Flucht und Trauma. Versorgung psychisch belasteter Flüchtlinge: Wie kann ein bedarfsgerechtes Angebot entstehen?
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- Florian Bayer
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1 Flucht und Trauma Versorgung psychisch belasteter Flüchtlinge: Wie kann ein bedarfsgerechtes Angebot entstehen? Elise Bittenbinder Bundesweite Arbeitsgemeinschaft der psychosozialen Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer (BAfF e.v.)
2 Fragestellung 1. Was heißt Flucht und Trauma? Aktuelle Situation Fakten; Anzahl der Psychosozialen Zentren für Geflüchtete und Folteropfer, Ziele und Versorgungsangebote und Erfahrungen in der Arbeit mit traumatisierten Flüchtlingen 2. Frühfeststellung: Wer ist traumatisiert? Konzept der BAfF 3. Welche Angebote sind für psychisch erkrankte und traumatisierte Flüchtlinge nach ihrer Ankunft in Deutschland (Erstaufnahme) erforderlich? Handlungsempfehlungen: Einschließlich niedrigschwellige Angebote für Traumatisierte, Ausbau bestehender Strukturen, ergänzende Therapieformen etc. 4. Welche psychosozialen Angebote müssen langfristig in Kommunen für Zielgruppe zur Verfügung gestellt werden & was wären perspektivisch die Rahmenbedingungen? Langfristige Handlungsempfehlungen (z.b. Wie können Netzwerke und Strukturen zur psychosozialen Versorgung von Flüchtlingen z.b. in ländlichen Räumen aufgebaut werden? Was ist dafür erforderlich? Wie können neue Akteure gewonnen werden? Wen können Sie als konkrete Ansprechpartner/in nennen?)
3 BEGEGNUNG, BERATUNG & INTEGRATION VON TRAUMATISIERTEN MENSCHEN IST MACHBAR
4 Begegnung & Kommunikation kann gelingen Was immer in geschieht es ist eine psychosoziale Intervention. Teilhabe: Offenheit und Gesprächsbereitschaft lädt den anderen ein persönliche, gesellschaftliche oder politische Erlebnisse zu erzählen, sich mitzuteilen. Ausgrenzung: eine kontrollierende oder abwehrende Haltung bewirkt das Gegenteil, verhindert Teilhabe. 4
5 WAS IST TRAUMA?
6 Seelische Verletzungen als Folge von Krieg & Verfolgung Trauma griechisch = Wunde Begriff Psycho-soziales Trauma wird v.a. im Kontext von Verfolgung und Gewalt verwendet: bezieht sich immer auf das Individuum und die gesamte Gesellschaft, nicht auf ein einziges Ereignis Sequentielle Traumatisierung : Trauma endet nicht mit dem Ende des Krieges und kann chronisch werden und durch erneute Erlebnisse verstärkt werden
7 Keilson: Sequentielle Traumatisierung bei Kindern Untersuchung jüdischer Kriegswaisen des 2. Weltkrieges in den Niederlanden Unterteilung des Schicksals der Betroffenen in drei Phasen (Sequenzen) 1. Die Beginnphase mit den präludierenden Momenten der Verfolgung Verfolgung, Angriff auf die Würde und Integrität der Familie, Verschwinden von Angehörigen und Freunden, Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz, Ghettoisierung, Erwartungsspannungen der kommenden Untaten 2. Aufenthalt im Konzentrationslager oder im Versteck Direkte Lebensbedrohung, Rechtlosigkeit, Ausgeliefertsein, Entbehrung, Hunger, Krankheit, Infragestellung und Vernichtung mitmenschlicher Verhaltensweisen 3. Nachkriegszeit mit allen Schwierigkeiten der Wiedereingliederung etc. Zurückkehren in eine andere Welt, als die man verlassen hat; Versuch der Aufarbeitung (führt oft zu weiteren Schädigungen); Vormundschaft; Probleme individuell biographischer und gruppendynamischer Art 10
8 Phasen des psychischen Traumas und der Verarbeitung Die Sequentielle Traumatisierung (H. Keilson 1992) beschreibt, dass das Trauma nicht mit dem Ende des Krieges verschwindet. Es besteht weiterhin, kann chronisch und durch erneute traumatische Erlebnisse verstärkt werden. Speziell in Kontext von Verfolgung und Gewalt sprechen wir von einem psycho-sozialen Trauma, das sich immer auf das Individuum und die gesamte Gesellschaft bezieht, nicht auf ein Ereignis beschränkt und in Prozessen verläuft. Die Behandlung muss sowohl die spezifischen Realitäten der Entstehung Rechnung tragen, als auch die (rechtliche/soziale usw. ) Realität der Gesellschaft berücksichtigen, die eine Zukunftsprojektion ermöglicht.
9 Typische Problemkreise Eingefrorene Trauer Verhinderte Trauerbewältigung, fehlende Bewältigungsstrategien Entwurzelung, Entfremdung & Identitätsverlust Normenkonflikte, Grenzziehung zwischen alten und neuen Lebensformen Einsamkeit, Isolation & Heimatlosigkeit erschwerte Kontaktaufnahme durch eigene Belastung & soziale Umstände Folter Opfer Schuldgefühle Fixierung auf Opferrolle, Selbstvorwürfe E. Bittenbinder, Xenion, 2015
10 MODELL DER PSYCHOSOZIALEN ZENTREN
11 Arbeits- und Behandlungsmethoden in Psychosozialen- und Behandlungszentren Training und Weiterbildung Supervision Frühfeststellung & Weitervermittlung Stellungnahmen & Gutachten Krisenintervention Schulungen & Öffentlichkeitsarbeit & Koordination/Vernetzu ng Sozialarbeit Ehrenamtliche: Mentoren &vvormünder Kulturelle (Wieder-) Eingliederung Aufsuchende Arbeit & Sprechstunden Psychotherapie und andere Therapien 14
12 Leistungsspektrum der Psychosozialen Zentren Erstgespräche und Clearing Psychosoziale und asylrechtliche Beratung sowie therapiebegleitende und sozialarbeiterische Angebote Individuell abgestimmte und kultursensible Diagnostik, Therapie, Stabilisierung, Krisenintervention Gespräche unter Einsatz von DolmetscherInnen Stellungnahmen in aufenthaltsrechtlichen und sozialen Fragen Anleitung von thematischen Selbsthilfe- und Gesprächsgruppen Erschließung von und Vermittlung in externe Behandlungs- und Beratungsangebote Community work
13 Ziele, Versorgungsangebote und Erfahrungen in der Arbeit mit traumatisierten Flüchtlingen Relevante (rechtliche) Grundlagen Wie sind sie in Deutschland umgesetzt? Zugänglichkeit, Verfügbarkeit, Annehmbarkeit und Qualität Daten aus den Dt. Psychosozialen-/ Behandlungszentren
14 Versorgungsverpflichtungen Das Menschenrecht auf Gesundheit Allgemeine Erklärung der Menschenrechte (Art. 25) Europäische Sozialcharta (Art. 11) UN-Sozialpakt - Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (Art. 12) Die EU-Aufnahmerichtlinie Die Mitgliedstaaten gewähren Antragstellern mit besonderen Bedürfnissen bei der Aufnahme die erforderliche medizinische oder sonstige Hilfe, einschließlich erforderlichenfalls einer geeigneten psychologischen Betreuung. (Art. 19)
15 Das Menschenrecht auf Gesundheit KRITERIEN ZUR PRÜFUNG DER UMSETZUNG: Accessibility Availability Acceptability Quality Zugänglichkeit Verfügbarkeit Annehmbar keit Qualität
16 accessibility - Zugänglichkeit Strukturelle Barrieren Eingeschränkter Leistungsbezug und restriktive Verwaltungspraxis nach AsylbLG Sprachbarrieren Verfügbarkeit von und Kostenübernahme für DolmetscherInnen Interaktionelle Barrieren Vorbehalte, Berührungsängste, Unsicherheiten
17 availablity - Verfügbarkeit 32 Psychosoziale Zentren, die niedrigschwellig und dolmetschergestützt ein komplexes Leistungsspektrum anbieten
18 accessibility - Zugänglichkeit
19 accessibility - Zugänglichkeit Die Ablehnungsquoten für Psychotherapien nach AsylbLG übersteigen diejenigen bei GKV-PatientInnen um mehr als das 10fache.
20 Erreichbarkeit Aktuelle Versorgungssituation
21 availablity - Verfügbarkeit Üblicherweise werden in einem typischen Psychosozialen Zentrum jährlich etwa 325 Geflüchtete behandelt und beraten.
22 Anzahl der KlientInnen availablity - Verfügbarkeit Allerdings stehen i.d.r. weit mehr Personen auf den Wartelisten als pro Monat aufgenommen werden Neuaufnahmen (pro Monat) KlientInnen auf Warteliste (pro Monat) PSZ sortiert nach Anzahl der KlientInnen auf der Warteliste 4
23 availablity - Verfügbarkeit
24 EMPFEHLUNGEN
25 Zugänglichkeit Die BAfF fordert: Vollwertige Krankenversichertenkarte für alle Geflüchtete unabhängig vom Aufenthaltsstatus - ab dem ersten Tag der Einreise - Anpassung von 5, Abs. 1 SGB V oder 264 Abs. 2 SGB V Die positiven Erfahrungen aus Hamburg und Bremen unterstützen die Forderung. Die Versichertenkarte ist grundlegende Voraussetzung, um die Angebote der Regelversorgung nutzen zu können.
26 Zugänglichkeit Ganzheitliches Verfahren bestehend aus: Feststellung/Beratung Bedarfsermittlung Erstversorgung Behandlung
27 Zugänglichkeit Damit Geflüchtete die Angebote der Gesundheitsregelversorgung nutzen können, bedarf es Der Finanzierung von notwendigen Dolmetscherleistungen - verankert im SGB V. Die Übernahme von notwendigen Fahrtkosten, verankert im SGB V
28 Qualität Kompetenzausbau und Qualitätssicherung durch Schulung der MitarbeiterInnen der Regelversorgung: zu den Auswirkungen des Erlebens von man-madedesastern zur Arbeit im transkulturellen Kontext zu den asylrechtlichen Bedingungen zur Arbeit mit DolmetscherInnen Reflexionsraum/Coaching (um eigene Haltung und Handlung zu hinterfragen)
29 Akzeptanz Die Berücksichtigung der besonderen Bedarfe von Geflüchteten in den Angeboten der Gesundheitsangeboten macht u.a. notwendig: die Berücksichtigung der aktuellen Lebenssituation und des Kontextes der Betrauung und Behandlung Analyse der Barrieren im Zugang zur Versorgung Frühes Erfassen der Risikogruppen die Arbeit in Betreuung- und Behandlungsnetzwerken die Zusammenarbeit mit RechtsanwältInnen Die Zusammenarbeit zwischen den Akteuren
30 WELCHE PSYCHOSOZIALEN ANGEBOTE MÜSSEN LANGFRISTIG IN KOMMUNEN FÜR ZIELGRUPPE ZUR VERFÜGUNG GESTELLT & WAS WÄREN PERSPEKTIVISCH DIE RAHMENBEDINGUNGEN?
31 Reframing oder Umdeuten: Sichtweisen, Handlungsstrategien um neue Optionen zu öffnen
32 Qualität Psychosoziale & therapeutische Arbeit mit traumatisierten Flüchtlingen Es müssen gleichzeitig die sozialen, politischen und kulturellen Realitäten der Erfahrungen der Menschen berücksichtigt werden Fremde Wertsysteme müssen und können in der Arbeit genutzt werden Orientieren an den Bedürfnissen der KlientInnen Vergangenheit nicht als Schicksal, Traumatisierung nicht als Erklärung und unveränderlichen Einfluss auf weiteres Leben ansehen
33 Akzeptanz Arbeit in und mit Aufnahmeeinrichtungen, Ausbau von Beratung & niederschwelligen Angeboten, Community based: Analyse der Barrieren im Zugang zur Versorgung Foren oder runde Tische mit allen Akteuren Hilfe und Reflexionsräume für Helfer/Berater Einbeziehen von Community workers mit Kenntnissen in/über Sprache, Kultur, Religion etc.
34 Verfügbarkeit Behandlungskapazitäten für Geflüchtete müssen ausgebaut und finanzielle Ressourcen bereit gestellt werden. Die BAfF fordert: Förderung uns Ausbau der Komplexleistungen der Psychosozialen- und Behandlungszentren. Eine Ermächtigung/Sonderbedarf für die Psychosozialen- und Behandlungszentren für Flüchtlinge und Folteropfer als Einrichtung bzw. personenbezogene Ermächtigungen der MitarbeiterInnen. Koordinierungsstellen/ Liaison Büros/Vermittlungsstellen Konzept zur Unterstützung von ehrenamtlichen Helfern
35 Zugänglichkeit Neue Wege in der Psychosozialen Arbeit, Diagnostik & Therapie - Anpassung und Sensibilität - Gemeinsame Entwicklung eines Problemverständnisses - Gemeinsame Entwicklung von Ansätzen damit umzugehen Schulungen - Asylrechtliche Bedingungen, Lebenssituation - Arbeit mit DolmetscherInnen Zusammenarbeit in Netzwerken - Gemeinsam mit FachkollegInnen - Gemeinsam mit anderen Professionen Aufbau von Strukturen zur Unterstützung von Ehrenamtlichem Engagement
36 Best practice Ganzheitlicher Ansatz: Neue Wege in der Psychosozialen Arbeit, Diagnostik & Therapie - Anpassung und Sensibilität - Gemeinsame Entwicklung eines Problemverständnisses - Gemeinsame Entwicklung von Ansätzen damit umzugehen Schulungen - Asylrechtliche Bedingungen, Lebenssituation - Arbeit mit DolmetscherInnen Zusammenarbeit in Netzwerken - Gemeinsam mit FachkollegInnen - Gemeinsam mit anderen Professionen Aufbau von Strukturen zur Unterstützung von Ehrenamtlichem Engagement
37 Best practice Aufbau und Ausbau von (vorhandenen) Strukturen und Netzwerken Regional verankerte Koordinierungsstellen können in diesem Zusammenhang wichtige Funktionen übernehmen: Sammlung und Weitergabe von Informationen Organisierung von Fortbildungen und Veranstaltungen Weitermittlung an ÄrztInnen/PsychotherapeutInnen Vermittlung von DolmetscherInnen Vermittlung von Unterstützung von ehrenamtlichen Helfern
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