Ethik versus Ökonomie
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- Rolf Kramer
- vor 7 Jahren
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1 Treffen Interessensgruppe SGI Management Ethik versus Ökonomie Nadja Schweizer Expertin Intensivpflege NDS HF / MAS Ethik Medizinbereich AIO, Intensivstation für Innere Medizin
2 Ist Ökonomie unethisch? Treffen Interessensgruppe SGI Management Seite 1
3 Worum geht es in der Ethik? «Es geht ja nicht um Belangloses sondern darum, wie wir leben sollen.» Sokrates ( v. Chr.) Welche Werte sind uns wichtig? Wie gehen wir mit unterschiedlichen Wertevorstellungen um? Was ist ein gutes Leben? Was ist gutes Handeln? Wofür tragen wir Verantwortung? Wie wollen wir zusammen leben? Welche Freiheiten stehen mir zu? Treffen Interessensgruppe SGI Management Seite 2
4 Stimmen Sie diesem Argument zu? Lesen Sie folgende zwei Zitate. Überlegen Sie sich, worin sie sich unterscheiden und welche Inhalte Sie wesentlich dünken: «Jede Behandlung, die einen klaren Benefit für die Patienten hat, sollte vom Solidarsystem bezahlt werden, wenn Ärzte und Patienten die Behandlung wollen. Unabhängig von den Kosten!» «Jede Behandlung, die die einzige Massnahme für eine lebensbedrohliche Erkrankung ist, sollte bezahlt werden!» Treffen Interessensgruppe SGI Management Seite 3
5 Welche Behandlung würden Sie wollen? Standardratiopharm Kosten 100 CHF pro Patient Heilt 10 von 20 Neues Wunder Kosten 120 CHF pro Patient Heilt 11 von 20 Welche Behandlung sollte ein öffentlich mitfinanziertes Gesundheitssystem wählen? Dokumentenname Datum Seite 4
6 Effekte unter Ressourcendeckelung Budget von 2400 CHF Standardratiopharm Kann 24 Patienten behandeln 12 profitieren Neues Wunder Kann 20 Patienten behandeln 11 profitieren Bei gegebenem Budget heilt Standardratiopharm mehr Patienten als Neues Wunder. Dokumentenname Datum Seite 5
7 Wieviel ist uns die Gesundheit wert? Karrikatur von Schaad Treffen Interessensgruppe SGI Management Seite 6
8 Bundesgerichtsurteil Morbus Pompe November 2010 Patientin mit M. Pompe wurde mit Myozyme (Orphan Drug) behandelt. Arzneimittelkosten CHF / Jahr. Steigerung der Gehstrecke von 30 Meter. «Die finanziellen Mittel, die einer Gesellschaft zur Erfüllung [ ] erwünschter Aufgaben zur Verfügung stehen, sind nicht unendlich. [..] Deshalb kann kein Ziel ohne Rücksicht auf den finanziellen Aufwand angestrebt werden, sondern es ist das Kosten- / Nutzen- oder das Kosten- / Wirksamkeitsverhältnis zu bemessen. Das gilt auch für die Gesundheitsversorgung [ ]» Bundesgericht Urteil E 7.5 -> angemessen sind maximal 100'000 CHF pro gerettetes Menschenlebensjahr Treffen Interessensgruppe SGI Management Seite 7
9 Ebene der Allokation 1. Makroebene Wie viele Mittel stellt ein Gemeinwesen für das Gesundheitssystem zur Verfügung? 2. Mesoebene Welche Ziele sollen mit den Mitteln verfolgt werden? Was alles gehört zum Bereich der Medizin? 3. Mikroebene Welche Leistungen bekommt die / der einzelne Pat.? Welche PatientInnen haben Vorrang bei knappen Ressourcen? Treffen Interessensgruppe SGI Management Seite 8
10 Verteilungsgerechtigkeit n. Aristoteles Grundsatz nach Aristoteles: Gleiche Fälle sollen gleich behandelt werden Unterschiedliche Fälle sollen unterschiedlich behandelt werden = formale Theorie der Gerechtigkeit d.h. ungerecht ist es: gleiche Fälle verschieden zu behandelt verschiedene Fälle gleich zu behandeln Treffen Interessensgruppe SGI Management Seite 9
11 Tägliche Triage auf der IPS Joker Verlegung? Neuer Schockraumpatient Aufnahme? Wer entscheidet in Ihrer Institution? Und nach welchen Kriterien? Treffen Interessensgruppe SGI Management Seite 10
12 Entscheidungsgründe Patientenbezogene Gründe Alter Versicherungsstatus Persönliche Beziehung zw. Arzt / Pflege / Team. Emotionale Bindung / Verantwortlichkeitsgefühl Forschungsprojekt Isolation -> schwer behandelbare Keime Gesamtprognose, Therapieziel Nutzen-Schaden- Abwägung Patientenwille Institutionelle / strukturelle Gründe Unterkapazität (Epidemien, Unfälle) Überkapazität (z.b. Hüft-OP in der Schweiz, stationäre Spitalbetten in Deutschland) Anfahrt / Transportwege Spezialisierung der Abteilungen / Intensivstationen (Bett für Brandverletzten Pat frei halten) Vertragliche ausgehandelte Bettenbelegung Personalmangel Bauliche Gegebenheiten (Telemetrie) Vergütung (DRG), Anreizsysteme, Welche Kriterien sind für die Zuteilung von Ressourcen moralisch relevant? Welche Kriterien sind massgebend für gerechtfertigte Ansprüche auf medizinische Leistungen? Treffen Interessensgruppe SGI Management Seite 11
13 Ist das Alter ein Verteilungskriterium? Niemand darf diskriminiert werden, namentlich nicht wegen der Herkunft, der Rasse, des Geschlechts, des Alters, der Sprache, [...]. Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, Art. 8.2 Treffen Interessensgruppe SGI Management Seite 12
14 Häufig genannte materiale Verteilungsprinzipien vgl. z.b.: E. Rosenmayer in: Feldbacher & Leitner 2010, Marckmann Medizinische Bedürftigkeit Objektiv: Schweregrad der Erkrankung, bzw. Dringlichkeit der med. Massnahme Subjektiv: Grad der Beeinträchtigung / Leiden 2. Erwarteter medizinischer Nutzen 3. Kosten-Nutzen-Verhältnis bzw. Aufwand-Ertrags-Verhältnis 4. Verantwortung gegenüber Dritten Treffen Interessensgruppe SGI Management Seite 13
15 Rationierung «Rationierung umfasst implizite und explizite Mechanismen, die dazu führen, dass einer Person eine nützliche Leistung im Rahmen der Gesundheitsversorgung nicht zur Verfügung steht.» Definition der Arbeitsgruppe «Rationierung» im Projekt «Zukunft Medizin Schweiz» der SAMW Ist Rationierung überhaupt nötig? Ist Rationierung eine Realität in der Schweiz? Wo nehmen Sie Rationierung wahr? Treffen Interessensgruppe SGI Management Seite 14
16 RICH- Nursing Study Es konnte erstmalig eine signifikante Assoziation zwischen der impliziten Rationierung von Pflege und den Patientenergebnissen nachgewiesen werden. Eine höhere implizite Rationierung von Pflege war assoziiert mit einer tieferen Patientenzufriedenheit sowie einem höheren Vorkommen von Medikamentenfehlern, Stürzen, nosokomialen Infektionen, kritischen Zwischenfällen und Dekubitalulcera bei Patienten. Treffen Interessensgruppe SGI Management Seite 15
17 DRG-Begleitforschung Pflege M. Kleinknecht-Dolf, Tagung "Moralischer Stress Moralische Resilienz in der Pflege", Treffen Interessensgruppe SGI Management Seite 16
18 Empfehlungen Arbeitsgruppe «Rationierung» im Projekt «Zukunft Medizin Schweiz» der SAMW Grenzen anerkennen Ziele setzten und Ergebnisse kontrollieren Zugang sichern und Kriterien festlegen Sorgfältig handeln Treffen Interessensgruppe SGI Management Seite 17
19 Ethik versus Ökonomie? «Das Recht auf Zugang zu medizinischen Leistungen ist [ ] aufgrund der verfügbaren Ressourcen eingeschränkt.» Eidg. Kommission für Grundsatzfragen der Krankenversicherung, 2006 «Der Auseinandersetzung mit der Rationierung entgeht man nicht; das Gegenteil wäre eine Rationierung, die im Stillen passiert.» Arbeitsgruppe «Rationierung» im Projekt «Zukunft Medizin Schweiz» der SAMW Es ist unethisch sich nicht mit einer ethisch gut begründeten Ressourcenverteilung zu befassen. Treffen Interessensgruppe SGI Management Seite 18
20 Fragen? Anmerkungen? Diskussionen? Danke für Ihre Aufmerksamkeit! Treffen Interessensgruppe SGI Management Seite 19
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