Stellungnahme des Deutschen Anwaltvereins durch die Ausschüsse Steuerrecht und Strafrecht
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- Stanislaus Glöckner
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1 Stellungnahme des Deutschen Anwaltvereins durch die Ausschüsse Steuerrecht und Strafrecht zum vorläufigen Diskussionsentwurf des Bundesministeriums der Finanzen AEAO zu 153 AO Abgrenzung einer Berichtigung nach 153 AO von einer strafbefreienden Selbstanzeige nach 371 AO (Stand: ) Stellungnahme Nr.: 41/2015 Berlin, im August 2015 Mitglieder des Ausschusses Steuerrecht - RA Dr. Klaus Olbing, Berlin (Vorsitzender) - RA Dr. Jörg Weigell, München (Berichterstatter) - RAin Dr. Stefanie Beinert, LL.M., Frankfurt am Main - RAin Dr. Franziska Bühring, Köln - RA Georg Geberth, München - RA Robert Hörtnagl, München - RA Dr. Michael Messner, Hannover - RA Prof. Dr. Stephan Schauhoff, Bonn - RAin Susanne Thonemann-Micker, LL.M., Düsseldorf Zuständig in der DAV-Geschäftsführung Deutscher Anwaltverein Littenstraße 11, Berlin Tel.: Fax: dav@anwaltverein.de Büro Brüssel Rue Joseph II Brüssel, Belgien Tel.: Fax: bruessel@eu.anwaltverein.de Transparenz-Registernummer: RA Manfred Aranowski, Berlin Mitglieder des Ausschusses Strafrecht - RA Prof. Dr. Stefan König, Berlin (Vorsitzender) - RA Dr. Rainer Spatscheck, München (Berichterstatter) - RA Dr. h. c. Rüdiger Deckers, Düsseldorf - RAin Dr. Margarete Gräfin von Galen, Berlin - RAin Dr. Gina Greeve, Frankfurt am Main - RA Prof. Dr. Rainer Hamm, Frankfurt am Main - RA Eberhard Kempf, Frankfurt am Main - RA Dr. Ali B. Norouzi, Berlin - RAin Gül Pinar, Hamburg - RA Michael Rosenthal, Karlsruhe - RA Martin Rubbert, Berlin - RAin Dr. Heide Sandkuhl, Potsdam - RA PD Dr. Gerson Trüg, Freiburg im Breisgau Zuständig in der DAV-Geschäftsführung - RAin Tanja Brexl, Berlin
2 - 2 - Verteiler Bundesministerium der Finanzen Bundesministerium des Innern Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz Deutscher Bundestag, Finanzausschuss Deutscher Bundestag, Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz Deutscher Bundestag, Innenausschusses Arbeitskreise Recht der im Bundestag vertretenen Parteien Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) Rechts- und Innenausschüsse der Landtage Landesfinanzverwaltungen Bundesgerichtshof Bundesanwaltschaft Bundesnotarkammer Bundesrechtsanwaltskammer Bundessteuerberaterkammer Strafrechtsausschuss der Bundesrechtsanwaltskammer Deutscher Notarverein e. V. Deutscher Richterbund e. V. Arbeitsgemeinschaft Klimatagung Bund der Steuerzahler Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) Bundesverband der Freien Berufe Bundesverband Deutscher Banken (BDB) Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) Deutscher Industrie- und Handelskammertag (DIHK) Deutscher Steuerberaterverband (DStBV)
3 - 3 - Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) Institut der Wirtschaftsprüfer Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger e.v. (SdK) - Die Aktionärsvereinigung - ver.di Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft Bundesfachgruppe Justiz Deutscher Strafverteidiger e. V., Herr Mirko Roßkamp Regionale Strafverteidigervereinigungen Organisationsbüro der Strafverteidigervereinigungen und -initiativen Bund Deutscher Kriminalbeamter Vorstand des Deutschen Anwaltvereins Geschäftsführung des Deutschen Anwaltvereins Landesverbände des Deutschen Anwaltvereins Vorsitzende der Gesetzgebungsausschüsse des Deutschen Anwaltvereins Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaften des Deutschen Anwaltvereins Vorsitzender des FORUM Junge Anwaltschaft im Deutschen Anwaltverein Steuerrechtsausschuss des Deutschen Anwaltvereins Strafrechtsausschuss des Deutschen Anwaltvereins Geschäftsführender Ausschuss der Arbeitsgemeinschaft Strafrecht des DAV Vorsitzende des Strafrechtsausschusses des KAV, BAV Redaktion Anwaltsblatt/AnwBl Redaktion Börsenzeitung Redaktion Die Aktiengesellschaft Redaktion Frankfurter Allgemeine Zeitung/FAZ Redaktion Handelsblatt Redaktion JUVE Verlag für juristische Information GmbH Redaktion Neue Juristische Wochenschrift/NJW Redaktion Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht/NZG Redaktion Wertpapiermitteilungen/WM Redaktion Zeitschrift für Wirtschaftsrecht/ZIP Strafverteidiger-Forum (StraFo) Neue Zeitschrift für Strafrecht/NStZ Strafverteidiger Prof. Dr. Jürgen Wolter, Universität Mannheim ver.di, Bereich Recht und Rechtspolitik Deutscher Juristentag (Präsident und Generalsekretär) Prof. Dr. Schöch, LMU München
4 - 4 - Der Deutsche Anwaltverein (DAV) ist der freiwillige Zusammenschluss der deutschen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte. Der DAV mit derzeit ca Mitgliedern vertritt die Interessen der deutschen Anwaltschaft auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene. I. Vorbemerkung Der Gesetzgeber hat die strafbefreiende Selbstanzeige ( 371 AO) in der jüngeren Vergangenheit mehrfach verschärft. 1 Wegen der hiermit einhergehenden Ausweitung der Sperrgründe und Erhöhung der Zahlungsauflage nach 398 a AO für Fälle mit einem Berichtigungsvolumen von mehr als ,-- ist die Abgrenzung der Selbstanzeige von einer bloßen, alle diese Einschränkungen nicht kennenden Berichtigung nach 153 AO immer wichtiger geworden. Das Bundesministerium der Finanzen legt nunmehr den Entwurf eines Anwendungserlasses zu 153 AO vor. Der DAV begrüßt das Bestreben, den Anwendungsbereich des 153 AO zu präzisieren, um die derzeit ausufernde Kriminalisierung des Steuerpflichtigen sachgerecht einzugrenzen. Leider ist es im vorliegenden Entwurf bisher nur unvollständig gelungen, in Zweifelsfällen Klarheit zu schaffen. Diese Klarstellung liegt nicht nur im Interesse des Steuerpflichtigen, sondern auch des Finanzbeamten, der möglichst klare Anweisungen haben muss, um sich sachgerecht zu verhalten. Leider scheint der Entwurf zudem das Misstrauen der Finanzverwaltung gegenüber den Steuerpflichten zu bestätigen, dass diese im Normalfall ihre Steuererklärungen mit strafrechtlich vorwerfbaren Fehlern einreichen. Hierdurch wird dem Erfordernis der Beachtung der Unschuldsvermutung durch die Verwaltung nicht ausreichend Genüge getan. Ein klarstellender Hinweis ist wünschenswert. In der Stellungnahme wird insbesondere auf folgende Punkte eingegangen: - Verantwortlichkeiten bei juristischen Personen; - Bewertung abweichender Rechtsauffassung des Erklärungspflichtigen bei der Frage des Vorsatzes; 1 Diese Änderungen hat der DAV stets kritisiert, vgl. DAV Stellungnahme Nr. 9/2011 vom Februar 2011 und DAV Stellungnahme Nr. 47/2014 vom September 2014.
5 Bewertung von innerbetrieblichen Kontrollsystemen bei der Frage des Vorsatzes; - Aufnahme der Unschuldsvermutung als zwingenden Prüfungsparameter; - Berücksichtigung der Gesamtumstände des Einzelfalls (insbesondere Beispiel 2 im Entwurf); - Zeitpunkt von Anzeige und Berichtigungspflicht. II. Zu den einzelnen Regelungen 1. Zu Textziffer 2.1 des AEAO-E Anzeige/Berichtigungspflicht Die Formulierung im Entwurf erkennt der Steuerpflichtige bedarf für Kapitalgesellschaften und sonstige juristische Personen sowie Personenvereinigungen, bei denen die Organe nicht selbst Steuerpflichtige sind, einer Spezifizierung. Ist es beispielsweise in einem Unternehmen ausreichend, wenn einem Mitarbeiter in der Steuererklärung Zweifel an der Richtigkeit des bisher Erklärten kommen oder muss die Erkenntnis der Fehlerhaftigkeit bei einem Organ vorliegen? Auf Letzteres ist abzustellen, da dem Mitarbeiter selbst keinerlei Erklärungspflicht und somit auch keine Berichtigungspflicht zukommt. Ferner lässt der Satz Erkennt der Steuerpflichtige erst im Nachhinein die Fehlerhaftigkeit der von ihm abgegebenen Erklärung und kommt seiner Anzeige- und Berichtigungspflicht nach 153 Abs. 1 AO unverzüglich nach, liegt weder eine Steuerhinterziehung noch eine leichtfertige Steuerverkürzung vor, da es sowohl am Vorsatz als auch an der Leichtfertigkeit fehlt. einen logischen Bruch erkennen. Das Vorliegen einer Steuerhinterziehung oder einer leichtfertigen Steuerverkürzung hat nichts mit dem Umstand zu tun, dass der Anzeige- und Berichtigungspflicht nach 153 Abs. 1 AO nachgekommen worden sein könnte. Vielmehr ist insofern auf die ursprüngliche Abgabe der Steuererklärung und eine eventuell damit im Zusammenhang stehende Steuerverkürzung abzustellen.
6 Zu Textziffer 2.5 des AEAO-E Strafrechtlicher Anfangsverdacht Für die Prüfung der einzelnen Tatbestandsmerkmale des strafrechtlichen Anfangsverdachts stellt der Entwurf zutreffend den Grundsatz auf, dass nicht jede objektive Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit den Verdacht einer Steuerstraftat oder Steuerordnungswidrigkeit nahelegt. Vielmehr ist entsprechend der im Strafrecht geltenden Unschuldsvermutung als elementarem Prinzip (Art. 6 Abs. 2 EMRK und abgeleitet aus dem Rechtsstaatsprinzip des Grundgesetzes, Art. 20 Abs. 3 i.v.m. Art. 28 Abs. 1 S. 1 GG vgl. BVerfGE 82, 106) zunächst davon auszugehen, dass die ursprünglich abgegebene Steuererklärung guten Gewissens und sorgfältig vorbereitet beim Finanzamt abgegeben wurde. Vor diesem Hintergrund darf die Prüfung, ob ein Anfangsverdacht vorliegt, nicht erst im Ermittlungsverfahren erfolgen, wie dies regelmäßig bei den Bußgeld- und Strafsachenstellen der Fall ist. Vielmehr sollte diese Prüfung, wie dies bei Staatsanwaltschaften der Normalfall ist (AR-Aktenzeichen) im Rahmen eines Vorprüfungsverfahrens, d.h. vor der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens, erfolgen. Ein Hinweis des Bundesfinanzministeriums hierauf erscheint notwendig. Ebenso notwendig erscheint der Hinweis darauf, dass von der grundsätzlichen Geltung der Unschuldsvermutung (Art. 6 EMRK) in jedem Falle, beispielsweise unabhängig von der Höhe des nachgemeldeten Betrags, auszugehen ist. 3. Zu Textziffer 2.6 des AEAO-E Innerbetriebliches Kontrollsystem Das Abstellen auf ein innerbetriebliches Kontrollsystem bei steuerpflichtigen Unternehmen und die Formulierung dies könne ggf. ein Indiz darstellen, das gegen das Vorliegen eines Vorsatzes spreche verstellt den Blick auf den Grundsatz, nach dem das Vorliegen der Tatbestandsmerkmale einer Steuerstraftat oder Steuerordnungswidrigkeit von den Strafverfolgungsbehörden nachzuweisen ist. Die Entwurfsformulierung darf auf keinen Fall so verstanden werden, dass der Steuerpflichtige seine Unschuld nachweisen muss oder aus dem Fehlen eines innerbetrieblichen Kontrollsystems auf das Vorliegen einer Steuerstraftat oder Steuerordnungswidrigkeit (eher) geschlossen werden könnte. Insofern ist eine textliche Klarstellung erforderlich.
7 Zu Textziffer 5.1 des AEAO-E Zeitpunkt der Anzeige und Berichtigung Die Darstellungen und insbesondere das Beispiel in Textziffer 5 des AEAO-E sind unverständlich und sollten grundlegend überarbeitet werden. Insofern sollte klar und deutlich zwischen den zwei Ebenen des 153 Abs. 1 AO unterschieden werden (vgl. Seer in Tipke/Kruse, 153 AO, Textziff. 15 (Stand 05/15)): - Auf der ersten Ebene besteht eine bloße Anzeigepflicht. Diese muss unverzüglich, d.h. ohne schuldhaftes Zögern, erfolgen. Wünschenswert ist an dieser Stelle die Klarstellung, ab welchem Erkenntnisgrad insbesondere komplexe steuerliche Sachverhalte in Unternehmen der Finanzverwaltung gemeldet werden müssen. In der Literatur wird insofern eine Frist von vier bis sechs Wochen diskutiert (vgl. Jehke/Dreher, DStR 2012, S ff., m.w.n.). - Erst nachfolgend ist eine tatsächliche Berichtigung bzw. Richtigstellung vorzunehmen. Hierzu kann die Finanzverwaltung den Steuerpflichtigen ggf. unter Fristsetzung auffordern (vgl. Seer, a.a.o.). Gerade vor dem Hintergrund der Zweistufigkeit der Norm und der hiermit einhergehenden Notwendigkeit der Beachtung der Terminologie ist das Beispiel auf Seite 6 des Entwurfs missverständlich und daher klarstellend zu überarbeiten. Dort wird fälschlicherweise von einer unverzüglichen Berichtigung gesprochen. In dem Beispiel werden Anzeige und Berichtigung entgegen der klaren gesetzlichen Lage gleichgestellt. 5. Zu Textziffer 5.2 des AEAO-E Zeitpunkt des Erkennens In dem gebildeten Beispiel werden wiederum die Begriffe Anzeige- und Berichtigungspflicht entgegen der Rechtslage synonym gebraucht und deren unverzügliche Einhaltung gefordert.
8 Zu Textziffer 5.3 des AEAO-E Ende der Anzeige- und Berichtigungspflicht Der Hinweis auf die Verlängerung der Festsetzungsfrist auf zehn bzw. fünf Jahre nach 169 Abs. 2 S. 2 AO ist missverständlich. Er erweckt den unzutreffenden Eindruck, dass eine Korrektur im Fall einer vorangegangenen Steuerhinterziehung in jedem Fall erforderlich ist. Tatsächlich kann das jedoch nur in speziellen Ausnahmefällen gegeben sein (neuer Geschäftsführer, der einen Fehler seines Vorgängers erkennt; Rechtsnachfolger).
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