2Grundlagen des Bewegungslernens
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- Bastian Knopp
- vor 7 Jahren
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1 1 2Grundlagen des Bewegungslernens Du hast sicher im Unterrichtsfach Bewegung und Sport schon oft eine neue Bewegung Schritt für Schritt gelernt. Überlege dir, welchen Vorteil dieses Vorgehen gegenüber der Ganzheitsmethode hat, bei der man gleich die komplette, fertige Bewegung erlernt. Wenn du eine neue Bewegung lernst, etwa beim Gerätturnen, in der Leichtathletik oder bei Snowboard- und Skifahren, so beginnst du nicht gleich mit dem ganzen Bewegungsablauf. Du machst zunächst Übungen, die entweder nur einen Teil der Bewegung darstellen, oder du vereinfachst die Bewegung so weit, dass du sie auch als Anfänger/in durchführen kannst. Dadurch wird natürlich auch das Verletzungsrisiko stark minimiert. Eine Reihe von aufeinander folgenden Übungen, die immer schwieriger und komplexer werden und an derem Ende die fertige Übung, also die Zielübung, steht, nennt man methodische Übungsreihe oder kurz MÜR. Diese besteht in der Regel aus vorbereitenden Übungen, Vorübungen und der Zielübung. Es ist wichtig zu wissen, dass es nicht die methodische Übungsreihe gibt. Man kann sich viele Übungen auf dem Weg zur Zielübung ausdenken und deren Auswahl ist letztlich Geschmackssache. Du wirst daher in verschiedenen Büchern auch verschiedene Methoden finden. Außerdem ist der Übergang von vorbereitenden Übungen zu Vorübungen oft nicht scharf abzugrenzen und daher ebenfalls Ansichtssache. Die folgenden Beispiele sind aus diesen Gründen exemplarisch zu betrachten. Abb. 2.1: Kaskade Vorteile der methodischen Übungsreihe (MÜR) eine Bewegung erlernen können. sich eine MÜR individuell auf das Lerntempo einer bestimmten Person abstimmen. immer wieder einen Schritt zurückgehen und den Fehler dort unter erleichterten Bedingungen ausbessern. und minimiert (etwa beim Gerätturnen) die Gefahr von Verletzungen. Schritt geht, vor allem bei komplizierten Bewegungen, meist rascher als im Ganzen. MÜR KNOW-HOW Jonglieren: Die Kaskade Schauen wir uns das Vorgehen bei einer MÜR zunächst an der Grundfigur des Dreiball-Jonglierens an, der so genannten Kaskade. Wenn du diese methodische Übungsreihe durchübst, dann solltest du dir dazu in Summe mindestens ein bis zwei Stunden Zeit nehmen und die Trainingseinheiten auf mehrere Tage aufteilen. Bei der Kaskade beschreiben die drei Bälle die Bahn eines liegenden Achters (Abbildung 2.1). Dies ist die erste Jonglierbewegung, die du erlernen solltest. Sie ist für das Jonglieren grundlegend eine Ruheposition, zu der du später zwischen anderen Figuren immer zurückkehren kannst. Da die Kaskade nicht sehr kompliziert ist und auch nicht gefährlich, können talentierte Personen sie sofort als Ganzes erlernen. Das schafft aber vielleicht nur eine von Hundert. Deshalb empfiehlt es sich, methodisch vorzugehen, weil das eine Menge von Vorteilen mit sich bringt (siehe Know-how Vorteile der methodischen Übungsreihe). Es wäre gut, wenn du alle folgenden Übungen mit Jonglierbällen, den so genannten Beanbags (wörtlich Bohnentaschen ), durchführen könntest (Abb. 2.2). Diese sind verformbar und springen nicht so leicht aus der Hand wie etwa Tennisbälle. Abb. 2.2: Beanbags sind meistens mit Hirse gefüllt. Sie verformen sich plastisch und springen daher nicht so leicht aus der Hand. 11
2 12 2Vorbereitende Übungen Grundlagen des Bewegungslernens Eine methodische Übungsreihe beginnt mit vorbereitenden Übungen. Diese sind sehr einfach und dienen dazu, sich einzustimmen, also an das Gerät oder die Übung zu gewöhnen. Trotzdem beinhalten sie schon wesentliche Elemente der Zielübung. 1. Übung Für das richtige Jonglieren ist zunächst einmal die Grundhaltung wichtig. Die Arme sind dabei im rechten Winkel gebeugt, als ob man ein Tablett halten würde. Wir wollen diese Position daher Butler-Stellung nennen (Abb. 2.3). Die Ellbogen sind nahe dem Körper. Denkt man sich eine unsichtbare Wand, vor der man steht, so sollten sich später die Bälle nur entlang dieser Wand bewegen und nicht vor und zurück. 2. Übung Nimm einen Ball in die rechte Hand und nimm die Butler-Stellung ein. Wirf den Ball so, dass er etwa stirnhoch fliegt und wieder in der rechten Hand landet (Abb. 2.4). Achte dabei auf folgende Dinge: Der Wurf sollte eher aus dem Handgelenk erfolgen und weniger aus dem Unterarm. Die Finger sollten sich genau dann schließen, wenn der Ball auf der Hand auftrifft. Das ist für später wichtig, wenn man mit vielen Bällen jongliert, damit der Ball nicht aus der Hand springt. Tennisbälle springen leichter aus der Hand als weiche Jonglierbälle. Lass den Ball nicht auf der Hand aufplatschen. Diese Übung sollte also möglichst geräuschfrei durchgeführt werden. Wenn der Ball auf die Hand Abb. 2.3: Die richtige Armhaltung ist so, als würdest du wie ein Butler ein Tablett halten. Abb. 2.4: Die 2. Übung auftrifft, so gib etwas mit dem Unterarm nach. Wenn du dann sofort den nächsten Wurf machst, so entsteht dabei eine weiche und runde Bewegung. Übe so lange, bis die Würfe halbwegs regelmäßig sind und der Ball immer etwa gleich hoch fliegt. Übe hier und auch bei allen weiteren Schritten auch mit der linken Hand. Das Üben mit der ungeschickteren, weniger geschulten Hand übt nämlich einen Effekt auf die geschicktere Hand aus (Know-how Kontralateraler Transfer). Die folgenden Übungen sind für Rechtshänder erklärt. Wenn du Linkshänder bist, musst du immer die andere als im Text angegebene Hand verwenden. Kontralateraler Transfer Wenn du eine Bewegung mit der rechten Hand lernst, dann lernt automatisch auch die linke Hand mit und umgekehrt. Das gilt aber nicht nur für Handbewegungen, sondern ganz allgemein, also auch für Fußbewegungen oder asymmetrische Bewegungen des ganzen Körpers. Das nennt man kontralateralen Transfer (lat. contra = gegenüber; lat. lateral = seitlich; Transfer = Übertragung). Man kann das sinngemäß als Übertragung von einer auf die andere Seite übersetzen. Mit dieser Übertragung ist das Bewegungsmuster gemeint. Der Effekt ist dadurch zu erklären, dass deine beiden Großhirnhälften durch den Balken (Corpus callosum) verbunden sind (Abb. 2.5). Dieser stellt mit seinen rund 250 Millionen Einzelleitungen das größte Einzelkabel des Menschen dar und dient dem Informationsaustausch und damit der Koordination zwischen den beiden Gehirnhemisphären. Aus dem Alltag ist dir dieser Effekt bekannt: Du kannst mit deiner Nichtschreibehand schreiben (wenn auch nicht sehr schön), selbst wenn du das nie zuvor geübt hast. Für den Sport hat dieser Transfer eine große Bedeutung, weil das Üben mit der ungeschickteren Seite die Bewegung der geübteren zusätzlich verbessert. Corpus callosum (Balken) Corpus callosum (Balken) Abb. 2.5: Die beiden Großhirnhälften sind durch den Balken verbunden, der einen Informationsaustausch und somit einen kontralateralen Transfer ermöglicht. Kontralateraler Transfer KNOW-HOW
3 3. Übung Bei dieser Übung wirfst du einen Ball von einer in die andere Hand (Abb. 2.6). Er sollte dabei etwa in Stirnhöhe fliegen. Das ist auch die richtige Höhe für die fertige Kaskade. Mach nach dem Wurf eine kurze Pause, wirf den Ball wieder zurück usw. Achte darauf, dass der Ball eine 8er-Schleife beschreibt, so wie es in Abb. 2.1 dargestellt ist. Bis jetzt hast du nur einen Ball geworfen. Bei der nächsten Übung wirst du zwei Bälle werfen. Das ist ein relativ großer Schwierigkeitssprung. Die Übung hat auch schon viel mit der Zielübung gemeinsam. Deshalb zählt sie bereits zu den Vorübungen. Diese Vorübungen sind der eigentliche Kern einer MÜR. Sie zeichnen sich generell durch enge Bewegungsverwandtschaft zur Zielübung aus und sind sogar oft die Zielübung unter erleichterten Bedingungen. Allgemein kann man sagen, dass der Übergang von vorbereitenden Übungen über Vorübungen zur Zielübung fließend ist und man daher manche Übungen nicht zwingend in eine der drei Gruppen einordnen kann. 6. Übung Abb. 2.6: 3. Übung. Um dir die Vorstellung zu erleichtern, ist diese Abbildung seitenverkehrt gezeichnet, so als würdest du dich im Spiegel sehen. 4. Übung Eine wichtige Grundlage des Jonglierens ist es, dass man die Augen nicht auf die Hände richtet, sondern auf den höchsten Punkt der Flugbahn. Wenn man geübt ist, kann man die Flugbahn dann auch richtig abschätzen. Die nächste Übung lautet daher, den Ball wie in Übung 3 von einer in die andere Hand zu werfen, aber dabei den Blick ziemlich gerade zu halten, sodass man die Hände nur aus den Augenwinkeln erkennen kann (das nennt man peripheres Sehen). Da man meistens die Hände bei einer Tätigkeit mit den Augen verfolgt, das nennt man Auge-Hand-Koordination, ist diese Situation ungewohnt. Du solltest diese Übung daher öfter durchführen, bevor du zur nächsten weitergehst. Bei der ersten Vorübung halte zunächst in jeder Hand einen Ball. Dann wirf den Ball aus der besser geübten Hand in die weniger geübte. Der Anfang ist also so, wie in Übung 3 und 4. Wenn der Ball aber den höchsten Punkt erreicht hat, wirfst du den anderen Ball unter dem ersten Ball durch und fängst beide Bälle wieder auf. Diese befinden sich nun in der jeweils anderen Hand (Abb. 2.8). 5. Übung Nimm nun in jede Hand einen Ball. Halte ihn mit kleinem Finger und Ringfinger (Abb. 2.7) so, dass du mit den restlichen drei Fingern noch einen zweiten Ball halten kannst. Nimm nun einen dritten Ball und wirf ihn wie bei Übung 3 und 4. Diese Situation findest du immer zu Beginn und am Ende des Jonglierens vor. Wenn du diese Übung zehnmal hintereinander geschafft hast, ohne einen Ball fallen zu lassen, so kannst du zur nächsten Übung übergehen. Vorübungen Abb. 2.7: zu Übung 5 Abb. 2.8: 6. Übung; zwei Bälle vertauschen. Die Abbildung ist seitenverkehrt gezeichnet. Wichtig ist, dass die Bälle augenhoch geworfen werden und vor allem, dass der zweite Ball nicht einfach ohne Wurf von einer in die andere Hand übergeben wird. Das ist einer der Hauptfehler bei dieser Übung. Du kannst diese Übung vereinfachen, indem du nur wirfst, aber nicht fängst. Die Lage der Bälle am Boden gibt dir dann Aufschluss darüber, wie gut du geworfen hast. Du kannst diese Übung erschweren, wenn du in der geübteren Hand noch einen zweiten Ball hältst, den du jedoch nicht wirfst (quasi eine Kombination von Übung 5 und 6). Diese Übung wird dir mit der ungeschickteren Hand beginnend wesentlich schwerer fallen. Trotzdem ist es wichtig, dass du dich auch dann um eine saubere technische Durchführung bemühst. Generell profitierst du auch für die geübtere Seite, wenn du die ungeübtere mittrainierst (siehe auch Know-how Kontralateraler Transfer, Seite 12). 13
4 Übung Grundlagen des Bewegungslernens Der letzte Schritt auf dem Weg zur Zielübung ist dreimal zu werfen und zu fangen. Im Gegensatz zur vorigen Übung wirfst du nun aber alle drei Bälle. Diese Übung entspricht der fertigen Kaskade, man stoppt die Bewegung allerdings nach drei Würfen ab, um wieder kontrolliert von neuem zu beginnen. In der Ausgangsstellung befinden sich in der geübteren Hand zwei Bälle. Du beginnst mit der geschickteren Hand. Der nächste Ball wird immer dann geworfen, wenn der vorherige den höchsten Punkt erreicht hat. Am Ende sollten sich dann in der ungeübteren Hand zwei und in der geübteren Hand ein Ball befinden (Abb. 2.9). Übergib nun einen Ball aus der ungeübteren Hand in die geübtere und beginne von Neuem. Du kannst diese Übung vereinfachen, indem du die Bälle nur wirfst, aber nicht fängst (siehe auch Übung 6). Natürlich solltest du auch mit der ungeübteren Hand beginnend üben. Wenn du dann beide Seiten beherrschst, kannst du immer abwechselnd mit links und rechts beginnen, ohne dass du vorher einen Ball übergeben musst. Abb. 2.9: vorher 7. Übung nachher Wichtig ist es, dass du von Zeit zu Zeit versuchst, so viele Würfe wie möglich zu machen. Sonst wirst du nämlich später eventuell Probleme haben, ein viertes Mal zu werfen, weil das Verhaltensmuster schon zu sehr eingeschliffen ist. Zielübung 8. Übung Wenn du Übung 7 zehnmal hintereinander durchführen kannst, ohne dass du einen Ball verlierst, kannst du zur Zielübung übergehen, der fortlaufenden Kaskade. Nun kannst du die Zahl der Würfe erhöhen, d.h. viermal werfen, fünfmal werfen... Vergiss dabei nicht, auch zwischendurch immer wieder mit der weniger geübten Hand zu beginnen, um diese nicht zu vernachlässigen. Mit dem Erreichen der Zielübung ist der Lernprozess jedoch noch nicht abgeschlossen. Du kannst die Übung erschweren, indem du mit drei verschieden schweren Bällen jonglierst oder überhaupt mit drei verschiedenen Gegenständen. Oder du kannst versuchen, dabei auf einem Bein zu stehen oder das Tempo immer mehr zu erhöhen. Du kannst die Übung verändern, indem du ganz klein oder ganz groß jonglierst oder unter deinem angehobenen Bein. Und du kannst die Übung mit anderen Tricks verbinden, die du später noch dazulernen wirst. Diese angeführten Übungen lassen sich beliebig erweitern oder kürzen, also auf die jeweilige Person individuell zuschneiden. Das ist eine der ganz großen Stärken einer MÜR. So können die Übung 6 und 7 zunächst ohne Fangen der Bälle durchgeführt werden. Treten bei der Kaskade technische Schwierigkeiten auf, so kann man diese gezielt ausmerzen (siehe Know-how Kaskade: Fehler und Korrekturen). Kaskade: Fehler und Korrekturen Fehler Korrekturmöglichkeit Ball wird übergeben und nicht fangen, Konzentration auf den Zweimal werfen ohne zu geworfen Wurf Ein Ball wird zu weit nach vorne geworfen Abwurf immer zu spät Würfe werden immer weniger hoch Schultern und Hände zu hoch Jonglage zu eng, Bälle stoßen zusammen Nur einen oder zwei Bälle werfen, Konzentration auf die Wurfebene; Jonglieren vor einer Wand; zweimal werfen, ohne zu fangen, Kontrolle der Lage der Bälle Helfer/in oder Übende/r selbst gibt akustisches Signal, wenn der zuvor geworfene Ball den höchsten Punkt erreicht hat Der Abwurf erfolgt immer zu spät, Korrektur siehe oben Eine oder mehr Übungen zurück und Konzentration auf die richtige Armhaltung Eine oder mehr Übungen zurück und Konzentration auf die richtige Handhaltung Versuche aus dem Gedächtnis die MÜR zum Erlernen der Kaskade aufzuschreiben. Welche sind die vorbereitenden Übungen und die Vorübungen? Wie lässt sich die Zielübung erschweren? Welche typischen Fehler treten beim Erlernen auf, und wie kann man diese beheben? Leichtathletik: Der Flopsprung Sehen wir uns als weiteres Beispiel für eine MÜR eine Übungsreihe für den Flopsprung in der Leichtathletik an. Die Phasenstruktur des Flopsprunges ist in Abb dargestellt. Man kann den Ablauf der Bewegung in Kaskade: Fehler und Korrekturen KNOW-HOW 2
5 Abb. 2.10: Übersicht über die Phasen des Flops: 1 und 2 Anlauf, 3 Absprung, 4 Steigphase, 5 Lattenüberquerung, 6 Landung Anlauf, Absprung, Flug und Landung unterteilen. Da die Gesamtbewegung sehr komplex ist, wird sie in Übungen zur Schulung von Anlauf und Absprung (Abb bis 2.13) sowie von Flugphase und Landung (Abb und 2.15) unterteilt. Zum Schluss werden die Teilphasen zusammengefügt. Man könnte alle diese Übungen als vorbereitende Übungen bezeichnen. Die Vorübung wäre ein Üben der Gesamtbewegung unter vereinfachten Bedingungen, etwa ein Flopsprung mit zunächst nur drei Anlaufschritten. Ziel ist ein Sprung mit sechs bis acht Beschleunigungsschritten und drei bis vier den Absprung vorbereitenden Schritten. Abb. 2.16: Flick-Flack oder, terminologisch exakt, ein Handstützüberschlag rückwärts DD DD Temposteigerung Abb. 2.11: Slalom- und Achterläufe Abb. 2.12: Kurvenlauf Sprünge aus dem Abb. 2.17: Hochwölben aus dem Handstand mit gespannter Hüfte und überstreckten Schultern Abb. 2.18: Knie strecken und Arme fest gegen die Matte schwingen Abb. 2.13: Absprünge auf einen Mattenberg Abb. 2.14: Kosakensprünge Abb. 2.19: Strecksprung rückwärts in die Rückenlage Abb. 2.15: Standflop Abb. 2.20: über einen Gymnastikball oder eine Mattenrolle in den Handstand rollen Gerätturnen: Der Flick-Flack Das Durchführen einer MÜR ist dann besonders wichtig, wenn die zu erlernende Bewegung bei falscher Ausführung zu Verletzungen führen kann. Das ist zum Beispiel beim Flick-Flack der Fall (Abb. 2.16). Dieses wichtige Element im Gerätturnen ist für völlig Ungeübte nicht ganz ungefährlich bei der Durchführung. Daher muss man Schritt für Schritt vorgehen. Abb. 2.21: Flick-Flack in der fertigen Bewegung, aber mit Unterstützung durch eine/n Helfer/in 15
6 2 Grundlagen des Bewegungslernens Bei den vorbereitenden Übungen werden einzelne Teile der Bewegung wie der Abdruck der Beine oder das Hochwölben isoliert geübt (Abb bis 2.19). Eine Vorübung, die die Zielübung unter erleichterten Bedingungen darstellt, siehst du in Abb Weil man langsam über den Ball rollt, stimmt natürlich die Dynamik noch nicht. Auch die Übung in Abb kann zunächst langsam durchgeführt werden und mit starker Unterstützung bei Rücken und Oberschenkel durch den/die Helfer/in. Nach und nach kann man diese Hilfe weglassen, bis man bei der Zielübung angelangt ist. Damit bewahrheitet sich der alte Spruch: Übung macht den Meister! Anfänger Meister des Sports An den Beispielen aus Jonglieren, Leichtathletik und Gerätturnen kannst du Grundsätze erkennen, die für alle methodischen Übungsreihen gelten: Abb. 2.22: Die EEG-Ableitungen bei Sportlern verschiedener Qualifikation: EEG-Ableitungen zeigen die elektrischen Aktivitäten von Gehirn-Regionen. Gemessen wird mit Hilfe von Elektroden, die auf der Kopfhaut angebracht werden. 16 Vom Einfachen zum Komplizierten! Vom Leichten zum Schweren! Vom Bekannten zum Unbekannten! Wenn eine Übung momentan zu schwer ist, geht man wieder einen Schritt in der MÜR zurück. Oder man denkt sich noch eine etwas erleichterte, zusätzliche Zwischenübung aus. Standard-Übungsreihen garantieren keineswegs von vornherein den Erfolg. Man muss eine MÜR auf die Vorkenntnisse und die Begabung des/der Übenden abstimmen. Das erfordert sehr viel Fingerspitzengefühl. Neben den methodischen Übungsreihen gibt es auch noch den direkten Weg zur Leistung. Im Falle des Jonglierens wäre das, gleich mit der fortlaufenden Kaskade zu beginnen. Dieser Weg ist für besonders Talentierte Zeit sparend. Normal talentierte Schüler/innen werden aber damit überfordert sein und bald den Spaß daran verlieren. Charakteristisch für eine noch nicht ökonomische und fein regulierte Bewegung sind überflüssige und eckige Bewegungen. Meistens sind dann auch noch Muskeln beteiligt, die dafür gar nicht nötig sind. Man spricht von der so genannten Grobform: Das innere Bewegungsmodell ist dann nicht präzise genug und nicht auf die wesentliche Bewegung reduziert. Wird die Bewegung dann rund, geschliffener, spricht man von Fein- und Feinstkoordination. Der Entschluss zur Bewegung entsteht in den Assoziationsfeldern des Großhirns und wird zu den sogenannten motorischen Feldern geleitet, wo es für alle Muskelpartien spezielle Nervenzellen gibt. Die Grobform einer Bewegung ist im Gehirn dadurch gekennzeichnet, dass Gehirnstrukturen mitaktiviert werden, die nicht unmittelbar für die Bewegung wichtig sind. Dadurch kommen die überflüssigen und unkoordinierten Bewegungen zustande. Im Laufe des Trainingsprozesses kommt es jedoch im Gehirn zu einer Konzentration auf die für die Bewegung wichtigen Gebiete (Abbildung 2.22). Gehirnregionen, die an dieser Bewegung nicht beteiligt sind, werden dann auch nicht einbezogen. Frage Welche Vorteile hat eine MÜR gegenüber der Ganzheitsmethode? Frage Was versteht man unter vorbereitender Übung, Vorübung und Zielübung? Versuche, möglichst viele Beispiele dazu zu finden. Frage Was versteht man unter dem kontralateralen Transfer und wo ist dieser von Bedeutung? Nimm eine der in diesem Kapitel vorgestellten Bewegungen auf Video auf und überprüfe, wie sauber du die Bewegung durchführst. Wie könntest du etwaige Technikfehler durch Zurückgehen in der MÜR ausbessern? Überlege dir eine neue Bewegung, die du im Unterricht Bewegung und Sport lernen möchtest. Suche dir dazu im Internet eine MÜR, die du dann praktisch umsetzt. Literatur APOLIN Martin: Jonglieren ist keine Kunst. edition aragon 2008, 2. Auflage BAUERSFELD Karl-Heinz / SCHRÖTER Gerd: Grundlagen der Leichtathletik. Sportverlag, Berlin 5. Aufl FETZ Friedrich: Leibesübungen für 6- bis 15-jährige. Österreichischer Bundesverlag, Wien 1976 SCHMIDT Gerhard: Handbuch für den Übungsleiter. Wien, Österr. Turn- und Sportunion 1973 WEINECK Jürgen: Sportbiologie. Spitta, Balingen 9. Aufl
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