Ist die PH Freiburg multikulturell und was heißt das? Über Interkulturelle Öffnung, Antidiskriminierungsmaßnahmen und rassismuskritische Pädagogik
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- Heinz Seidel
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1 Ist die PH Freiburg multikulturell und was heißt das? Über Interkulturelle Öffnung, Antidiskriminierungsmaßnahmen und rassismuskritische Pädagogik Andreas Foitzik Freiberuflicher Trainer, Berater und Autor Fachdienst Jugend, Bildung, Migration der BruderhausDiakonie Reutlingen Netzwerk Rassismuskritische Migrationspädagogik BW
2 Themen 1. Einführung Interkulturelle Öffnung 2. Perspektive Anti-Diskriminierung 3. Paradoxien und möglichen Umgang 1. Differenzdilemma 2. Standardisierungsdilemma 3. Subjekt-Objekt-Dilemma 4. Das Dramatisierungsdilemma 4. Perspektiven
3 Interkulturellen Öffnung 1970er-Jahre: Ausländerpädagogik 1980er-Jahre: Interkulturelle Pädagogik 1990er-Jahre: Interkulturelle Öffnung Perspektive der Anerkennung
4 Ausländerintegration Die/Der Andere als defizitäres Wesen... hat Probleme oder macht Probleme Entwicklungshilfedenken Assimilation
5 Multikulturelle Gesellschaft Differenz als Bereicherung aber mit dem Beharren auf die Verschiedenheit
6 Interkulturelle Öffnung Ist es Eure Schule oder unsere Schule? Ist es eine deutsche Schule, oder eine Schule in Deutschland? Aus dem 6. Familienbericht 2001 Blickwechsel auf die eigene Gesellschaft/Institution
7 Interkulturelle Öffnung Reaktion auf gesellschaftliche Realität der Migrationsgesellschaft Gegenentwurf zu der Vorstellung von Integration als Anpassung Soziale Regeldienste und Bildungseinrichtungen öffnen die bestehende Angebotsstruktur für die spezifischen Bedürfnisse von Migrant/innen.
8 Interkulturelle Öffnung Motivation 1. Vorgabe der Politik 2. Erschließung neuer Zielgruppen 3. Profilierung nach außen 4. Grenzen bisheriger Konzepte 5. Einrichtung will Qualität entwickeln und dem eigenen Auftrag gerecht werden
9 Interkulturelle Öffnung Methoden Bestandserhebung mit Mitarbeiter_innen und Adressat_innen Definition von Barrieren Definition von Schlüsselprozessen Erarbeitung von Standards/Tools
10 Interkulturelle Öffnung Repräsentanz prüfen Bestehende Barrieren überwinden Überprüfen, wie kulturgebunden die eigenen Konzepte sind
11 Mögliche Zugangsbarrieren auf Seiten der Studierenden Kulturbrille: fehlendes Wissen/Sicherheit über Abläufe, Rollen, Methoden Migrationsbrille: Zweitsprache Deutsch, fehlende Netzwerke Soziale Brille: prekäre Lebenssituationen Rassismusbrille: Diskriminierungserfahrungen Subjektbrille: Individuelle Handlungsstrategien
12 Mögliche Zugangsbarrieren auf Seiten der Hochschule Haltungen Keine Reflexion über Kulturgebundenheit der eigenen Arbeitsweise Fehlende Diversität unter den Lehrenden Mangel an Zeit in der Betreuung
13 Interkulturelle Öffnung Einstellung von Mitarbeiter/innen mit Migrationshintergrund Teamentwicklung Repräsentanz von Vielfalt Partizipation Position beziehen
14 Interkulturelle Öffnung Institutionelle Veränderungsprozesse wie IKÖ sind Führungsaufgabe (Top down) Sie setzen institutionelle Ziel, Ressourcen sowie die Bereitschaft zur Veränderung voraus Ohne oben (Bottom up) stoßen solche Prozesse an Grenzen Aber auch auf Teamebene sind Prozesse der Qualitätsentwicklung, z.b. durch die Erarbeitung teamverbindlichen Haltungen möglich
15 Interkulturelle Öffnung Das bewährte Format für Top down-prozesse sind Projektgruppen mit klaren Auftrag Das mögliche Format der Veränderungsprozesse von unten können Räume für die Reflexion der eigenen Praxis sein
16 Interkulturelle Öffnung Wir erfahren dadurch etwas über die eigenen Motive, die eigenen Prioritäten, die in einer bestimmten Konstellation bewusst oder unbewusst gesetzt werden bzw. sich durchsetzen. Gleichzeitig erfahren wir etwas über die Konstellation selbst, und zwar über die herrschenden Diskurse und Routinen in der Handlungssituation bzw. in der Einrichtung und über die Widersprüche, die dadurch für die Handelnden entstehen (Annita Kalpaka).
17 Interkulturelle Öffnung Dekonstruktion der gesellschaftliche Funktionalität des eigenen Handelns eigene Handlungen müssen nicht mit unangemessenen Normalitätsvorstellungen begründet werden Verweis auf uneingelöste Ansprüche der eigenen Konzepte Impulse für eine Entwicklung innerhalb der Einrichtung Impulse gegen die Entpolitisierung der sozialen Arbeit
18 Themen 1. Einführung Interkulturelle Öffnung 2. Perspektive Anti-Diskriminierung 3. Paradoxien und möglichen Umgang 1. Differenzdilemma 2. Standardisierungsdilemma 3. Subjekt-Objekt-Dilemma 4. Das Dramatisierungsdilemma 4. Perspektiven
19 Diskriminierungskritische Perspektive IKÖ geht nur wirklich über multi- oder interkulturelle Ansätze hinaus, wenn sie konsequent eine Antidiskriminierungsperspektive einnimmt wenn sie neben der horizontalen Differenz Kultur Migrationserfahrung etc. auch vertikale Machtdifferenzen in den Blick nimmt wenn sie die Hochschule also nicht nur bunter macht, sondern gerechter.
20 Diskriminierung konstruiert Gruppen... bietet und nutzt abwertende Bilder über diese Gruppen reguliert Zugehörigkeiten durch Zugangsbeschränkungen durch institutionelle Diskriminierung durch mangelnde Teilhabe weist einen Platz in der sozialen Hierarchie der Gesellschaft zu rechtfertigt soziale Positionen und Privilegien aller Gesellschaftsmitglieder
21 Diskriminierung Bilder/ Vorurteile sind nicht einfach falsches Denken sondern Bestandteil sozialer Konflikte. Sie sind nur dann einflussreich, wenn sie sozial anschlussfähig sind. Sie sind ein Mittel der Privilegierten zur Verteidigung ihrer Privilegien. Die trickreiche Logik des Vorurteils besteht darin, Folgen sozialer Benachteiligung als Eigenschaften von Benachteiligten und diese Eigenschaften als Ursachen ihrer Position zu behaupten. (Albert Scherr)
22 Diskriminierung Es genügt nicht, durch Erziehung und Bildung an den individuellen Vorurteilen anzusetzen. Denn so lange diskriminierende Strukturen und Praktiken wirksam sind, entsteht auf Seite der Privilegierten ein Bedarf an Vorurteilen und befinden sich die Benachteiligten in einer Situation, in der ihre Möglichkeiten der Gegenwehr beschränkt sind. (Albert Scherr)
23 Diskriminierung Diskriminierung oder auch Rassismus braucht nicht die Absicht, sondern bemisst sich in der Wirkung.
24 Diskriminierungskritische Perspektive Nicht die Menschen den Institutionen anpassen, sondern die Institutionen der sozialen Arbeit und Bildung so weiterentwickeln, dass sie für alle gleichwertige Angebote bereithalten. Das bedeutet aber auch den Abschied der Illusion, Gerechtigkeit, über Gleichbehandlung herstellen zu können.
25 Die Falle der Gleichbehandlung
26 Diskriminierungskritische Perspektive Eine diskriminierungskritische Perspektive nimmt die einzelnen nicht nur als einzelne war, sondern als zugehörig oder auch zugehörig gemacht zu mehr oder weniger machtvollen Gruppen. Diese Erfahrung bedingt für die einzelnen eine potentielle Verletzlichkeit, mit der die Subjekte jeweils individuell einen Umgang finden müssen. Eine diskriminierungskritische Perspektive zielt nicht (nur) auf individuelle Gerechtigkeit, sondern auf soziale Gerechtigkeit.
27 Themen 1. Einführung Interkulturelle Öffnung 2. Perspektive Anti-Diskriminierung 3. Paradoxien und möglichen Umgang 1. Differenzdilemma 2. Standardisierungsdilemma 3. Subjekt-Objekt-Dilemma 4. Das Dramatisierungsdilemma 4. Perspektiven
28 Paradoxien der IKÖ Paradoxien 1. Differenzdilemma 2. Standardisierungsdilemma 3. Subjekt-Objekt-Dilemma 4. Dramatisierungsdilemma
29 Die Ambivalenz des Interkulturellen Für die Weiße, die wissen möchte, wie sie meine Freundin sein kann Erstens: Vergiss, dass ich schwarz bin. Zweitens: Vergiss nie, dass ich schwarz bin. Pat Parker
30 Paradoxien der IKÖ Paradoxien: Differenzdilemma 1. Beispiel Statistikdilemma 2. Beispiel Repräsentation von Vielfalt 3. Beispiel Zeit für Prüfungen
31 Kritische Anfragen an die IKÖ Paradoxien: Standardisierungsdilemma Das Postulat der Gerechtigkeit verlangt den Abschied der Illusion, Gerechtigkeit, über Gleichbehandlung herstellen zu können.
32 Eine Frage der Haltung Eine kultur-, migrations-, diskriminierungsbewusste Lehre ist weniger eine Frage der richtigen Methode als eine Frage der Haltung. Es geht nicht um standardisierte Abläufe, sondern um den Versuch, Haltungen als Qualitätsstandards zu beschreiben. Aber: auch Haltungen sollten nicht dem Zufall überlassen, sondern institutionell verankert werden.
33 Eltern(bildungs)arbeit in der Migrationsgesellschaft 13 Grundsätze der Eltern(bildungs)arbeit in der Migrationsgesellschaft aus dem Buch Eine Frage der Haltung Melahat Altan/ Andreas Foitzik/ Jutta Goltz
34 Eine Frage der Haltung: Qualitätsstandards Auch die hier vorgetragenen Impulse entgehen damit nicht dem Differenzdilemma. Sie gelten weitestgehend für die Arbeit mit ALLEN Eltern. Sie gelten NICHT für die Arbeit mit ALLEN Eltern mit Migrationshintergrund.
35 Eine Frage der Haltung: Qualitätsstandards Grundsatz 5: Keine Fragen beantworten, die niemand gestellt hat! Wir unterstützen Eltern dabei, sich im deutschen Bildungssystem zurechtzufinden. Wir eröffnen Räume, in denen sie sich über Erziehungsfragen auseinandersetzen können. Wir achten dabei aber darauf, dass sie selbst Subjekte der Auseinandersetzung bleiben und nicht selbst zu Objekten von Erziehungsmaßnahmen werden. Ziel ist, dass Themen und Inhalte der Elternbildung weitgehend von den Eltern selbst bestimmt werden.
36 Eine Frage der Haltung: Qualitätsstandards Grundsatz 8: Verständigung organisieren Nicht die mangelnden Deutschkenntnisse der Eltern sind das Problem, für das wir eine Lösung brauchen, sondern die Tatsache, dass die Mitarbeiter/in der Einrichtung und die Eltern nicht auf die gleiche Sprache zurückgreifen können. Nicht einer ist oder macht ein Problem, sondern beide haben ein Problem. Ausgehend von dieser Prämisse brauchen wir klare Standards für die Sprachmittlung und tragfähige Konzepte für die Umsetzung.
37 Eine Frage der Haltung: Qualitätsstandards Grundsatz 9: Familiensprachen anerkennen Wir sehen die herkunftsprachlichen Kompetenzen der Eltern als Ressource und nicht als Störung. Wir konfrontieren die Eltern nicht ständig mit der Erwartung, sie sollten zuallererst Deutsch lernen. Wenn möglich versuchen wir in der Arbeit mit Eltern, muttersprachliche Kommunikationsmöglichkeiten zu schaffen sowohl über sprachhomogene Gruppen, aber auch über Dolmetscherangebote bei gemischten Veranstaltungen.
38 Paradoxien der IKÖ Paradoxien: Subjekt-Objekt-Dilemma Wer spricht in welchem Raum über wen? Wer macht was für wen? Dilemma zwischen parternalistischer Entmächtigung und der Weigerung, die eigene Macht für Veränderung einzusetzen.
39 Paradoxien der IKÖ Paradoxien: Das Dramatisierungsdilemma Das Reden über Diskriminierung und Rassismus legt das Format von Skandalisierung und Anklage nahe. Veränderungsprozesse setzen an der Normalität und nicht an dem Skandal des institutionellen Rassismus an. Entdramatisierung trägt dazu bei, die Heterogenität innerhalb der jeweiligen Gruppen ( ) wahrzunehmen und Konzepte zu entwickeln, die dieser Heterogenität Rechnung tragen Annita Kalpaka
40 Paradoxien der IKÖ Eine qualitätsorientierte Perspektive ist hilfreicher als eine moralische. Die Leitfrage an die Beteiligten ist nicht: Wollt ihr bessere Menschen werden?, sondern: Wollt ihr einen guten Job machen?
41 Paradoxien der IKÖ An einer Dramatisierung wird dort festgehalten, wo es um das geschlechtshierarchische bzw. um das rassistische soziale Gefüge und um Machtstrukturen geht Annita Kalpaka
42 Paradoxien der IKÖ Balance zwischen Dramatisierung und Entdramatisierung bei der Thematisierung von Heterogenität und Herrschaft Aber: Wer kann wie sprechen? Wem nutzt es, wie zu sprechen? Wer zahlt welchen Preis?
43 Themen 1. Einführung Interkulturelle Öffnung 2. Perspektive Anti-Diskriminierung 3. Paradoxien und möglichen Umgang 1. Differenzdilemma 2. Standardisierungsdilemma 3. Subjekt-Objekt-Dilemma 4. Das Dramatisierungsdilemma 4. Perspektiven
44 Umgang mit Differenz Horizontale Differenzen Kultur/Migration Management Diversity gelingendes Handeln Antworten geben oder Sensibilisieren allgemeine Beispiele und Grundsätze vertikaler Differenzen soziale Ungleichheit/ Macht/Rassismus Reflexion von Widersprüchen nicht gelingbares Handeln Fragen ent-selbstverständlichen Kontextualisierung Arbeiten an konkreten Konstellationen
45 Perspektiven Eine inklusionsorientierte Hochschule ohne die Berücksichtigung von speziellen Bedarfen trägt zur Ausgrenzung bei! Die Spannung zwischen Normalisierung und Besonderung ist nicht aufzulösen, nicht einfach zu regeln, sondern immer wieder auszuhalten und zu gestalten.
46 Perspektiven Die Hochschule muss Spannung zwischen Besonderung und Normalisierung reflexiv gestalten. Gleichzeitig alle Energie in eine nicht bevormundende Begleitung in spezifischen Situationen stecken und Inklusion möglich machen, wo irgend möglich. Differenzorientierte Ansätze unsichtbar halten. Die Grenzen fließender machen. Sich nicht sicher sein.
47 Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Kontakt
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