Mathematischer Vorbereitungskurs für das MINT-Studium
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- Tristan Kaiser
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1 Mathematischer Vorbereitungskurs für das MINT-Studium Dr. B. Hallouet WS 2017/2018 Vorlesung MINT Mathekurs WS / 75
2 Vorlesung 1 (Lecture 1) Einführung in der Aussagenlogik Introduction to sentential logic Die Grammatik der Mathematik. Vorlesung MINT Mathekurs WS / 75
3 Aussage (Statement) Definition: Eine logische Aussage ist eine Behauptung, die entweder wahr (w) oder falsch (f) ist. A logical statement is a mathematical statement, which is either true (w) or false (f). Bsp: 7 ist eine gerade Zahl (even number): (f ) Saarbrücken ist eine Stadt (city): (w) Außerirdisches Leben existiert: (?) Bayern München ist die beste Fussballmannschaft: (keine Aussage, subjektiv) Vorlesung MINT Mathekurs WS / 75
4 Negation (Negation) Sei A eine Aussage: Definition: Das logische Gegenteil (contrary) einer Aussage bezeichnet man als Negation (Verneinung) von A. Bezeichnung A ( nicht A, not A ). Das Zeichen ist der Junktor (connective) der Negation. A A w f f w Bsp.: A: der Schnee ist weiß. A: der Schnee ist nicht weiß. Vorlesung MINT Mathekurs WS / 75
5 Konjunktion (Conjunction) Seien A und B Aussagen: Definition: Die Verknüpfung zweier Aussagen A und B durch und heißt Konjunktion. Man schreibt sie in der Form A B (gesprochen A und B, A and B ). A B ist genau dann wahr (true), wenn beide (both) Teilaussagen wahr sind. A B A B f f f f w f w f f w w w Bsp.: A: 2 ist eine ungerade Zahl (f) B: 2 ist kleiner als 10 (w) A B: 2 ist eine ungerade Zahl und 2 ist kleiner als 10 (f) Vorlesung MINT Mathekurs WS / 75
6 Disjunktion (Disjunction) Seien A und B Aussagen: Definition: Die Verknüpfung zweier Aussagen A oder B durch oder heißt Disjunktion. Man schreibt sie in der Form A B (gesprochen A oder B, A or B ). A B ist genau dann wahr (true), wenn mindestens (at least) eine der beiden Teilaussagen wahr ist. A B A B f f f f w w w f w w w w Bsp.: A: 2 ist eine ungerade Zahl (f) B: 2 ist kleiner als 10 (w) A B: 2 ist eine ungerade Zahl oder 2 ist kleiner als 10 (w) Vorlesung MINT Mathekurs WS / 75
7 Subjunktion (material implication) Definition: Die Verknüpfung zweier Aussagen A und B durch wenn A, dann B heißt Subjunktion. Man schreibt sie in der Form A B (gesprochen wenn A dann B, aus A folgt B, if A then B ). A B ist per Definition genau dann falsch, wenn A wahr ist und B falsch ist. A B A B f f w f w w w f f w w w Bsp.: A: 2 ist eine ungerade Zahl (f) B: 2 ist kleiner als 10 (w) A B: Wenn 2 eine ungerade Zahl ist, dann ist 2 kleiner als 10 (w) B A: Wenn 2 kleiner als 10 ist, dann ist 2 eine ungerade Zahl (f) Vorlesung MINT Mathekurs WS / 75
8 Bijunktion (biconditional) Definition: Die Verknüpfung zweier Aussagen A und B durch (A B) (B A) heißt Bijunktion. Man schreibt sie in der Form A B (gesprochen A genau dann, wenn B ; A äquivalent zu B, A if only if B ). A B ist per Definition genau dann wahr, wenn beide Teilaussagen denselben Wahrheitswert haben. A B A B f f w f w f w f f w w w Bsp.: A: 2 ist eine ungerade Zahl (f), B: 2 ist kleiner als 10 (w) A B: Genau dann ist 2 eine ungerade Zahl, wenn 2 kleiner als 10 ist (f) Vorlesung MINT Mathekurs WS / 75
9 Zusammenfassung (summary) A B A B A B A B A B f f f f w w f w f w w f w f f w f f w w w w w w Vorlesung MINT Mathekurs WS / 75
10 Komplexere Aussagen A B C? Operatorrangfolge (Order of operations) 1.) 2.) 3.) 4.) 5.) Klammer setzen, um die Operationenreihenfolge zu ändern. Bsp.: A (B C). Vorlesung MINT Mathekurs WS / 75
11 Tautologie & Kontradiktion (Tautology, contradiction) A A A A A A ( A) w f w f w f w w f f A A ist immer wahr, sie stellt eine Tautologie dar. A A ist immer falsch, sie stellt eine Kontradiktion (Widerspruch) dar. Satz vom ausgeschlossenen Widerspruch: Eine Aussage kann nicht gleichzeitig (at the same time) wahr oder falsch sein. A und ( A) haben dieselbe Wahrheitstabelle: A ist logisch äquivalent zu ( A) (A ( A), i.e. A ( A) ist eine Tautologie). Vorlesung MINT Mathekurs WS / 75
12 Beispiel (Example) Beweisen Sie: (A B) (B A) A B (A B) (B C) (A C) Vorlesung MINT Mathekurs WS / 75
13 Grundgesetze der Logik (Basic laws of logic) Grundgesetze der Logik a) A B B A, A B B A (Kommutativität) b) A (B C) (A B) C, A (B C) (A B) C (Assoziativität) c) A (B C) (A B) (A C) A (B C) (A B) (A C) (Distributivität) d) ( A) A (Doppelte Negation) e) (A B) A B, (A B) A B (De Morgansche Regeln) f) (A B) ( B A) (Kontraposition) g) (A B) (B C) (A C) (Transitivität der Implikation) Beweise z.b. mit Hilfe von Wahrheitstabellen. Vorlesung MINT Mathekurs WS / 75
14 Beispiel (Example) Zeigen Sie, dass: B A A B A B 1 A B A B ( ) A B A B A A B f f w w w f w w w w w f f f f w w w f w 2 A B B A A B A B ( ) B A (Kommutativität) ( B) A (Doppelte Negation) B A ( ) (q.e.d.) Vorlesung MINT Mathekurs WS / 75
15 In Worten (With words). A= Es regnet., B= Ich habe meinen Regenschirm. Folgende Formulierungen sind äquivalent: 1 A B: Wenn es regnet, dann habe ich meinen Regenschirm dabei 2 A B: Es regnet nicht oder ich habe meinen Regenschirm dabei 3 B A: Wenn ich meinen Regenschirm nicht dabei habe, dann regnet es nicht. Man sagt, dass A eine hinreichende Bedingung (sufficient condition) für B ist. B ist eine notwendige Bedingung (necessary condition) für A. Vorlesung MINT Mathekurs WS / 75
16 Aussageform P(x): x ist eine gerade Zahl. P(x) ist keine Aussage, sie ist weder wahr noch falsch (neither... nor). Sie ist eine Aussageform. Sie wird in eine Aussage übergehen, sobald man einen Wert einsetzt. Bsp.: P(2) (w), P(3) (f) Vorlesung MINT Mathekurs WS / 75
17 Exkurs: Quantoren (Quantifiers:). 1 für alle (Elemente) (for all). Der Allquantor. 2 es existiert ein (Element) (there exists). Der Existenzquantor. 3! es existiert genau ein (Element) Im Allgemeinen darf man Allquantor und Existenzquantor nicht vertauschen. Vorlesung MINT Mathekurs WS / 75
18 Exkurs: Um A B zu beweisen: (Prove A B:) 1 Direkter Beweis (Direct proof): B wird unter Annahme von A schrittweise gezeigt. (A B) 2 Indirekter Beweis(Indirect proof): a) Beweis durch Kontraposition (Proof by contraposition) : A wird unter Annahme von B schrittweise gezeigt. ( B A) b) Beweis durch Widerspruch (Proof by contradiction): Wir negieren A B: (A B) A B. Wir nehmen A und B an und kommen dann zu einem Widerspruch Vorlesung MINT Mathekurs WS / 75
19 Vorlesung 2 (Lecture 2) Einführung in die Mengenlehre. Introduction to set theory. Vorlesung MINT Mathekurs WS / 75
20 Menge (set) Definition: (nach Cantor) Eine Menge M ist eine Zusammenfassung von bestimmten wohlunterschiedenen Objekten unserer Anschauung oder unseres Denkes zu einem Ganzen. Die Objekte nennen wir die Elemente der Menge M. A set M is any collection of certain distinct objects of our thought or intuition into a whole. The objects are called elements of the set M Bsp.: Menge der natürlichen Zahlen N : {0, 1, 2, 3, 4...} Menge der Primärfarben (primary colors): {blau, rot, gelb} Menge der Einwohner in Saarbrücken. Vorlesung MINT Mathekurs WS / 75
21 Menge (set) Bezeichnung: (Notation) Ist x ein Element der Menge M, so schreibt man x M (gesprochen x ist Element von M ) Gehört x nicht zu der Menge M, schreibt man x / M ( (x M)) (gesprochen x ist kein Element von M ) Bsp.: M = {3, 5, 7}, 3 M, 8 / M. Vorlesung MINT Mathekurs WS / 75
22 Darstellung von Mengen (Representation of sets) Bezeichnung: (Notation) aufzählende Darstellung (explizit): Auflistung der einzelnen Elemente der Menge in geschweiften Klammern {}. Bsp: M = {0, 4, 8, 12, 16...} beschreibende Darstellung (implizit): eindeutige Charakterisierung ihrer Elemente mittels eines definierenden Ausdrucks: M = {x x hat die Eigenschaft} Bsp: M = {x x = 4n, n N} Bsp.: alle ungerade natürliche Zahlen M = {1, 3, 5, 7, 9...} M = {x N x ist ungerade } (gesprochen M ist die Menge aller x N mit (der Eigenschaft), dass x ungerade ist. ) M = {x x = 2n + 1, n N} Vorlesung MINT Mathekurs WS / 75
23 Menge (Set) Leere Menge: (empty set) oder {} ist die leere Menge. Sie ist die Menge, die kein Element enthält. Grundmenge: (Universe) Die Menge aller betrachteten Objekte wird Grundmenge genannt. Als Bezeichnung wird der griechische Buchstabe Ω verwendet. Bsp: Beim einfachen Würfelwurf: Ω = {1, 2, 3, 4, 5, 6} Ω = N, L = {x N x + 5 = 3} = {} Ω = Z, L = {x Z x + 5 = 3} = { 2} L heißt die Lösungsmenge der Gleichung x + 5 = 3 in N bzw. in Z. Ω = Z, L = {x Z x + 0 = x} = Ω Vorlesung MINT Mathekurs WS / 75
24 Teilmenge (Subset) Teilmenge: (subset) Seien A,B Mengen. Eine Menge B heißt Teilmenge (Untermenge) von A, in Zeichen: B A (gesprochen B ist Teilmenge von A ), wenn jedes Element von B auch Element von A ist. B A x (x B) (x A). Welche Mengen sind Teilmengen der Menge A = { 1, 0, 1, 2, 3}? a) B 1 = {0} b) B 2 = {1, 2, 3, 4} c) B 3 = d) B 4 = {0, 1} e) B 5 = {3, 0, 2, 1, 1} f) B 6 = {1, 0, 2} Für nicht-leere Mengen gilt: A A, A. Vorlesung MINT Mathekurs WS / 75
25 Gleichheit von Mengen (identity of sets) Gleichheit von Mengen: (Identity of sets) A und B heißen gleich (identisch), A = B, wenn sie dieselben (the same) Elemente enthalten. A = B ( x (x B) (x A)) (A B) (B A) Welche Mengen sind gleich? a) A 1 = {x x N, x x = 4} b) A 2 = {x x / Q, x Z} c) A 3 = d) A 4 = {x x Z, x x = 4} e) A 5 = { 2, 2} f) A 6 = {2} Antwort: A 1 = A 6, A 2 = A 3, A 4 = A 5 B A bedeutet B A und B A. B heißt dann echte Teilmenge von A. Bemerkung: Die Reihenfolge der Elemente und die Häufigkeit ihrer Auftreten spielen keine Rolle. Die Menge {1, 2, 3} ist gleich der Menge {2, 3, 1} und gleich der Menge {2, 1, 2, 3, 1, 3, 1}. Vorlesung MINT Mathekurs WS / 75
26 Mächtigkeit und Potenzmenge (Cardinality and power set ) Def.: Mächtigkeit einer Menge (Cardinality of a set) Die Anzahl der Elemente einer Menge M heißt Mächtigkeit von M und wird mit M bezeichnet. Bsp: A = {1, 2, 3, 5}, A = 4, B = {1, 2, 3, 1, 3}, B = 3 Def.: Potenzmenge (power set) Sei M eine beliebige Menge. Die Menge aller Teilmengen von M heißt die Potenzmenge P(M) von M. P(M) := {A A M} Bsp.: Bestimmen Sie die Potenzmenge von A = {a, b, c}. Geben Sie ihre Mächtigkeit an. Antwort: P(A) = {, {a}, {b}, {c}, {a, b}, {a, c}, {b, c}, {a, b, c}}, P(A) = 8 = 2 A = 2 3 Vorlesung MINT Mathekurs WS / 75
27 Venn-Diagramm (Venn-diagram) In einem Venndiagramm werden Mengen durch Flächen ( z.b. Kreise oder Ellipsen) dargestellt. Die Grundmenge Ω wird Ω üblicherweise durch einen Rechteck dargestellt. Mengeninklusion (echte Teilmenge): A Ω A Ω Vorlesung MINT Mathekurs WS / 75
28 Komplement (complement) Komplement: (complement) Sei A eine Teilmenge der Grundmenge Ω. Das Komplement von A in Ω ist die Menge A (gesprochen A quer ): A = {x Ω x / A} x Ω x A (x A) Bsp.: Ω = {1, 2, 3, 4, 5, 6}, A = {x Ω x ist gerade}, A = {1, 3, 5} A A Es gilt: Ω =, = Ω, A = A. Vorlesung MINT Mathekurs WS / 75
29 Schnittmenge ((set) intersection) Schnittmenge: (intersection) Seien A, B, Teilmengen von Ω. Die Schnittmenge von A und B (A B, gesprochen A geschnitten (mit) B ) besteht aus allen Elementen, die gleichzeitig in A und B liegen. A B = {x Ω x A x B} x x (A B) (x A) (x B) Bsp.: A = {1, 3, 4, 5, 7}, B = {1, 2, 6, 7, 8} A B = {1, 7} A B Vorlesung MINT Mathekurs WS / 75
30 Eigenschaften der Schnittsmenge (Properties of the set intersection) Eigenschaften: (properties) Seien A, B, Teilmengen von Ω. Es gilt: A A = A A A = A Ω = A A = (A B) A, (A B) B Disjunkte Mengen: (disjoint sets) Zwei Mengen A, B heißen disjunkt, wenn ihre Schnittmenge die leere Menge ist: Die Mengen A und B sind disjunkt A B = Vorlesung MINT Mathekurs WS / 75
31 Vereinigungsmenge ((set) union) Vereinigungsmenge: (union) Seien A, B, Teilmengen von Ω. Die Vereinigungsmenge von A und B (A B, gesprochen A vereinigt (mit) B ) besteht aus allen Elementen, die in A oder B enthalten sind. A B = {x Ω x A x B} x x (A B) (x A) (x B) Bsp.: A = {1, 3, 4, 5, 7}, B = {1, 2, 6, 7, 8} A B = {1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8} A B Vorlesung MINT Mathekurs WS / 75
32 Eigenschaften der Vereinigungmenge (Properties of the set union) Eigenschaften: (properties) Seien A, B, Teilmengen von Ω. Es gilt: A A = A A A = Ω A Ω = Ω A = A A (A B), B (A B) Vorlesung MINT Mathekurs WS / 75
33 Differenzmenge ((set) difference) Differenzmenge: (difference) Seien A, B Teilmengen von Ω. Die Differenzmenge von A und B (A \ B, gesprochen A ohne B ) besteht aus allen Elementen, die in A, aber nicht in B liegen. A \ B = {x Ω x A x / B} x x (A \ B) (x A) (x B) Bsp.: A = {1, 3, 4, 5, 7}, B = {1, 2, 6, 7, 8} A \ B = {3, 4, 5} A B Seien A, B Teilmengen einer Grundmenge Ω. Es gilt: A = Ω \ A A \ B = A B Vorlesung MINT Mathekurs WS / 75
34 Rechenregeln für Mengenoperationen (Set operations) Eigenschaften: (properties) Seien A, B und C Teilmengen von Ω. Es gilt: 1 A B = B A, A B = B A (Kommutativität) 2 (A B) C = A (B C), (A B) C = A (B C) (Assoziativität) 3 A (B C) = (A B) (A C) (Distributivität) A (B C) = (A B) (A C) 4 (A B) = A B, (A B) = A B (De Morgan) Vorlesung MINT Mathekurs WS / 75
35 Beispiel:Example Gegeben sind die Mengen A und B sowie eine Grundmenge Ω. Vereinfachen Sie: (A \ B) (A B) (A \ B) (A B) = (A B) (A B) Eigenschaft der Differenzmenge = (A B) (A B) De Morgan = B (A A) Distributivität = B Eigenschaft der Schnittmenge und der Vereinigungmenge Vorlesung MINT Mathekurs WS / 75
36 Beispiel mit Venn-Diagrammen: Example Gegeben sind die Mengen A und B sowie eine Grundmenge Ω. Beweisen Sie: (A B) C = A (B C) A B A A B B (A B) C A B C C C Vorlesung MINT Mathekurs WS / 75
37 Beispiel mit Venn-Diagrammen: Example Gegeben sind die Mengen A und B sowie eine Grundmenge Ω. Beweisen Sie: (A B) C = A (B C) A B A B C B A (B C) A B C C C Vorlesung MINT Mathekurs WS / 75
38 Beispiel: Example Gegeben sind die Mengen A und B sowie eine Grundmenge Ω. Beweisen Sie: (A B) C = A (B C) x x ((A B) C) ((x A) (x B)) (x C) Def. von (x A) ((x B) (x C)) Assoziativität von (x A) ((x (B C)) Def. von (x (A (B C)) Def. von Vorlesung MINT Mathekurs WS / 75
39 Beispiel: Example Gegeben sind die Mengen A und B sowie eine Grundmenge Ω. Beweisen Sie: (A B) B = A B Vereinfachen Sie: (A B) (A B) ((A B)) (B C)) ((A C) \ B) Vorlesung MINT Mathekurs WS / 75
40 Vorlesung 3 (Lecture 3) Abbildungen und Funktionen Functions Vorlesung MINT Mathekurs WS / 75
41 Abbildung (Funktion) Abbildung (Function) Eine Abbildung f : M N zwischen zwei Mengen M und N ist eine Beziehung, die jedem Element x M eindeutig genau ein Element f (x) N zuordnet. M heißt dabei Definitionsmenge (domain) und N Zielmenge (codomain) der Abbildung. Wir schreiben f : M N, x f (x). Sprechweise: Die Abbildung f von M nach N, die x auf f (x) abbildet. Bemerkung: Wenn M und N Teilmengen von R sind, werden Abbildungen auch Funktionen genannt. Bsp.: f : R R, x x 2 f : R + R, x ln(x) Vorlesung MINT Mathekurs WS / 75
42 Abbildung M f N M g N x f (x) f ist eine Abbildung g ist keine Abbildung Vorlesung MINT Mathekurs WS / 75
43 Bildmenge (image) Bildmenge (image) Sei A M und f : M N, das Bild (image) von A unter f ist die Menge f (A) = {f (x) N x A} N M f N A f (A) Bsp.: f : R R, x x 2 f (R) = R + A = [ 2, 2], f (A) = [0, 4] f (M) nennt man das Bild von f. Vorlesung MINT Mathekurs WS / 75
44 Urbildmenge (preimage) Urbildmenge (preimage) Sei B N und f : M N, das Urbild (preimage) von B unter f ist die Menge f 1 (B) = {x M f (x) B} M M f 1 (B) f N B Bsp.: f : R R, x x 2 f 1 ({ 1}) = B = [9, 16], f 1 (B) = [ 4, 3] [3, 4] f 1 (B) f 1 (Umkehrfunktion) Vorlesung MINT Mathekurs WS / 75
45 Bild / Urbild (Image/preimage) Bild / Urbild Ist f : M N eine Abbildung, sind x M und y N und ist y = f (x), so heißt y Bild (image) von x (unter f ) x Urbild (preimage) von y (unter f ) Bsp.: M x 1 x 2 x 3 f N y y ist das Bild von x 1, x 2, x 3. x 1, x 2,x 3 sind das Urbild von y. Vorlesung MINT Mathekurs WS / 75
46 Injektivität Seien M und N zwei Mengen und f : M N eine Abbildung. Injektivität f heißt injektiv (injective) genau dann, wenn aus f (x 1 ) = f (x 2 ) folgt x 1 = x 2 für alle x 1, x 2 M x 1, x 2 M f (x 1 ) = f (x 2 ) x 1 = x 2 x 1, x 2 M x 1 x 2 f (x 1 ) f (x 2 ) Die Abbildung f ist genau dann injektiv, wenn jedes f (x) N höchstens (at most) ein Urbild besitzt. Vorlesung MINT Mathekurs WS / 75
47 Beispiel (Example) Sind die folgende Abbildungen injektiv? M f N M g N f ist injektiv. Jedes Element von N hat höchstens ein Urbild. g ist nicht injektiv. Es gibt ein Element von N, das zwei Urbilder hat. Vorlesung MINT Mathekurs WS / 75
48 Surjektivität Seien M und N zwei Mengen und f : M N eine Abbildung. Surjektivität f heißt surjektiv (surjective) genau dann, wenn es für jedes y N ein x M gibt, so dass y = f (x) gilt. y N x M y = f (x) Die Abbildung f ist genau dann surjektiv, wenn jedes f (x) N mindestens (at least) ein Urbild besitzt. Bemerkung: Die Abbildung f ist genau dann surjektiv, wenn f (M) = N gilt. Vorlesung MINT Mathekurs WS / 75
49 Beispiel (Example) Sind die folgende Abbildungen surjektiv? M f N M g N f ist surjektiv. Jedes Element von N hat mindestens ein Urbild. g ist nicht surjektiv. Es gibt Elemente von N, die kein Urbild haben. Vorlesung MINT Mathekurs WS / 75
50 Bijektivität Seien M und N zwei Mengen und f : M N eine Abbildung. Bijektivität f heißt bijektiv (bijective) genau dann, wenn f injektiv und surjektiv ist. Die Abbildung f ist genau dann bijektiv, wenn jedes f (x) N genau ein (exactly one) ein Urbild besitzt. y N!x M y = f (x) Vorlesung MINT Mathekurs WS / 75
51 Beispiel (Example) Sind die folgende Abbildungen bijektiv? M f N M g N f ist bijektiv. Jedes Element von N hat genau ein Urbild. g ist nicht bijektiv. Sie ist weder injektiv noch subjektiv. Vorlesung MINT Mathekurs WS / 75
52 Beispiel (Example) Ist die folgende Abbildung injektiv, surjektiv, bijektiv? Begründen Sie Ihre Antwort. M f N f ist weder injektiv noch surjektiv. nicht injektiv: Es gibt ein Element von N, das zwei Urbilder hat. f ist also nicht injektiv. nicht surjektiv: Es gibt Elemente von N, die kein Urbild haben. f ist also nicht surjektiv. nicht bijektiv: Da f nicht injektiv und surjektiv ist, ist f nicht bijektiv. Vorlesung MINT Mathekurs WS / 75
53 Beispiel (example) 1 Ist die Funktion f : R R, x x 2 injektiv, surjektiv? Die Funktion ist nicht injektiv,wegen 1 ( 1) und f (1) = f ( 1). Die Funktion ist nicht surjektiv, 1 R aber es existiert kein x R so dass f (x) = 1. 2 Ist die Funktion f : R R +, x x 2 injektiv, surjektiv? Die Funktion ist nicht injektiv, da 1 ( 1) aber f (1) = f ( 1). Die Funktion ist surjektiv, y R + x R : y = f (x) = x 2 x = y. (Alternativ f (R) = R + gilt.) 3 Ist die Funktion f : R + R, x x 2 injektiv, surjektiv? Die Funktion ist injektiv, x R+, f (x 1 ) = f (x 2 ) also x 2 1 = x 2 2 x 1 = x 2 (da x 1, x 2 R + ). Die Funktion ist nicht surjektiv, da 1 kein Urbild unter f besitzt. 4 Ist die Funktion f : R + R +, x x 2 injektiv, surjektiv? Die Funktion ist injektiv, x R+, f (x 1 ) = f (x 2 ) also x 2 1 = x 2 2 x 1 = x 2 (da x 1, x 2 R + ). Die Funktion ist surjektiv: jedes y R + besitzt x = y (y 0) als Urbild unter f. Vorlesung MINT Mathekurs WS / 75
54 Die identische Abbildung (the identity function) Die identische Abbildung Sei M eine Menge, dann ist die identische Abbildung auf M definiert durch: id M : M M, x x x M, id M (x) = x Vorlesung MINT Mathekurs WS / 75
55 Komposition zweier Abbildungen (composition of functions) Komposition zweier Abbildungen Seien f : A B und g : B C zwei Abbildungen, die Komposition (Verkettung) g f ist die Abbildung definiert durch: g f : A C, x (g f )(x) := g(f (x)) Sprechweise: g verknüpft mit f, g nach f ( g of f ) Allgemein ist g f f g f g A B C g f Bsp.: f (x) = 2x + 3, g(x) = 5x, (g f )(x) = g(f (x)) = 5 (2x + 3) = 10x + 15 (f g)(x) = f (g(x)) = 2 (5x) + 3 = 10x + 3 Vorlesung MINT Mathekurs WS / 75
56 Satz (Theorem) Sei f : M N eine Abbildung. 1 Existiert eine Abbildung g : N M mit g f = id M, dann ist f injektiv. 2 Existiert eine Abbildung h : N M mit f h = id N, dann ist f surjektiv. 3 f ist genau dann bijektiv, wenn es eine Abbildung g : N M gibt, so dass g f = id M und f g = id N. In diesem Fall ist g eindeutig bestimmt und bildet die Umkehrabbildung von f. Es gilt g = f 1. Beweis für 1): Sei g : N M mit g f = id M, dann gilt g(f (x)) = id M (x) = x (*) für alle x M. x M f (x 1 ) = f (x 2 ) g(f (x 1 )) = g(f (x 2 )). Aus (*) folgt x 1 = x 2. f ist dann injektiv.. Vorlesung MINT Mathekurs WS / 75
57 Beispiel Umkehrfunktion: Um die Umkehrfunktion einer bijektiven Funktion zu finden, lösen wir y = f (x) nach x auf: x = f 1 (y). Dann vertauschen wir x und y. Die Funktion f : R + R +, x x 2 ist bijektiv. Sie besitzt eine Umkehrabbildung f 1 (x). y = x 2 x = y (da x R + ). Also f 1 (x) = x. Die Funktion f : R R, x 2x + 1 ist bijektiv. Sie besitzt eine Umkehrabbildung f 1 (x). y = 2x + 1 x = 1 2 (y 1). Also f 1 (x) = 1 (x 1). 2 Vorlesung MINT Mathekurs WS / 75
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