WEITERBILDUNG MEDIATION. Esther Wolf und Marina Scheffler-Niehoff
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- Eleonora Braun
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1 WEITERBILDUNG MEDIATION Esther Wolf und Marina Scheffler-Niehoff
2 Inhaltsverzeichnis EINFÜHRUNG...3 DEFINITION UND SINN VON KONFLIKTEN...4 DIE DYNAMIK EINER KONFLIKTLÖSUNG...6 MODELL MENSCHLICHEN KONFLIKTVERHALTENS...7 DIE PHASEN DES MEDIATIONSVERFAHRENS...8 KOMMUNIKATION ALS KREISFÖRMIGER PROZESS...11 DIE VIER SEITEN DER BOTSCHAFT...13 LITERATURLISTE
3 EINFÜHRUNG Mediation ist ein Verfahren der Konfliktlösung, das in den sechziger und siebziger Jahren in den USA entwickelt wurde und dort mit Erfolg in vielen Lebensbereichen angewendet wird. Wörtlich übersetzt bedeutet mediation Vermittlung. Gemeint ist die Vermittlung in Streitfällen durch unparteiische Dritte, die von allen Seiten akzeptiert werden. Die vermittelnden MediatorInnen verhelfen den Streitenden, eine einvernehmliche Lösung ihrer Probleme zu finden. Aufgabe der MediatorInnen ist es nicht, einen Schiedsspruch oder ein Urteil zu sprechen. Vielmehr liegt es an den Konfliktparteien selbst, eine ihren Interessen optimal entsprechende Problemlösung zu erarbeiten. Alle sollen durch die Übereinkunft " gewinnen. Diese konstruktive Konfliktlösung wird durch das Mediationsverfahren ermöglicht. Sie kann selbst dann gelingen, wenn die Betroffenen in einer offenkundigen Sackgasse stecken und alleine nicht mehr weiterkommen bzw. gar nicht mehr miteinander reden. Die VermittlerInnen hören sich die Anliegen aller Beteiligten an, lassen sie ihre Gefühle ausdrücken und helfen bei der Klärung der eigentlichen Interessen der Konfliktparteien. In zunehmendem Maße stellen sie wieder eine direkte Verbindung zwischen den Streitenden her. Die KontrahentInnen erfahren durch diese Vorgehensweise, welches die eigentlichen Probleme, Gefühle und Interessen der anderen Seite sind. Im geschützten Raum eines solchen Gesprächs können sie Verständnis und neues Vertrauen zueinander entwickeln und schließlich gemeinsam an einer Lösung ihrer Probleme arbeiten. Das Ziel ist eine Vereinbarung, die alle Beteiligten unterzeichnen und umsetzen. Das Mediationsverfahren vereinigt Theorien und Handlungsperspektiven aus verschiedenen Fachrichtungen, wie der Psychologie, Pädagogik und der Kommunikationswissenschaft. Für einige Fälle sind Grundkenntnisse des Straf- und Zivilrechts notwendig. Mediation ist eine Kunst, Konflikte in einer konstruktiven Art und Weise zu deeskalieren und zu bearbeiten. Mediation ist eine eher informelle und außergerichtliche Art der Konfliktbearbeitung und strebt gegenseitiges Verstehen, gewaltfreie und konstruktive Kommunikation an. Mediation bietet eine Alternative zur direkten Konfliktaustragung an (zwei Leute streiten sich) bzw. zur administrativen Konfliktregelung wenn z. B. eine dritte Person die Regelung übernimmt und entscheidet, was getan werden muß. Mediation fördert eine zivilisierte Streitkultur und zielt auf eine einvernehmliche Konfliktlösung, wenn zwei Streitende nicht weiterkommen. Mediation kann der Gewalt vorbeugen: Am besten setzt sie ein, bevor ein Konflikt durch zunehmendes Mißtrauen, sich steigernde Vergeltungswünsche zur gegenseitigen Verhärtung führt und in fuchsteufelswilden Haß ausartet. Mediation bedeutet Vermittlung im Konflikt, und da Konflikte ein zentrales Thema im Zusammenleben weltweit sind, ist sie ein wichtiges und erlernbares Werkzeug für den Beruf und für das Privatleben. 3
4 DEFINITION UND SINN VON KONFLIKTEN Konflikte werden als wahrgenommene Interessendivergenzen definiert oder als Überzeugung, dass die bestehenden Ansprüche der Beteiligten nicht zusammen befriedigt werden können. Sind Konflikte nur eine Panne, die besser vermieden werden sollte oder sind sie notwendig für das Zusammenleben, etwa die Weiterentwicklung von Individuen, Gruppen und Organisationen? Um Konflikte von Pannen unterscheiden zu können, ist es sinnvoll, sich zu überlegen, welchen positiven Sinn Konflikte haben. Bei dieser Frage stoßen wir aber bereits an die Grenzen unseres Weltbildes bzw. unserer Logik, die besagt, dass von zwei einander widersprechenden Aussagen mindestens eine falsch sei und man sich bei Widersprüchen für eine entscheiden müsse. Andere wie etwa asiatische Logiken haben eine andere Betrachtung: Nur wenn man die widerspüchlichen Aspekte einer Sache gleichzeitig betrachtet, hat man die volle Wahrheit. Begreift man nur eine Seite eines Widerspruchs, kennt man nur einen Teilaspekt, muss man sich bemühen, nach der zweiten Seite zu suchen. Eine häufige Ansicht besteht darin, dass Konflikte nicht auftreten dürften. Treten sie dennoch auf, dann hat irgend jemand irgend etwas falsch gemacht. Konflikte sind Führungsfehler diese Einstellung führt immer zu einem Realitätsverlust. Oft klammert man dadurch eine oder gar beide Seiten des Widerspruchs aus. Untersucht man aber den Sinn der Konflikte, dann stellt sich heraus, dass wir jeweils einander widersprechende Dimensionen als sinnvoll, den Sinn von Konflikten erklärend, anerkennen müssen: 1. Unterschiedlichkeit vs. Einheitlichkeit Der Sinn von Konflikten besteht darin, vorhandene Unterschiede zuzulassen, zu verdeutlichen und zu bearbeiten. In vielen Organisationen kommt es Vorgesetzten, Mitarbeitern oder Gruppenmitgliedern mehr darauf an, Einheit in der Gruppe herzustellen, als Unterschiede zuzulassen. Andersdenkende werden nicht ermutigt, sondern bekämpft. Dies hat oft zur Folge, dass verschiedene Meinungen und Aspekte eines Problems nicht entsprechend gewürdigt werden und in Entscheidungen oder Problemlösungen nicht mit eingehen. Eine sinnvolle Entscheidung ist erst dann möglich, wenn alle unterschiedlichen Aspekte und Dimensionen eines Problems auch tatsächlich ausgesprochen sind. Fehlen wichtige Aspekte, dann hat eine Entscheidung nicht genug Realitätsbezogenheit. Der Sinn von Konflikten besteht aber auch im Herstellen einer Gruppeneinheit, sie sind auch dazu da, Unterschiede zu überwinden und die Einheit einer Gruppe herzustellen. Jeder, der von der Gruppennorm abweicht, gefährdet damit auch den Gruppenstandard, der ja die Sicherheit der Gruppe darstellt, und so leiten abweichende Haltungen den unangenehmen Zustand der Verunsicherung ein, der nun durch Sicherheit wieder abgelöst werden soll die einheitsstiftende Funktion der Konflikte. Der Sinn ist Gleichheit herzustellen, die Mittel dazu sind Bestrafung des Andersartigen und die Einordnung aller Beteiligten. Nur wenn beide Sinnaspekte des Konflikts ernst genommen werden kann man Konflikte verstehen. Sie nur auf Konkurrenz und Unterschiede hin als positiv zu bewerten, ist genauso falsch, wie nur auf ihre einheitsstiftende Wirkung abzuzielen. 4
5 2. Komplexität vs. Gemeinsamkeit Ein weiterer Sinn von Konflikten liegt in der Entwicklung von Komplexität. Durch das Zulassen von Widersprüchen kommt die Vielfalt und Verschiedenheit von Ansichten und Sachverhalten heraus. Durch Konflikte finden vielfältige und verschiedenartige Elemente Berücksichtigung die ohne Konfliktaustragung vielleicht nie deutlich geworden wären. So liegt der Sinn der Konflikte auch darin, Bedürfnisse und Gegebenheiten zu differenzieren und dadurch Individualität herauszuarbeiten. Man erreicht aber auch nur durch Konflikte Gemeinsamkeit. Die Maxime das Ganze hat Vorrang vor den Teilen gibt eine Richtlinie für Konflikte, die durch zu große Komplexität entstehen. Die Sonderinteressen müssen sich irgendwann dem Allgemeininteresse unterordnen. Die Vielfalt stört. Die klaren Linien, das Wesentliche muß hervortreten. Das allgemeine Ziel rangiert hier vor den individuellen Bedürfnissen und Wünschen. 3. Veränderung vs. Bestand Ein weiterer Sinn von Konflikten liegt im Anlaß zu Veränderungsprozessen. Nur wenige Veränderungen in der menschlichen Geschichte sind nicht auf Konflikte oder das Resultat von konfliktträchtigen Auseinandersetzungen zurückzuführen. Weiterentwicklung von Gruppen und Organisationen, vor allem aber das Finden von Identität geht immer mit Konflikten einher. Das Motto der auf Veränderung ausgerichteten Konflikte lautet: Das Alte hat ausgedient, das unsichere Experiment des Neuen muß gewagt werden. Aber Konflikte erhalten auch das Bestehende. Immer wieder ist es überraschend, welche Aggressivität gegen Neudenker und Normabweicher entwickelt werden kann. Konflikte garantieren daher auch die Stabilität von Organisationen, in dem man versucht, bestimmte von den Normen abweichende Verhaltensweisen zu eleminieren. Die Austragung von Konflikten führt dazu, dass wichtige Probleme offengelegt werden (bevor! wichtige Entscheidungen getroffen werden). Alle Beteiligten werden veranlaßt Meinungen, Forderungen oder Wünsche offen zu äußern und zu begründen. Unterschiede und Gemeinsamkeiten werden deutlich. Dadurch werden Verhandlungen und Kompromisse erst möglich. Die Auseinandersetzung mit dem Spannungsfeld eines Konflikts ist die Quelle des Wandels und der Festlegung eines neuen Gleichgewichts. 5
6 DIE DYNAMIK EINER KONFLIKTLÖSUNG Beim Entstehen, der Bewältigung und Verarbeitung von Konflikten kann man nach Hart (1981) typischerweise unterschiedliche Phasen unterscheiden: Erwartung eines Konfliktes Ein Konflikt wird bewußt oder unbewußt wahrgenommen; und man fängt an, sich darauf einzustellen. Rückzug Beobachten ( Lauerhaltung ) Verstärkung des Konfliktes Offener Ausbruch des Konfliktes Man hält inne und sondiert und beobachtet das Umfeld; alle vielleicht wichtigen Informationen werden gesammelt. Der Konflikt wartet nicht: Das Sprengstoffpotential verstärkt sich. Es wird klar, dass das Problem nicht von allein verschwindet. Aber Rückzug ist noch möglich! Die Kontrahenten nehmen Position ein und organisieren Angriff und Verteidigung. Auch jetzt kann noch gekniffen werden! Lösungen suchen und ausprobieren Einigung und Waffenstillstand Man denkt nach, verhandelt, sucht nach Lösungen und probiert Ideen aus. Die ersten Ideen stellen meist nicht beide Partner gleichermaßen zufrieden. Irgendwann wird eine für beide Partner akzeptable Lösung gefunden. Die Wogen glätten sich, man versöhnt sich. Reflexion des Geschehenen Jeder überlegt für sich: Was habe ich daraus gelernt?. Erst diese abschließende Reflexion ermöglicht Lernprozesse für das nächste Mal. 6
7 MODELL MENSCHLICHEN KONFLIKTVERHALTENS hoch Kampf Verteidigung Verhandlung Zusammenarbeit Energie zur Durchsetzung der eigenen Bedürfnisbefriedi gung Gewinner / Verlierer Vermeidung Verdrängung Gewinner / Gewinner Anpassung Unterwerfung Verlierer / Verlierer Verlierer / Gewinner tief tief Energie zur Unterstützung der Bedürfnisbefriedigung des Partners hoch 7
8 DIE PHASEN DES MEDIATIONSVERFAHRENS Phase Inhalt Methoden/Medien Vorphase Am besten ist es, wenn die Konfliktparteien gemeinsam den Wunsch nach einer Mediation äußern und entsprechende Schritte einleiten. Meist ist dies jedoch nicht der Fall, sondern eine der Konfliktparteien ergreift die Initiative. Die MediatorInnen nehmen dann den Kontakt zu den übrigen Konfliktbeteiligten auf und versuchen, sie dann zu einer Teilnahme am Mediationsgespräch zu bewegen oder die Initiative geht von Dritten oder den MediatorInnen selbst aus. Telefonate Anschreiben persönlicher Kontakt Das Mediationsgespräch 1. Einleitung Die MediatorInnen sorgen dafür, daß das Gespräch in einer wohltuenden, offenen und vertrauensfördernden Atmosphäre stattfinden kann. Die GesprächsteilnehmerInnen werden über den Ablauf, die Rolle der MediatorInnen und die Grundregeln informiert. Grundregeln: - Ausreden lassen! - keine Beleidigungen oder Handgreiflichkeiten! - Die MediatorInnen haben die Verantwortung für den Gang des Gesprächs und greifen ein, wenn es erforderlich ist. - weitere Regeln können vereinbart werden. Nach der Erklärung des Mediationsverfahrens werden offene Fragen beantwortet. Schließlich werden alle Beteiligten nach ihrer Bereitschaft gefragt, sich auf die Regeln und das Verfahren einzulassen. Visualisierung Moderation Kontrakt 8
9 2. Sichtweise der einzelnen Konfliktparteien 3. Konflikterhellung: Verborgene Gefühle, Interessen, Hintergründe 4. Problemlösung: Sammeln und Entwickeln von Lösungsmöglichkeiten Jede Seite hat nun die Gelegenheit, den Konflikt aus ihrer Seite zu erzählen. Sie bekommt dafür soviel Zeit, wie sie nötig hat, um alles auszusprechen, was dazugehört. Die MediatorInnen hören aktiv zu, stellen gegebenenfalls Fragen und fassen das Gehörte zusammen. Die anderen KontrahentInnen hören in dieser Phase nur zu und müssen ihre Erwiderungen auf den Zeitpunkt verschieben, an dem sie selber mit dem Erzählen dran sind. Sie können sich jedoch Notizen machen, um nicht zu platzen und ihre Einwände in Erinnerung zu halten. Spätestens am Ende dieser Phase ist der Auftrag bzw. das zu klärende Thema benannt und von dem/der MediatorIn visualisiert! Soweit das noch nicht in der vorangegangenen Phase geschehen ist, sollen nun die mit dem Konflikt verbundenen Gefühle zum Ausdruck gebracht sowie die Interessen und Wünsche herausgearbeitet werden, um die es den Beteiligten eigentlich geht. Alles, was als Hintergrund zum offenen Streit von Bedeutung ist, soll zur Sprache kommen. Die MediatorInnen sind bei der Erhellung des Konflikts behilflich, indem sie geeignete Fragen stellen und Hilfstechniken einsetzen. Die Kommunikationsrichtung wird zunehmend auf den Kontrakt der KontrahentInnen untereinander verlagert. Kernsätze zum Verständnis einer Konfliktpartei sollen in eigenen Worten von den KontrahentInnen zusammengefaßt werden. Die MediatorInnen leiten sie dazu an und geben Hilfestellungen. Wenn durch die vorangegangene Phase ein gegenseitiges Verstehen ermöglicht wurde, können die Streitenden nun gemeinsam überlegen, wie sie ihre Meinungsverschiedenheiten beilegen wollen. Aus dem Konflikt wurde ein Problem, für dessen Lösung alle KontrahentInnen gemeinsam die Verantwortung tragen. Mit geeigneten Methoden werden kreative Ideen gesammelt und die interessantesten zu Lösungsvorschlägen ausgearbeitet. Aktiv zuhören spiegeln Verständnisfragen Schreibutensilien Aktives Zuhören Einfühlendes Zuhören Übersetzungsleistung Dialog einleiten Moderieren Doppeln Brainstorming Perspektivwechsel 9
10 5. Übereinkunft Die Konfliktparteien einigen sich auf Lösungsvorschläge, die ihnen am meisten zusagen. Sie regeln alle Fragen, die mit der Überprüfung und eventuell erforderlichen Überarbeitung der Übereinkunft zu tun haben. Das ganze wird schriftlich festgehalten und von den Beteiligten unterschrieben. Moderation Protokollierung Kontrakt Klärung der Rechtsverbindlichkeit Umsetzungsphase Nach einer vereinbarten Zeit nehmen die MediatorInnen und die Konfliktbeteiligten noch einmal Kontakt miteinander auf, um zu klären, ob die Übereinkunft tatsächlich die Probleme gelöst hat. Falls nötig müssen Korrekturen angebracht werden, oder es muss ganz neu verhandelt werden. 10
11 KOMMUNIKATION ALS KREISFÖRMIGER PROZESS Unter Kommunikation versteht man die Gesamtheit der Prozesse, die beim Austausch von Informationen zwischen Individuen eine Rolle spielen. Die wichtigsten Elemente und Vorgänge des Kommunikationsprozesses können schematisch in einem kreisförmigen Modell dargestellt werden: (verschlüsseln) Botschaft (entschlüsseln) SenderIn EmpfängerIn (entschlüsseln) Rückmeldung (verschlüsseln) SenderIn, Botschaft und EmpfängerIn: Wenn ich jemandem etwas mitteile, wird eine Botschaft (=das, was ich mitteile) von einem/r SenderIn (= ich) zu einem/r EmpfängerIn (= mein Gegenüber) übermittelt. Verschlüsselungs- und Entschlüsselungsprozesse (Codieren und Dekodieren): Nicht alles, was ich mitteile, drücke ich mit den Mitteln der Sprache aus. Vieles teile ich durch die Art mit, wie ich es sage. Hierbei sind Tonfall, Lautstärke, Mimik, Gestik, Körpersprache etc. von großer Bedeutung. Verschiedene Personen unterscheiden sich auch in unterschiedlichem Sprachgebrauch. Auch hier benutzt jede Person ihren eigenen Sprachcode (Slang, Jugendsprachen, Fremdsprachen etc.). Ich teile also einen großen Anteil meiner Botschaft nicht direkt, sondern auf verschlüsseltem (sowohl sprachlichen als auch nichtsprachlichen) Weg mit. Meine GP muß nun die verschiedenen Anteile entschlüsseln, damit er/sie mich verstehen kann. Interpretationen, Vermutungen, Missverständnisse: Diese Ver- und Entschlüsselungsprozesse stellen eine permanente Quelle für Missverständnisse dar, da man hierbei immer in mehr oder weniger starkem Ausmaß auf Interpretationen und Vermutungen angewiesen ist. Viele Wörter sind jedem geläufig, manche Wörter nicht. Manche Gesten sind in ihrer Bedeutung kulturell
12 ziemlich festgelegt; andere Gesten dagegen sind mehr privater Natur. Die Geste des Lächelns ist z. B. in ihrer Bedeutung ziemlich genau festgelegt und wird von den meisten Menschen als freundlich interpretiert. Andere Gesten wie z. B. das Falten der Hände oder das Hochziehen der Augenbrauen, sind weniger genau festgelegt. Die andere Person muß ihre jeweilige Bedeutung also interpretieren. Sie muß Vermutungen darüber anstellen, was ich damit meine. Wenn Sie sich in ihren Vermutungen jedoch täuscht, dann entschlüsselt sie meine Botschaft anders, als ich sie verschlüsselt habe. Es kommt zu einem Missverständnis. Die Rückmeldung (Feedback) Kommunikation ist kein einseitiger Vermittlungsprozeß von dem/der SenderIn zum/r EmpfängerIn, denn der/die EmpfängerIn kann auf die Botschaft reagieren. Dies ist die Rückmeldung. Indem der/die EmpfängerIn seine/ihre Rückmeldung (engl.: Feedback) gibt, wird er/sie selber zum/r SenderIn einer neuen Botschaft, und die Rollen werden getauscht. Im Verlauf eines Gespräches erfolgt zwischen SenderIn und EmpfängerIn also ein ständiger Rollentausch. Der Kommunikationsprozess erhält so eine kreisförmige Gestalt. Die oben beschriebene Ver- und Entschlüsselungsprozesse sind daher in gleicher Weise für beide Beteiligten von Bedeutung. Man kann nicht nicht kommunizieren Kommunikation beschränkt sich nicht auf sprachliche Nachrichten, sondern beinhaltet auch nichtsprachliche (nonverbale) Signale. Die Art wie ich gehe, sitze oder stehe, meine Körperhaltung, Mimik und Gestik, aber auch mein Outfit (Frisur, Kleidung etc.) teilen der anwesenden beobachtenden Person etwas über mich mit. Selbst wenn ich den Raum verlasse, teile ich etwas mit: z. B. dass das, was in dem Raum passiert, mich nicht interessiert oder das mich etwas anderes mehr interessiert. Man kann also nicht nicht kommunizieren! Die Interpunktion von Ereignisfolgen Nach der systemtheoretischen Sichtweise ist Kommunikation kreisförmig und ohne Anfang. Die Frage nach dem Anfang ist so unbeantwortbar, wie die Frage, ob zuerst das Ei oder die Henne dagewesen sind. Die Akteure befinden sich in einem gemeinsamen Spiel. Der Vater der modernen Kommunikationswissenschaft, Paul Watzlawick, hat das in einem inzwischen berühmten Beispiel verdeutlicht: Ein Ehepaar hat dauernd Streit. Die Frau nörgelt an ihrem Mann herum. Der Mann zieht sich zurück. Der Mann interpretiert: weil sie dauernd nörgelt, ziehe ich mich zurück. Die Frau interpretiert: weil er sich dauernd zurückzieht, nörgele ich. Beide interpretieren ihr eigenes Verhalten also als Reaktion auf das Verhalten der anderen Person. Watzlawick spricht von unterschiedlicher Interpunktion von Ereignisfolgen. Interpunktieren heißt, dass ein verhalten willkürlich als Ursache und das andere Verhalten willkürlich als Folge oder Reaktion anzusehen. 12
13 DIE VIER SEITEN DER BOTSCHAFT Jede Botschaft enthält gleichzeitig vier verschiedene Seiten oder Aspekte, die sich auf unterschiedliche Inhalte der Botschaft beziehen: Der Sachaspekt: Das, was ich über die Sache, um die es im Gespräch geht, mitteile. Hier ist Verständlichkeit, Klarheit und Konkretheit wichtig. Selbstdarstellungsaspekt ( Ich -Aspekt): Das, was ich absichtlich oder unbewusst über mich selbst mitteile. Jede Botschaft ist ein kleiner Ausschnitt meiner Persönlichkeit; der/die andere erfährt immer auch etwas über mich als Person. Dieser Teil der Botschaft wird überwiegend nichtsprachlich mitgeteilt. Der Beziehungsaspekt: Das, was ich über meine Beziehung zu meiner/m GP mitteile. Durch die Art, wie ich mit ihm/ihr spreche, drücke ich z. B. aus, was ich von ihm/ihr halte und wie ich den Draht zwischen uns beurteile. Der/die andere kann sich beispielsweise akzeptiert und vollwertig behandelt oder aber sich bevormundet und herabgesetzt fühlen. Diese Seite der Botschaft wird vor allem nichtsprachlich mitgeteilt: Der Ton macht die Musik! Für den Empfang des Beziehungsaspekt haben die meisten Menschen ein besonders feines Gespür. Der Appellaspekt: Das, was ich mit meiner Botschaft bewirken will. Hierbei geht es vor allem um Wünsche und Forderungen, die ich in direkter oder indirekter Form an meine/n GP richte. Meine Botschaft hat u.a. den Zweck, den/die EmpfängerIn dazu zu veranlassen, bestimmte Dinge zu tun oder zu denken oder eben bestimmte zu unterlassen. Dieser Aspekt spielt übrigens in der Werbung und Propaganda eine besonders wichtige Rolle. 13
14 Modell der vier Seiten einer Botschaft: Welche Informationen gebe ich über die Sache? Sachaspekt Wie sehe ich den anderen? Wie stehen wir zueinander? BOTSCHAFT Was teile ich über mich als Person mit? Appellaspekt Was will ich beim anderen bewirken? Diese vier Aspekte sind grundsätzlich in jeder Botschaft mehr oder weniger stark ausgeprägt vorhanden. Die Frage ist nur, ob ich sie auch auf Anhieb erkenne und richtig entschlüssele. Bestimmte Seiten der Botschaft können explizit und klar verständlich in Worten formuliert sein, während andere Aspekte nur nichtsprachlich mitschwingen (z.b. durch Mimik, Gestik, Körperhaltung etc.) oder in anderer Weise interpretationsbedürftig sind (z.b. Andeutungen). Vollständig verstehen kann ich den/die andere daher nur, wenn ich alle vier Aspekte, die er/sie mir übermittelt, auch richtig entschlüssele. Andernfalls ist ein mehr oder weniger grobes Miss- oder Unverständnis die zwangsläufige Folge. Dies sei an einem kleinem Beispiel demonstriert: Er sitzt mit ihr bei Tisch und fragt: Was ist das Grüne in der Sauce? Sie antwortet barsch: Du kannst ja woanders essen gehen, wenn es dir hier nicht schmeckt! 14
15 Was ist passiert? Die beiden haben sich auf verschiedenen Aspekten der Botschaft völlig missverstanden: Er meint: Sie versteht: Sachaspekt: Da ist etwas Grünes in der Sauce. Da ist etwas Grünes in der Sauce. Selbstdarstellungsaspekt : Beziehungsaspekt: Ich weiß nicht, was das ist. Ich mag das Grüne nicht. Ich nehme an, dass Du es weißt. Unsere Beziehung ist gut genug, dass ich Dich danach fragen kann. Du bist eine schlechte Köchin! Das ärgert mich, und daher ist unsere Beziehung im Moment gestört. Appellaspekt: Bitte sage mir, was das Grüne ist! Lass` das Grüne beim nächsten Mal weg! In diesem Beispiel haben alle vier Seiten der Botschaft eine Rolle gespielt. Das Missverständnis und damit auch ihre schroffe Reaktion war dadurch bedingt, dass sie durch Interpretationen außer im Sachaspekt völlig andere Botschaften erschlossen hatte, als er eigentlich gemeint hatte. 15
16 ARBEITSBOGEN: Die vier Seiten der Nachricht 1. Frau Helbig ist erst vor einigen Wochen aus einer anderen Abteilung ins Team von Herrn Denker herübergewechselt und beklagt sich bei ihm: Also, Herr Denker, ich weiß nicht recht: ich werde das Gefühl nicht los, dass mich die neuen Kollegen regelrecht abblitzen lassen. Es fängt damit an, dass ich erst hinterher erfahre, wenn sich die anderen mal privat treffen. In meinem alten Team war ich immer dabei, wenn was los war- aber allzu viel scheint mit den Kollegen hier ja nicht los zu sein, so ruhig, wie es hier immer zugeht. Wenn ich mal ne Anekdote aus meinem alten Team oder irgendeinen Witz erzähle, herrscht doch nur Schweigen im Walde. Kaum auszuhalten. Mir scheint es auch fast, als würden persönliche Gespräche abgebrochen, sobald ich in die Nähe komme... manchmal habe ich sogar den Eindruck, dass mir die Kollegen wichtige Informationen, die ich für die Arbeit bräuchte, vorenthalten, um mich auflaufen zu lassen. Was haben die denn eigentlich gegen mich? Ich weiß überhaupt nicht, was das soll! Aufgabe: welche sachlichen Informationen hören Sie aus dem heraus, was die Mitarbeiterin im Beispiel sagt? Was hören Sie über die persönlichen Eigenarten der Mitarbeiterin heraus und was über ihre aktuelle Stimmung und Gefühle? Wir würden Sie sich an Stelle von Herrn Denker als Führungskraft auf der Beziehungsebene angesprochen fühlen? Was hält Frau Helbig wohl von Herrn Denker und wie sieht sie deren Beziehung? Was glaubt Herr Denker wohl, was die Mitarbeiterin von ihm erwartet? Was soll er aufgrund ihrer Aussagen tun, denken, fühlen? 16
17 2. Stellen sie sich folgende Situation vor: Eine Mitarbeiterin aus ihrem Team gesteht Ihnen im Mitarbeiter-Vorgesetzten-Gespräch, dass sie sich Ihnen gegenüber unsicher fühle, da sie das Gefühl hätte, Sie würden ihre fachlichen Qualitäten anzweifeln. So würden Sie ihr ausschließlich die einfacheren Routinearbeiten übertragen, während sie anspruchsvollere Aufgabe an die Kollegen gäben. Tatsächlich halten Sie die Mitarbeiterin in einigen nicht allen fachlichen Bereichen für schwächer als die anderen Kollegen. Sie haben es bisher umgangen, ihr das zu sagen, weil Ihnen die Mitarbeiterin besonders kritikempfindlich erscheint. Außerdem brauchen Sie auch jemanden, der die ungeliebten Routinearbeiten erledigt. Und das tat diese Mitarbeiterin bisher sehr gut und klaglos. Aufgabe: Wie können sie auf das Geständnis der Mitarbeiterin reagieren? Formulieren Sie (schriftlich) verschiedene Äußerungen in wörtlicher Rede unter aktiver Verwendung der 4 Seiten einer Nachricht. Bestimmen Sie für jede dieser möglichen Äußerungen, aus welchen Gründen Sie diese in dieser Situation für eher angemessen oder eher unangemessen halten. 17
18 LITERATURLISTE Einführungen in das Thema und Grundlagen: Besemer, C.: Mediation Vermittlung in Konflikten. Druckwerkstatt Kollektiv GmbH, 2000 Dulabaum, N. L.: Mediation: Das ABC Beltz, 1998 Mahlmann, R.: Konflikte managen Beltz, 2000 Schulz von Thun, F.: Miteinander reden rororo 1999 Schwarz, G.: Konfliktmanagement Gabler, 1999 Thomann/Schulz von Thun: Klärungshilfe rororo, 1996 Watzlawick, Beavin, Jackson: Menschliche Kommunikation Hans Huber
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