Freiwilligenarbeit und Motivation: Sinnhaftigkeit versus monetäre Anreize
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- Jesko Bader
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1 Freiwilligenarbeit und Motivation: Sinnhaftigkeit versus monetäre Anreize Fachgespräch, 31. Januar 2019, Basel Dr. Stefan T. Güntert Institut für Nonprofit- und Public Management, Fachhochschule Nordwestschweiz
2 Unsere Fragen heute Was ist das Besondere an Freiwilligenarbeit? Warum engagieren sich Freiwillige? Freiwilligenarbeit und Kontrolle wie verträgt sich das? Stärkt selbstbestimmte Motivation das Engagement nachhaltig? Wie lässt sich die selbstbestimmte Motivation Freiwilliger fördern? 2
3 Was ist das Besondere an Freiwilligenarbeit? 3
4 Besonderheiten der Freiwilligenarbeit Freiwilligenarbeit Erwerbsarbeit Welche Aussagen treffen stärker auf die jeweilige Tätigkeit zu? 4
5 Aussagen, die zur Erwerbsarbeit passen Freiwilligenarbeit Erwerbsarbeit Bei dieser Arbeit kommt es darauf an, Leistung von hoher Qualität zu erbringen. Bei dieser Arbeit kommt es vor, dass ich mich ungerecht behandelt fühle. Diese Arbeit bietet Herausforderungen, an denen ich wachsen kann. 5
6 Aussagen, die zur Freiwilligenarbeit passen Stärke, aber auch Konfliktpotenzial Freiwilligenarbeit Erwerbsarbeit Bei dieser Arbeit kann mir niemand vorschreiben, was ich zu tun und zu lassen habe. Durch diese Arbeit kann ich in der Gesellschaft etwas bewegen. Bei dieser Arbeit stehe ich moralisch uneingeschränkt hinter dem, was ich tue. Bei dieser Arbeit beschäftige ich mich mit Themen, die mir im Leben wichtig sind. Diese Arbeit sagt viel darüber aus, was für ein Mensch ich bin. 6
7 Welche Motive haben Freiwillige? 7
8 Freiwilligenarbeit ist «multifunktional» Werte Erfahrung Selbstwert Schutz Soziale Anpassung Karriere Ich kann etwas für eine Sache tun, die mir persönlich wichtig ist. Ich kann Dinge durch praktische Erfahrung lernen. Freiwilligenarbeit steigert mein Selbstwertgefühl. Freiwilligenarbeit hilft mir, eigene Probleme zu bewältigen. Menschen, die mir nahe stehen, möchten, dass ich freiwillig tätig bin. Freiwilligenarbeit hilft mir, im Beruf erfolgreich zu sein. Auf die Passung kommt es an! (Clary et al., 1998) 8
9 Motive in der Freiwilligenarbeit (N = 2555) wichtig eher wichtig teils-teils eher unwichtig unwichtig Werte Verstehen Selbstwert Soz. Umfeld Karriere Schutz Frauen (64%) Männer (36%) 9
10 Freiwilligenarbeit ist freiwillig. Wie verträgt sich das mit Anforderungen, Führung und Kontrolle? 10
11 Ein unerwartetes Ergebnis Anerkennung Empfänger Anerkennung Organisation Fachliche Unterstützung + Belastendes Gefühl von Verpflichtung 11
12 Wie kann etwas Positives nämlich Anerkennung zur Belastung werden?! Es gibt da eine Theorie 12
13 Selbstbestimmungstheorie (Deci & Ryan, 2000) Das Besondere an dieser Theorie ist, dass sie die Bedeutung der Qualität von Motivation hervorhebt und nicht allein die Stärke der Motivation beachtet. Es lassen sich verschiedene Formen von Motivation unterscheiden, die entweder mit dem Gefühl, selbstbestimmt zu handeln, oder mit dem Gefühl des Kontrolliert-Seins verbunden sind. Externale Regulation Introjektion Identifikation Intrinsische Motivation Kontrolle und Fremdbestimmung Selbstbestimmung 13
14 Intrinsische Motivation Und was ist mit Dingen, die keinen Spass machen? Reine Formen intrinsischer Motivation findet man beim neugierigen Explorieren oder beim Spiel sowie beim Bewältigen optimaler Herausforderungen. Intrinsische Motivation wird reduziert durch: Monetäre Anreize, Preise, Auszeichnungen Furcht vor Bestrafung Kontrollierendes Feedback (nicht aber informatives Feedback) Wettkampf (selbst dann, wenn die Person gewinnt; denn das Selbstwertgefühl steht auf dem Spiel) Intrinsische Motivation ist «Selbstbestimmung pur». 14
15 Extrinsische Motivation «Es muss nicht alles Spass machen, manchmal reicht die Einsicht in die Notwendigkeit.» Damit auch extrinsische Motivation als selbstbestimmt erlebt werden kann, sollte man: Perspektive des anderen anerkennen Begründen, warum etwas notwendig oder nützlich ist Wahlmöglichkeiten schaffen Informatives, nicht-kontrollierendes Feedback geben Extrinsische Motivation kann beides sein entweder von Kontrolle und Fremdbestimmung oder von Selbstbestimmung geprägt. 15
16 Die verschiedenen Arten von Motivation Furcht vor Kritik Sozialer Druck Schuldgefühle Gefallen wollen Überzeugung Einsicht in Notwendigkeit Bezug auf Werte Interesse Flow-Erleben Freude Externale Regulation Introjektion Identifikation Intrinsische Motivation Kontrolle und Fremdbestimmung Selbstbestimmung 16
17 Wie wirkt sich diese «Qualität» der Motivation auf das nachhaltige Engagement von Freiwilligen aus? 17
18 Entwicklung der Rollenidentität/en Freiwilliger Generelle Rollenidentität Organisationsspezifische Rollenidentität Fördert Selbstbestimmung die Entwicklung der Rollenidentität Freiwilliger? 18
19 Entwicklung der Rollenidentität/en Freiwilliger Jan Sept Generelle Rollenidentität Generelle Rollenidentität Organisationsspezifische Rollenidentität Organisationsspezifische Rollenidentität Selbstbestimmte Motivation Selbstbestimmte Motivation Kontrollierte Motivation Kontrollierte Motivation (Güntert & Wehner, 2015) 20
20 Wie lässt sich selbstbestimmte Motivation fördern? 21
21 Drei grundlegende psychologische Bedürfnisse Menschen streben danach, Ursprung des eigenen Handelns zu sein Menschen streben nach optimalen Herausforderungen Bedürfnis nach Kompetenz Bedürfnis nach Autonomie Bedürfnis nach Beziehung Menschen streben danach, enge Beziehungen einzugehen 22
22 Die drei Grundbedürfnisse als Ansatzpunkte Eigeninitiative und persönlich Entwicklung fördern Kompetenz Kritik und Diskussion begrüssen Fehlerfreundlichkeit Informative Rückmeldung geben Beziehung Individualität fördern Respekt für jede und jeden verlangen Den grösseren Zusammenhang sichtbar machen Autonomie Auf Werte Bezug nehmen Wahlmöglichkeiten schaffen 23
23 Was fördert Selbstbestimmung? Leistung: v. a. komplexe, kreative und freiwillige Leistungen Autonomie unterstützende Führung Selbstbestimmte Motivation Psychisches Wohlbefinden Bindung an die Organisation Aufgabengestaltung Persönlichkeitseigenschaften Arbeitszufriedenheit (nach Gagné & Deci, 2005) 24
24 Autonomie unterstützende Führung Meine direkte Führungskraft bietet mir Möglichkeiten, selbst zu entscheiden oder auszuwählen. Ich fühle mich von meiner direkten Führungskraft verstanden. Meine direkte Führungskraft zeigt Vertrauen in meine Fähigkeiten, gute Arbeit zu leisten. Meine direkte Führungskraft ermuntert mich, Fragen zu stellen. Meine direkte Führungskraft interessiert sich dafür, wie ich bestimmte Dinge angehen möchte. Autonomie- Unterstützung ist kein «laissez faire»! 25
25 Aufgabengestaltung Tätigkeitsmerkmale Erlebenszustände Auswirkungen Vielfalt Ganzheitlichkeit Bedeutsamkeit Autonomie Rückmeldung Erlebte Sinnhaftigkeit Erlebte Verantwortlichkeit Kenntnis der Ergebnisse Intrinsische Motivation Zufriedenheit Leistung Fehlzeiten Motivationspotenzial (Job Characteristics Model; Hackman & Oldham, 1976) 26
26 Und in der Freiwilligenarbeit? Anforderungsvielfalt Aufgabengeschlossenheit Bedeutsamkeit der Aufgabe Autonomie Rückmeldung aus Tätigkeit Zufriedenheit 27
27 «Relational job design» Wie lässt sich die erlebte Bedeutsamkeit erhöhen, so dass in der Folge die Leistung verbessert wird? Drei Experimente: Fundraiser erhalten Information darüber, wie die Spenden zu Verbesserungen im Leben einzelner Personen geführt haben. Rettungsschwimmer lesen Berichte über Rettungseinsätze. Radiologen erhalten zusätzlich ein Foto der Person. Ergebnisse: Geschichten und Beispiele können die Wahrnehmung der Bedeutsamkeit der eigenen Arbeitstätigkeit erhöhen. Als Folge erhöht sich die Arbeitsleistung, vermittelt u. a. durch die Wahrnehmung, die eigene Tätigkeit werde sozial wertgeschätzt. 28
28 Fazit Organisationen müssen sich der Multifunktionalität bewusst sein und auf einen Wandel der Motive reagieren. Konfliktpotenzial besteht bei realitätsfernen Erwartungen an die Tätigkeit. Sinngehalt und Sinntransparenz sind Erfolgsfaktoren. Die Aufgaben sollen das Leben anderer Menschen bedeutsam beeinflussen und dieser Sinn muss erfahrbar werden (u.a. durch informatives Feedback). Selbst «gut gemeinte» Anerkennung von Seiten der Organisation kann ein belastendes Gefühl der Verpflichtung erzeugen. Um die selbstbestimmte Motivation zu fördern, sollten Führungskräfte kritisch diskutieren, wie es um die drei psychologischen Grundbedürfnisse nach Kompetenz, Beziehung und Autonomie bestellt ist. 29
29 Literatur Clary, E. G., Snyder, M., Ridge, R., Copeland, J., Stukas, A. A., Haugen, J., & Miene, P. (1998). Understanding and assessing the motivations of volunteers: A functional approach. Journal of Personality and Social Psychology, 74, Gagné, M., & Deci, E. L. (2005). Self-determination theory and work motivation. Journal of Organizational Behavior, 26, Güntert, S. T., Strubel, I. T., Kals, E., & Wehner, T. (2016). The quality of volunteers motives: Integrating the functional approach and self-determination theory. The Journal of Social Psychology, 156, Güntert, S. T., & Wehner, T. (2015). The impact of self-determined motivation on volunteer role identities: A cross-lagged panel study. Personality and Individual Differences, 78, Stukas, A. A., Hoye, R., Nicholson, M., Brown, K. M., & Aisbett, L. (2016). Motivations to volunteer and their associations with volunteers well-being. Nonprofit and Voluntary Sector Quarterly, 45,
30 Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! 31
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