Rechnungslegung nach den International Financial Reporting Standards (IFRS)
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1 Mai 2011 Copyright Hans-Böckler-Stiftung Rechnungslegung nach den International Financial Reporting Standards (IFRS) Kapitel 7 Wertpapiere Jahresabschluss und Jahresabschlussanalyse: Informationen für Aufsichtsräte und Betriebsräte Auf einen Blick In diesem Kapitel setzen wir uns mit den komplexen Vorschriften der Internationalen Rechnungslegung zur Darstellung von Wertpapieren im Jahresabschluss auseinander. Wir erläutern die Kategorien, in die Wertpapiere nach diesen Vorschriften einzustufen sind. Wir erklären die Bilanzierung von Derivaten, wie z. B. Termingeschäfte und Optionen. Außerdem gehen wir ein auf die Darstellung von Sicherungsbeziehungen. Dabei geht es um die Darstellung eines Grundgeschäfts und des zu seiner Absicherung abgeschlossenen Derivat-Geschäft im Jahresabschluss.
2 Inhaltsverzeichnis 7. Wertpapiere Bilanzierung der Wertpapiere nach HGB-Regeln Bilanzierung von Wertpapieren unter IFRS Wertpapiere der Kategorie Held-for-trading Wertpapiere der Kategorie Held-to-maturity Wertpapiere der Kategorie Available-for-sale Bilanzierung von Derivaten unter IFRS Bilanzierung von Sicherungsbeziehungen (hedge accounting) 7 Hans-Böckler-Stiftung Mai
3 Abbildungsverzeichnis Abb. 3: Bewertung von Wertpapieren nach IFRS... 6 Hans-Böckler-Stiftung Mai
4 7. Wertpapiere Der Erwerb von Wertpapieren erfolgt meist in der Absicht, sich an anderen Unternehmen zu beteiligen oder eine bestimmte Verzinsung zu erhalten. Ein dritter Zweck kann das Ziel sein, mit diesen Papieren zu handeln und somit einen Kursgewinn zu realisieren. Die Zuordnung der Wertpapiere zu den in Frage kommenden Bilanzpositionen ist von ebenso großer Bedeutung wie die Bewertung der Papiere Bilanzierung der Wertpapiere nach HGB-Regeln Nach dem HGB werden Wertpapiere dem Anlagevermögen zugeordnet, wenn sie dazu bestimmt sind, dauerhaft dem Geschäftsbetrieb zu dienen. Dies gilt ebenso für Anteile an anderen Unternehmen wie auch zum Beispiel für festverzinsliche Wertpapiere wie öffentliche Anleihen oder Pfandbriefe mit längerer Laufzeit. Alle anderen Wertpapiere sind dem Umlaufvermögen zuzuordnen. Unabhängig von dieser Zuordnung sind Wertpapiere grundsätzlich zu ihren Anschaffungskosten anzusetzen. Allerdings ist bei Wertminderungen unterschiedlich zu verfahren: Bei Wertpapieren des Anlagevermögens sind außerplanmäßige Abschreibungen vorzunehmen, wenn eine voraussichtlich dauerhafte Wertminderung eintritt. Es besteht ein Wahlrecht, außerplanmäßige Abschreibungen auch bei voraussichtlich nicht dauernder Wertminderung vorzunehmen. Wertpapiere des Umlaufvermögens unterliegen dagegen dem strengen Niederstwertprinzip. Danach fallen außerplanmäßige Abschreibungen sowohl bei voraussichtlich dauerhafter als auch vorübergehender Wertminderung zwingend an Bilanzierung von Wertpapieren unter IFRS Die Bilanzierung von Wertpapieren nach IFRS wird in mehreren Standards behandelt, die sich insgesamt mit den so genannten Finanzinstrumenten befassen. Zunächst ist dies IAS 32, der Regeln für die Darstellung der Finanzinstrumente bietet und grundlegende Definitionen enthält. IAS 39 schreibt die Verfahrensweisen für Ansatz und Bewertung von Finanzinstrumenten vor. IFRS 7 beinhaltet die umfassenden Angaben, die das Unternehmen zu den Finanzinstrumenten zu machen hat. IAS 39 soll in absehbarer Zeit durch den neuen IFRS 9 ersetzt werden, der jedoch noch durch die EU anerkannt werden muss, bevor er europaweit angewendet wird. Ein Finanzinstrument ist anzusetzen, sobald das Unternehmen Vertragspartei im Rahmen der vertraglichen Regelungen dieses Finanzinstruments wird (IAS 39.14). Nach den IFRS richtet sich die erstmalige Bewertung bei der Einbuchung eines finanziellen Vermögenswerts grundsätzlich nach seinem beizulegenden Zeitwert (IAS 39.43). Die Folgebewertung zu späteren Bilanzstichtagen ist von der Zuordnung der Wertpapiere zu einer der folgenden Kategorien abhängig (IAS f.): Hans-Böckler-Stiftung Mai
5 Wertpapiere der Kategorie Held-for-trading Hierbei handelt es sich um eine Unterkategorie der financial assets at fair value through profit or loss. Das sind finanzielle Vermögenswerte, die zum beizulegenden Zeitwert (fair value) zu bewerten sind, und deren Bewertungsdifferenzen zum erstmaligen Ansatz bzw. zum vormaligen Bilanzstichtag erfolgswirksam (nämlich in der Gewinn- oder Verlustrechnung) zu erfassen sind. Hat das Unternehmen ein Wertpapier mit der Absicht erstanden, einen Gewinn aus kurzfristigen Schwankungen des Preises für das Wertpapier zu erzielen, so ist es der Kategorie Held-for-trading zuzurechnen (vgl. IAS 39.9). Zu den Handelspapieren zählen auch Derivate, sofern sie nicht zu Sicherungsgeschäften dienen. Die Folgebewertung orientiert sich am jeweiligen beizulegenden Zeitwert: Der Realisierung von Kursgewinnen (also Spekulationszwecken) dienende Wertpapiere sind grundsätzlich zum fair value zu bewerten (IAS 39.46). Im Gegensatz zum HGB, das für Wertpapiere von Industrie- oder Handelsunternehmen keine Folgebewertung über den Anschaffungskosten zulässt, besteht bei der Bewertung gemäß IFRS die Möglichkeit, zu höheren Wertansätzen als den Anschaffungskosten zu kommen und unrealisierte Gewinne (die Papiere sind noch nicht verkauft) auszuweisen. Positive wie negative Wertdifferenzen zum Anschaffungspreis der Handelspapiere sind nach IAS erfolgswirksam zu behandeln Wertpapiere der Kategorie Held-to-maturity Unter diese Kategorie fallen Wertpapiere wie Anleihen oder Pfandbriefe mit einer festen Laufzeit, die das Unternehmen bis zu ihrer Endfälligkeit halten will und kann (IAS 39.9). Da hier ein garantierter Rücknahmepreis vorliegt, macht eine Abwertung bei vorübergehender Wertminderung (beispielsweise Kursrückgang) keinen Sinn. Ebenso sind eventuelle Wertsteigerungen innerhalb der Laufzeit für die Bilanzierung ohne Bedeutung, da ja die Papiere bis zum Ende der Laufzeit gehalten und dann zum Nennwert zurückgezahlt werden sollen. Diese Papiere werden daher mit den fortgeführten Anschaffungskosten bewertet (IAS 39.46). Liegt dagegen eine dauerhafte Wertminderung vor (z. B. weil der Schuldner seinen Verpflichtungen nicht mehr in voller Höhe nachkommen kann), ist erfolgswirksam auf den Barwert der erwarteten künftigen Cashflows unter Verwendung des ursprünglichen Effektivzinssatzes abzuschreiben (IAS 39.63). Der Verlustbetrag ist ergebniswirksam zu erfassen Wertpapiere der Kategorie Available-for-sale Alle Wertpapiere, die nicht den ersten beiden Kategorien zugehörig sind, zählen zu den veräußerungsfähigen Wertpapieren. Dies sind zum Beispiel Aktien, die nicht der Spekulation dienen, oder Rentenpapiere, die nicht bis zur Endfälligkeit gehalten werden sollen. Diese Papiere sind immer zu ihrem Zeitwert zu bilanzieren. Hans-Böckler-Stiftung Mai
6 Available-for-sale-Wertpapiere werden zu jedem Bewertungszeitpunkt zum beizulegenden Zeitwert bewertet. Die Marktbewertung erfolgt nach IAS (b) grundsätzlich erfolgsneutral in einer separaten Position im Eigenkapital (im sonstigen Ergebnis ). Im Verkaufszeitpunkt sind die Wertänderungen allerdings in die Gewinn- und Verlustrechnung umzubuchen, da dann eine Realisierung der Gewinne bzw. Verluste stattfindet. Ebenfalls eine erfolgswirksame Erfassung in der Gewinn- und Verlustrechnung - bereits vor Verkauf der Papiere - ist im Falle einer Wertminderung (impairment) vorzunehmen (IAS 39.67). Kategorie und Art der Bewertung Folgebewertung (IAS 39.46) Berücksichtigung von Gewinnen oder Verlusten, die aus der Bewertung zum Zeitwert resultieren Berücksichtigung von Wertminderung und Uneinbringlichkeit (IAS ff.) Held-for-trading Held-to-maturity Available- for- sale Bewertung mit dem beizulegenden Zeitwert Ergebniswirksame Verrechnung unrealisierter Gewinne und Verluste (IAS 39.55) Bewertung zu fortgeführten Anschaffungskosten unter Anwendung der Effektivzinsmethode - Ergebniswirksame Verbuchung der Differenz von Buchwert und Barwert künftiger Cashflows (IAS 39.63) Bewertung mit dem beizulegenden Zeitwert - Ergebnisneutrale Erfassung unrealisierter Gewinne und Verluste im sonstigen Ergebnis (IAS 39.55) Wertminderung führt zur Ausbuchung der bisher ergebnisneutral verrechneten Verluste und zur ergebniswirksamen Erfassung (IAS 39.67) Müller, Matthias: IFRS - International Financial Reporting Standards. 2. Auflage Frankfurt am Main, Bund Verlag, 2010, S. 92. Abb. 1: Bewertung von Wertpapieren nach IFRS Für den Leser des Jahresabschlusses ist es wichtig, zu beachten, dass im Bereich des HGB aufgrund der Unzulässigkeit einer Aufwertung über die Anschaffungskosten stille Reserven geschaffen werden können. IFRS-Bilanzen sollen dagegen nach dem Prinzip des true and fair view ein realistisches Bild bieten. Damit kommt es aber auch zum Ausweis unrealisierter (Buch-)Gewinne aus der Zeitwertbewertung der Wertpapiere. Zu begrüßen ist die unter IFRS-Bedingungen (etwa durch detaillierte Angaben im Anhang) deutlich größere Transparenz über den Wertpapierbesitz des Unternehmens. Kritisch ist aber neben dem Ausweis unrealisierter Gewinne auch das Durchschlagen von Marktbewegungen auf die bilanzierten Finanzinstrumente zu sehen. Diese Form der Bilanzierung kann prozyklisch wirken und krisenverschärfend. Hans-Böckler-Stiftung Mai
7 7.3. Bilanzierung von Derivaten unter IFRS Derivate sind Verträge, die dadurch gekennzeichnet sind, dass sich ihr Wert in Abhängigkeit von einer Basis (z. B. Zinssatz, Rohstoffpreis oder Wechselkurs) ändert, allenfalls geringe Anschaffungskosten dafür anfallen und sie erst in der Zukunft beglichen werden. Unter diese Definition fallen z. B. Optionen auf Anleihen, Aktien und Fremdwährungen sowie Termingeschäfte auf Währungen und Zinssätze (Forwards, Futures, Währungsswaps und Zinsswaps). Derivate werden in einem Unternehmen üblicherweise nicht zu Spekulationszwecken angeschafft und gehalten, sondern zur Absicherung von geschäftsüblichen Transaktionen. Dazu zählen beispielsweise die Anschaffung von Rohstoffen und der Verkauf von Waren. Sind die Rohstoffpreise veränderlich oder unterliegen sie oder die Verkaufspreise der Waren Währungsschwankungen, so kann dies erhebliche Risiken für das Unternehmen bergen. Zur Absicherung künftiger Geschäfte gegen Schwankung von Preisen oder Kursen eignet sich der Erwerb passender Derivate, die gewissermaßen ein Gegengeschäft darstellen. Derivate gehören zu den Finanzinstrumenten des Handelsbestands (held for trading), sofern nicht die besonderen Bedingungen für die Bilanzierung von Sicherungsbeziehungen (vgl. Punkt 8.4) herangezogen werden können. Derivative Vermögenswerte sind daher nach den Regeln für financial assets at fair value through profit or loss, derivative Schulden nach den Regeln für financial liabilities at fair value through profit or loss zu bilanzieren. Damit hat die Erstbewertung zum beizulegenden Zeitwert (fair value) zu erfolgen. Die mit dem Erwerb verbundenen Transaktionskosten sind erfolgswirksam zu verbuchen. Viele Derivate haben einen Anfangswert von null, so dass zunächst keine bilanziellen Wirkungen vorliegen. Optionen sind im Ausmaß der Optionsprämie zu erfassen. Auch für die Folgebewertung ist der beizulegende Zeitwert zu ermitteln. Die Veränderung des beizulegenden Zeitwerts im Vergleich zum vorhergehenden Bewertungszeitpunkt ist erfolgswirksam zu erfassen (Veränderung des Periodenergebnisses). Das Handelsergebnis ist gesondert darzustellen Bilanzierung von Sicherungsbeziehungen (hedge accounting) Wie oben ausgeführt wurde, dienen Derivate üblicherweise Sicherungszwecken. Ist dies der Fall, so kann sich das Standardverfahren zur Bewertung der Derivate als hinderlich erweisen. So sind Wertänderungen des Derivats erfolgswirksam zu erfassen, während für das zugehörige Grundgeschäft, das abgesichert werden soll, die erfolgsneutrale Bilanzierung oder die Bewertung zu fortgeführten Anschaffungskosten vorgeschrieben ist. Handelt es sich bei dem Grundgeschäft um ein Available-forsale-Wertpapier, so wären dessen Wertänderungen erfolgsneutral zu verbuchen, die Hans-Böckler-Stiftung Mai
8 des absichernden Derivats dagegen erfolgswirksam. In solchen Fällen fiele die Bewertung des zu sichernden Grundgeschäfts und des Sicherungsinstruments auseinander. Als Lösung präsentieren die IFRS die Möglichkeit, im Falle nachweisbarer und effektiver Sicherungsbeziehungen die Bilanzierung von Grundgeschäft und Sicherungsinstrument aufeinander abzustimmen (hedge accounting gemäß IAS ff.). Für die unterschiedlichen Formen der Sicherungsgeschäfte gibt es jeweils angepasste, relativ komplexe Regeln für das hedge accounting. Absichern lässt sich das Risiko des Fair Value eines bilanzierten oder schwebenden Geschäfts (fair value hedge), das Risiko einer Schwankung künftiger Zahlungsströme eines bilanzierten oder erwarteten Geschäfts (cashflow hedge) und das Wechselkursrisiko einer Nettoinvestition in ein ausländisches Unternehmen. Im Ergebnis kommt es zu der Abstimmung von Grundgeschäft und Sicherungsinstrument durch die dann zulässige erfolgswirksame Bewertung des Grundgeschäfts zum fair value oder durch die zunächst nicht erfolgswirksame Bewertung des Sicherungsgeschäfts. In beiden Fällen bedeutet dies ein Abweichen von den sonst üblichen Bewertungsregeln. Daher bestehen relativ strenge Anforderungen an den Nachweis einer bestehenden und effektiven Sicherungsbeziehung. Hans-Böckler-Stiftung Mai
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