EU-Gleichstellungspolitik im europäischen Mehrebenensystem: Politikgestaltung und Umsetzung
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- Victor Schubert
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1 EU-Gleichstellungspolitik im europäischen Mehrebenensystem: Politikgestaltung und Umsetzung Seminar Jean Monnet Network Services of General Interest in the EU: Governance öffentlicher Unternehmen im europäischen Mehrebenensystem 15. Juli 2015, Universität Leipzig Prof. Dr. Miriam Hartlapp Universität Leipzig Jun.-Prof. Dr. Ulf Papenfuß Universität Leipzig
2 15. Juli 2015 EU-Gleichstellungspolitik im europäischen Mehrebenensystem 2 Gliederung 1. Motivation: Politikgestaltung im EU-Mehrebenensystem 2. Rechtliche Grundlagen und Inhalte 3. Politikgestaltung und Implementation 4. Aktuell besonders diskutierte Richtlinien und Initiativen 5. Reflexion in Bezug auf Berücksichtigung öffentlicher Unternehmen 6. Fazit und Ausblick
3 15. Juli 2015 EU-Gleichstellungspolitik im europäischen Mehrebenensystem 3 Politikgestaltung im EU-Mehrebenenesystem Politische Akteure, Probleme, Ressourcen, Politikstile und Diskurse auf der EU Ebene bottom-up Hochladen von Politiken auf die EU- Ebene top-down EU Einfluss auf nat. Ebene Politische Akteure, Probleme, Ressourcen, Politikstile und Diskurse auf der nat. Ebene Andere Einflüsse Quelle: Eigene Darstellung nach Radaelli/Pasquier 2006
4 15. Juli 2015 EU-Gleichstellungspolitik im europäischen Mehrebenensystem 4 1. Relevanz Gleichstellungspolitik Politikgestaltung über verschiedene Ebenen (nicht nur nationale Ebene, sondern europäische Initiativen) und durch verschiedene Akteure (nicht nur Regierungen, sondern auch Gerichte, organisierte Interessen und Private) success stories & one of the central pillars of EU social policy (Caporaso and Jupille 2001: 21) relativ zu anderen Politikfeldern viele und weitreichende EU-Instrumente, potentiell jeder Bürger betroffen in vielen Mitgliedstaaten zuvor keine oder weniger progressive Gleichstellungspolitik (Mazey 1995) hat Potential die Qualität des EU-Binnenmarktprojekts (mit) zu bestimmen
5 15. Juli 2015 EU-Gleichstellungspolitik im europäischen Mehrebenensystem 5 2. Rechtliche Grundlagen und Inhalte Primärrecht 1957/ Römische Verträge: Gleiches Entgelt für gleiche Arbeit (Art. 119) EGV Art. 157 (3): Das Europäische Parlament und der Rat beschließen gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren und nach Anhörung des Wirtschaftsund Sozialausschusses Maßnahmen zur Gewährleistung der Anwendung des Grundsatzes der Chancengleichheit und der Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen, einschließlich des Grundsatzes des gleichen Entgelts bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit. EGV Art. 3 (2) EG-Vertrag: Bei allen in diesem Artikel genannten Tätigkeiten wirkt die Gemeinschaft darauf hin, Ungleichheiten zu beseitigen und die Gleichstellung von Männern und Frauen zu fördern. 1999/ Vertrag von Amsterdam: "Diskriminierungen aus Gründen des Geschlechts, der Rasse, der ethnischen Herkunft, der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung [ ] bekämpfen (Art. 13, heute Art. 19) Charta der Grundrechte der Europäischen Union Gleichheitstitel (Art )
6 15. Juli 2015 EU-Gleichstellungspolitik im europäischen Mehrebenensystem 6 2. Rechtliche Grundlagen und Inhalte II Sekundärrecht erste Richtlinien: Entgeltgleichheitsrichtlinie (75/117/EWG) insgesamt 13 Rechtsakte Quelle: Hartlapp (forthcoming) Combining the EU Commission s political powers and its administration s advantage of acting from a long-term perspective, Journal of European Integration.
7 15. Juli 2015 EU-Gleichstellungspolitik im europäischen Mehrebenensystem 7 3. Politikgestaltung und Implementation I Politikgestaltung: zentrale Akteure Europäische Kommission Generaldirektion Beschäftigung & Soziales (DG EMPL) Generaldirektion Justiz & Verbraucher (DG JUST) Expertengruppen z.b. Regierungsvertreter (SEC(2008) 2172), Sozio-Ökonomische Experten oder Network of Legal Experts, Organisierte Interessen, z.b. z.b. Frauenlobby (EWL), Social Platform (Mitglieder u.a. ILGA, AGE, EDF, EWL) Europäischer Gerichtshof zentrale Urteile Geschlechtergleichstellung: Defrenne-II-Urteil (C-43/75), Bilka (C-170/84), Barber (C-262/88), Marschall (C ) zentrale Urteile der letzten 10 Jahre: Mangold (C-144/04), Coleman (C-303/06), Test-Achats (C-236/09)
8 15. Juli 2015 EU-Gleichstellungspolitik im europäischen Mehrebenensystem 8 3. Politikgestaltung und Implementation II Implementation: zentrale Akteure & Instrumente Kommission als Hüterin der Verträge Überwachung der rechtlichen Umsetzung, ggf. Anrufung des EuGH Ex-ante Konditionalität für Strukturfonds (Verordnung 1303/2013) Soft law und Initiativen, z.b. z.b. European Year of Equal Opportunities for All (2007), Frauen- Charta und Strategie für die Gleichstellung von Frauen und Männern ( ), Diversity Charters Agenturen Europäisches Institut für Gleichstellungsfragen (EIE, Vilnius, seit 2006) & Agentur der Europäischen Union für Grundrechte (FRA, Wien, seit )
9 15. Juli 2015 EU-Gleichstellungspolitik im europäischen Mehrebenensystem 9 Vertragsverletzungsverfahren JUST (2013) Quelle: Commission Staff Working Document SWD (2014) 359 final, S. 48.
10 15. Juli 2015 EU-Gleichstellungspolitik im europäischen Mehrebenensystem 10 Implementationsbeschwerden: Unterbereiche Quelle: 2011 Report on the Application of the EU Charter on Fundamental Rights (2012), Brussels, S. 50 (bei der EU Kommission eingegangene Beschwerdebriefe).
11 15. Juli 2015 EU-Gleichstellungspolitik im europäischen Mehrebenensystem EU-Richtlinien zu Diversity (Auswahl) 2014/95/EU CSR-Richtlinie 2013/34/EU Diversity 2006/54/EG Gleichbehandlungsrichtlinie 2003/657/EG 2002/73/EG 2000/43/EG 2000/78/EG 1978/660/EEC 2012/614 Richtlinienvorschlag Frauenquote Aufsichtsrat (von Europarat nicht verabschiedet)
12 15. Juli 2015 EU-Gleichstellungspolitik im europäischen Mehrebenensystem 12 EU-Richtlinien Bezeichnung 2014/95/EU (CSR-Richtlinie) Zur Änderung der Richtlinie 2013/34/EU im Hinblick auf die Angabe nichtfinanzieller und die Diversität betreffender Informationen durch bestimmte große Unternehmen und Gruppen 2012/614 - Richtlinienvorschlag Frauenquote Aufsichtsrat (von Europarat bislang nicht verabschiedet) Kernaspekte 2. Artikel 20 wird wie folgt geändert: a) In Absatz 1 wird folgender Buchstabe angefügt: g) eine Beschreibung des Diversitätskonzepts, das im Zusammenhang mit der Verwaltungs-, Leitungs- und Aufsichtsorgane des Unternehmens in Bezug auf Aspekte wie beispielsweise Alter, Geschlecht, oder Bildungs- und Berufshintergrund verfolgt wird, der Ziele dieses Diversitätskonzepts sowie der Art und Weise der Umsetzung dieses Konzepts und der Ergebnisse im Berichtszeitraum. Wird ein derartiges Konzept nicht angewendet, wird in der Erklärung erläutert, warum dies der Fall ist. Geltungsbereich: Unternehmen mit mehr als 500 Miterarbeiter_Innen >zum 6. Dezember 2016 Art. 4: Ziel 40% Frauen bei Non-Executive Directors Berichterstattung untere Leitungsebenen
13 15. Juli 2015 EU-Gleichstellungspolitik im europäischen Mehrebenensystem 13 Weitere EU-Dokumente Empfehlungen der EU-Kommission: 96/694/EG: Empfehlung des Rates vom 2. Dezember 1996 über die ausgewogene Mitwirkung von Frauen und Männern am Entscheidungsprozeß 84/635/EWG: Empfehlung des Rates vom 13. Dezember 1984 zur Förderung positiver Maßnahmen für Frauen Weitere konzeptionelle Dokumente Diversity Charta Freiwillige Initiative der Kommission Jeweilige Initiativen in Nationalstaaten Strategy for Equality between Women and Men ( ) The Gender Balance in Business Leadership Staff Working Document 2010
14 15. Juli 2015 EU-Gleichstellungspolitik im europäischen Mehrebenensystem Reflexion öffentliche Unternehmen Besondere Anforderungen Befunde Öffentliche Unternehmen wird vielfach Vorbildfunktion zugewiesen Direkte Gestaltungsmöglichkeiten der Politik Orientiert an Potenzialen und politisch formulierten Zielen Repräsentation gesamtbetrachtend häufig noch niedrig Substanzielle Repräsentationsunterschiede im Vergleich von Städten, Branchen etc. Auch in EU-Dokumenten bzw. bei relevanten einzelnen Regelungen öffentliche Unternehmen jedoch in auffälliger Form nicht adressiert Zumindest analoge Umsetzung gesetzlicher Regelungen und der Selbstregulierungsmaßnahmen für öffentliche Unternehmen auf allen föderalen Ebenen politisch folgerichtig und sachgerecht
15 15. Juli 2015 EU-Gleichstellungspolitik im europäischen Mehrebenensystem 15 Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst 76 AktG wird folgender Absatz 4 angefügt: Der Vorstand von Gesellschaften, die börsennotiert sind oder der Mitbestimmung unterliegen, legt für den Frauenanteil in den beiden Führungsebenen unterhalb des Vorstands Zielgrößen fest. Liegt der Frauenanteil bei Festlegung der Zielgrößen unter 30 Prozent, so dürfen die Zielgrößen den jeweils erreichten Anteil nicht mehr unterschreiten. Gleichzeitig sind Fristen zur Erreichung der Zielgrößen festzulegen. Die Fristen dürfen jeweils nicht länger als fünf Jahre sein. (BT-Drs. 18/3784) Regierungsentwurf, S.48: Die öffentliche Bundesverwaltung darf nicht hinter den Regelungen für die Privatwirtschaft zurückstehen, sondern muss mit gutem Beispiel vorangehen. Regelung greift für die meisten öffentliche Unternehmen nicht Analoge Umsetzung gesetzlicher Regelungen und der Selbstregulierungsvorschriften politisch folgerichtig und sachgerecht?
16 15. Juli 2015 EU-Gleichstellungspolitik im europäischen Mehrebenensystem Fazit und Ausblick Besondere Relevanz der EU im Feld der Gleichstellungspolitik Verabschiedung neuer Richtlinien durch Anzahl und Heterogenität der Mitgliedstaaten zunehmend erschwert (besonders bei Entscheidungen mit Einstimmigkeit im Rat), aber Dynamik und Politikgestaltung über andere Instrumente Öffentliche Unternehmen: Forderungen/Maßnahmen der Politik für Privatwirtschaft, die bei eigenen Unternehmen nicht realisiert -> Besonderer Handlungs- und Forschungsbedarf Governance im europäischen Mehrebenensystem besondere Potenziale Interdisziplinäre Forschungsperspektiven in der Gleichstellungspolitik im europäischen Mehrebenensystem
17 15. Juli 2015 EU-Gleichstellungspolitik im europäischen Mehrebenensystem 17 Vielen Dank!
18 15. Juli 2015 EU-Gleichstellungspolitik im europäischen Mehrebenensystem 18 EU-Richtlinien Bezeichnung 2006/54/EG (Gleichbehandlungsrichtlinie) Zur Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen Kernaspekte Arbeitgebermaßnahmen gegen alle Formen der Diskriminierung aufgrund des Geschlechts Entgegenwirkung von Geschlechtertrennung auf dem Arbeitsmarkt und Lohngefälle durch flexible Arbeitszeitregelungen, Elternurlaub, Bereitstellung zugänglicher und erschwinglicher Einrichtungen für Kinderbetreuung und Betreuung pflegebedürftiger Personen Maßnahmen gegen Gender- Pay-Gap Geltungsbereich: Sämtliche Arbeitgeber_Innen innerhalb der Mitgliedsstaaten Richtlinie 2002/73/EG Zur Änderung der Richtlinie 76/EWG des Rates zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung. Zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in Bezug auf die Arbeitsbedingungen Keinerlei unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts für Zugang zu Erwerbstätigkeit Entgeltangleichung, Arbeitszeitregelungen, Anspruch von Frauen nach Mutterschaftsurlaub und Arbeitsplatzrückkehr Geltungsbereich: Sämtliche Arbeitgeber_Innen innerhalb der Mitgliedsstaaten
19 15. Juli 2015 EU-Gleichstellungspolitik im europäischen Mehrebenensystem 19 EU-Richtlinien Bezeichnung Richtlinie 2000/43/EG Zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft 2000/78/EG Vierte Richtlinie des Rates (1978/660/ EEC) Aufgrund von Artikel 54 Absatz 3 Buchstabe g) des Vertrages über den Jahresabschluss von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen Kernaspekte Schaffung von günstigeren Bedingungen für die Entstehung eines Arbeitsmarktes der soziale Integration fördert Implementierung von Maßnahmen zur Bekämpfung von Diskriminierung durch Gewährleistung des Zugangs zu unselbstständiger und selbstständiger Arbeit Geltungsbereich: Sämtliche Arbeitgeber_Innen innerhalb der Mitgliedsstaaten Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf Offenlegung von nicht-finanziellen Diversity- Informationen von bestimmten größeren Unternehmen und Gruppen Geltungsbereich: AG, GmbH, KGaA Für bestimmte Gesellschaften aufgrund ihrer geringeren wirtschaftlichen und sozialen Bedeutung Ausnahmen zugelassen
20 15. Juli 2015 EU-Gleichstellungspolitik im europäischen Mehrebenensystem 20 Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst 76 AktG wird folgender Absatz 4 angefügt: Der Vorstand von Gesellschaften, die börsennotiert sind oder der Mitbestimmung unterliegen, legt für den Frauenanteil in den beiden Führungsebenen unterhalb des Vorstands Zielgrößen fest. Liegt der Frauenanteil bei Festlegung der Zielgrößen unter 30 Prozent, so dürfen die Zielgrößen den jeweils erreichten Anteil nicht mehr unterschreiten. Gleichzeitig sind Fristen zur Erreichung der Zielgrößen festzulegen. Die Fristen dürfen jeweils nicht länger als fünf Jahre sein. (BT-Drs. 18/3784) Regierungsentwurf, S.48: Die öffentliche Bundesverwaltung darf nicht hinter den Regelungen für die Privatwirtschaft zurückstehen, sondern muss mit gutem Beispiel vorangehen. Regelung greift für die meisten öffentliche Unternehmen nicht Analoge Umsetzung gesetzlicher Regelungen und der Selbstregulierungsvorschriften politisch folgerichtig und sachgerecht?
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