Praxistagung Migrationssensibles Handeln
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- Mina Hertz
- vor 7 Jahren
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1 Praxistagung Migrationssensibles Handeln Luzia Jurt; Christophe Roulin Fragen Von wem sprechen wir? Warum sprechen wir über sie? Wie sprechen wir über sie? Wie gehen wir mit Differenz um? 2 Von wem sprechen wir? Ausländer/in (rechtlicher Begriff) verweist auf eine nicht-schweizerische Staatsangehörigkeit Migrant/in (sozialwissenschaftlicher Begriff) uneinheitliche Verwendung, bezieht sich auf Personen, mit und ohne Migrationserfahrung Menschen mit Migrationshintergrund uneinheitliche Verwendung, verweist immer auf «fremde» Herkunft von Personen, auch wenn sie Schweizer/innen sind und/oder keine eigene Migrationserfahrung haben 3 1
2 4 Migrationsbevölkerung in der Schweiz Schweiz (Nov. 2012) Anzahl Personen Gesamte Wohnbevölkerung Ausländische Wohnbevölkerung (22.8%) EU-27 + EFTA EU EU EU Drittstaatsangehörige Warum sprechen wir über sie? Migration als soziales Problem? Für wen ist Migration weshalb ein Problem? Wie zeigen sich die Probleme? Wie wurden/werden Sie in Ihrem professionellen Alltag mit der «Migrationsproblematik» konfrontiert? 6 2
3 Wie sprechen wir über sie? 1970er Jahre: Ausländerpädagogik 1980er Jahre: Interkulturelle Pädagogik 1990er Jahre: Interkulturelle Öffnung 7 Ausländerpädagogik Die/Der Andere als defizitäres Wesen hat Probleme oder macht Probleme AusländerInnen werden als defizitär wahrgenommen. Die Beratung findet meistens in Sonderinstitutionen statt und will einen Beitrag zur Behebung von Problemen leisten. Assimilations- oder Rückkehrangebote sollen Probleme zum Verschwinden bringen. 8 Interkulturelle Pädagogik Differenz wird als Bereicherung wahrgenommen, aber es wird auf der Verschiedenheit beharrt Multi-Kulti Denken «Sie sprechen aber gut Deutsch ist kein Kompliment für mich» 9 3
4 Interkulturelle Pädagogik Interkulturelles Frühstück Vorderbühne Von Annita Kalpaka Vielfalt der Kulturen im Unterricht. Die Klassenlehrerin und die angehende Schulsozialarbeiter möchten im Rahmen eines interkulturellen Projektes in der Klasse den Kindern die Vielfalt der Kulturen nahe bringen (Stichworte: fremde Kulturen kennen lernen, Toleranz fördern, und zwar lebensnah) und fordern alle Kinder auf, am nächsten Morgen das in ihren Herkunftsländern typische Frühstück mitzubringen. Es soll gemeinsam gefrühstückt und über die Frühstücksgewohnheiten der in der Klasse vertretenen Länder geredet werden. So die Vorstellung der Lehrerin. Das Frühstück wird liebevoll vorbereitet, alle haben sich bemüht, die Stimmung ist gut. Die Lehrerin ist mit dem Ergebnis zufrieden. 10 Interkulturelle Pädagogik Interkulturelles Frühstück Hinterbühne Umgang mit interkulturellen Bemühungen. Auf Nachfragen stellt sich heraus, dass mehrere der Kinder diese Herkunftsländer, als deren Vertreter sie für die Lehrerin und z. T. auch für die Mitschülerinnen gelten, gar nicht oder kaum kennen. Ferner berichten zwei Kinder, dass weder sie selbst, noch die Eltern noch ihre Oma (im Herkunftsland der Eltern) frühstücken würden. Sie würden selbst nicht frühstücken, um morgens eine viertel Stunde länger zu schlafen. Für den interkulturellen Schulunterricht hätten sie Schafskäse und Oliven mitgebracht. Sie wollten nicht ohne was da stehen, wenn alle etwas mitbringen und wenn die Lehrerin es so gerne möchte. Auch die Neue (die Berufspraktikantin) sei so nett zu ihnen, dass sie ihr den Wunsch nicht abschlagen wollte. Außerdem geschmeckt habe es allen. 11 Interkulturelle Öffnung Reguläre Beratungsangebote sind so strukturieren, dass sie für MigrantInnen tatsächlich zugänglich sind, d.h. sprachlich-kulturelle Kompetenzen Mitarbeiterstruktur Organisationsformen Blickwechsel auf die eigene Gesellschaft 12 4
5 Kulturalisierung / Stereotypisierung Kulturalismus ist eine Form der Differenzzuschreibung und somit letztendlich in der Tendenz diskriminierend Stereotypisierung: Das Fest des Huhns Stigmatisierung Luzia Jurt, Praxistagung 2013 Migrationssensibles Handeln Wie werden Kategorien eingesetzt? Kategorien als Erklärungsmuster Kategorien als Verständnis Einforderung Erstens: Vergiss, dass ich schwarz bin Zweitens: Vergiss nie, dass ich schwarz bin Pat Parker 14 Kritische Anmerkung zum Gebrauch von Kultur Es geht darum, zum Thema zu machen, unter welchen Bedingungen die Praktik Kultur zum Einsatz kommt. Die entscheidende Frage heisst also nicht: Gibt es kulturelle Unterschiede? Die bedeutsamere Frage lautet vielmehr: Unter welchen Bedingungen benutzt wer mit welchen Wirkungen Kultur? (Mecheril 2004) Film: Spagat Luzia Jurt, Praxistagung 2013 Migrationssensibles Handeln
6 Soziale Arbeit im Migrationskontext: 3 zentrale Fragen 1. Wie schliesst die Soziale Arbeit das kulturell Andere aus? 2. Wie produziert die Soziale Arbeit das kulturell Andere? 3. Wie kann eine Soziale Arbeit aussehen, die das Andere nicht nötigt, sich als Anderes darzustellen und zugleich die Freiheit gewährt, sich als Anderes darzustellen? 16 Diskriminierung durch nicht Diskriminierung 17 Wie produziert die Soziale Arbeit das kulturell andere? Jeder Versuch, mit Differenz angemessen umzugehen, scheitert an der Ambivalenz zwischen Konstruktion und Unsichtbarmachung/Verschweigen. 18 6
7 Migrationssensiblen Handelns Migrationsbevölkerung wird in ihrer sozialen und individuell begründeten Lebenslage wahrgenommen Diese Wahrnehmung ist nicht defizitorientiert und reduziert die Person nicht auf ihr Herkunftsland Versteht interkulturelle Kompetenz als Differenzfertigkeit Anerkennt die Migranten/Migrantinnen als deutende und handelnde Subjekte Setzt die Fähigkeit des Perspektivenwechsels voraus Schafft Verhaltenssicherheit nicht durch Kenntnisse des Anderen, sondern durch das Aushalten möglicher Differenzen Die Kunst des Zuhörens 2. Blick auf Biografie und Lebenslage 3. Ermöglichen von Selbstwirksamkeit, Repräsentation und Partizipation 4. Ermöglichen von Mehrfachzugehörigkeiten 5. Thematisierung von Rassismus/Diskriminierung 6. Parteilichkeit 7. Kontakt, Grenzen und respektvolle Auseinandersetzung Die Kunst, zuzuhören und nicht zu verstehen Aktives Zuhören ohne zu beraten und zu belehren. Wahrnehmen und erkennen als Voraussetzung für Anerkennung Die Zuhörenden erfahren die Perspektive sowie Handlungsgründe des Gegenübers Die Erzählenden machen die Erfahrung als Subjekt gehört zu werden Die Erzählenden machen die Erfahrung ein Problem zu haben, nicht ein Problem zu sein 21 7
8 2. Im Mittelpunkt des Fallverstehens steht nicht die Kultur, sondern die jeweilige Biografie, die Familiengeschichte und der individuelle Blick darauf Ermöglichen von Selbstwirksamkeit (eigene Ressourcen wahrnehmen, etwas gestalten können) Repräsentation (gesellschaftliche Räume öffnen) Partizipation (reale Wahlmöglichkeiten schaffen) Ermöglichen von Mehrfachzugehörigkeit Fremd- und Selbstzuschreibungen Zugehörigkeit(en) werden über Handlungen und in konkreten Situationen erfahrbar (Zugehörigkeitsarbeit) Zugehörigkeit(en) sind nicht fraglos gegeben, sondern entwickeln und verändern sich Keine «entweder-oder»- bzw. «weder noch»-zugehörigkeit, sondern Mehrfachzugehörigkeiten als Normalität 24 8
9 5. Thematisierung von Rassismus / Diskriminierung Rassismus-/Diskriminierungserfahrungen von KlientInnen sind oft nicht bekannt Diese Erfahrungen werden Professionellen tendenziell geleugnet, verharmlost oder als unproblematisch dargestellt Parteiliche Begleitung MigrantInnen nicht als Opfer sondern als AkteurInnen wahrnehmen Wer sich aus familiären Zwängen befreien will, braucht Begleitung Diskussionsräume für Bewusstseinsbildung und Meinungsaustausch Kontakt und Auseinandersetzung Grenzen setzen ohne Anerkennung und Wertschätzung des Gegenübers zu verlieren Anliegen der MigrantInnen ernst nehmen, aber in Konfliktfällen Grenzen setzen und diese respektvoll begründen 27 9
10 Handlungsprinzip einer reflexiven Migrationspädagogik «Das Besondere der Sozialen Arbeit mit Migrantinnen und Migranten besteht vor allem darin, das Allgemeine besonders gut zu können» (Hamburger, 2009) 28 CAS Migrationssensibles Handeln Programm: - Migration als soziales Problem? Grundlagen - Ausländer- und Asylrecht / Antidiskriminierungsrecht - Migration als soziales Problem? Integration und Ausschluss - Migrationssensibles Handeln - Umgang mit kultureller Differenz in der Beratung - Kulturelle Differenz und Institutionen - Qualitätssicherung und Sozialmanagement 29 CAS Migrationssensibles Handeln Wahlmodule: - Migration, Trauma und professionelle Begleitung - Gewalt und Männlichkeit im Migrationskontext - Behinderung und Migration - Beratung und Begleitung von Migranten(familien) - MigrantInnen muslimischen Glaubens 30 10
11 CAS Migrationssensibles Handeln Termine: 16. Mai 2013 bis 10. Januar 2014 Kurstage:
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