Die Bayerischen Kommunen: Im Spagat zwischen Fachkräftebedarf und Asylpolitik? Landrat Michael Adam Der Landkreis Regen als Praxisbeispiel
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- Hildegard Althaus
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1 Die Bayerischen Kommunen: Im Spagat zwischen Fachkräftebedarf und Asylpolitik? Landrat Michael Adam Der Landkreis Regen als Praxisbeispiel
2 Ausgangslage Der Landkreis Regen hat derzeit rund Einwohner. Die Einwohnerzahl wird sich in den kommenden 20 Jahren aber drastisch verringern. Wir wissen, dass wir in 13 Jahren nur mehr rund Einwohner haben. In 20 Jahren werden es vorausgesetzt der Trend hält an nur mehr rund Einwohner sein.
3 Der demografische Wandel hat die Region erfasst und führt dazu, dass wir im Landkreis Regen immer weniger Menschen sein werden. Viele junge Menschen wandern ab, die verbleibenden werden immer älter. Auf diese Entwicklung müssen wir uns einstellen. Bereits jetzt ist es für manche Betriebe schwierig Lehrlinge zu finden. Auch der Fachkräftemangel erreicht die Region. Der Landkreis Regen liegt in Niederbayern, an der Grenze zu Tschechien. Vor 1989 war der Landkreis noch Zonenrandgebiet und es gab hohe Wirtschaftsförderungen. Die Arbeitslosenquote lag im April 2014 bei 3,4 Prozent. Früher gab es im Bayerischen Wald Quoten von zehn Prozent und mehr. Im Winter waren auch 20 Prozent keine Seltenheit. Die Menschen im Landkreis Regen sind sehr mobil und sind es gewohnt zu pendeln. Die Menschen müssen aber immer seltener pendeln, da es auch im Bayerischen Wald immer öfter offene Stellen gibt.
4 In zahlreichen Branchen besteht bereits jetzt Handlungsbedarf. Die heimische Wirtschaft fordert Unterstützung. Die IHK hat die Betriebe befragt. In folgenden Branchen im Landkreis Regen sind die Engpässe besonders hoch: Hotellerie Maschinenbau- und Betriebstechnik Glasherstellung Elektrotechnik Metallerzeugung und bearbeitung Ärztlichen Bereich der Kreiskrankenhäuser Diese Liste könnte man sicherlich weiter fortsetzen. Es gibt keine reinen Zahlen für den Landkreis Regen, aber im Arbeitsagentur Bezirk Deggendorf gibt es derzeit 1277 offene Ausbildungsstellen, aber nur 647 junge Menschen suchen noch nach einer Ausbildungsstelle.
5 Was haben wir bisher getan, um den Fachkräftemangel zu beheben? Unsere Kreisentwicklungsgesellschaft, die ArberLand REGio GmbH, kümmert sich im Bereich des Regionalmanagements und der Wirtschaftsförderung um das Thema. Es wurde Kontakt zum Ausland hergestellt. Konkret hat man bisher über 60 Lebensläufe von möglichen Arbeitskräften aus Italien, Griechenland und Tschechien erhalten. Mitarbeiter der Kreisentwicklungsgesellschaft waren in Italien und in der Slowakei zu Gesprächen. In der Slowakei hat man eine Schule gefunden, die kooperieren will. Probleme sind oft die Sprachbarrieren, denn nur die wenigsten sprechen in Griechenland oder Italien deutsch. Hier ist es ein Nachteil, dass das Programm Mobi Pro der Bundesregierung, das helfen könnte, auf ruhen gestellt wurde.
6 Mit möglichen Praktikanten aus Spanien wurde eine Landkreisrundreise unternommen. Es wurden Betriebe die in Frage kommen besichtigt. Auch hier hat sich konkret nichts ergeben. Ferner versuchen wir mit gezielten Aktionen junge Erwachsene dazu zu bewegen in ihre Heimat, den Landkreis Regen, zurückzukehren.
7 Zwischenergebnis Wir wissen nicht, ob es uns überhaupt gelingt Fachkräfte und Auszubildende aus dem Ausland anzuwerben. Zum einen liegt dies auch daran, dass die Betriebe vor Ort (noch?) das Risiko scheuen Auszubildende aus dem Ausland anzuwerben. Hier wird auch argumentiert, dass man die in der Probezeit ja nicht einfach nach Hause schicken könne; zudem gibt es keine Erfahrungswerte. Unsere Mitarbeiter berichten uns, dass die Betriebe zwar händeringend nach Auszubildenden und Fachkräften suchen, diese aber nicht unbedingt mit gezielten Anwerbeprogrammen aus dem Ausland gewinnen wollen. Man würde gern ausländische Mitbürger anwerben, es gibt aber eine Angst Menschen aus dem Ausland anzuwerben, weil man hier eine größere Verantwortung eingeht.
8 Bisher hat der Landkreis bzw. seine Kreisentwicklungs-gesellschaft in diesem Bereich bereits einen fünfstelligen Betrag investiert, aber keinerlei konkreten Ergebnisse erzielt. Keine einzige Stelle konnte bisher durch einen im Ausland angeworbenen Mitarbeiter besetzt werden. Lediglich im Krankenhausbereich konnten über Headhuntingagenturen ausländische Ärzte gewonnen werden; aber auch dies ist ein Ausnahmefall. Noch schwieriger wird es ausländische Mitarbeiter aus Nicht-EU- Ländern zu gewinnen. Hier haben nur Hochqualifizierte und Fachkräfte von Mangelberufen eine Chance, die einen Arbeitsplatz vorweisen können. Vorher müssen die Ausländer in einem Verfahren anerkennen lassen, dass ihre (ausländische) Berufsausbildung der Ausbildung in Deutschland entspricht. Die meisten Zuwanderer aus diesen Ländern kommen nach wie vor aus familiären Gründen.
9 Asylbewerber als Alternative? Derzeit ist es nahezu unmöglich, dass Asylbewerber eine Ausbildung machen, überhaupt gilt: eine Arbeitsstelle dürfen sie auch erst nach der Anerkennung einnehmen. Sollten sie abgelehnt werden, dann werden sie in aller Regel ausgewiesen. Eine Ausnahmestellung haben hier zwar unbegleitete Minderjährige, aber auch für diese Personengruppe ist es nahezu unmöglich rasch eine Ausbildung zu beginnen. Im Landkreis Regen wird es Ende des Jahres voraussichtlich rund 260 Asylbewerber geben. Viele von Ihnen sind jung und würden gerne arbeiten. Viele von ihnen würden gern besser deutsch sprechen. Und die meisten sind bereit sich zu integrieren. Im Landkreis Regen hat die staatliche Asylunterkunft nur 90 Plätze, die anderen Bewerber werden in dezentralen Unterkünften untergebracht. Vor allem mit den dezentralen Unterkünften haben wir keine Probleme. Dies liegt auch daran, weil sich Kirchen, Lokalpolitiker und caritative Einrichtungen engagieren.
10 Grundsätzlich ist es jedoch schwer, geeignete Unterkünfte zu finden, da die Anbindung an den öffentlichen Personennahverkehr gut sein muss und Ärzte, sowie Einkaufsmöglichkeiten vorhanden sein müssen, die man zu Fuß erreichen kann und baurechtliche Vorgaben erfüllt sein müssen. Man darf auch nicht verschweigen: Häufig haben die Asylbewerber auch überzogene Ansprüche und beschweren sich über Zustände, die für die einheimische Bevölkerung normal sind. In der Regel werden die Asylbewerber bei uns aber gut aufgenommen. Ein Problem sind oft die mangelnden Sprachkenntnisse. Hier könnte man mit staatlichen Deutschkursen sehr gut helfen. Derzeit sind vor allem ehrenamtlich aktive Mitbürger vor Ort und geben Deutschunterricht.
11 Sind unter den Asylbewerbern Fachkräfte? Den Fachkräftemangel können Asylbewerber kaum stillen, auch wenn sie als erlernte Berufe oft Schweißer, Krankenschwester oder Immobilienhändler angeben. Denn kaum einer kann in Deutschland anerkannte Nachweise bringen. Aber: In vielen Bereichen könnten Sie dennoch eingesetzt werden. So sucht derzeit fast jedes Hotel in Bodenmais Spüler und auch für Hausmeistertätigkeiten werden vor allem in Hotels immer wieder ungelernte Kräfte gesucht. Hier wäre sicherlich gut, wenn man Asylbewerbern eine Chance geben könnte.
12 Zudem gibt es auch hochqualifizierte Kräfte unter den Asylbewerbern. In Regen haben wir derzeit Christen aus dem Iran, die sich um Asyl bemühen. Die meisten haben in Theran eine Hochschulausbildung gemacht. Auch wenn dies vielleicht nicht dem Stand einer deutschen Hochschule entspricht, bringen diese Menschen sicherlich eine gute Grundausbildung mit. Vor allem aber der Ausbildungsmarkt könnte von einer Öffnung des Arbeitsmarktes für Asylbewerber profitieren. Wenn ich da zum Beispiel daran denke, dass wir im vergangenen Jahr in unseren Asylunterkünften rund ein Dutzend teilweise minderjährige Asylbewerber, teilweise junge Erwachsene, aus Ex-Jugoslawien hatten, die alle gern eine Ausbildung in Deutschland gemacht hätten, dann wäre dies eine Chance gewesen offene Ausbildungsstellen zu besetzen.
13 Wäre es nicht besser man würde den jungen Menschen die Chance geben eine Ausbildung in einer Region zu machen, die demografische Probleme hat, anstatt sie auszuweisen? Ein weiteres Problem ist, dass mehr als die Hälfte der Asylgesuche als offensichtlich unbegründet abgelehnt werden. Dies hat zur Folge, dass diesen Asylbewerbern wegen der rechtlichen Hürde des 10 Abs. 3 Satz 2 AufenthG (ohne vorherige Ausreise und Durchführung eines Visumverfahrens) keine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden darf, selbst wenn sie anerkannte Fachkräfte wären und eine Arbeitsstelle vorweisen könnten. Eine Abschaffung dieser Bestimmung würde die Situation sicher verbessern.
14 Grundsätzlich erscheint eine Deckung des Fachkräftebedarfs durch Asylbewerber zumindest nach derzeit geltendem Recht nicht realistisch. Hier müssen wir uns aber fragen, ob wir das Recht nicht entsprechend anpassen sollten. Mir erscheint es sinnvoller, dass wir die Menschen, die bereits da sind, weiterbilden, als dass wir Menschen aus anderen EU-Ländern anwerben, die vielleicht gar nicht wirklich kommen wollen. Ich denke, dass das eine, das andere nicht ausschließt; nur: Wir müssen offener werden in der Frage, wo und wie wir Auszubildende und Fachkräfte anwerben.
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