Begründungen und Grundlagen einer spezifischen Traumapädagogik. Prof. Dr. Silke Birgitta Gahleitner -
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- Rudolf Fried
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1 Begründungen und Grundlagen einer spezifischen Traumapädagogik Prof. Dr. Silke Birgitta Gahleitner -
2 Modeerscheinung? Moden sind Momentaufnahmen eines Prozesses kontinuierlichen Wandels, sofern diese Art, etwas zu tun, nicht von großer Dauer ist, sofern sie also zyklischem Wandel unterliegt. (Wikipedia) Auf Zeiten intensiver Forschungstätigkeit folgten immer wieder Zeiten, in denen das Thema in Vergessenheit geriet... Klassische Studien, die vor 50 oder hundert Jahren entstanden sind, lesen sich oft wie zeitgenössische Arbeiten." (Judith Lewis Herman, 1993, S. 17)
3 Was erwartet Sie? 1. ExpertInnenbefragung 2. Betroffenenbefragung 3. Theoretischer Hintergrund 4. Schlussfolgernde Skizze 5. Beispiel
4 Wo sind wir? 1. ExpertInnenbefragung 2. Betroffenenbefragung 3. Theoretischer Hintergrund 4. Schlussfolgernde Skizze 5. Beispiel
5 Ausgangspunkt Traumapädagogik Psychosoziale Fachkräfte sind großflächig mit der Versorgung traumatisierter Kinder- und Jugendlicher betraut zeigen im Traumabereich geballte Berufserfahrung und komplexe Wissensbestände haben jedoch häufig ein anderes Selbst- und Fremdverständnis
6 Interviews mit Fachkräften Traumata an sich wurden hier von uns aus nicht bearbeitet, weil das ist einfach auch nicht so unser Setting, dafür sind wir auch nicht ausgebildet (Herr A.) Hier herrscht eine hohe Fachlichkeit kein Fall gleicht dem anderen, weil die Hintergründe für Kindesvernachlässigung, Kindesmisshandlung, kindeswohlgefährdene Situationen mannigfaltig sind, multikomplex (Herr B.)
7 Defizit im Selbstverständnis Defizit nicht in fehlender Handungskompetenz, sondern fehlendem klinischen Hintergrundwissen und Selbstverständnis traumabegleitende und traumabearbeitende Anteile werden nicht wahrgenommen und wertgeschätzt Traumaarbeit wird anderen Berufsgruppen zugewiesen
8 Wo sind wir? 1. Expertenbefragung 2. Betroffenenbefragung 3. Theoretischer Hintergrund 4. Schlussfolgernde Skizze
9 Interviews mit Betroffenen Geschlecht m nnlich 42.1% Stichprobenbeschreibung weiblich 57.9% Migration Altersverteilung Zusammenfassung: ohne 76.4% 23.6% mit M = 17.1 MD = 17.2 SD = Alter in Jahren
10 ICD-10 Diagnosen
11 Hypothesen aus den Interviews I. TWGs behandeln Jugendliche mit komplexen Problemlagen II. III. IV. Basisbestandteil des Therapeutischen Milieus ist die Alltagsarbeit, Bindungs und Beziehungarbeit stellt die Kernkompetenz dar, Strukturgebung bietet das fundamentales Gegenüber dazu Therapie, Elternarbeit und geglückte Vernetzung bieten die Chance, Veränderungsprozesse aus dem geschützten Raum in den Lebensalltag zu befördern Qualifikationsprofil von TWGs: Beziehungs-, Fachund Systemkompetenz sowie personelle, disziplinäre und methodische Vielfalt im Team V. Risiken und Nebenwirkungen: nicht zu verhindern, aber zu bedenken
12 Was wirkt ist das unmittelbare und im Alltag stattfindende umfassende Betreuungsangebot als Basis des Therapeutischen Milieus Sie waren halt für einen da mit denen man sich auch normal unterhalten konnte, was ich dann auch fast ein bisschen komisch fand, schwer für mich anzunehmen aber das macht es dann auch aus (Bewohner Claus) Das Pädagogische halt war sehr im Alltag gewesen und ein Vorteil, weil die haben mit mir dann halt tagtäglich umgehen müssen, und ich habe mich dadurch ja auch selbst kennen gelernt und gemeinsam auch Lösungen gefunden, in bestimmten Situationen zu reagieren. (Bewohnerin Bettina)
13 Was wirkt ist professionelle Bindungs- und Beziehungsarbeit als Kernkompetenz zur Gestaltung des Therapeutischen Milieus, durch welches hindurch die Arbeit inmitten des Alltags geschieht So haben wir unser Angebot auch extra gestrickt, auch mit diesem Bezugsbetereuungssystem also auch so`n Stück nachbeeltert werden und korrigierende Beziehungserfahrungen machen können das ist eine große Ressource, die wir bieten, die Bezugsbetreuung, die also schon sehr individuell dann auch arbeitet (Betreuerin Charlotte)
14 Was wirkt ist angemessene Strukturgebung sie bietet als fundamentales Gegenüber den notwendigen Sozialisationsrahmen Und dadurch dass ich dort diesen Rahmen hatte, wo ich mich ständig überwinden musste, irgendwas erledigen musste, irgendwo hinfahren musste, irgendwelche Verpflichtungen, fiel es mir dann auch leichter mit der Schule, die ich irgendwie dann genauso gehandhabt habe (Bewohner Claus) ah da kuckt einer auf mich haargenau, man kriegt dann auch Vertrauen (Bewohner Dirk)
15 Was wirkt ist Therapie - eingebettet in den Gesamt-Kontext - mit den Eltern wie deren Kindern, mit der Chance Veränderungsprozesse aus dem geschützten Raum sorgsam in den Lebensalltag zu befördern Es kommt meistens charaktermäßig an da wo die Jungs dann einmal wöchentlich runter gehen und mit dem Psychotherapeuten dann kucken, ob`s gut geht. Und der arbeitet dann auch mit ihnen diese Vergangenheit auf und verarbeitet sie dann auch mit ihnen. Und das ist praktisch ne Unterstützungsleistung. ja. Dadurch meinte ich: gut machst das mal, probierst es (Bewohner Dirk)
16 Was wirkt ist eine Berücksichtigung dyadischer und systemischer Aspekte für das Gelingen von Hilfeprozessen in der stationären Jugendhilfe Das, was mir geholfen hat, ist, glaube ich, so ein Netz aus Klinik, WG und Schule gewesen also die drei Faktoren mussten zusammen wirken. Ich bin damals auf ein Betreuerteam von sechs Personen gestoßen und es war deutlich, es war ein Team, es war eine Linie egal wen man anspricht man war schnell aufgehoben und ich hatte auch ganz schnell zwei Bezugsbetreuer, zu denen man so einen persönlichen Bezug hat das sind halt viele kleine Sachen, die sich so verknüpfen so war das dann alles so ein bisschen verbunden, Therapie, WG und Schule (Bewohnerin Felicitas).
17 Wo sind wir? 1. ExpertInnenbefragung 2. Betroffenenbefragung 3. Theoretischer Hintergrund 4. Schlussfolgernde Skizze 5. Beispiel
18 Trauma atmosphären sind häufig komplex
19 Komplexe Traumafolgestörung besonders gutes und anschauliches Beispiel für psychosoziale Vermittlungsarbeit als Schnittstelle und interdisziplinäre Herausforderungen Symptome aus dieser Perspektive häufig gut als Ausdruck von Überlebensstrategien verstehbar konstruktive Veränderungsimpuls für den Einzelnen können nur im Kontext seiner Umfeldund Lebensbedingungen entwickelt werden Aufgabe psychosozialer Berufsgruppen in interdisz. Zusammenarbeit
20 life events Sichere Bindung + wenig Trauma
21 life events Desorganisierte Bindung + Komplexes Trauma
22 Komplexes Trauma verursacht ein ausgeklügeltes System vielfältiger somatischer, psychischer und sozialer Symptome (Perry, ESTD 2010)
23 Das bedeutet Trauma muss als Ergebnis eines komplexen Entwicklungs- und Beziehungsgefüges zwischen psychologischen, physiologischen und sozialen Prozessen gesehen werden lebenslang! Ausmaß der Belastung durch das Trauma Typisierter Verarbeitungsverlauf Traumatisierung Initialreaktion Traumakompensation Bearbeitungsbeginn emotionszentrierte und kognitionsfokussierte Auseinandersetzung Erleichterung Zeitschiene/ Lebensjahre
24 Besondere soziale Schwierigkeiten körperliche bzw. psychosomatische Erkrankungen und Behinderungen, aber auch (Dauer-) Arbeitslosigkeit oder Armutslagen gesundheitliche Gefährdung, u. a. durch dauernde Retraumatisierungen soziale Bindungslosigkeit und Isolation Alkoholgefährdung oder krankheit Stigmatisierung aufgrund sozialer Lage oder Vorstrafen unzureichende oder unsichere Unterkunft Wohnungslosigkeit oder drohende Wohnungslosigkeit Mittellosigkeit (ACE-Studie!)
25 Adäquate Unterstützung bzgl. Gesundheit und in der jeweiligen Lebenssituation muss effektiv Krankheit in den verschiedenen eine Verbesserung der Dimensionen des psychosozialen Passung menschlichen unterstützen: Lebens in der vorhandenen gesellschaftlichen Chancenstruktur
26 13. Kinder- und Jugendbericht In nicht wenigen Fällen muss davon ausgegangen werden, dass die sehr verschiedenen Auffälligkeiten dieser Kinder und Jugendlichen einer speziellen Traumasensibilität bzw. Traumapädagogik bedürfen. (BT-Drs. 16/12860, S.217 f.)
27 Wo sind wir? 1. ExpertInnenbefragung 2. Betroffenenbefragung 3. Theoretischer Hintergrund 4. Schlussfolgernde Skizze 5. Beispiel
28 Was wirkt sagt unsere Erfahrung sagt die Forschung...
29 Erfahrungs-Werte... Psychoanalytische Pädagogik (Dörr, 2010; Weiß, 2011) Traumazentrierte Pädgogik (Uttendörfer, 2008) Pädagogik des sicheren Ortes (Kühn, 2007) Konzept der Selbstbemächtigung (Weiß, 2009) Traumapädagogische Gruppenarbeit (Bausum, 2009) (Selbst-)Fürsorge für PädagogInnen als institutioneller Auftrag (Lang, 2009) Therapeutisches Milieu (Gahleitner, 2010) (verändert nach Weiß, 2011, S. 89 f.)
30 In Spezialeinrichtungen findet sich häufig die Versorgungsrealität im Selbst- und Fremdverständnis der Fachkräfte wieder existiert daher das klinische Hintergrundwissen und Selbstverständnis Traumaarbeit wird nicht allein anderen Berufsgruppen zugewiesen, die die Betroffenen z. T. nicht erreichen Stattdessen ist interdisziplinäre Kooperation Programm.
31 Selbst- und Fremdverständnis klinische Fach- und Methodenkompetenz im Diagnostik- und Interventionsbereich selbstverständlicher Umgang mit Multiproblemlagen dialogische, zugehende, aufsuchende Arbeitsqualität und Beziehungsorientierung, ( hard-to-reach-bereich ) Fortbildungsaktivität und Auseinandersetzung mit Fachliteratur Selbstverständlichkeit von Selbstreflexion
32 Z. B. Klinische Sozialarbeit entwickelt konstruktive Veränderungsimpulse für traumatisierte Kinder und Jugendliche im Kontext ihrer Umfeld- und Lebensbedingungen Versteht komplexe Traumafolgestörungen als im Wesentlichen kumulativ, biografisch und in soziokulturellen Milieus verankert widmet sich insbesondere traumatisierten schwer erreichbaren Kindern und Jugendlichen in Multiproblemsituationen entwirft dialogische Hilfeformen sowie geeignete Settings zum Abbau bio-psycho-sozial bedingter Traumafolgen (Pauls & Mühlum, 2005; Gahleitner & Hahn, 2008, 2009, 2010; Pauls, 2004)
33 I. Prozessual verstehen 1. operationalisierbare Diagnostik 2. biographische Diagnostik (rekonstruktiv) 3. Sozial- und Lebenswelt-Diagnostik (Passung) Psychosoziale Diagnose (mehrdimensionale Problem- und Ressourcenmatrix: zum konkreten Vorgehen Pauls, 2004; Gahleitner, 2005; Gahleitner, Schulze & Pauls, 2009)
34 II. Mehrdimensional Versorgen (Sommerfeld & Hollenstein, 2008; vgl. Forschungsberichte it/ipw/publikationen/forschungsberichte)
35 Traumabearbeitung umfasst nicht nur Traumakonfrontation, sondern: Selbstregulation und Stressreduktion missbrauchtes Vertrauen und soziale Teilhabe neu entwicken Veränderung dysfunktionaler Überzeugungen, Einstellungen und Selbstbilder (ICH bin!) Traumazuordnungarbeit (Biographiearbeit) Sinnfindung im Jetzt und Hier Umgang mit dem Körper (nach Weiß, 2011, S. 92)... im Alltag (Schulze, 2011)
36 Interdisziplinäres Arbeiten (Monika Fey, 2010)
37 Schlussfolgerungen Psychosoziale Fachkräfte benötigen: Aus-, Fort- und Weiterbildungsangebote, die auf den komplexen Arbeitsbereich ausgerichtet sind (Macht- und Chancestruktur?) Verantwortungsübernahme und souveräne interdisziplinäre Kooperation angemessene Anerkennung für anspruchsvolle Arbeit
38 Modeerscheinung? Mit Moden werden also in der Regel eher kurzfristige Äußerungen des Zeitgeistes assoziiert. Vergleichsweise längerfristige Äußerungen des Zeitgeistes, die sich über mehrere Modewellen hinweg in positiver Bewertung halten können, gelten nicht als Mode, sondern als Klassiker. (Wikipedia)
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