichsweise geringes Rauschen. Auf die Messdaten der Bohrungen wurde eine Gaussfilter in Ort und Zeit angewandt. Der Gaussfilter im Ort hatte die Standardabweichung von 40 Pixel und berücksichtigte 15 Nachbarpixel; in der Zeit hatte der Filter eine Abweichung von 200 Pixel, angewendet auf eine ansteigende Anzahl von Nachbarpixel (die Anzahl steigt von 0 auf 80 Pixel im Zeitintervall [30, 110] s an). Dafür ist hilfreich zu wissen, dass ein einzelnes Thermogramm den Probekörper auf 475x475 Pixel zeigt und dass die resultierende Bildrate des Messfilms bei 1 Hz liegt. Die zugehörige 3D- Geometrierekonstruktion benötigte eine weitere Filterung mittels Gauß, siehe Auswertung 2.3. Für den Probekörper Nut wurde weder für die Messdaten noch für die Geometrie ein Gaussfilter benötigt, da das Signal-Rausch-Verhältnis sehr hoch war. 2.2 Simulation Die Simulationsdaten wurden mit der kommerziellen FEM-Software COMSOL erzeugt. Bei der 2D-Simulation (Nut) wurde die Temperatur für das komplette Profil mit einer Breite von 15 cm simuliert (7 min Simulationsdauer); bei 3D-Simulationen (Bohrungen) hat sich eine Beschränkung auf die einzelnen defekten Teilbereiche, hier um die jeweiligen Bohrungen herum, als erforderlich erwiesen, um Zeiteffizienz zu gewährleisten (50 min Simulationsdauer für einen 5 cm x 5 cm x 2 cm Ausschnitt). Die Anfangsbedingung in der Simulation besitzt das Material Raumtemperatur, d. h. das Material befindet sich mit seiner Umgebung im thermischen Gleichgewicht. In den ersten 50 ms definiert ein modellierter Wärmefluss an der Oberfläche die Randbedingung während der thermischen Anregung. Das zeitliche Verhalten des modellierten Wärmeflusses ist ein Kompromiss zwischen der tatsächlich messbaren Blitzimpulsdauer von ca. 2 ms und der Erwärmung mit einem Rechteckimpuls. Die jeweilige örtliche Temperaturverteilung des wärmsten Thermogramms bildet die Basis für die örtliche Wärmeflussverteilung in der Randbedingung der zugehörigen Simulation. Die Rückwand der 2D-Rekonstruktion wurde für ein 1 mm Raster modelliert, die Rückwand für 3D für ein 2 mm Raster (d.h. für eine Aneinanderreihung von unterschiedlich tiefen Blöcken mit 2 mm x 2 mm Grundflächen). Dies war erforderlich zur Gewährleistung der Stabilität des Gittergenerators in Comsol. Details zum Blitzmodell, zum Gitter und zu den vorgegebenen maximalen zeitlichen Schritten bei der FEM-Simulation sind in [12] erläutert. 2.3 Auswertung in 2D und 3D Für die Echo-Defect-Shape-Methode müssen ein defektfreies Referenzgebiet und ein Schwellwert gewählt werden. Das Referenzgebiet bei der Nut lag bei der Breite x = 12 cm, und bei den Bohrungen der Durchschnittswert eines Quadrates von 3 mm Seitenlänge bei Breite 10 cm und Länge 10 cm. bei Als Schwellwert für den Probekörpers Nut wurde gewählt und für die Bohrungen der Schwellwert 0.035, da diese Defekte teilweise kleiner sind und daher eine feinere Sensitivität notwendig war. Bei kleineren Schwellwerten als kam es zu einer Vielzahl von Fehlanzeigen. Die aus den Messdaten direkt berechnete 3D-Geometrie z 0 benötigte einen Gaussfilter mit Standardabweichung von 40 Pixel, angewendet auf 2x2 Nachbarpixel, wobei wir die Gebiete der Defektzentren ungeglättet lassen, da unsere Erfahrung zeigte, dass die Wanddicken dieser Gebiete die nominale Geometrie sehr gut beschreiben und eine Glättung die Wanddicke verschlechtert hätte. Außerdem setzen wir im gesamten 6
7 Algorithmus der iterativen Echo-Defect-Shape-Methode für z k voraus, dass wir einen 2 cm breiten defektfreien Probekörperrand besitzen, d.h. dort beträgt die Wanddicke z = 2 cm. Dies ist die maximal mögliche Wanddicke des gesamten Probekörpers. Die Rekonstruktionen wurden nach 15 Iterationen abgebrochen, da die Erfahrung zeigte, dass das Konvergenzverhalten hier stagnierte und unwesentliche Verbesserungen oder Veränderungen zu erwarten gewesen wären. Die 2D-Rekonstruktion in Abbildung 6 zeigt den Effekt der optimierten iterative Echo-Defect-Shape-Methode. Lugins Originalversion überschätzt den Defekt an Breite x = 5 cm. Abbildung 6: 2D-Rekonstruktion der Wanddicke für den Probekörper mit der Nut. Die Geometrie ist für ein 1 mm Raster gegeben. Die 3D-Rekonstruktionen sind in Abbildung 1, rechts unten, zu finden. Zum Vergleich sind die entsprechenden nominalen 3D-Geometrien in Abbildung 1, links unten, dargestellt. Auf Grund von Begrenzungen bei der Simulation (Stabilität beim Gitter) sind die 3D-Rekonstruktionen für ein 2 mm Raster gegeben. 3. Zusammenfassung Der optimierte Algorithmus der iterativen Echo-Defect-Shape-Methode ermöglicht eine zufriedenstellende Rekonstruktion in 2D und 3D, so dass pessimistische Defektbreitenangaben auf Grund der lateralen Wärmeflüsse senkrecht zum Wärmeeintrag auf der Oberfläche korrigiert werden können. Damit ist die Nutbreite und der Flachbodenbohrungsdurchmesser nach 15 Iterationsschritten vom ca. dreifachen nominalen Wert von z 0 auf den ca. doppelten Wert verbessert worden. Die Defekttiefe konnte bei den Flachbodenbohrungen mit einer durchschnittlichen Genauigkeit von 1 mm bestimmt werden. Referenzen [1] Lugin S, Netzelmann U. A defect shape reconstruction algorithm for pulsed thermography. NDT&E International 2007;40: [2] Maldague X. Nondestructive evaluation of materials by infrared thermography. London and New York: Springer; [3] Sun JG. Analysis of Pulsed Thermography Methods for Defect Depth Prediction. Journal of Heat Transfer 2006;128: [4] Omar M, Y. Zhou Y. A quantitative review of three flash thermography processing routines. Infrared Physics & Technology 2008;51: [5] Shepard SM, Lhota JR, Rubadeux BA, Wang D, Ahmed T. Reconstruction and enhancement of active thermographic iage sequences. Opt. Eng 2003; 42: [6] Zeng Z, Zhou J, Tao N, Feng L, Zhang C. Absolute peak slope time based thickness measurement using pulsed thermography. Infrared Physics Technology 2012; 55:
8 [7] Ringermacher H, Archacki R, Veronesi W. Nondestructive testing: transient depth thermography. U.S. Patent 5,711,603, 1998 [8] Vavilov V, Grinzato E, Bison PG, Marinetti S, Bales MJ. Surface transient temperature inversion for hidden corrosion characterisation: theory and applications. Int. Journal Heat & Mass Transfer 1996;39: [9] Grinzato E, Vavilov V, Bison PG, Marinetti S. Hidden corrosion detection in thick metallic components by transient IR thermography. Infrared Physics Technology 2007;49: [10] Marinetti S, Vavilov V. IR thermographic detection and characterization of hidden corrosion in metals: General analysis. Corrosion Science 2010;52: [11] Götschel S, Weiser M, Maierhofer Ch, Richter R, Röllig M. Fast defect shape reconstruction in travel time pulsed thermography. Büyüköztürk et. al. (Eds.). Nondestructive Testing of Materials and Structures, [12] Richter R, Maierhofer Ch, Kreutzbruck M. Numerical method of active thermography for the reconstruction of back wall geometry. NDT&E International. In press
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