Historische Entwicklungslinien der Familienpolitik. Hans-Jürgen Andreß

Transkript

1 Historische Entwicklungslinien der Familienpolitik Hans-Jürgen Andreß

2 Gliederung 1. Motive für Familienpolitik 2. Historische Entwicklung der Familienpolitik: eine Deskription 3. Familienpolitik im Vergleich mit anderen sozialen Sicherungssystemen

3 Teil 1 Motive für Familienpolitik

4 Motive für Familienpolitik institutionelle: Familie als ein Wert an sich bevölkerungspolitische: zahlenmäßige Reproduktion der Bevölkerung eugenische: qualitative Reproduktion der Bevölkerung ökonomische: Reproduktion des Humankapitals gesellschaftliche: Reproduktion des Humanvermögens sozio-ökonomische: Bedarf und Ungleichheit durch familiäre Leistungen, Armut Gleichstellung: von Mann und Frau Kinder: Wohlfahrt von Kindern

5 Implizite und explizite Familienpolitik Generelle Orientierungen explizite und umfassende Intervention minimale Intervention (Privatsphäre) selektive Intervention

6 Implizite und explizite Familienpolitik explizite Familienpolitik institutionelle Autonomie familienpolitischer Diskurs implizite Familienpolitik externer Beobachter verschiedene politische Maßnahmen lassen sich familienpolitisch interpretieren keine Familienpolitik

7 Teil 2 Historische Entwicklung der Familienpolitik eine Deskription

8 Periode rapide Urbanisierung und Industrialisierung geringe Einkommen schlechte Lebensbedingungen gefährliche und ungesunde Arbeitsumwelt hohe Armut hohe Kindersterblichkeit Abnahme der Geburtenraten

9 Periode sehr starke Abnahme der Geburtenrate (Weltwirtschaftskrise, 1. Weltkrieg) Befürchtung: Reproduktion von Gesellschaft und Familie gefährdet Befürchtung: militärische und politische Macht gefährdet Nazistische oder eugenische Ideologien

10 Periode Ende des 2. Weltkrieges (Friede) Zunahme der Geburtenrate Wiederbelebung und Konsolidierung der Familie Golden age of the welfare state : universelle Unterstützung für alle Wiederbelebung des traditionellen männlichen Ernährermodells Rückkehr der Frau an den Herd

11 Periode Wiederentdeckung der Armutsfrage stärkere Fokussierung und Selektivität wohlfahrtsstaatlicher Leistungen Gleichberechtigung von Frau und Mann Verfügbarkeit von effektiven Methoden der Geburtenkontrolle

12 Periode 1975 bis 1990er Jahre niedrige Geburtenraten höhere Frauenerwerbstätigkeit Diversifikation der Familienformen liberalere Gesetze (Abtreibung, Scheidung) Unterstützung erwerbstätiger Mütter Armut von Familien mit Kindern

13 Typologie (Gauthier 1996)

14 Teil 3 Familienpolitik im Vergleich mit anderen sozialen Sicherungssystemen

15 Spätentwickler Familienpolitik

16 Sozialer Wandel der Familienpolitik (Wennemo) Frage 1: Was erklärt den frühen oder späten Zeitpunkt der Durchsetzung eines sozialen Sicherungssystems? Unfallversicherung (früh) Familienlastenausgleich (spät) Frage 2: Was erklärt die schnelle oder langsame Verbreitung eines sozialen Sicherungssystems? Krankenversicherung (lang) Familienlastenausgleich (kurz)

17 Sozialer Wandel der Familienpolitik (Wennemo) The institutions of family policy in the countries of highly industrialized countries can be traced back to social actor s differing motives for the introduction of family policy. These motives have included the prevention of poverty among families with children, increasing the fertility rate, maintaining the single wage-earner family, and decreasing gender inequalities. Together with the strength of political organizations and coalitions the importance attributed to these motives led to different choices of strategy by social actors in forming family policy. The development has included changes in family legislation as well as the introduction of cash benefits and social services directed to families. These programs have had a broad range of intended and unintended consequences (Wennemo 1994: 46).

18 Sozialer Wandel der Familienpolitik (Wennemo) According to Korpi (1985) the power resources of different social groups or organizations may be invested in social institutions. Through investment of these resources, the organization makes an impact on national politics that thereafter will remain relatively independent of temporary fluctuations of the strength of the organization (Wennemo 1994: 58).

19 Sozialer Wandel der Familienpolitik (Wennemo) Machtressourcen-Ansatz (Korpi) Phase der Institutionalisierung Je höher die Machtressourcen der Organisation oder Koalition, desto wahrscheinlicher Institutionalisierung. ökonomischer Umgang mit Machtressourcen Je höher der Widerstand, desto unwahrscheinlicher Institutionalisierung. Mit Koalitionsfähigkeit steigt die Chance der Institutionalisierung. Nach Institutionalisierung institutionelles Beharrungsvermögen

20 Erklärung für späte Entwicklung der Familienpolitik (Wennemo) Verzögerungen bei Krankenversicherung: befürchtete negative Effekte auf Arbeitsmarkt private Krankenversicherung große Widerstände Verzögerungen bei Familienlastenausgleich negative Effekte auf Arbeitsmarkt als gering erachtet Auswirkungen auf Normen und Werte ebenso nicht erklärbar durch große Widerstände im Gegenteil: Reformen allseits begrüßt nicht erklärbar durch Koalitionsfähigkeit Erklärung durch mangelndes Interesse der relevanten sozialen Organisationen, insbes. linker Parteien

21 Erklärung für späte Entwicklung der Familienpolitik (Wennemo) The only factor of the three presented above that potentially can explain the relative delay of the introduction of family benefits is therefore the lesser interest demonstrated in family policy by important social actors. The fact that universal family benefits mainly emerged first after the introduction of much more controversial social insurance legislation reflects the fact that increasing rates of fertility were not regarded as a desirable social goal until historically low levels of fertility were reached in the 1930s. [ ] In many countries, there was a strong ideological component in the changed view of fertility. In Italy and Germany this change was connected to the fascist and Nazi regimes that had come to power. Nationalism and the following preoccupation with the size and quality of the national population grew, however, not just in these two countries (Wennemo 1994: 63).

22 Zum Schluss

23 Verwendete Literatur Gauthier, A.H. (1996): The state and the family: a comparative analysis of family policies in industrialized countries. Oxford: Clarendon Press - umfassende historische Analyse, Zusammenfassung in Kapitel 11 Wennemo, I. (1994): Sharing the costs of children. Studies on the development of family support in the OECD countries. Stockholm: Swedish Institute for Social Research, Dissertation Series no Kapitel III diskutiert Motive und Institutionalisierung von Familienpolitik Kaufmann, F.X. (2002): Politics and policies towards the family in Europe: a framework and an inquiry into their differences and convergences. Pp in: Kaufmann, F.X. / Kuijsten, A. / Schulze, H.J. / Strohmeier, K.P. (eds.) (2002): Family life and family policies in Europe. Oxford: Oxford University Press - hier verwendet für Motive der Familienpolitik